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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2016
17. Jahrgang
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Wird über zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können, gleichzeitig entschieden, so ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen. (BGHSt)
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden, dass dem zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil im Rahmen der Strafzumessung bei Taten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes die gleiche Bedeutung zukommt wie bei anderen Straftaten. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob an (gegebenenfalls) entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
2. Nach Auffassung des Senats führt die gegenteilige Ansicht (vgl. BGH HRRS 2006 Nr. 311) zu einer in sachlich nicht gerechtfertigten Vermischung von Gesichtspunkten der Strafzumessung mit solchen der Verjährung. Die Regelung des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB führt nicht dazu, dass die in den §§ 46 ff. StGB geregelten und von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Strafzumessungskriterien sowie deren Gewichtung modifiziert würden.
1. Zu der dem Tatrichter aufgegebenen, lediglich der beschriebenen eingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegenden Strafzumessung gehört auch die Bewertung, ob ein einzelner Umstand zumessungserheblich ist und welche Bewertungsrichtung ihm gegeben wird (vgl. BGHSt (GS) 34, 345, 350). Auch die Bestimmung der Bewertungsrichtung eines vom Tatrichter als zumessungserheblich betrachteten Umstands prüft das Revisionsgericht lediglich auf Vertretbarkeit.
2. Besondere Umstände im Sinne des sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechtsund Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen. Dazu können auch solche gehören, die schon für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen waren. Wenn auch einzelne durchschnittliche Milderungsgründe eine Aussetzung nicht rechtfertigen, verlangt § 56 Abs. 2 StGB jedoch keine „ganz außergewöhnlichen“ Umstände. Vielmehr können dessen Voraussetzungen sich auch aus dem Zusammentreffen durchschnittlicher Milderungsgründe ergeben. Bei der Prüfung ist eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten vorzunehmen. Dabei sind die wesentlichen Umstände nachprüfbar darzulegen. Die ganz maßgeblich auf dem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruhende Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts (st. Rspr.).
1. Dass aufgrund der Vermögenslage der Angeklagten auf absehbare Zeit nicht mit einer auch nur (teilweisen) Zahlung von Schmerzensgeld zu rechnen ist, steht der Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB nicht grundsätzlich entgegen. Im Rahmen des § 46a Nr. 1 StGB genügt - anders als bei § 46a Nr. 2 StGB - das ernsthafte Erstreben einer Wiedergutmachung; ein Wiedergutmachungserfolg wird deshalb nicht vorausgesetzt (vgl. BGH NJW 2001, 2557).
2. Soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt, dass das Verhalten des Täters sich als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung darstellt (vgl. BGH NJW 2001, 2557), steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat. Soweit ein Angeklagter lediglich einzelne Umstände der Tatbegehung beschönigt, steht dies einer Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht entgegen (vgl. vgl. BGH NStZ 2003, 199, 200).
3. Regelmäßig sind für eine Annahme des § 46a Nr. 1 StGB aber auch tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat. Für die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB bedarf es grundsätzlich zwar keines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten (vgl. BGH NJW 2001, 2557). Der kommunikative Prozess kann auch über die jeweiligen Rechtsanwälte erfolgen. Die schlichte Behauptung, es habe ein kommunikativer Prozess stattgefunden, genügt regelmäßig allerdings nicht. Es müssen insbesondere Feststellungen dazu getroffen werden, wie sich der Tatgeschädigte zu den Ausgleichsbemühungen der Angeklagten verhalten haben, insbesondere dazu, ob die Geschädigten die (zugesagten) Leistungen als „friedensstiftenden Ausgleich“ akzeptiert haben (vgl. BGH NStZ 2006, 275, 276).
Die Begehung mehrerer (schwerer) Straftaten – hier: Raubdelikte – kann Schlüsse auf die innere Einstellung des Täters gegenüber den geschützten Rechtsgütern zulassen und damit eine erhöhte Vorwerfbarkeit anzeigen. Sind die Taten Ausdruck einer besonders rechtsfeindlichen Einstellung und verbrecherischen Energie, so kann es erforderlich sein, die Häufung von Straftaten bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen erschwerend zu berücksichtigen.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die unterzubringende Person bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war. Hierzu hat der Tatrichter festzustellen, welche psychische Störung unter welches Eingangsmerkmal des § 20 StGB zu subsumieren ist und wie sich diese Störung in der jeweiligen konkreten Tatsituation auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.).
2. Die Mitteilung der von einem Sachverständigen vorgenommenen Diagnose und der Symptome der festgestellten Störung(en) allein vermag indes das Vorliegen eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB nicht zu belegen (st. Rspr.).
Gemäß § 46 Abs. 2 StGB hat das Tatgericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für oder gegen den Täter sprechen. Eine ungewöhnlich hohe Strafe bedarf dementsprechend einer besonderen Rechtfertigung in den Ur-
teilsgründen, die die Abweichung vom Üblichen vor dem Hintergrund der Besonderheiten des jeweiligen Falles verständlich macht (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 5 mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Umstand, dass einem Angeklagten zusätzlich zu der strafgerichtlichen Verurteilung auch anwaltsrechtliche Sanktionen nach § 114 Abs. 1 BRAO drohen, bei der Strafzumessung in Betracht zu ziehen (vgl. BGH StV 2010, 479).
Die Ausübung des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens, nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB von der Anordnung des Verfalls abzusehen, erfordert aber neben der Feststellung des aus der Straftat Erlangten, vor allem auch die Ermittlung des Wertes des noch vorhandenen Vermögens, um diese Werte einander gegenüber stellen zu können. Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem „verfallbaren“ Betrag zurück bleibt (vgl. BGHSt 51, 65).
Auch im Rahmen des § 56 StGB ist dem Angeklagten ein die Grenzen des Zulässigen nicht überschreitendes Verteidigungsverhalten, insbesondere fehlende Reue oder Unrechtseinsicht, nicht anzulasten (st. Rspr.).