HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 243
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 419/15, Beschluss v. 22.12.2015, HRRS 2016 Nr. 243
1. Auf die Revision des Angeklagten V. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 18. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Angeklagten K. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagte K. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Den Angeklagten V. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und eine Anrechnungsentscheidung getroffen. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten V. ist begründet. Die Revision der Angeklagten K. bleibt ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.2. der Urteilsgründe mietete der Angeklagte V. eine von zwei Hallen, die zum Anwesen des gesondert verfolgten J. K. gehörten, dem Vater der Angeklagten K. Den abgegrenzten vorderen Bereich dieser Halle nutzte er dazu, um Motorräder unterzustellen oder Fahrzeuge zu reparieren.
Im Frühsommer 2013 entschlossen sich unbekannt gebliebene Personen, im hinteren Bereich der Hallen eine Cannabisplantage zu betreiben. Dazu wurden diese ausgebaut. Es wurden Holzverschläge und ein mit Teichfolie verhängter Mauerdurchbruch angebracht. Von dort konnte man in separate Räume gelangen, in denen Cannabispflanzen gezüchtet wurden. Die Angeklagte K. führte dort Pflegearbeiten durch. Der Angeklagte V. war an dem Anbau von Cannabis in den rückwärtigen Teilen der Hallen nicht beteiligt, er ahnte jedoch etwas davon.
Mit der Angeklagten K. vereinbarte der Angeklagte V., dass sie ihre Pferde für insgesamt 6000 Euro, die in monatlichen Raten von 500 Euro zu zahlen waren, für einige Zeit in ihm gehörenden Stallungen unterstellen könne. Als er bei einem Gespräch mit der Angeklagten K., das in einem Büroraum in der nicht von ihm gemieteten Halle stattfand, Ausrüstungsgegenstände zum Betrieb der Cannabisplantage entdeckte, erklärte sie, dass er sich seinen Teil denken möge. Die Angeklagte K. wollte den Angeklagten jedoch davon abhalten, die Plantage zu verraten. Deshalb kündigte sie ihm an, dass als Entgelt für das Unterstellen der Pferde nunmehr 1500 Euro monatlich gezahlt würden, bis der vereinbarte Gesamtbetrag von 6000 Euro erreicht sei. Jedenfalls in den Monaten Januar bis März 2014 leistete die Angeklagte K. entsprechende Ratenzahlungen, „wofür der Angeklagte V. ihr bzw. den die Plantage betreibenden Personen willentlich und wissentlich die Sicherheit vermittelte, ihre Tätigkeit auf der Plantage ungehindert fortführen zu können, was sie - bis zur Entdeckung durch die Polizeikräfte - auch taten.“
2. Zur Beweiswürdigung hinsichtlich der Handlungen des Angeklagten V. hat das Landgericht ausgeführt, er habe „sich geständig im Sinne der getroffenen Feststellungen eingelassen.“ An der Glaubhaftigkeit seiner Angaben bestünden keine Bedenken.
3. Das Landgericht hat im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung ausgeführt, der Angeklagte V. habe durch Annahme der erhöhten Zahlungsraten zum Ausdruck gebracht, den Betrieb der Plantage nicht stören zu wollen. Darin liege psychische Beihilfe.
Die Revision der Angeklagten K. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Urteil begegnet hingegen, soweit es im Fall II.2. den Angeklagten V. betrifft, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Die Feststellungen zur Bedeutung der Annahme erhöhter Monatsraten für die Stallmiete durch den Angeklagten V. für die Begehung der Haupttat durch unbekannte Täter oder für die Beihilfe der Angeklagten K. sind nicht tragfähig begründet worden.
Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, worauf das Landgericht seine Überzeugung gestützt hat, der Angeklagte V. habe der Angeklagten K. „bzw.“ den die Plantage betreibenden Haupttätern vorsätzlich die Sicherheit vermittelt, ihre Tätigkeit ungehindert fortführen zu können. Dem nicht näher erläuterten Geständnis des Angeklagten V. konnte eine solche Feststellung nicht ohne weiteres entnommen werden. Zu einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Begründung des Urteils hätte es zumindest der Erläuterung dieser geständigen Einlassung bedurft. Auch wäre es im Hinblick auf die Tatsachenfeststellung einer subjektiven Wirkung des Verhaltens des Angeklagten auf andere erforderlich gewesen, die Richtigkeit einer diesbezüglichen Sachaussage des Angeklagten V. gegebenenfalls zu überprüfen (vgl. zur Notwendigkeit der Geständnisüberprüfung allgemein Senat, Beschluss vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.; Beschluss vom 5. November 2013 - 2 StR 265/13, BGHR StPO § 261 Geständnis 2). Die bloße Behauptung, es bestünden keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Geständnisses des Angeklagten V., vermag diese Prüfung nicht zu ersetzen.
2. Die rechtliche Würdigung der Handlung des Angeklagten V. als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch aktives Tun ist ebenfalls zu beanstanden.
a) Zwar ist auch eine „Beihilfe zur Beihilfe“ rechtlich möglich (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00, NJW 2001, 2409, 2410; NK/Schild, StGB, 4. Aufl., § 27 Rn. 8). Jedoch setzt Beihilfe durch positives Tun einen durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 1982 - 2 StR 201/82, StV 1982, 516; Beschluss vom 17. März 1995 - 2 StR 84/95, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 14; Beschluss vom 17. November 2009 - 3 StR 455/09, NStZ 2010, 224 f.). Dies gilt in den besonders problematischen Fällen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 27 Rn. 12 mwN) der bloßen Vermittlung eines „Gefühls der Sicherheit“ erst recht. Allein das Wissen um die Begehung der Haupttat genügt den Anforderungen an eine Beihilfe durch aktives Tun daher nicht. Auch Handlungen, die erkennbar nicht erforderlich oder nutzlos für das Gelingen der Tat sind, reichen nicht aus, um daraus eine Beihilfe zu entnehmen (vgl. Heine/Weißer in Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 27 Rn. 15; SSW/Murmann, StGB, 2. Aufl., § 27 Rn. 5).
b) Nach diesem Maßstab ist den Feststellungen des Landgerichts keine aktive Beihilfehandlung des Angeklagten zu entnehmen.
Soweit der Angeklagte die ohnehin vertraglich geschuldete Stallmiete angenommen hat, die ihm lediglich durch erhöhte Raten bei gleichbleibender Gesamtsumme rascher gezahlt wurde, war dies für das Gelingen der Haupttat ohne erkennbare Bedeutung.
Der konkludente Erklärungswert der Äußerungen beim Gespräch des Angeklagten V. mit der Angeklagten K. ging nicht darüber hinaus, dass der Angeklagte V. die Begehung der Haupttat zur Kenntnis genommen hat und nicht dagegen einschreiten wollte. Die Wirkung dieses Geschehens bestand auch nach Ansicht des Landgerichts vor allem im Unterlassen einer Strafanzeige durch den Angeklagten V. Ist der Schwerpunkt seines Verhaltens aber in einem Unterlassen zu sehen, das mangels Garantenstellung im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB nicht strafbar ist, so darf dieses Ergebnis nicht dadurch umgangen werden, dass das Verhalten in eine nicht näher konkretisierbare und feststellbare psychische Beihilfe durch aktives Tun umgedeutet wird.
3. Der Senat kann nicht durch Freisprechung des Angeklagten V. selbst in der Sache entscheiden, weil ein neues Tatgericht möglicherweise durch ergänzende Feststellungen unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Verurteilung gelangen kann. Dies könnte etwa wegen vollendeter oder versuchter Geldwäsche (§§ 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 22 StGB) geschehen, die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen auch bei fehlendem Nachweis einer Vortatbeteiligung des Angeklagten V. (§ 261 Abs. 9 Satz 2 StGB) als Auffangtatbestand in Frage kommt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. März 2015 - 2 StR 495/12 unter B.II.3.a.bb).
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 243
Externe Fundstellen: NStZ 2016, 463 ; StV 2017, 307
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede