HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 245
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 468/15, Beschluss v. 22.12.2015, HRRS 2016 Nr. 245
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 14. Juli 2015, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts drangen die beiden nicht revidierenden Mitangeklagten A. und K. in den frühen Morgenstunden des 2. November 2014 in die Wohnung des Geschädigten in Q. ein. Sie durchsuchten die Wohnung und nahmen eine Geldkassette mit Schmuck an sich. Den Geschädigten, den sie aufweckten, zwangen sie zur Öffnung eines Tresors, aus dem sie Bargeld in Höhe von ca. 1.400 Euro entnahmen.
Der Angeklagte B. hatte den beiden Mitangeklagten den Tatort zuvor genannt und das Umfeld unter anderem am 27. Oktober 2014 ausspioniert. Darüber hinaus stellte er den Mitangeklagten eine Wohnung in O. zur Verfügung, in der er sich ebenfalls vorübergehend aufhielt. Die Mitangeklagten konnten in dieser Wohnung übernachten und die Beute verstecken, was - ebenso wie das Einsteigen und die Art und Weise der Tatbegehung - von vornherein zwischen allen Angeklagten so abgesprochen war.
2. Ihre Überzeugung von der Tatbeteiligung des zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten B. hat die Strafkammer im Wesentlichen darauf gestützt, dass er am 27. Oktober 2014 mehrfach mit dem Mitangeklagten A. telefoniert habe, während sich dieser auf der Fahrt von H. nach Q. befand. Daraus ergebe sich, dass der Angeklagte auf das Tatobjekt hingewiesen und es ausspioniert habe. Seine Tatbeteiligung werde auch dadurch belegt, dass ein Teil der Beute bei seiner Festnahme in der Wohnung in O. dort sichergestellt werden konnte (UA S. 17).
Das Urteil hat keinen Bestand. Die Feststellungen des Landgerichts beruhen auf einer fehlerhaften und nicht tatsachengestützten Beweiswürdigung.
1. Eine die Tat fördernde Beihilfehandlung des Angeklagten B. ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte B. habe das Tatobjekt in Q. den Mitangeklagten benannt bzw. darauf hingewiesen und sowohl den Tatort wie das Tatobjekt ausspioniert (UA S. 10, 17), entbehrt einer hinreichenden Tatsachengrundlage und fehlerfreien Beweiswürdigung.
Die Strafkammer hat sich maßgeblich auf mehrere aufgezeichnete Telefonate gestützt, die der Angeklagte A. am 27. Oktober 2014 führte, während er von H. nach Q. fuhr. Dabei ist das Gericht zwar rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte A. mit einem Gesprächspartner telefonierte, der ein dem Angeklagten B. zuzuordnendes Mobiltelefon nutzte.
Dagegen beruht die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte B. sei bei den Telefonaten als der Gesprächspartner aufgetreten, der angewiesen wurde, das Tatobjekt auszuspionieren, auf einer lückenhaften Beweiswürdigung. Das Gericht, das „mangels Hinweisen auf eine weitere vierte Person“ davon ausgegangen ist, dass hier nur der Angeklagte B. und A. miteinander telefoniert haben könnten (UA S. 31), hat es insoweit versäumt, sich damit auseinanderzusetzen, dass nach den in den Urteilsgründen mitgeteilten Wortprotokollen während der Gespräche ein erkennbarer Wechsel der Gesprächspartner stattgefunden hat:
In dem ersten der aufgezeichneten Gespräche drängte zwar der Angeklagte A. seinen als „B“ bezeichneten Gesprächspartner, nachzuschauen, ob in einem der „Stockwerke“ „die Lichter des Fahrzeugs angehen“, was rechtsfehlerfrei als Aufforderung, ein bestimmtes Objekt auszuspionieren, verstanden werden konnte. Der Gesprächspartner des A. reagierte darauf aber nur dergestalt, dass er mit den Worten „hier, hier rede mit dem Onkel“ auf eine offensichtlich weitere Person verwies. Nach der Erwiderung des A. mit „gib ihn mir schneller, denn mein Guthaben ist alle“, brach das Gespräch ab. In einem wenige Minuten später geführten Gespräch übergab dann der als „B“ bezeichnete Gesprächspartner mit den Worten „Hier, rede mit ihm“ das Mobiltelefon an einen mit „B1“ bezeichneten Gesprächspartner weiter, den A. mit den Worten „Oh Onkel“ begrüßte (UA S. 22, 23) und mit dem er in den folgenden Gesprächen alles Weitere besprach.
