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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2009
10. Jahrgang
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1. Zur Pflichtwidrigkeit bei Untreuehandlungen zu Lasten konzernintegrierter GmbHs bei Zustimmung der Alleingesellschafterin. (BGHSt)
2. Anforderungen an die Feststellungen zur vermögensschädigenden Überschuldung konzernabhängiger Gesellschaften durch Darlehensgewährung bei zentralem Cash-Management. (BGHSt)
3. Auch in einer angespannten Liquiditätslage eines Unternehmens kann die Vergabe eines Arbeitnehmerdarlehens an einen dringend benötigten Geschäftsführer pflichtgemäß sein. (Bearbeiter)
4. „Existenzgefährdende“ Abforderungen durch den Vorstand einer herrschenden Gesellschaft können den Vorwurf der Untreue zum Nachteil der beherrschten Gesellschaft begründen. Zwar können einer GmbH mit Zustimmung ihrer Gesellschafter grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. In der zivil- wie strafgerichtlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass es Fallkonstellationen gibt, in denen der Geschäftsführer als für das Vermögen einer Gesellschaft Treupflichtiger seine Pflichten nach § 266 Abs. 1 StGB auch dann verletzt, wenn er mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter handelt. Die Rechtsprechung hat eine Vermögensverfügung als gegenüber der Gesellschaft treuwidrig und damit wirkungslos angesehen, wenn sie geeignet ist, das Stammkapital der Gesellschaft zu beeinträchtigen, wenn der Gesellschaft durch die Verfügung ihre Produktionsgrundlagen entzogen werden oder wenn ihre Liquidität gefährdet wird, indem ihr das zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigte Vermögen entzogen wird (vgl. BGHSt 49, 147, 157 ff. m. w. Nachw.). Hieran hält der Senat trotz der in der Literatur erhobenen, auf den Schutzzweck des § 266 StGB abstellenden Einwendungen fest. (Bearbeiter)
5. Diese rechtliche Beurteilung wird durch die neuere zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Haftungsgrundlage in Fällen des „existenzvernichtenden Eingriffs“ (vgl. zur Irrelevanz des Unterschiedes zwischen straf- und zivilgerichtlicher Terminologie BGHSt 49, 147, 159 f.) nicht in Frage gestellt. Auch die Änderungen des GmbH-Gesetzes durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. (Bearbeiter)
1. Bei einer Untreue durch Vergabe eines Kredits tritt ein Vermögensnachteil für die Bank regelmäßig erst dann ein, wenn die Vermögensminderung durch die Auszahlung der Darlehenssumme einerseits und der Anspruch auf Rückzahlung des Kredits andererseits in einem wirtschaftlichen Missverhältnis zueinander stehen. Ein solches ist regelmäßig gegeben, wenn der Vertragsschluss und die sich daran anschließende Darlehensauszahlung nach einer unzureichenden Bonitätsprüfung vorgenommen worden sind und dies dazu geführt hat, dass die Rückzahlung des Darlehens über das allgemeine Kreditrisiko hinaus gefährdet ist. Wird bei der Bewilligung eines Großkredits an ein Wirtschaftsunternehmen für die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Untreuetatbestandes ein Zeitpunkt vor der Kreditauszahlung als maßgeblich erachtet, so bedarf dies im Urteil näherer Darlegung und Begründung.
2. In Fällen pflichtwidriger Kreditvergabe ist kein Vermögensnachteil in der Form einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ anzunehmen. Vielmehr ist durch die Auszahlung des Kredites das Vermögen des Darlehensgebers unmittelbar in Höhe des ausgekehrten Betrages vermindert, nicht etwa (nur) schadensgleich gefährdet. Es stellt sich allein die Frage, ob und in welcher Höhe hierdurch ein Vermögensnachteil gleichwohl nicht eintritt. Für eine solche Kompensation kommt in Betracht, dass der Vermögensminderung ein Anspruch auf Darlehensrückzahlung als ausgleichende Vermögensmehrung gegenübersteht. Ist dies nicht der Fall, so kann auch eine vom Kreditgeber ohne Schwierigkeiten verwertbare, die Darlehenssumme abdeckende Sicherheit für den Fall der Nichtrückführung des Kredits die Vermögensminderung kompensieren.
