HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2009
10. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Strafbarkeit von Ponzi-schemes - Der Fall Madoff nach deutschem Wettbewerbs- und Kapitalmarktstrafrecht

Von Robert Kilian *, Köln

Der aktuelle Fall des US-amerikanischen Börsenmaklers Madoff (Vgl. FAZ vom 30. Juni 2009) zeigt die immensen Auswirkungen der hier thematisierten so genannten Ponzi-schemes. Seltsamerweise wird der Begriff in der deutschen Fachliteratur bislang kaum genannt. Dies verwundert angesichts der Häufigkeit und Tragweite derartiger Systeme. Beleg für die Existenz auch auf dem deutschen Finanzmarkt ist der jüngst ergangene Beschluss des BGH vom 18. Februar 2009, Az.: 1 StR 731/08 = BGH HRRS 2009 Nr. 318. Im Folgenden wird zunächst eine Einordnung des Begriffs vorgenommen, bevor das System in seinen unterschiedlichen Facetten einer strafrechtlichen Analyse unterzogen werden soll.

I. Ponzi-Schemes

Geläufiger als der Begriff des "Ponzi-scheme" ist, obwohl nicht synonym verwendbar, der des so genannten Schneeballsystems. In unterschiedlicher Form existent ist damit ein Modell gemeint, bei dem der Veranstalter einen Vertrag über die Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten mit den von ihm unmittelbar geworbenen Erstkunden und sodann mit den durch deren Vermittlung geworbenen weiteren Kunden abschließt. [1] Der Vorteil für den Kunden erfüllt sich, wenn weitere Personen gleiche Abschlüsse mit dem Veranstalter tätigen. [2] Dabei wird in der Gesellschaft unter einem solchem Schneeballsystem sowohl die Variante verstanden, dass der Neukunde selbst weitere Teilnehmer sucht, als auch die Form, dass der Organisator zur Funktionstüchtigkeit des Systems selbst immer neue Kunden benötigt und dementsprechend anwirbt. Viele Neukunden glauben daran, dass der Organisator die Struktur des Systems durchschaut und vertrauen auf eine sonst am Markt eher unübliche Rendite. Der Veranstalter oder der Neukunde ist in der Pflicht immer neue Teilnehmer für das System zu gewinnen. Damit entsteht ein Tätigkeitsanreiz, welcher im Ganzen gesehen zu einer extremen Progressivität des Systems führt.

Das so genannte "Ponzi-scheme", auch "Ponzi-Trick" genannt, wird gelegentlich als die Urform aller Schneeballsysteme bezeichnet. Trotz dieser Auszeichnung findet sich im Gegensatz zu der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur unter diesem Stichwort bislang fast keinerlei Untersuchung aus juristischer Sicht. Einzig Schorsch erwähnt die Ponzi-Schemes in einem Aufsatz von 2007 [3] und erläutert die Herkunft sowie die Arten derartiger Systeme im Kontext neuer Erscheindungsformen von Wirtschaftskriminialität. Eine strafrechtliche Analyse dieser Modelle, findet sich - soweit ersichtlich- derzeit nicht. Diese Aussparung verwundert angesichts der Häufigkeit und Tragweite [4] derartiger Verhaltensweisen auf den Finanzmärkten dieser Welt.

Der Begriff selbst geht zurück auf den italienischen Einwanderer Charles Ponzi, welcher in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf der Suche nach einem Einkommen auf eine bis dahin weitläufig unbekannte Form der Vermögensverwaltung kam: Er fand heraus, dass internationale Antwortschreiben, also Wertkupons, welche in Ländern innerhalb des Weltpostvereins gegen den Wert des Portos eines bis zu 20 Gramm schweren Luftpostbriefes ins Ausland eingetauscht werden können, nach anfänglicher Koppelung an die Währung, mittlerweile von unterschiedlichem Wert auf den einzelnen Kontinenten waren. So konnte man theoretisch eine kleine Gewinnmarge abschöpfen, sofern man das Antwortschreiben in Europa kaufte und dann in Amerika wieder verkaufte. Angesichts der doch recht hohen Begleitkosten für Transport und Personal und sich daraus ergebene sehr geringe Gewinne, war Ponzi gezwungen mit neuem frischen Kapital die Investitionssumme zu erhöhen und das Vorhaben auf diese Weise rentabel zu gestalten. Das System fand mit Hilfe hoher Renditeversprechen Ponzis großen Anklang in der Bevölkerung und eine beträchtliche Anzahl von Personen investierten ihr Geld in das nunmehr aufgestellte Vermögensmodell.