Ungeachtet dessen ist den in Bezug genommenen Wortprotokollen schon nicht zu entnehmen, dass der Gesprächspartner des A. das Tatobjekt als solches benannte. Zwar hat das Landgericht seine Überzeugung, dass der Angeklagte auf das Tatobjekt hingewiesen und es ausspioniert habe, an anderer Stelle auch damit begründet, dass der Angeklagte B. über die „übergreifenden und besseren Ortskenntnisse“ verfügt habe, während sich die beiden Mitangeklagten in der Gegend nicht auskannten (UA S. 31). Denn aus den Wortprotokollen der Telefonüberwachung ergebe sich, dass die Mitangeklagten K. und A. nicht einmal wussten, wie „Q.“ geschrieben werde.
Die Wortprotokolle lassen jedoch auch diesen Schluss nicht zu. Wenngleich A. wiederholt im Plural sprach, wird der Angeklagte K. in keinem Protokoll überhaupt erwähnt; auch die Strafkammer trifft insoweit keine Feststellungen. Der Mitangeklagte A. sprach zwar in einem der Telefongespräche vom 27. Oktober 2014 in der Tat fehlerhaft von „C. “. Doch auch sein Gesprächspartner, bei dem es sich um den Angeklagten B. handeln soll, sprach ebenso fehlerhaft mehrfach von „Q. “. Die übergreifenden und besseren Ortskenntnisse des Angeklagten B. erschließen sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, denn festgestellt ist insoweit nur, dass alle drei Angeklagten in Deutschland über keinen festen Wohnsitz verfügten, vor der Tat mindestens einmal in Q. waren, um den Tatort zu erkunden (UA S. 17), und dass sich der Angeklagte B. zur Tatzeit „ebenfalls vorübergehend“ in einer rund 60 km von Q. entfernten Wohnung in O. aufhielt.
b) Auch die weitere Feststellung, der Angeklagte habe die Tat dadurch gefördert, dass er den beiden Mitangeklagten schon vor der Tat zugesagt habe, die Beute in der Wohnung in O. lagern zu können, findet in den Urteilsgründen keine Tatsachengrundlage und erweist sich von daher als bloße Vermutung.
Die Strafkammer hat im Rahmen der Beweiswürdigung als „erhebliches Indiz“ für eine Teilnahme des Angeklagten B. an der Tat am 2. November 2014 insoweit lediglich darauf abgestellt, dass ein Teil der Beute in der Wohnung in O. aufgefunden wurde. Allein dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, eine Beteiligung des Angeklagten an der zeitlich vorangegangenen Haupttat zu belegen.
2. Ungeachtet dessen ist das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen nicht belegt. Die Strafkammer hat sich auf die Feststellung beschränkt, das Einsteigen und „die Art und Weise der Tatbegehung“ sei zwischen den Angeklagten verabredet worden (UA S. 10).
Dies entbehrt jedenfalls in Bezug auf den Gehilfenvorsatz für eine räuberische Erpressung einer tatsachengestützten Beweiswürdigung. Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, worauf sich die Annahme des Gerichts stützt, dass der Angeklagte über einen Wohnungseinbruch hinaus auch damit rechnen musste, die Mitangeklagten würden den Geschädigten wecken und unter Androhung von Gewalt oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Herausgabe von Geld und Wertsachen veranlassen. Dies versteht sich auch nicht von selbst. Auch wenn man an dieser Stelle zugrunde legte, dass der Angeklagte auf das Tatobjekt hingewiesen und es ausspioniert hätte, kann daraus nicht ohne weiteres auf den Gehilfenvorsatz für einen Wohnungseinbruch sowie für eine räuberische Erpressung geschlossen werden.
Zwar ist allein eine andere rechtliche Einordnung der Haupttat unschädlich, sofern die vorgestellte Haupttat in ihrem Unrechtsgehalt von der tatsächlich begangenen nicht gänzlich abweicht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177). Vom Gehilfenvorsatz ist deshalb ohne weiteres mitumfasst, wenn die Haupttäter zwischen Raub und räuberischer Erpressung wechseln (BGH, Urteil vom 18. Juni 1991 - 1 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7). Demgegenüber können einem Gehilfen aber nicht ohne weiteres qualifizierende Merkmale (etwa nach § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB) zugerechnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 337); ebenso wenig ein Raub, wenn nur ein Einbruchsdiebstahl gemäß den §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB geplant war (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1955, 143; BGHSt 11, 66 f.; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27, Rn. 62). Nichts anderes kann für eine über einen Wohnungseinbruch hinausgehende räuberische Erpressung gelten, da schon die Straferwartung des § 249 Abs. 1 StGB (ein Jahr bis 15 Jahre) den gegenüber dem § 244 Abs. 1 StGB (sechs Monate bis zehn Jahre) erhöhten Unrechtsgehalts der räuberischen Erpressung anzeigt.
3. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 245
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede