HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2016
17. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zugang zum staatlichen Wissen

Ermittlungspflichten im NSU-Komplex

Von Maximilian Pichl, Frankfurt a. M.[*]

I. Einleitung

Über  250 Verhandlungstage haben im Prozess zur Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (kurz: NSU) mittlerweile stattgefunden. Der Prozess[1] gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, sowie gegen die aufgrund von Beihilfe zum Mord und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagten Tatverdächtigen Ralf Wohlleben, Holger G., Carsten S. und Andrè E., soll klären, wer zwischen 1998 und 2011 für die Ermordung von zehn Menschen – darunter neun mit migrantischem Hintergrund[2] – sowie für drei Sprengstoffattentate und zahlreiche Banküberfälle verantwortlich ist. Die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex ist bislang defizitär. Abgesehen von einigen wenigen Beiträgen aus der Rechtswissenschaft[3], wird der NSU-Komplex vorrangig durch die Sozialwissenschaft[4] und journalistische Recherchen aufgearbeitet.[5]

Neben der strafrechtlichen Schuldfrage von Beate Zschäpe u.a. ist im Rahmen des NSU-Prozess immer wieder durch Beweisanträge der Nebenklage und Verteidigung die Rolle der Sicherheitsbehörden thematisiert worden. Im Fokus steht hierbei das V-Leute-System des Verfassungsschutzes und anderer Geheimdienste. Über 40 V-Leute verschiedener Ämter sollen sich im Umfeld des NSU befunden haben. Ob sie genauere Informationen über den Verbleib und die Aktivitäten des NSU gehabt und dies den Ämtern mitgeteilt haben, ist weiterhin fraglich. Die Aufklärung dieses Sachverhalts gestaltet sich schwierig, da durch den Verfassungsschutz Aktenbestände vernichtet wurden, beispielsweise am 11.11.2011 die Beschaffungs- und Werbungsakten zu sieben V-Leuten der "Operation Rennsteig"[6] . Die Akten konnten mittlerweile teilweise rekonstruiert werden, liegen dem Prozess jedoch nicht vor.

Der NSU-Komplex gibt beispielhaft Anlass zur Frage, ob in einem Strafprozess gegen Privatpersonen, bei dem ungeklärt ist inwieweit staatliche Stellen (Teil-)Wissen über die Mordhandlungen oder die Täter hatten, entsprechende Akten zur Klärung des staatlichen Wissensbestandes aus den Geheimdiensten beizuziehen und den Prozessbeteiligten zur Einsichtsnahme vorzulegen sind. Der Münchner Senat hat Beweisanträge der Nebenklage zur Beiziehung von Akten aus dem Verfassungsschutz im Februar 2016 abgelehnt. [7] Doch zu beachten ist hierbei die umfangreiche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der effektive staatliche Ermittlungspflichten in Mordfällen begründet hat, die auch die Mitwisserschaft von staatlichen Informanten im Umfeld von Tätern zum Gegenstand hatten. [8] Spricht die StPO von Aufklärungs- bzw. Sachaufklärungspflichten, hat der EGMR den Begriff Ermittlungspflichten geprägt, der sich nicht auf die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft beschränkt. Vielmehr geht es hierbei um eine völkerrechtliche Ausformung der Sachaufklärung, die ebenfalls Legislative und Judikative bindet. Neben dem NSU-Prozess sind die Ermittlungspflichten daher auch für die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in den Ländern und im Bund relevant.

Der folgende Beitrag skizziert zunächst, welche Erkenntnisse aktuell die Annahme für möglich erscheinen lassen, dass die Geheimdienste über V-Leute Informationen über die NSU-Mordserie erhalten haben könnten, die dann z.T. vernichtet wurden (II.) Anschließend wird die

Rechtsprechung des EGMR zu staatlichen Ermittlungspflichten im Hinblick auf Konventionsverstöße gegen Art. 2 (Recht auf Leben) und 13 (Recht auf wirksame Beschwerde) EMRK rekonstruiert (III.) Abschließend wird erörtert, inwieweit die Rechtsprechung auf den NSU-Komplex anwendbar ist und ob hieraus Aufklärungspflichten begründet werden, die über die nationalen Sachaufklärungspflichten hinausgehen und die Beiziehung von entsprechenden Akten bewirken könnten (IV.).

II. Das Wissen des Verfassungsschutzes um die Mordserie

Zwischen 1997 und 2003 lief die von verschiedenen Ämtern der Sicherheitsbehörden (darunter Bundesamt für Verfassungsschutz ( BfV ), LfV Thüringen und Bayern, Militärischer Abschirmdienst) betriebene "Operation Rennsteig." Durch sie wurden acht Personen im Umfeld des Thüringer Heimatschutzes (THS) angeworben, einer rechtsradikalen, militanten Organisation, in der die späteren mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe politisch sozialisiert wurden.[9] Am 11. November 2011, kurz nach der Selbstenttarnung des NSU, wurden im BfV Akten zu sieben V-Leuten geschreddert, die im Rahmen der "Operation Rennsteig" angeworben worden waren oder werden sollten.[10] Der Verfassungsschutz berief sich zunächst auf datenschutzrechtliche Aspekte als Begründung für die Vernichtung, die nicht im Zusammenhang mit dem NSU stehen würden. Dagegen wandte der damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar ein, dass § 13 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG, alte Fassung) keine Vernichtung oder Löschung, sondern vielmehr eine Sperrung für personenbezogene Daten in Papierakten vorsehe.[11] Entsprechend änderte sich die Erzählung und es hieß jetzt, der, die Vernichtung anordnende Beamte, hätte sich wegen Arbeitsüberlastung vorschriftswidrig verhalten. Er habe nur verhindern wollen, dass die Akten ihm immer wieder vorgelegt würden, und sie deshalb vernichten lassen, er hätte sie vorher auf relevante Informationen kontrolliert[12] . Als Konsequenz aus der Affäre trat der damalige Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm am 31. Juli 2012 von seinem Amt zurück. Zur Untersuchung wurde ein Sonderermittler eingesetzt, der damalige Unterabteilungsleiter des Verfassungsschutzes im Bundesinnenministerium, der jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Enttarnung des NSU und der Vernichtung der Akten feststellen konnte[13] .