Wollte einer der Teilnehmer nach einiger Zeit seinen Gewinn ausbezahlt haben, war dies für Ponzi in den Anfangszeit des Systems noch kein Problem. Überstieg jedoch die Summe der Gewinnauszahlung an den ausscheidenden Teilnehmer seine finanziellen Möglichkeiten innerhalb der hierfür eigens gegründeten Firma "Securities Exchange Company" war er nach einiger Zeit gezwungen die Gewinne mit dem Geld anderer neuer Teilnehmer des Systems zu bezahlen. Zu einer Gewinnauszahlung aus einem von der Firma tatsächlich erwirtschafteten Gewinn im Rahmen der internationalen Antwortschreiben kam es nicht mehr. Da die meisten Kunden ohnehin aufgrund der hohen Rendite ohne Auszahlungswunsch direkt wieder bei dem Unternehmer reinvestierten, bedurfte es zunächst auch nicht sehr häufig dieser Methode. Nach einigen Turbulenzen und ersten Fällen der Aufdeckung machten immer mehr Personen die Auszahlung der Gewinne geltend. Es kam wie es kommen musste: Die Gewinnsumme (also der Anfangsbetrag plus die versprochene Rendite) konnte nicht mehr ausgezahlt werden, da nach der oben stehenden Methode immer mehr neue Teilnehmer hätten partizipieren müssen, um das System aufrechtzuerhalten und die anstehenden Gewinnsummen auch tatsächlich ausbezahlen zu können. Aufgrund der negativen Schlagzeilen fanden sich hingegen keine neuen Teilnehmer mehr, womit das System zusammenbrach. Ponzi wurde im Bundesstaat New York zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Ist dieser Anfang auch achtzig Jahre her, so bleibt die Vorgehensweise doch weiterhin aktuell. Es handelt sich um eine speziell im Finanzsektor vorzufindende Ausprägung des in vielen Facetten existenten so genannten Schneeballsystems. [5] Im jüngst aufgedeckten Fall des Börsenmaklers Bernard Madoff wurde nach Grundlage des dargestellten Modells eine Anlagesumme von insgesamt 64, 8 Milliarden Dollar vorgegaukelt. [6] Madoff hatte zunächst mit dem Wertpapierhandel eine Anlagestrategie für seine Kundengelder, die dann im Laufe der Jahre aber scheiterte. Wenigstens in den letzten Jahren soll er fast gar keine Transaktionen mehr ausgeführt haben. Die Renditezahlungen an seine Altkunden bewerkstelligte er - ganz nach oben genanntem Ponzi-Scheme - mit dem Geld von Neukunden.

Damit wird deutlich, dass sich an dem Grundmodell über die Jahre nichts geändert hat: Der vermeintliche Täter verwendet angesichts kaum realisierbarer Renditeerwartungen die von Neuteilnehmern einbezahlten Summen zur Befriedigung der Gewinnerwartung der bereits teilnehmenden Personen. Angesichts der Rendite vergrößert sich mit der steigenden Anzahl der Neuteilnehmer die Gefahr, dass der Organisator nicht mehr in der Lage ist, die anstehenden Gewinnsummen auszuzahlen. Solange die Investoren die einbezahlte und vermeintlich mit Renditen versehene Summe allerdings im System reinvestieren, wird der Schwindel nicht aufgedeckt. Problematisch ist an diesem Modell vor allem die sich entwickelnde Progressivität. Die am Ende der Investition auszuzahlende Summe übersteigt die Summe der Einzahlung erheblich. Gerade diese große Rendite macht das System im Anfangsstadium so interessant und zieht die Investoren an. Der Organisator ist allerdings gezwungen immer mehr Investoren zu finden, um bereits am System teilhabende Personen ausbezahlen zu können. Wie bei allen Schneeballsystemen kommt es daher zwangsläufig zu einem gewissen Zeitpunkt zum Zusammenbruch des Systems.

Der nachfolgende Abschnitt der Untersuchung soll die Strafbarkeit dieser nach ihrem "Entdecker" benannten Methode im Allgemeinen und den Fall Madoff übertragen ins deutsche Recht im Besonderen analysieren. Dabei ergeben sich vielfältige Normanknüpfungspunkte sowohl aus dem Wettbewerbs- wie auch dem Kapitalmarktstrafrecht. Denkbar ist eine Sanktionierung nach §§ 263, 264a, 266 und 284 StGB, sowie nach dem vom Gesetzgeber speziell für bestimmte Schneeballsysteme vorgesehenen § 16 II UWG.

II. Strafbarkeit

Die dargestellten Verhaltensweisen verursachen einen enormen Schaden bei den betroffenen Teilnehmern und stellen damit ein strafwürdiges und strafbedürftiges Verhalten dar. Im Fall Ponzi stellte sich heraus, dass Anleger in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts bis zum Zusammenbruch des Systems 15 Millionen Dollar gezahlt hatten. Im Fall Madoff wird bislang von einem Schaden in Höhe von weit über 50 Milliarden Dollar ausgegangen. [7] Bei einem derartigen Verhalten, welches in einer solchen Erheblichkeit auftritt, drängt sich angesichts der enormen sozialschädlichen Wirkung [8] die Frage einer Strafbarkeit geradezu auf.

1. § 263 StGB

Möglicherweise erfüllt die beschriebene Methode den Straftatbestand des Betruges gemäß § 263 StGB. Neben einer Täuschung und einem darauf basierenden Irrtum des Opfers würde dies eine Vermögensverfügung und einen Vermögensschaden voraussetzen.

a) Täuschungshandlung

Eine Täuschung ist ein zur Irreführung bestimmtes und damit der Einwirkung auf die Vorstellung eines anderen Menschen dienendes Gesamtverhalten. [9] Bei einem Ponzi-scheme gibt der Organisator gegenüber seinen Kunden vor, dass mit der vorliegenden Anlage eine meist über dem Marktniveau liegende Rendite realisierbar sei. Abweichend bleibt in dem Vorstellungsbild der Opfer der Eindruck, die Rendite sei mit dem System jederzeit zu wiederholen beziehungsweise überhaupt einmalig zu realisieren. In selteneren Fällen hat der Täter von vornherein nicht vor, das erhaltene Geld tatsächlich in eine Anlage zu investieren, also wenigstens den Versuch zu

starten, den versprochenen Gewinn über ein gewinnträchtiges Geschäftsmodell zu erwirtschaften. Bei diesen Konstellationen ist die Bestimmung der Täuschungshandlung verhältnismäßig einfach vorzunehmen: Die Täuschung liegt in der Vorspiegelung über das Investitionsmodell selbst. [10] Weitaus häufiger wird jedoch, wie oben dargestellt, anfangs noch in ein Anlagemodell investiert und auch die Gewinnsumme komplett ausgezahlt, womit eine Täuschung über die tatsächliche Existenz des Systems nicht in Betracht kommt. Dahingehend muss also ein anderer Anknüpfungspunkt für die Täuschungshandlung gefunden werden.

Der Täter verschweigt die Progressivität des Systems und die damit einhergehende Gefahr des schnellen Zusammenbruchs. Zudem wird verschwiegen, dass die ausbezahlte Summe nicht aus der Investierung in das Anlageprodukt stammt, sondern aus dem neuen Einsatz weiterer erst später in das System eingetretener Teilnehmer.

