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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2016
17. Jahrgang
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1. Eine Blutalkoholkonzentration von mehr als drei Promille, die hier bei beiden Angeklagten durch den Rückrechnungsansatz des Sachverständigen in Betracht kommt, legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung des Hemmungsvermögens zur Tatzeit nahe. Auch wenn davon auszugehen ist, dass es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss (vgl. BGHSt 43, 66, 72 ff), ist der im Einzelfall festzustellende Wert doch immerhin ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine erhebliche alkoholische Beeinflussung.
2. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass die Wirkungen einer Alkoholaufnahme individuell verschieden sind. Der Blutalkoholgehalt zeigt nämlich immerhin die wirksam aufgenommene Alkoholmenge an. Je höher dieser Wert ist, umso näher liegt die Annahme einer zumindest erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit.
3. Bei einer starken Alkoholisierung lässt sich eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit nur ausschließen, wenn gewichtige Anzeichen dafür sprechen, dass das Hemmungsvermögen des Täters zur Tatzeit erhalten geblieben war (vgl. BGH NJW 2015, 3525, 3526).
4. Erforderlich ist stets eine Gesamtwürdigung der feststellbaren Alkoholaufnahme einerseits und der psychodiagnostischen Kriterien andererseits (vgl. BGH NStZ 2015, 634). Dabei sind allerdings nur solche Umstände zu berücksichtigen, die aussagekräftige Hinweise darauf geben können, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erhalten geblieben ist oder nicht. Die Tatsache, dass sich besonders trinkgewohnte Personen trotz erheblicher Alkoholisierung äußerlich unauffällig verhalten können, deutet an, dass manche Umstände aus dem äußeren Geschehensablauf ohne Aussagekraft dafür sind, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erheblich eingeschränkt war oder nicht (vgl. BGH NJW 2015, 3525, 3526).
5. Der Blutalkoholgehalt ist zwar kein allein maßgebliches, aber doch im Einzelfall gewichtiges Beweisanzeichen (vgl. BGHSt 57, 247, 252). Es darf deshalb, soweit Feststellungen möglich sind, nicht offen gelassen werden.
Beihilfe durch positives Tun setzt einen durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen voraus (vgl. BGH StV 1982, 516). Dies gilt in den besonders problematischen Fällen der bloßen Vermittlung eines „Gefühls der Sicherheit“ erst recht. Allein das Wissen um die Begehung der Haupttat genügt den Anforderungen an eine Beihilfe durch aktives Tun daher nicht. Auch Handlungen, die erkennbar nicht erforderlich oder nutzlos für das Gelingen der Tat sind, reichen nicht aus, um daraus eine Beihilfe zu entnehmen. Ist der Schwerpunkt seines Verhaltens aber in einem Unterlassen zu sehen, das mangels Garantenstellung im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB nicht strafbar ist, so darf dieses Ergebnis nicht dadurch umgangen werden, dass das Verhalten in eine nicht näher konkretisierbare und feststellbare psychische Beihilfe durch aktives Tun umgedeutet wird.
1. Zwar ist für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe allein eine andere rechtliche Einordnung der Haupttat unschädlich, sofern die vorgestellte Haupttat in ihrem Unrechtsgehalt
von der tatsächlich begangenen nicht gänzlich abweicht (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 177). Demgegenüber können einem Gehilfen aber nicht ohne weiteres qualifizierende Merkmale zugerechnet werden.
2. Dies muss auch für eine über einen Wohnungseinbruch hinausgehende räuberische Erpressung gelten, da schon die Straferwartung des § 249 Abs. 1 StGB (ein Jahr bis 15 Jahre) den gegenüber dem § 244 Abs. 1 StGB (sechs Monate bis zehn Jahre) erhöhten Unrechtsgehalts der räuberischen Erpressung anzeigt.
1. Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolgs in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (vgl. BGH NStZ 2008, 451).
2. Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (vgl. BGH NStZ 2008, 93 f.). Diese Gesamtschau ist insbesondere dann notwendig, wenn der Tatrichter allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss (vgl. BGH NJW 2006, 386 f.). Sie ist lückenhaft, wenn der Tatrichter sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (vgl. BGH NZWiSt 2012, 71 f.).
3. Ein mit bedingten Tötungsvorsatz handelnder Täter muss kein Tötungsmotiv haben, sondern kann auch einem anderen Handlungsantrieb nachgehen (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 172 f.). Selbst ein unerwünschter Erfolg steht dessen billigender Inkaufnahme nicht entgegensteht (vgl. BGH NStZ 2015, 460).
Beschränkt sich die Beteiligung an einer Raubtat auf die Mitwirkung beim Ausspähen des Tatortes sowie auf die passive Begleitung des (Haupt-)Täters auf dem Beifahrersitz des für die Fahrt zum Tatort gebrauchten Kfz, begründet das regelmäßig keine (Mit-)Täterschaft. Ein gemeinsamer Tatentschluss sowie das Interesse am Gelingen der Überfälle vermag daran nichts zu ändern. Anders kann sich die Lage darstellen, wenn der Beteiligte absprachegemäß auf dem Fahrersitz fluchtbereit auf den Haupttäter wartet und nach der Durchführung der Tat das Fluchtfahrzeug fährt.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen und deren Verletzung einer additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift daher der Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht sowohl bei natürlicher als auch bei rechtsethisch wertender Betrachtungsweise selbst bei einheitlichem Tatentschluss und engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge rechtlich als eine Tat zusammenzufassen (vgl. BGH NStZ 2006, 284). Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen innerhalb weniger Sekunden oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 82).