Die Akten konnten zwischenzeitlich teilweise rekonstruiert werden, da sie in anderen Abteilungen des Verfassungsschutzes weiterhin vorhanden waren. Die Relevanz der Akten für den NSU-Komplex lässt sich anhand des V-Manns "Tarif" darstellen. Dieser wurde erst im Oktober 2013 enttarnt und gab in seiner Vernehmung durch die Bundesanwaltschaft an, dem BfV bereits 1998 wichtige Hinweise über den NSU weitergegeben zu haben, denen jedoch nicht nachgegangen wurde.[14] Da die weiteren sechs V-Leute ebenfalls auf den THS und damit die politische Unterstützerstruktur des NSU angesetzt waren, ist nicht auszuschließen, dass durch die Einsicht in die Akten mögliches Wissen der Ämter über die Mordserie rekonstruiert werden könnte. Insgesamt sollen im erweiterten NSU-Umfeld über 40 V-Leute platziert gewesen sein. Hierzu gehören V-Leute des Verfassungsschutzes wie Tino Brandt, Carsten S. oder  Marcel D., die alle ihrem jeweiligen Verfassungsschutzamt noch nach dem Untertauchen über das Trio berichtet haben.

III. EGMR-Rechtsprechung: Staatliche Ermittlungspflichten bei Mordserien

Die Rechtsprechung des EGMR hat in den letzten Jahren zur Herausbildung  staatlicher Ermittlungspflichten beigetragen, die sich auch auf das nationale Strafprozessrecht auswirken. [15] Im Folgenden werden nur die für den NSU-Komplex relevanten Urteile aus dieser Rechtsprechungslinie rekonstruiert.

Fraglich ist, ob sich aus der Rechtsprechung des EGMR Pflichten ableiten lassen, Akten des Verfassungsschutzes oder von Strafverfolgungsbehörden beiziehen zu lassen, sofern Anhaltspunkte vorliegen, die eine wie auch immer geartete Nähe der Sicherheitsbehörden zu den Angeklagten oder deren Verstrickung in die Taten nicht ausschließen lassen.

Anträge auf Aktenbeiziehung sind stets dann Beweisermittlungsanträge i.S.d . § 244 Abs. 2 StPO, wenn die Antragssteller eine gesamte Akte, also eine "Urkundensammlung", beiziehen wollen. Um einen Beweisantrag handelt es sich nur dann, wenn die Beiziehung und Verlesung einzelner Dokumente einer Akte versehen mit einer konkreten Beweisbehauptung zu deren Inhalt beantragt ist. Beweisermittlungsanträge hat das Gericht im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO zu bescheiden. Diese Pflicht reicht so weit wie die aus dem gesamten Prozessstoff bekanntgewordenen Tatsachen zum Gebrauch von Beweismitteln drängen oder ihn nahe legen.[16] Dementsprechend müssen Be-

weisanträge eine gewisse Konkretheit aufweisen und dem Gericht darlegen, warum sie für die Sachaufklärung und die möglicherweise strafrechtliche Verurteilung relevant sind.

Bei Mordserien, in denen staatliche Akteure mutmaßlich mitwissend sind, ergibt sich das Problem, dass die Prozessbeteiligten keinen direkten Zugang zu den das Geschehen betreffenden Akten haben – um einen konkreten Beweisantrag zu formulieren, müsste ohne Kenntnis der Akten bereits im Vorhinein feststehen, was gesucht wird. Es ist fraglich, ob diese strafprozessrechtliche Paradoxie mit der EGMR-Rechtsprechung vereinbar ist.

1. Prozessuale Voraussetzungen

Die Rechtsprechung zur staatlichen Ermittlungspflicht hat der EGMR insbesondere aus Art. 2 und Art. 13 EMRK abgeleitet. Danach enthalten die materiellen Konventionsrechte verfahrensrechtliche Garantien.[17] Die besondere Bedeutung von Art. 2 ergibt sich aus der vom EGMR ausgeformten Schutzpflichtdimension, die sich in der Anerkennung staatlicher Ermittlungspflichten bei verdächtigen Todesfällen niederschlägt.[18] Bezüglich der  Voraussetzungen staatlicher Ermittlungspflichten, gibt es zwischen den materiellen Konventionsrechten und Art. 13 EMRK jedoch keine wesentlichen Unterschiede.[19]

Prozessual war längere Zeit umstritten, ob eine Verletzung der verfahrensrechtlichen Garantien der Konventionsrechte durch Familienangehörige des Getöteten oder sonstige nahestehende Personen geltend gemacht werden kann.[20] In der jüngeren Rechtsprechung geht der EGMR wie selbstverständlich davon aus, dass Angehörige und sonstige nahestehende Personen über den Tod hinaus ein berechtigtes Interesse an einem Urteil über die Verletzung von Konventionsrechten haben können.[21] Dabei dürfte für den EGMR zentral gewesen sein, dass die Etablierung nachträglicher Schutzpflichten keine reine "Einzelfallgerechtigkeit" betreffen, sondern vor allem die "Sicherung des demokratischen Rechtsstaats."[22]

Zur Sicherung der verfahrensrechtlichen Garantien setzt der EGMR eine "hierarchische und institutionelle Unabhängigkeit" bei den Ermittlungen voraus, [23] d.h., dass insbesondere staatliche Stellen nicht gegen sich selbst ermitteln dürfen.[24] Die Angehörigen von Opfern müssen ausreichend beteiligt sind.[25] Sie müssen bspw. Zugang zu Verfahrensakten haben.[26] In Fällen, bei denen verdeckte staatliche Ermittler in das Tatgeschehen involviert sind, muss die Justiz zudem gewährleisten, dass keine staatliche Tatprovokation vorliegt, um eine Verletzung des "fair trial " Grundsatzes aus Art. 6 zu widerlegen.[27]

Aus der Rechtsprechung ergeben sich auch Anforderungen an Mordfälle, die bereits durch Strafverfahren verhandelt wurden und längere Zeit zurückliegen: Diesbezüglich hat der EGMR in der Entscheidung Brecknell klargestellt, dass effektive staatliche Ermittlungspflichten auch dann bestehen, wenn in einem bereits abgeschlossenen Verfahren neue Beweise ans Licht kommen.[28] Nach Ansicht des EGMR müssen staatliche Behörden sensibel mit allen Informationen umgehen, die das Potential haben könnten, die Feststellungen früherer Untersuchungen zu unterminieren.[29] Abgesehen vom laufenden NSU-Prozess, ist dies u.a. auch für die Ermittlungen rund um das Oktoberfestattentat in München vom 26. September 1980 relevant. Gingen die Sicherheitsbehörden 35 Jahre lang von der Annahme aus, es habe sich bei dem Terroranschlag mit 13 Toten um die singuläre Tat des Neonazis Gundolf Köhler gehandelt, haben neuere Erkenntnisse die These erhärtet, dass es weitere Mittäter am Tatort gab, woraufhin der GBA die Ermittlungen erneut aufnehmen musste.[30]

2. Anwendungsfelder staatlicher Ermittlungspflichten

Die Rechtsprechungslinie des EGMR entfaltete sich in Fallkonstellationen, in denen, wie Altermann resümiert, die "Aufklärung des Sachverhalts nahezu ausschließlich durch staatliche Stellen möglich ist, weil es an unabhängigen Zeugen fehlt und sich das in Frage kommende Beweismaterial in staatlichem Besitz befindet."[31]

Ausgelöst wurde die Rechtsprechung insbesondere durch den Nordirlandkonflikt und durch die Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und der Arbeitspartei Kurdistans (PKK).[32] Eine der ersten zentralen Entscheidungen in der Sache McCann u.a. v. United Kingdom [33] betraf einen geplanten IRA-Autobomben-

anschlag in Gibraltar, bei dem drei IRA-Männer durch die britische Antiterror-Einheit getötet wurden. Nachträglich stellte sich heraus, dass die drei Männer unbewaffnet waren und das fragliche Auto keine Bombe enthielt. Der EGMR bejahte grundsätzlich das Erfordernis effektiver Ermittlungen durch Strafverfolgungsbehörden, wenn eine Person durch Gewaltanwendung zu Tode kommt – wobei dieses Erfordernis im McCann-Fall nicht verletzt gewesen sei.[34] Eine effektive Untersuchung müsse ebenfalls ermitteln, ob staatliche Stellen an der Tötung beteiligt sind.[35] Offen hielt der EGMR jedoch in dieser Entscheidung die genauen Voraussetzungen und den Umfang der erforderlichen Ermittlungen.[36]    

Im Fall Gülec v. Türkei hat der EGMR eine erste Präzisierung vorgenommen. Demnach sind Ermittlungen nicht effektiv, wenn wichtige Zeugen nicht vernommen werden, die im Rahmen einer Rekonstruktion der Tat Aufschluss über den Tathergang geben können.[37] Auch Angehörige – in diesem Fall der Vater des Verstorbenen – müssten an dem Ermittlungsverfahren beteiligt werden.

Die McCann-Entscheidung betraf einen Fall, in dem erwiesen war, dass staatliche Akteure die Tötung der Betroffenen herbeigeführt hatten. Davon zu unterscheiden sind Fälle, bei denen die Zurechenbarkeit der Tötung nicht klar ist. Hierzu erging zunächst die Entscheidung Ergi v. Türkei, die eine Auseinandersetzung zwischen Kämpfern der PKK und türkischen Sicherheitskräften zum Gegenstand hatte. In deren Verlauf wurde eine Frau getötet, wobei jedoch unklar war, ob sie durch eine Kugel der Sicherheitskräfte oder durch die PKK gestorben ist. Der EGMR stellte in seinem Urteil fest, dass Art. 2 EMRK den Staat nicht nur verpflichtet im Nachhinein effektive Ermittlungen durchzuführen, sondern eine Konventionsverletzung auch möglich ist, wenn keine hinreichenden Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz des Lebens von Zivilpersonen getroffen wurden.[38] Die Ermittlungen durch Staatsanwälte dürften sich nicht auf Polizeiberichte beschränken, sondern erfordern eigenständige Ermittlungen, im Übrigen unabhängig von Beschwerden durch Angehörige von Opfern.[39] Altermann stellt zudem in der Kommentierung des Urteils fest: "Ein Teilbereich des Erfordernisses tatsächlicher Unabhängigkeit verlangt also, dass eine staatliche Ermittlungsinstanz die Ermittlungen einer anderen Ermittlungsinstanz nicht ohne eigene Nachforschungen unhinterfragt übernimmt. Auch dürfen die Behörden nicht von vornherein ausschließen, dass die Tötung möglicherweise durch staatliche Stellen erfolgt ist."[40]

Die staatliche Zurechenbarkeit der Tat war auch im Fall unklar, der der Entscheidung Tanrikulu v. Türkei zugrunde lag.[41] Dennoch erklärte der EGMR, dass die Verletzung von Ermittlungspflichten auch dann in Frage komme, wenn nicht hinreichend erwiesen ist, dass die Tötung dem Staat zurechenbar ist, eine staatliche Beteiligung aber möglich erscheint.[42]

In der Folge äußerte sich der EGMR zur Frage des Zugangs von Opfern zu Ermittlungsakten. Der Fall Kelly v. United Kingdom [43] betraf erneut eine Auseinandersetzung im Nordirland-Konflikt, bei der neun Personen während einer Operation in Loughgall getötet wurden. Während des Verfahrens wurde den Angehörigen der Opfer kein Zugang zu den Zeugenaussagen der Tat gestattet. Zwar stellte der Gerichtshof fest, dass sich aus Art. 2 EMRK kein allgemeines Recht auf Einsicht in Polizei- und Ermittlungsakten ergebe. Jedoch betraf diese Feststellung laufende Ermittlungen. Der EGMR rügte aber, dass im späteren Verfahrensverlauf die Angehörigen nicht über den Stand des Verfahrens und eine Begründung über die Nicht-Einleitung von Ermittlungen informiert worden seien.

Im Urteil Yasar v. Türkei[44] erstreckte der Gerichtshof die Verpflichtung zu effektiven Ermittlungen auf alle Todesfälle, bei denen eine staatliche Beteiligung ungeklärt war und damit auf alle gewaltsamen Tötungen, unabhängig von der materiellen staatlichen Verantwortlichkeit.[45] Der EGMR bemängelte in dem Fall zudem, dass die türkischen Behörden eine staatliche Beteiligung von vornherein ausgeschlossen hätten.[46] Geprüft werden muss in jedem Fall, ob Sicherheitsbehörden Kenntnis von dem Mordfall hatten oder sogar an diesem beteiligt waren.

Rassistische Gewalt war Gegenstand des Verfahrens Natchova u.a. v. Bulgarien.[47] Der Fall behandelte die Ermordung zweier junger Männer, die der Roma-Minderheit in Bulgarien angehörten, und fahnenflüchtig waren. Sie wurden bei einem Zugriff der Militärpolizei erschossen, wobei einer der Offiziere rassistische Kommentare während der Schießerei äußerte. Zusätzlich zu seinen bisherigen Ausführungen betreffend staatliche Ermittlungspflichten, gewichtete der EGMR in diesem Fall insbesondere die rassistischen Implikationen der Tat. Bei Fällen in denen der Verdacht besteht, dass rassistische Gründe zu einer Gewalttat geführt haben, müssten die Ermittlungen mit besonderem Nachdruck und Unvoreingenommenheit geführt werden, um die Ächtung von rassistischem und ethnischem Hass sicherzustellen.[48] Die staatlichen Ermittlungsbehörden unterliegen in derlei Fällen einer besonderen Verpflichtung, alle Maßnahmen einzuleiten, die nötig sind, damit rassistische Motive beachtet werden : "Failing to do so and

treating racially induced violence and brutality on an equal footing with cases that have no racist overtones would be to turn a blind eye to the specific nature of acts that are particularly destructive of fundamental rights." [49]

Dementsprechend verpflichtet der EGMR staatliche Behörden zu effektiven Ermittlungen insbesondere in Fällen, bei denen rassistische Motive eine Rolle spielen könnten. Im betreffenden Fall seien die Ermittlungen unzureichend gewesen, da die Rolle des Rassismus ausgeblendet worden sei.

Durch die Rechtsprechung sind staatliche Organe ebenfalls zum präventiven Schutz des Lebens verpflichtet. Hierfür stehen die Entscheidungen in den Rechtssachen Kilic[50] und Dink .[51] In beiden Fällen handelte es sich um die Ermordung von Journalisten. Im ersten Fall erbat der Journalist Kemal Kilic um staatlichen Schutz vor nachweislichen Todesdrohungen. Der türkische Staat reagierte nicht und Kilic wurde am 18. Februar 1993 vor dem Bürogebäude seines Arbeitgebers von unbekannten Tätern erschossen. Der EGMR entschied, dass an den Staat zwar keine unverhältnismäßigen Anforderungen betreffend des Schutzes seiner Zivilbevölkerung gestellt werden dürfen. Eine staatliche Schutzpflicht entstehe aber dann, wenn die Behörden gewusst haben oder hätten wissen können, dass eine reale Gefahr für ein Individuum bestehe und keine entsprechenden Schutzmaßnahmen erlassen worden seien.[52] Im vorliegenden Fall hätten die Behörden zudem Informationen der Angehörigen über die mutmaßliche Beteiligung von Sicherheitskräften an der Tat nicht angemessen gewürdigt.