Diesem ersten Ansatz folgend bilden sich zwei denkbare Anknüpfungspunkte für eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB heraus: Zum einen die Täuschung über den sicheren Zusammenbruch des Systems, zum anderen die Täuschung über den Einsatz des investierten Geldes. Dabei soll betont werden, dass diese Täuschungen grundsätzlich erst in Betracht kommen, wenn das System schon installiert ist und einige Teilnehmer bereits partizipieren. Ausgangslage ist dann die Situation, dass ein Neukunde an den Organisator herantritt und Letzterer dann entsprechend falsche Vorstellungen in dem Opfer hervorruft.

aa) Zunächst zu der Täuschung über den sicheren Zusammenbruch des Systems. Es ergibt sich die Problematik, dass auch der neue Teilnehmer bei einer Kapitalanlage nicht grundsätzlich davon ausgehen kann, dass die Geldsumme risikofrei investiert ist. Selbst die sichersten Geldanlagen tragen ein gewisses Restrisiko in sich. Ob dieses Risiko nun darin besteht, dass das System aufgrund der Progressivität kollabiert oder aber aufgrund einer möglicherweise anderweitigen Pleite des Organisators ist für die Untersuchung in diesem Abschnitt ohne Belang. Einzig die Risikohöhe bei Vertragsschluss mit dem Neukunden ist ausschlaggebend. Damit ist entscheidend, ob es ab einem gewissen Grad an Risiko eine Aufklärungspflicht des Verkäufers gibt, den bestehenden hohen Faktor des Zusammenbruchs zu berücksichtigen. Schließlich geht es im Fall der Ponzi-schemes nicht um einen Spielvertrag oder eine Sportwette. Bei diesen Geschäften wird konkludent das Vorliegen des jeweils spezifischen Risikos miterklärt. [11] Bei einer Kapitalanlage ist das Risikobewusstsein bei den Opfern aber erheblich geringer als bei einem Glücksspiel oder einer Wette.

Das Kapitalmarktrecht kennt grundsätzlich umfangreiche Aufklärungspflichten des Täters. [12] Dementsprechend hat der BGH bereits eine Täuschung durch Unterlassen bejaht, wenn der Täter sich darauf beschränkt, die Aufschläge zu verschweigen, die er auf die Londoner Optionsprämie nimmt. [13] Des Weiteren ist ein Fall entschieden worden, bei dem der Anschein erweckt wurde, das gesamte Kundengeld werde ohne Abzug an der Börse angelegt. [14] Waren diese Fälle zwar auch anders gelagert, so wird doch deutlich, dass die Rechtsprechung durchaus bereit ist, Aufklärungspflichten anzunehmen, wenn die neuen Teilnehmer bei einer Kapitalanlage nicht über die gesamte Struktur und den Investitionsgang der Anlage informiert worden sind. Dementsprechend kann eine Aufklärungspflicht auch bei den Ponzi-Schemes angenommen werden. Folglich führt allein schon das Vorspiegeln eines vermeintlich stabilen Systems zur Bejahung des Merkmals der Täuschung.

bb) Hinsichtlich des Einsatzes des investierten Geldes versucht der Täter bei den Ponzi-Schemes mittels einer Umlagerung den Altkunden weiß zu machen, das System funktioniere mit einer derart hohen Rendite tatsächlich. Dieses neugeschöpfte Vertrauen wird für die Anwerbung neuer Kunden genutzt. Die Täuschungshandlung könnte also auch darin bestehen, dass den Neukunden vorgespiegelt wird, ihr eingebrachtes Geld werde tatsächlich in das System investiert. Keinesfalls muss diese Tatsache dem Opfer ausdrücklich beigebracht werden. Vielmehr ist in Literatur und Rechtsprechung zu § 263 StGB anerkannt, dass die Täuschung auch in einem schlüssigen Vorspiegeln liegen kann.[15] Damit bedarf es nicht des Rekurses auf eine mögliche Strafbarkeit durch Unterlassen, welche unter der Voraussetzungshürde der Garantenstellung weitere Erörterungen erforderlich machen würde. Vielmehr kann bereits in der Annahme eines entsprechenden Vertrages durch den Täter die stillschweigende Erklärung liegen, er würde das neu eingeworbene Kapital in das System setzen. Damit steht dieses Modell der oben kurz angedeuteten und jüngst vom BGH entschiedenen Konstellation nahe, bei der von Anfang an gar kein Anlagemodell vorliegt und das Geld ausschließlich dazu genutzt wird, sich zu bereichern und/oder bereits von Altkunden geforderte Gewinnauszahlungen zu tätigen. In der Praxis werden sich häufig extreme Schwierigkeiten zeigen, wenn dem Täter die Organisation und der Geldfluss in beschriebener Methode nachgewiesen werden soll.

