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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2011
12. Jahrgang
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1. Zur Versagung der Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a UStG) von der Umsatzsteuer bei der Verschleierung der Identität des wahren Erwerbers, um diesem die Hinterziehung der im Bestimmungsland für den Erwerb geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen (im Anschluss an die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache R durch Urteil vom 7. Dezember 2010, C-285/09). (BGHSt)
2. Nicht nur durch die kollusive Verschleierung der Abnehmer zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung fehlt es für die Steuerbefreiung an den in § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG enthaltenen Befreiungsvoraussetzungen. Eine Befreiung von der deutschen Umsatzsteuer kommt darüber hinaus auch dann nicht in Betracht, wenn der Angeklagte einseitig gegen die sich aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. § 17a, § 17c UStDV ergebenden Anforderungen an den Buch- und Belegnachweis verstößt, um den wahren Erwerbern im EU-Ausland eine Umsatzsteuerhinterziehung zu ermöglichen. (Bearbeiter)
3. Die Ausnahme vom Grundsatz der Nachweispflicht besteht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Rechtssache Collée dann, wenn trotz derartiger Nachweismängel feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind. Diese Ausnahme greift aber nicht ein, wenn der Verstoß gegen die Nachweispflichten den „sicheren Nachweis“ – also den zweifelsfrei objektiven Nachweis – verhinderte, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt werden. Dann verbleibt es bei dem Grundsatz der Steuerpflicht.
4. Der Wortlaut der deutschen steuerrechtlichen Vorschriften ist ein ausreichender Anknüpfungspunkt für die gemeinschaftsrechtlich gebotene Auslegung auch des Steuerstrafrechts. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG liegt eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung nur dann vor, wenn der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer der Lieferung in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt. In dieser Vorschrift kommen der vom Gerichtshof hervorgehobene Besteuerungszusammenhang zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung zum Ausdruck. Deshalb ist es nicht zulässig, die Steuerfreiheit nach § 6a UStG trotz absichtlicher Täuschung über die Person des Erwerbers in Anspruch zu nehmen. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG. (Bearbeiter)
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Schafft der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Bestandteile des Gesellschaftsvermögens beiseite, so ist er auch dann wegen Bankrotts strafbar, wenn er hierbei nicht im Interesse der Gesellschaft handelt.
2. Für die Zurechnung der Schuldnereigenschaft im Sinne der §§ 283 ff. StGB will der Senat maßgeblich daran anknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist. Dies werde bei rechtsgeschäftlichem Handeln zu bejahen sein, wenn der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen auftritt oder letzteren wegen der bestehenden Vertretungsmacht jedenfalls im Außenverhältnis die Rechtswirkungen des Geschäfts unmittelbar treffen.
3. Bei faktischem Handeln soll nach Auffassung des Senats die Zustimmung des Vertretenen unabhängig von der Rechtsform, in der dieser agiert, ebenfalls dazu führen, dass der Vertreter in seinem Auftrag handelt und ihm die Schuldnerstellung im Sinne der §§ 283 ff. StGB zugerechnet wird.
1. Eine Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 oder Nr. 7b StGB entfällt bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit zur Buchführung oder Bilanzerstellung. Eine solche Unmöglichkeit wird etwa dann angenommen, wenn sich der Täter zur Erstellung einer Bilanz oder zu ihrer Vorbereitung der Hilfe eines Steuerberaters bedienen muss und er die erforderlichen Kosten nicht aufbringen kann. Der Senat lässt offen, ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten ist, oder ob nicht vielmehr – um den gerade für Fälle eingetretener „Zahlungsknappheit“ geschaffenen § 283 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 StGB nicht leerlaufen zu lassen – ein Geschäftsführer, der ein Unternehmen betreibt, so rechtzeitig Vorsorge zu treffen hat, dass das Führen der Bücher und Erstellen der Bilanzen gerade auch in der Krise, bei der dem Führen ordnungsgemäßer Bücher besondere Bedeutung zukommt, gewährleistet ist.
2. Durch § 283 StGB sollen die Interessen der aktuellen Gläubiger an einer vollständigen oder möglichst hohen Befriedigung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche geschützt werden. Schon dies kann – wie bei anderen vermögensschützenden Normen – die Verhängung von Freiheitsstrafen rechtfertigen, die nicht notwendig im unteren Bereich angesiedelt sind.
3. Für die gemäß § 7 Abs. 2 GmbHG „einzuzahlende“ Stammeinlage ist deren effektive Einbringung in das Vermögen der in Gründung befindlichen Gesellschaft erforderlich. Dementsprechend muss sich die Versicherung gemäß § 8 GmbHG darauf erstrecken, dass sich die geleisteten Einlagen endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinden. Dies ist bei Bareinlagen der Fall, wenn der Geschäftsführer tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die eingezahlten Mittel als Bar- oder als Buchgeld uneingeschränkt für die Gesellschaft zu verwenden.
1. Die Annahme einer einheitlichen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit setzt voraus, dass sämtliche sichergestellte Amphetamine Gegenstand ein und desselben Güterumsatzes waren (vgl. BGHSt 43, 252, 261; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 27, 45). Der bloße gleichzeitige Besitz verschiedener zum Handeltreiben bestimmter Mengen von Betäubungsmitteln, die angesichts einer Aufbewahrung an verschiedenen Orten nicht als ein Vorrat im tatsächlichen Sinne anzusehen sind, genügt nicht zur Begründung einer Bewertungseinheit.
2. Für die Verwirklichung des Mitsichführens einer Schusswaffe gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG reicht es aus, wenn bezüglich der im Wohnzimmer gelagerten Betäubungsmittel jedenfalls hinsichtlich einzelner Teilmengen festgestellt ist, dass der Täter sich der Waffe jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann (vgl. BGHSt 43, 8, 10; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 1, 5; BGH NStZ 2007, 533).
Eine Verurteilung gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG kann nach Aufgabe des Weiterveräußerungswillens nur auf eine zeitlich davor liegende Aufbewahrung des Rauschgifts bei gleichzeitigem Zugriff auf eine Schusswaffe oder einen sonstigen Gegenstand gestützt werden kann, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Ob das bei einem ungeladenen Gasrevolver der Fall ist, dessen Munition sich in einem anderen Raum befindet, bedarf näherer Prüfung; es kommt hier auf die Umstände des Einzelfalls an, namentlich den erforderlichen Aufwand zur Zusammenführung von Waffe und Munition.