Bei der Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink kam eine weitere Besonderheit hinzu. Die Anwälte der Familie erbrachten Beweise, dass türkische Sicherheitsbehörden möglicherweise in die Ermordung verwickelt waren. Der EGMR sah es als erwiesen an, dass die türkischen Sicherheitskräfte erstens allgemein über die feindlichen Einstellungen gegenüber Dink innerhalb der ultra-nationalistischen Szene informiert gewesen seien und zweitens Kenntnisse über ein mögliches Attentat und die dahinter stehenden Täter gehabt hätten. Indem die Türkei Dink keinen staatlichen Schutz gewährt hat, habe sie Art. 2 EMRK verletzt.[53] Anfang Dezember 2015 wurde der Fall vor türkischen Gerichten neu aufgerollt. Beschuldigt werden nun 26 Personen, darunter ehemalige Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter, an der Ermordung Dinks mitgewirkt und ihre Pflichten vernachlässigt zu haben.[54]

3. Zwischenfazit

Aus den vorgestellten Entscheidungen des EGMR ergeben sich folgende Voraussetzungen bzw. Pflichten, die nationale Strafermittlungsbehörden, Gerichte und parlamentarische Kommissionen bzw. Untersuchungsausschüsse bei der Sachaufklärung zu beachten haben:

  • das grundsätzliche Erfordernis effektiver Ermittlungen durch alle staatlichen Gewalten bei Mordfällen, in denen ein Mitwissen oder die Beteiligung von staatlichen Sicherheitsbehörden nicht auszuschließen ist,
  • in prozessualer Hinsicht, die ausreichende Beteiligung der Angehörigen des Opfers oder sonstiger nahestehender Personen, bspw. durch Akteneinsicht,
  • hierarchische und tatsächlich unabhängige behördliche Stellen, die die Ermittlungen übernehmen,
  • i.S.d . effektiven Ermittlungspflicht muss geprüft werden, ob staatliche Stellen von dem Mord im Vorhinein Kenntnis hatten oder in den Mord direkt bzw. mittelbar involviert waren, insbesondere darf eine mögliche staatliche Beteiligung nicht komplett ausgeschlossen werden,
  • die Anforderungen an staatliche Ermittlungspflichten sind besonders bei Mordfällen hoch zu gewichten, in denen rassistische Motive der Tat zu Grunde lagen.

Diese Ermittlungspflichten sind deshalb als gewichtig einzustufen, da erst durch effektive Ermittlungen auszuschließen ist, ob durch Unterlassen staatlicher Schutzpflichten oder durch direkte Beteiligungen eine Konventionsverletzung nach Art. 2 EMRK vorliegt.

4. Anwendung auf den NSU-Komplex

Fraglich ist hinsichtlich des NSU-Komplexes (siehe Punkt II.): Genügen die bisherigen Sachverhaltsaufklärungen den vom EGMR aufgestellten staatlichen Ermittlungspflichten? Und führt die Rechtsprechung dazu, dass Akten zu V-Leuten aus dem Verfassungsschutz und anderen Geheimdiensten in den Prozess beigezogen werden können, selbst wenn die Prozessbeteiligten im Vorhinein ein Mitwissen staatlicher Stellen – aufgrund fehlender Akteneinsicht – nicht konkret darlegen können?

Im Unterschied zu den rekonstruierten EGMR-Fällen wurden in der NSU-Mordserie auf mehreren Ebenen Ermittlungen aufgenommen. Neben der Einsetzung staatlicher Kommissionen[55], wurden in mittlerweile sechs Bundesländern sowie im Bund parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingesetzt und in München

wird in dem Strafverfahren gegen Zschäpe u.a. verhandelt. Die Bundesrepublik Deutschland ist damit dem Erfordernis nachgekommen, überhaupt Ermittlungen in der NSU-Mordserie aufzunehmen. Jedoch spricht die Neueinsetzung von fortführenden Untersuchungsausschüssen im Bund, Sachsen und in Thüringen dafür, dass die parlamentarischen Gremien viele Komplexe für nicht hinreichend aufgeklärt erachten. Im Abschlussbericht des thüringischen Untersuchungsausschusses heißt es hierzu: "Die Häufung falscher oder nicht getroffener Entscheidungen und die Nichtbeachtung einfacher Standards[durch die Sicherheitsbehörden, M.P.]lassen aber auch den Verdacht gezielter Sabotage und des bewussten Hintertreibens eines Auffindens der Flüchtigen[des NSU-Trios, M.P]zu."[56] In diesem Zusammenhang ist für die Sachaufklärung im Münchner Prozess relevant, dass den Untersuchungsausschüssen bis heute Akten zum NSU-Komplex nicht zugänglich sind oder wie bei der "Operation Rennsteig" sogar Akten durch den Verfassungsschutz vernichtet wurden. Die Anwendbarkeit der Rechtsprechung des EGMR auf den NSU-Komplex betrifft daher nicht die Frage, ob staatliche Ermittlungen durchgeführt werden, sondern wie und unter welchen Voraussetzungen.

Prozessual ermöglicht die EGMR-Rechtsprechung eine Beteiligung der Opfer bzw. ihrer Angehörigen und unter bestimmten Umständen auch den Zugang zu relevanten Akten. Im deutschen Strafprozessrecht wird dem Anspruch der Opfer bzw. der Angehörigen auf Vertretung und Beteiligung am Verfahren durch das Institut der Nebenklage gem. §§ 395 ff. StPO entsprochen.