Allerdings könnte man, den Begriff der Kapitalanlage weit verstanden, auch wirklich annehmen, dass das Geld dem System als solchem zugute kommt. Schließlich ist der Kern des Ponzi-Scheme die Umlagerung des Geldes der Neukunden als Gewinn für die Altkunden. Bei einem solch weiten Verständnis müsste eine Täuschung verneint werden. Entscheidend ist jedoch, dass die neuen Teilnehmer nicht nur ohne Interesse in das System einzahlen, sondern ihre Investition im Finanzmarkt in aller Regel gut durchdacht haben. Dieses Mitdenken setzt auch voraus, dass die Opfer sich über den Ablauf der Investition informieren. Hat der Täter ohnehin wahr-

heitswidrig in Prospekten oder Gesprächen behauptet, er werde das Geld in eine bestimmte Anlage investieren, liegt unproblematisch eine Täuschung durch positives Tun und damit in der Regel auch ein Betrug vor. Dieses Ergebnis lässt sich aber unter dem Gesichtspunkt des schlüssigen Vorspiegelns selbst dann noch erzielen, wenn keine genauen Aussagen zu dem Investitionsablauf gemacht worden sind. Denn der Neukunde darf sicher erwarten, dass das investierte Geld nicht zum "Stopfen von Löchern" bei Altkunden verwendet wird. Damit ist auch in dem zweiten Anknüpfungspunkt eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB zu bejahen.

b) Irrtum, Vermögensverfügung und Vermögensschaden

Durch die Täuschungshandlung muss zudem ein Irrtum einer anderen Person erregt oder unterhalten werden. Der Irrtum ist dabei jeder Widerspruch zwischen einer subjektiven Vorstellung und der Wirklichkeit. [16] Im Rahmen der hier vorgestellten Konstellation liegt der Irrtum in dem Auseinanderfallen der subjektiven Vorstellung, das Geld werde in eine sichere Geldanlage investiert und der tatsächlichen Verwendung als Auszahlung des Gewinns an Altkunden. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal setzt der Betrug zudem eine Vermögensverfügung voraus. Eine solche ist gegeben bei jedem Tun oder Unterlassen, welches sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. [17]

Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der wirtschaftliche Gesamtwert des Vermögens durch die Verfügung des Getäuschten vermindert wird. [18] Im Fall der hier besprochenen Unterart der Schneeballsysteme ist ein Schaden entstanden, wenn der Neukunde weder seinen eingezahlten Betrag noch seinen versprochenen Zugewinn erhält. Ist es zu einer solchen Feststellung der mangelnden Realisierbarkeit noch nicht gekommen, bleibt eine Bejahung über die Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung.[19] Danach reicht bereits die konkrete Gefährdung des Vermögens aus. [20]

In dem bereits oben erwähnten Beschluss [21] hat der BGH festgestellt, dass der mit der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden durch das Verlustrisiko zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung bestimmt sei und sich damit ein Schaden bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ergeben könne.