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Annahme eines besonders schweren Falles des Totschlags im Sinne des § 212 Abs. 2 StGB voraus, dass das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muss ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Hierfür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat kennzeichnenden Umstände zu einem gesetzlichen Mordmerkmal. Es müssen vielmehr schulderhöhende Momente hinzutreten, die besonders gewichtig sind (vgl. BGH NJW 1982, 2264, 2265).
3. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält, wobei es auf die Tätersicht nach
Abschluss der letzten Ausführungshandlung ankommt. Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt oder hat er eine entsprechende subjektive Vorstellung dahin, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr.).
1. Eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 251 StGB setzt vorsätzliches Handeln voraus; nur hinsichtlich der schweren Folge genügt Leichtfertigkeit (§ 18 StGB). Hat bei einem Raub mit Todesfolge lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht, so sind die anderen gemäß § 251 StGB nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist (vgl. BGH NStZ 2008, 280). Ein Beteiligter haftet gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hatte (vgl. BGH NStZ 2010, 81).
2. Zwar ist es für eine gemeinschaftliche Tatbegehung nicht erforderlich, dass jeder der Mittäter eigenhändig an der zum Tode führenden Verletzungshandlung teilnimmt. Auch begründet nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan bzw. den Vorstellungen des Mittäters die Annahme eines Exzesses. Die dem Opfer zugefügten Körperverletzungen dürfen jedoch nicht von wesentlich anderer Art und Beschaffenheit sein, als der Mittäter es wollte und sich vorstellte (vgl. BGH NStZ 2010, 81 f.).
3. Sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, wenn ein Täter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen – selbst bei Abweichungen vom ursprünglichen Tatplan in wesentlichen Punkten – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung eintritt. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm die gesamte Tat zugerechnet werden kann.
4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann im Hinblick auf die deutlich erhöhte Strafdrohung in § 251 StGB von einer leichtfertigen Todesverursachung „durch die Tat“ nur dann ausgegangen werden, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie gegeben ist, sondern sich im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand einhergehen (vgl. BGHSt 33, 322).
5. Der für § 251 StGB erforderliche qualifikationsspezifische Zusammenhang ist jedoch nicht nur gegeben ist, wenn der Täter durch eine Nötigungshandlung, die der Ermöglichung der Wegnahme dient, den Tod des Opfers herbeiführt. Bei einer auf den Zweck der Vorschrift des § 251 StGB abstellenden Betrachtungsweise ist der besondere Zusammenhang auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht (vgl. BGH NJW 1998, 3361 für den Versuch des § 251 StGB). Demzufolge kann der Tatbestand des § 251 StGB auch dann gegeben sein, wenn der Täter die zum Tode führende Gewalt nicht mehr zur Ermöglichung der Wegnahme, sondern zur Flucht oder Beutesicherung anwendet, sofern sich in der schweren Folge noch die spezifische Gefahr des Raubes realisiert, und der Raub bzw. die räuberische Erpressung noch nicht beendet war (vgl. BGHSt 38, 295, 298).
6. Zwar haften Mittäter oder Gehilfen einer unerlaubten Handlung gemäß § 830 BGB auch hinsichtlich des im Wege des Adhäsionsverfahrens geltend gemachten Schmerzensgeldes regelmäßig in voller Höhe und nicht nur ihrem Tatbeitrag entsprechend. Eine Differenzierung bei der Höhe des Schmerzensgeldes kommt aber in Betracht, wenn die unterschiedlichen Tatbeiträge eine unterschiedliche Bemessung unter Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes nahe legen.
Der 2. Strafsenat hält an seiner Rechtsprechung nicht fest, wonach der Täter nicht mit Ermöglichungsabsicht handelt, der das von ihm schwangere Opfer tötet, um die Geburt des Kindes zu verhindern.
1. Bei einem Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle setzt die Annahme eines vollendeten Betrugs voraus, dass der Täter durch (konkludentes) Vortäuschen seiner Zahlungsbereitschaft bei dem Kassenpersonal einen entsprechenden Irrtum hervorruft, der anschließend zu der schädigenden Vermögensverfügung (Einverständnis mit dem Tankvorgang) führt. Mangels Irrtumserregung liegt jedoch kein vollendeter Betrug vor, wenn das Betanken des Fahrzeugs vom Kassenpersonal überhaupt nicht bemerkt wird. In einem solchen Fall ist vielmehr regelmäßig vom Tatbestand des versuchten Betrugs auszugehen, wenn das Bestreben des Täters von Anfang an darauf gerichtet war, das Benzin unter Vortäuschung einer nicht vorhandenen Zahlungsbereitschaft an sich zu bringen, ohne den Kaufpreis zu entrichten (vgl. BGH NJW 1983, 2827).
2. Die vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 StGB setzt – anders als § 315c Abs. 3 Nr. 1 StGB – hinsichtlich aller Tatumstände zumindest bedingten Vorsatz verlangt. Der Vorsatz des Täters muss deshalb nicht nur die Fahrunsicherheit, sondern auch die konkrete Gefahr umfassen. Der Täter muss insoweit die Umstände kennen, die den Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als nahe liegende Möglichkeit erscheinen lassen und sich mit dem Eintritt dieser Gefahrenlage zumindest abfinden (vgl. BGH zfs 2014, 713).