Eine Untersuchung der Vernichtung von V-Mann-Akten hat zwar durch den eingesetzten Sonderbeauftragten, einem Unterabteilungsleiter des Verfassungsschutzes im Bundesinnenministerium, stattgefunden. Mit dem Erfordernis einer hierarchischen und institutionellen Unabhängigkeit ist damit jedoch die Voraussetzung einer effektiven Ermittlung i.S.d . EGMR-Rechtsprechung nicht erfüllt. Denn der Verfassungsschutz ist eine dem Bundesinnenministerium nachgeordnete Behörde und wird durch dieses im laufenden Betrieb durch die Dienst- und Fachaufsicht kontrolliert (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG). Der Sonderermittler war Teil der selben Verwaltungshierarchie. Damit ist ein Ermittler aus dem Innenministerium keine vom Verfassungsschutz unabhängige Behörde. In anderen Komplexen der NSU-Mordserie wurden von den Behörden unabhängige Kommissionen einberufen, bspw. die Schäfer-Kommission bezüglich des Verhaltens der thüringischen Sicherheitsbehörden[57] oder unabhängige Sonderermittler ernannt, wie der ehemalige Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag (B90/Die Grünen), der im Auftrag des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags die Tätigkeit und den Tod des V-Mannes "Corelli" untersucht hat.[58] Die bereits erfolgten Ermittlungen durch den Unterabteilungsleiter, stehen damit weiterer Sachaufklärung zu den V-Mann-Tätigkeiten in der "Operation Rennsteig" nicht entgegen.

Bei der NSU-Mordserie kommt hinzu, dass der EGMR bei rassistisch motivierten Mordfällen eine zusätzliche Bedeutung staatlicher Ermittlungspflichten annimmt. Hierdurch wird die Nichtbeiziehung von Verfassungsschutzakten in den Prozess einem hohen Begründungsaufwand ausgesetzt und das Erfordernis effektiver staatlicher Ermittlung zusätzlich notwendig.

Fraglich ist, ob die Akten konkreter V-Leute mit Bezug zum Trio oder dessen Taten oder vernichtete Akten von V-Leuten aus dem Umfeld des Trios im Prozess beizuziehen sind. Im Sinne effektiver Ermittlungen muss geklärt werden, inwieweit die Sicherheitsbehörden bei Mordfällen involviert gewesen sind oder von den Taten gewusst haben könnten. Dieser Umstand ist auch in einem Strafverfahren gegen "zivile" Angeklagte, die also nicht selber Angehörige von Sicherheitsbehörden sind, für die Tat- und Schuldfrage dieser Personen relevant. Die Duldung oder die Provokation der Taten oder gar staatliche Tatbeiträge wirken sich auf die Schuld der Angeklagten aus. Indem der Verfassungsschutz mehrere V-Personen im direkten Umfeld des Unterstützernetzwerks des NSU installiert hatte, ist nicht auszuschließen, dass Informationen über den Verbleib der Täter oder sogar über etwaige Mordpläne an den Verfassungsschutz weitergeleitet wurden. Im Sinne der EGMR-Rechtsprechung müssen zudem relevante Zeugen befragt werden. Erst durch die Sichtung der Akten ist es dem Gericht, der Nebenklage, der Verteidigung und dem GBA möglich zu erfahren, ob V-Leute des Verfassungsschutzes entsprechende Hinweise gegeben haben. Da keiner der Verfahrensbeteiligten ein direktes Akteneinsichtsrecht beim BfV hat, ist Einsicht nur über den Weg der Beiziehung im Strafverfahren möglich. Etwaige Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der betroffenen V-Personen können durch Schwärzungen oder Einstufungen in eine Geheimhaltungsstufe[59] durch das BfV vermieden werden. Bei einem überwiegenden Teil der V-Leute sind deren Namen der Öffentlichkeit mittlerweile ohnehin bekannt, sodass die Beiziehung der Akten nicht zu ihrer Enttarnung führen würde. Dies trifft beispielsweise auf die V-Person "Tarif" zu. 

Die Beiziehung von Akten ist weiterhin geboten, um eine mögliche Konventionsverletzung der Sicherheitsbehörden auszuschließen oder festzustellen. Bei Hinweisen auf mögliche Mordattentate hätten entsprechende Schutzvorkehrungen durch die Sicherheitsbehörden erfolgen müssen. Insofern ist es relevant, ab wann und was die Sicherheitsbehörden über den NSU gewusst haben. Etwaige Erkenntnisse aus dem Münchner Prozess könnten im Rahmen eines Amtshaftungsverfahrens genutzt werden.