3. Ist eine Tilgung eines Kredits überhaupt nicht zu erwarten und werden verwertbare Sicherheiten nicht gegeben, so entsteht ein Vermögensverlust in Höhe der gesamten ausgekehrten Darlehensvaluta. Im Falle teilweiser Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs oder einer Sicherheit ist der Vermögensverlust um den entsprechenden Wert reduziert. Die Höhe eines etwaigen Minderwerts des Rückzahlungsanspruchs zum Zeitpunkt der Kreditvergabe kann mit den Instrumenten des Bilanzrechts errechnet (BGH NStZ 2009, 330, 331) oder - bei verbleibenden Unsicherheiten - unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung bestimmt werden (BGH NJW 2008, 2451, 2452).
4. Bei der - generell risikobehafteten - Vergabe von Krediten ist eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn die Risiken und die Chancen der Kreditvergabe nicht auf der Grundlage umfassender Informationen sorgfältig abgewogen worden sind. Wenn allerdings die weiten Grenzen des unternehmerischen Entscheidungsspielraums durch Verstöße gegen die banküblichen Informations- und Prüfungspflichten überschritten werden, also das Verfahren der Kreditgewährung fehlerhaft ist, so liegt eine Pflichtverletzung vor, die zugleich einen Missbrauch der Vermögensbetreuungspflicht aus § 266 Abs. 1 StGB begründet. Handlungs- und Beurteilungsspielräume bestehen nur auf der Grundlage sorgfältig erhobener, geprüfter und analysierter Informationen.
5. Kennt der Täter bei einer Kreditgewährung die Pflichtwidrigkeit seines Handelns sowie die den Minderwert des Rückzahlungsanspruchs begründenden Umstände und weiß er, dass dieser nach allgemeinen Bewertungsmaßstäben als minderwertig angesehen wird, mag er sie selbst auch anders bewerten, liegt direkter Vorsatz vor (vgl. BGHSt 47, 148, 157; BVerfG NJW 2009, 2370, 2373). Rechnet er mit Umständen, die eine Pflichtwidrigkeit seines Tuns und eine Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs begründen, und nimmt er diese billigend in Kauf, ist bedingter Vorsatz gegeben. In beiden Fällen spielt es keine Rolle, wenn der Täter glaubt oder hofft, dass der Kredit letztlich dennoch zurückgeführt werden wird (BGHSt 46, 30, 35; 47, 148, 157). Die spätere Schadensentwicklung ist nur noch für die Strafzumessung von Bedeutung.