Unter Rekurs auf die Konstruktion der konkreten Vermö gensgefährdung müsste die Möglichkeit des Verlusts eines Vermögensbestandteils zum Zeitpunkt der täuschungsbedingten Verfügung so groß sein, dass dies bereits dann eine objektive Minderung des Gesamtvermögenswerts bedeutet.[22] Dem in seinem Vermögen Bedrohten dürfte keine Möglichkeit mehr offenstehen, den Umschlag der Gefahr in einen entgültigen Verlust zu vermeiden.[23] Dies muss unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in vielen Fällen der Ponzi-Schemes die Aussicht auf eine Gewinnauszahlung annähernd unmöglich ist, jedenfalls für die Fälle bejaht werden, bei denen das System bereits fortgeschritten ist und es dem Organisator angesichts der krassen Progressivität des Modells nicht mehr möglich ist Gewinne auszubezahlen.

Nach der dargestellten Argumentation kann jedenfalls bereits der Abschluss eines unter Vorspiegelung von Leistungsfähigkeit erschlichenen Vertrages im Einzelfall dazu führen, dass der Vermögensschaden im Sinne des Betruges insgesamt zu bejahen ist. [24] Danach ist auch bei den so genannten Ponzi-schemes ein Vermögensschaden zumindest dann zu bejahen, wenn der Organisator bei Abschluss eines Vertrages mit dem Neukunden bereits nicht mehr in der Lage ist, die versprochene Mindestrendite zu erbringen. Erst recht zu bejahen ist ein Schaden, soweit der Organisator von vornherein beabsichtigt das entsprechende Kundengeld gar nicht zurückzuzahlen. [25]

c) Weitere Voraussetzungen

Weiterhin bedarf es des Vorsatzes des Täters. Es dürfen keine Rechtfertigungsgründe eingreifen und die Tat muss schuldhaft begangen worden sein. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze. Sofern all die genanten Voraussetzungen gegeben sind bleibt im Zwischenergebnis festzustellen, dass die meisten Fälle der Ponzi-schemes nach deutschem Recht strafbar sind. Gerade im Fall Madoff dürfte - auf Grundlage des derzeitigen Informationsstandes - eine Verurteilung auch nach deutschem Recht (gemäß § 263 StGB) wahrscheinlich sein. [26]

2. § 264a StGB

Grundsätzlich kommt zudem eine Strafbarkeit wegen Kapitalanlagebetrugs gemäß § 264a StGB in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, dass ein entsprechender Geschäftsgegenstand gegeben ist: § 264a StGB ist auf Handlungen im Zusammenhang mit bestimmten Anlageobjekten und bestimmten Zielen beschränkt. [27] Zum einen ist damit der in § 264a I Nr. 1 StGB normierte Vertrieb von Wertpapieren, Bezugsrechten oder Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unterneh-

mens gewähren sollen [28] gemeint. Zum anderen sind aber auch die in Nr. 2 genannten Erhöhungsangebote erfasst. Angebote in diesem Sinne können nur an Personen gerichtete sein, welche bereits Anteile im Sinne der Nr.1 erworben haben.

Des Weiteren ist zu beachten, dass der Kapitalanlagebetrug nur für die Fälle der Ponzi-schemes in Betracht kommt, bei denen der Organisator in Prospekten oder in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb oder die Erhöhung erheblichen Umstände unrichtige Angaben macht. Nur diese Tatgegenstände sind erfasst. [29] In der Regel werden heutzutage aber alle Anlagen mit entsprechenden Prospekten beworben, so dass diese Voraussetzung meist gegeben sein wird. Mithin ist eine Strafbarkeit nach § 264a StGB für die hier vorliegende Konstellation grundsätzlich denkbar. Im Falle des Eingreifens des § 264a StGB neben dem einfachen Betrug tritt der Kapitalanlagebetrug aber im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück. [30]