Insgesamt spricht die Anwendung der Rechtsprechung des EGMR dafür, dass Akten zu V-Leuten des Verfassungsschutzes mit möglichem Bezug zum NSU-Komplex beizuziehen sind. Beweisanträge von Verfahrensbeteilig-

ten, die unkonkret gehalten sind, stehen dem nicht entgegen. Vielmehr ergibt sich aus dem Umstand, dass die Prozessbeteiligten keine Einsicht in die Akten haben, um auf deren Grundlage Beweisanträge zu stellen, gerade der konventionsrechtliche Anspruch auf effektive Ermittlungspflichten bzw. Sachaufklärung. Zwar ermöglicht auch die Rechtsprechung des EGMR keinen Anspruch auf Beiziehung von Akten, die nicht verfahrensrelevant sind, d.h. nicht in irgendeiner Weise auf die Angeklagten bezogen sind. Aber nach dem EGMR sind mögliche Verstrickungen der Sicherheitsbehörden in Mordfällen stets verfahrensrelevant. Gerade die rassistischen Motive in der Mordserie führen zu einer hohen Gewichtung der staatlichen Ermittlungspflichten. Zudem erfolgte bislang keine unabhängige Untersuchung der V-Leute Akten. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen steht dem nicht entgegen, solange sich die Sachaufklärung aus Konventionsrecht zwingend ergibt. [60]

V. Fazit

Die Rechtsprechung des EGMR zu staatlichen Ermittlungspflichten hat eine Konventionsdogmatik staatlicher Schutzpflichten begründet, die spezifische Auswirkungen auf die nationale Sachverhaltsaufklärung haben und effektive Ermittlungen notwendig machen. Gerade in einem der bedeutendsten deutschen Strafrechtsprozesse der Nachkriegsgeschichte – neben den NS-Prozessen und den RAF-Strafprozessen – sollten die völkerrechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Mögliche Konventionsverletzungen des Staates im laufenden Strafverfahren gegen Zschäpe u.a. sind aufzuklären, da sie sich auf die Schuldfrage der Angeklagten auswirken können. Die gerade erst neu aufgerollten Ermittlungen zum Münchner Oktoberfestattentat zeigen, dass Aufklärung einen langen Atem braucht, aber noch effektiver ist, wenn frühzeitig in alle Richtungen ermittelt wird.


[*] Maximilian Pichl , promoviert am Institut für Öffentliches Recht der Goethe-Universität Frankfurt am Main zur NSU-Mordserie. Gedankt sei Leon Steinbacher für wertvolle Hinweise.

[1] OLG München , laufendes Strafverfahren: 6 St 3/12.

[2] Die Opfer der Mordserie heißen Enver Simsek (2000 in Nürnberg), Abdurrahim Özüdogru (2001 in Nürnberg), Süleyman Tasköprü (2001 in Hamburg), Habil Kilic (2001 in München), Mehmet Turgut (2004 in Rostock), Ismail Yasar (2005 in Nürnberg), Theodoros Boulgarides (2005 in München), Mehmet Kubasik (2006 in Dortmund), Halit Yozgat (2006 in Kassel) und Michèle Kiesewetter (2007 in Heilbronn).

[3] Bspw. Alwart JZ 2014, 1091ff.;  Gusy ZRP 2012, 230ff.; Pichl Kritische Justiz 2015, S. 275ff.

[4] Nur beispielhaft: Zimmermann/ Wamper /Friedrich (Hrsg.), Der NSU in bester Gesellschaft. Zwischen Neonazismus, Rassismus und Staat, 2015; Schmincke /Siri (Hrsg.), NSU-Terror. Ermittlungen am rechten Rand, 2013.

[5] Auch hier nur Beispiele: Aust/Laabs, Heimatschutz. Der Staat und die Mordserie des NSU, 2014; Gensing, Terror von rechts: Die Nazi-Morde und das Versagen der Politik, 2012.

[6] Vgl. Bericht der Beobachtungsgruppe NSU-Watch v. 03.08.2015 ; Ramelsberger, Streit um die "Konfetti"-Akten, Süddeutsche Zeitung, 17.09.2015.

[7] Beschluss vom 262. Verhandlungstag am 17.02.2016.

[8] Auch die Nebenklage im NSU-Prozess hat Bezüge auf diese Rechtsprechung in einem Beweisantrag hergestellt, vgl. http://www.nsu-nebenklage.de/wp-content/uploads/2015/08/2015.08.03.-Beweisantrag.pdf .

[9] Förster CILIP 101-102, 59ff. (60).

[10] Eine Ausnahme stellt nur der V-Mann "Tarif" dar, der nicht im Rahmen der "Operation Rennsteig" angeworben wurde, aber auch in Thüringen zur relevanten Zeit vom BfV geführt wurde.

[11] Schaar zitiert nach Kleffner , NSU: Rassismus, Staatsversagen und die schwierige Suche nach der Wahrheit, in: Schmincke /Siri ( Fn . 4), 38.

[12] Bundesministerium des Innern , Bericht des Sonderbeauftragten des Bundesministers des Innern Aufklärung der Aktenvernichtungen im Bundesamt für Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der "Operation Rennsteig" sowie weiterer Aktenvernichtungen nach dem 4. November 2011, 2012, S. 5;  http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/17/CD14600/Dokumente/Dokument%2011.pdf

[13] Ebd. S. 4 ff.

[14] Vgl. das Dossier bei NSU-Watch: http://www.nsu-watch.info/2014/10/im-zentrum-der-aktion-konfetti-michael-dolsperg-alias-v-mann-tarif/ .

[15] Vgl. EGMR, Camekan v. Türkei, Entscheidung vom 28.01.2014, Application No . 54241/08; Karpenstein /Mayer/Schübel- Pfister,EMRK -Kommentar, Art. 2, 2. Auflage 2015, Rn. 42.

[16] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 244 Rn 12.

[17] Karpenstein /Mayer/Schübel-Pfister, ( Fn . 15),, Rn. 2.

[18] Ebd., Rn. 3.