1. Der Annahme einer Beihilfe (§ 27 StGB) zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch tätige Hilfeleistung steht es nicht entgegen, dass der Haupttäter auch ungeachtet der Hilfeleistung zur Fortsetzung des unerlaubten Aufenthalts entschlossen ist. (BGHSt)
2. Die Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 in Verbindung mit § 78 Abs. 7 Satz 1, 2, Abs. 6 AufenthG, auch in Verbindung mit § 63 Abs. 5 AsylVfG, ist hinsichtlich der Personalangaben jedenfalls dann keine öffentliche Urkunde im Sinne des § 271 StGB, wenn die Verwaltungsbehörde den Hinweis in die Urkunde aufnimmt, dass die Personalangaben auf den eigenen Angaben des Ausländers beruhen (§ 78 Abs. 6 Satz 2 Nr. 10 AufenthG). (BGHSt)
3. Die Sonderregelung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG konsumiert den allgemeinen Tatbestand der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 1, 2 StGB). (BGHSt)
4. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG will das ausländerrechtliche Verwaltungsverfahren im Interesse materiell richtiger Entscheidungen gegenüber Falschangaben absichern und das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Richtigkeit der Verwaltungsentscheidung schützen. (Bearbeiter)
5. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist grundsätzlich jede Handlung als Hilfeleistung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Haupttäter objektiv fördert oder erleichtert; dass sie für den Eintritt des Erfolgs in seinem konkreten Gepräge kausal wird, ist nicht erforderlich (BGH NJW 2007, 384, 388 m.w.N., insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt; BGH NJW 2008, 1460, 1461). Anders liegt es nur, wenn der Beihilfehandlung jede Eignung zur Förderung der Haupttat fehlt oder sie erkennbar nutzlos für das Gelingen der Tat ist (BGH NJW 2008, 1460, 1461; vgl. auch BGH StV 1996, 87). (Bearbeiter)
1. Nach der bisherigen Auffassung des Bundesgerichtshofs ist nach § 283 StGB Voraussetzung für die Strafbarkeit eines Vertreters, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn gehandelt hat. Liegen ausschließlich eigennützige Motive vor, so kann nach dieser Auffassung zwar Untreue nach § 266 StGB in Betracht kommen; eine Verurteilung wegen Bankrotts scheidet hingegen aus (sog. Interessentheorie; vgl. nur BGHSt 30, 127, 128 f.; 34, 221, 223; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 2000, 206, 207).
2. Auch der 1. Strafsenat neigt dazu, von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vorzunehmen.
1. Das in § 6a Abs. 1 AMG verwendeten Merkmal „im Sport“ erfasst entsprechend dem Willen des Gesetzgebers auch „Bodybuilding“, ohne dass es darauf ankommt, ob die erstrebte Leistungssteigerung auf Aktivitäten im Wettkampf, im Training oder in der Freizeit gerichtet ist.
2. § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BtMG erfordert die Gesundheitsgefährdung mehrerer Personen. Allein die Möglichkeit einer durch die Aufnahme des Rauschmittels verursachten Intoxikationspsychose und die Befürchtung eines Verharrens in der Sucht reichen für die Anwendung des Regelbeispiels nicht aus. Erforderlich sind Gefährdungen, die über die mit der Rauschmitteleinnahme typischerweise verbundenen hinausreichen, weil andernfalls jede oder nahezu jede Abgabe von Betäubungsmitteln an mindestens zwei Personen zur Anwendung des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BtMG führen müsste.
1. Die Ermittlung des Zollwerts nach den Art. 29 ff. ZK ist Rechtsanwendung, die der Tatrichter selbst vorzunehmen hat. Kommt bei geschmuggelter Ware, für die es im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften keinen legalen Markt gibt, zur Bestimmung des Zollwerts nur die Schlussmethode nach Art. 31 ZK in Betracht, muss der Tatrichter in den Urteilsgründen grundsätzlich zum Ausdruck bringen, ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage er eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorgenommen hat. Die Angaben der Finanzverwaltung darf er nur übernehmen, wenn er diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch unter Zugrundelegung strafrechtlicher Verfahrensgrundsätze überzeugt ist (st. Rspr., vgl. nur BGH wistra 2004, 348; BGH wistra 2007, 346).
2. Der Verweis auf eine Dienstvorschrift des Finanzministeriums genügt diesen Anforderungen nicht. Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist die Würdigung, ein als Zeuge gehörter erfahrener Zollbeamter habe „glaubhaft, weil in sich schlüssig und plausibel, bekundet, der sog. Zollwert sei vorgegeben und folge aus einer Dienstvorschrift des Ministeriums“.
3. Die bloße Wiedergabe von Aussagen, die Finanzbeamte zur Behandlung steuerlicher Fragen gemacht haben, macht die eigene Rechtsanwendung des Tatgerichts nicht entbehrlich (vgl. BGH wistra 2001, 308, 309; 2003, 266, 269).
4. Zu den Anknüpfungspunkten für eine rechtsfehlerfreie Zollwertbestimmung durch Schätzung nach Art. 31 ZK.