3. § 266 StGB

Neben den Betrugsdelikten kommt im Falle der Ponzi-Schemes grundsätzlich auch die Prüfung des Untreuetatbestands in Betracht. Regelmäßig wird der Organisator als Vermögensverwalter eine Vermögensbetreuungspflicht inne haben. Hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit der Tathandlung ergibt sich die Einordnung in die bereits bestehende Fallgruppe der Risikogeschäfte. [31] Grundsätzlich ist gerade bei Finanzgeschäften anerkannt, dass ein gewisses Risiko des Verlustes nicht zu Lasten des Vermögensverwalters gehen soll. [32] Allerdings ist die Pflichtverletzung jedenfalls dort zu sehen, wo nach dem Inhalt des Treueverhältnisses entweder formelle oder materielle Grenzüberschreitungen das Eingehen eines Risikos als unvertretbar erscheinen lassen. Legt der Vermögensverwalter bei den Ponzi-Schemes das Geld nicht in der beworbenen Investition an, sondern verwendet die Gelder zur Bezahlung von Gewinnen von Altkunden ist in jedem Fall eine unvertretbare Überschreitung des Risikos anzuerkennen. Zudem kann ein Vermögensnachteil nach den oben bei § 263 StGB genannten Maßstäben bejaht werden. Mithin zeigt sich, dass grundsätzlich auch eine Strafbarkeit wegen Untreue anfangs beschriebenes Verhalten sanktionieren kann.

4. §§ 284 ff. StGB

Eine Strafbarkeit wegen Unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels nach § 284 StGB würde voraussetzen, dass es sich bei den Ponzi-schemes um Glücksspiele handelt. Unter einem solchen Spiel ist ein nach bestimmten Regeln verlaufendes Spielen um Gewinn oder Verlust zu verstehen. [33] Ein in diesem Sinne gefordertes Spielen ist im Fall des Ponzi-Tricks aber eben gerade nicht gegeben. Der Anleger will nicht unter größtem Verlustrisiko mit seinem Geld handeln, sondern mit hoher Rendite den Ausgangsbetrag planvoll steigern. Keinesfalls rechnet der Neukunde ernsthaft mit dem potentiell möglichen völligen Verlust seines Einsatzes. Genau dieses Risiko ist aber Teil des Glücksspiels. Demnach scheidet eine Strafbarkeit nach § 284 StGB aus. Auch eine Strafbarkeit wegen unerlaubter Veranstaltung einer Lotterie oder einer Ausspielung scheidet aus. Beide Systeme sind Sonderformen des Glücksspiels [34] und damit entsprechend aus dargestellten Gründen nicht übereinstimmend mit den Ponzi-Schemes.

5. § 16 II UWG

Möglicherweise greift aber neben dem Betrug und der Untreue eine spezielle Strafnorm aus dem Nebenstrafrecht: § 16 II UWG erfasst Arten so genannter progressiver Kundensysteme. Darunter fallen neben den Pyramidensystemen auch Schneeballsysteme.

Allerdings müsste es sich bei den Ponzi-Schemes auch um die Art von Schneeballsysteme handeln, welche mit § 16 II UWG erfasst werden sollten. Gerade in der Tagespresse werden oftmals Konstellationen als Schneeballsystem deklariert, die diesen Namen nach dem im UWG zugrunde gelegten Verständnis gar nicht verdient hätten. Die strafbare progressive Kundenwerbung erfasst nur solche Verhaltensweisen, bei denen ein Verbraucher gerade durch das Versprechen motiviert wird, sie würden vom Veranstalter besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen. Der Teilnehmer erhält die besonderen Vorteile also nur dann, wenn er andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte bewegt, die ihrerseits nach dem dargestellten Muster verfahren. [35] Ein solches Lockmittel wird in der Regel bei den so genannten Ponzi-Schemes aber nicht gegeben sein, denn Werbemittel für den Eintritt in das System ist meist nicht die Gewährung besonderer Vorteile für versprechensveranlasste Neukundengeschäfte. Beispielhaft sei dazu noch einmal der Fall Madoff aufgegriffen. Hier war es dem US-amerikanischen Börsenmakler gelungen viele Kunden dazu zu überreden, seiner Firma große Geldsummen zukommen zu lassen, um diese Summen im Sinne einer erfolgversprechenden Vermögensverwaltung nach einiger Zeit mit hoher Rendite zurück zu überweisen. Entgegen dem oben genannten Anwendungsfall des § 16 II UWG hatten die Mitarbeiter von Madoff aber nicht mit dem Versprechen geworben, dass sich ein bestimmter Vorteil aus der weiteren Anwerbung von Teilnehmern ergebe. Damit scheidet in diesem Fall - den Sachverhalt entsprechend auf das deutsche Recht übertragen - eine Strafbarkeit wegen progressiver Kundenwerbung nach § 16 II UWG aus.