[19] Karpenstein /Mayer/Breuer, EMRK-Kommentar, Art. 13 Rn. 39, 2. Auflage 2015.

[20] Der EGMR hatte in einem Urteil zur Sterbehilfe zunächst die Rechte aus Art. 2, 3, 5, 8, 9 und 14 für unübertragbar erachtet, vgl. EGMR Sanles Sanles v. Spanien, Entscheidung vom 26. Oktober 2000, Application No . 48335/99.

[21] Karpenstein /Mayer/Schübel-Pfister, ( Fn . 15), Rn. 46.

[22] Ebd., Rn. 33.

[23] Ebd., Rn. 43; EGMR Hugh Jordan v. The United Kingdom, Entscheidung vom 04. Mai 2001, Application No . 24746/94, Rn. 106; EGMR, Ertak v. Türkei, Entscheidung vom 09. Mai 2000, Application No . 20764/92.

[24] Vgl. EGMR Ramsahai u.a. v. Niederlande, Entscheidung vom 10. November 2005, Application No . 52391/99 – der Fall betraf eine unzulässige Ermittlung von tödlicher Polizeigewalt durch die eigene Polizeibehörde; Möller, Verfahrensdimensionen materieller Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention, Frankfurt am Main 2005, 104.

[25] EGMR Ögur v. Türkei, Entscheidung vom 14.12.2000, Application No . 22676/93, Rn. 93.

[26] Ebd., Rn. 92.

[27] EGMR Ramanauskas v. Litauen, Entscheidung vom 5. Februar 2008, Application No. 74420/01, Rn. 70.

[28] Chevalier-Watts , EJIL 2010, 714.

[29] EGMR Brecknell v. The United Kingdom, Entscheidung vom 27. November 2007, Application No. 32457/04, Rn. 70.

[30] Vgl. Chaussy , Oktoberfest. Das Attentat, 2015.

[31] Altermann , Ermittlungspflichten der Staaten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, Berlin 2006, 114.

[32] Zu den Verstrickungen britischer Sicherheitsbehörden in den Terrorismus während des Nordirlandkonflikts, vgl. Punch, State Violence, Collusion and the Troubles: Counter Insurgency, Government Deviance and Northern Ireland, London 2012.

[33] EGMR McCann u.a. v. United Kingdom, Entscheidung vom 27. September 1995, Application No . 18984/91.

[34] Dafür erachtete der EGMR das Gebot effektiver Ermittlungen im Mordfall des nordirischen Anwalts Pat Finucane für erwiesen an, EGMR, Finucane v. United Kingdom, Entscheidung vom 01. Juli 2003, Application No . 29178/95.

[35] Ebd., Rn. 161; Möller, ( Fn . 24), 102.

[36] Ebd., Rn. 162.

[37] EGMR, Gülec v. Türkei, Entscheidung vom 27. Juli 1998, Application No . 54/1997/838/1044.

[38] EGMR, Ergi v. Türkei, Entscheidung vom 28. Juli 1998, Application No. 23818/94, Rn. 86.

[39] Ebd ., Rn. 83; Möller, (Fn. 24), 108.

[40] Altermann , ( Fn . 31), S. 27.

[41] EGMR, Tanrikulu v. Türkei, Entscheidung vom 8. Juli 1999, Application No. 23763/94.

[42] Ebd ., Rn. 110.; Altermann, (Fn. 31), S. 38.

[43] EGMR, Kelly u.a. v. United Kingdom, Entscheidung vom 04. August 2001, Application No . 30054/96.

[44] EGMR Yasa v. Türkei, Entscheidung vom 2. September 1998, Application No. 22495/93.

[45] Karpenstein /Mayer/ Schübel-Pfister, (Fn. 15), Rn., 41.

[46] EGMR Yasa v. Türkei, ( Fn . 44), Rn. 105.

[47] EGMR, Natchova and others v. Bulgarien, Entscheidung vom 26. Februar 2004, Application No. 43577/98, 43579/98.

[48] Ebd ., Rn. 157.

[49] Ebd., Rn. 158.

[50] EGMR Kilic v. Türkei, Entscheidung vom 28. März 2000, Application No . 22492/93.

[51] EGMR Dink v. Türkei, Entscheidung vom 14. September 2010, Application No. 2668/07, 6102/08, 30079/08, 7072/09, 7124/09.

[52] EGMR, Kilic v. Türkei, Rn. 63.

[53] Leach , The principles which can be drawn from the case-law oft he European Court of Human Rights relating to the protection and safety of journalists and journalism, MCM (2013) 012, Rn. 25.

[54] Vgl. Anadolu Agency vom 09. Dezember 2015.

[55] Beispielsweise die sogenannte "Schäfer-Kommission", die das Verhalten der Thüringer Behörden und der Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung des NSU zu bewerten hatte, Abschlussbericht vorgelegt am 14. Mai 2012 in Erfurt.

[56] Thüringer Landtag, Drucksache 5/8080, Rn. 2426.

[57] Siehe Fn . 55.

[58] Vgl. BT- Drs . 18/6545; der V-Mann "Corelli" lieferte dem Verfassungsschutz bereits 2005 eine CD mit Hinweisen über den NSU, die durch den Verfassungsschutz nicht ausgewertet wurden. Nach Ansicht des Sonderermittlers Montag habe das Amt "grob fahrlässig" gehandelt.

[59] Vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen – Verschlusssachenanweisung (VS-Anweisung – VSA)

[60] Daimagüler / Pyka , ZRP 2014, 144.