III. Fazit

Als Ergebnis bleibt mithin festzuhalten, dass die Ponzi-Schemes kein Phänomen vergangener Zeiten sind, sondern auch weiterhin als Teil des tagesaktuellen Geschehens präsent sind. Terminologisch stellt das Ponzi-Scheme dabei den präziseren Begriff im Vergleich zum Ausdruck "Schneeballsystem" dar. Der letztgenannte sehr weit reichende Begriff wird gerade in Abgrenzung zu den von § 16 II UWG erfassten Systemen oft missverständlich gebraucht.

In der hier beschriebenen Form stellt die Installation und das Betreiben eines Ponzi-Schemes strafbares Unrecht dar. Es wurde gezeigt, dass mit §§ 263, 264a StGB und der Untreue gemäß § 266 StGB Normen aus dem Hauptstrafrecht greifen. Der wettbewerbsrechtliche § 16 II UWG erfasst diese Form der Finanzdienstleistung aufgrund aufgezeigter Gründe hingegen nicht. Ein Schneeballsystem im Sinne der nach dem UWG strafbaren progressiven Kundenwerbung liegt damit nicht vor. Es wäre grob falsch zu behaupten, derartige Systeme seien - wie das Beispiel Madoff - Ausprägungen der Finanzwelt der Vereinigten Staaten von Amerika und in Deutschland nicht existent. Zum einen beweist gerade dieser Fall, dass angesichts der wachsenden Vernetzung der internationalen Finanzmärkte, niemals nur ein Staat betroffen ist. Zum anderen h aben, wie anhand von Beispielen aus der Judikative aufgezeigt, auch Wirtschaftskriminelle in Deutschland derartige Verfahrensmuster entdeckt. In Anbetracht des zunehmenden Gefährdungspotentials sollte demnach die rechtspolitische Diskussion um die vorgenannten Systeme weiter forciert werden.


* Der Autor ist Doktorand an der Universität zu Köln.

[1] Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Auflage (2009), § 16 Rdnr. 32; Raube, Strafrechtliche Probleme der progressiven Kundenwerbung (1995), S. 7.

[2] Otto Jura 1999, 97, 98; Vgl. auch die Ausführungen zum Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität 2004 abzurufen unter: http://www.bka.de/lageberichte/wi/wikri_2004.pdf.

[3] Schorsch Kriminalistik 2007, 236, 237 f.

[4] Vgl. nur den aktuellen Beschluss des BGH vom 18.Februar 2009, Az.: 1 StR 731/08 = BGH HRRS 2009 Nr. 318 = NStZ 2009, 330 f.

[5] Vgl. auch Schorsch Kriminalistik, 2007, 236, 238.

[6] Vgl. FAZ vom 13.März 2009, Seite 23; Siehe zudem die Hinweise des Vereins zum Schutz der Kapitalanleger unter: http://www.sdk.org/pressemitteilung.php?action=detail&pmID=515.

[7] Vgl. FAZ vom 13. März 2009, Seite 23.

[8] Vgl. Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, 38. Auflage (2008 ), Rn.9.

[9] Lackner/Kühl, StGB, 26. Auflage (2007), § 263 Rn.6; Fischer, StGB, 55. Auflage (2008), § 263 Rn.10.

[10] So in dem Beschluss des BGH vom 18.Februar 2009, Az.: 1 StR 731/08 = HRRS 2009 Nr. 318.

[11] Vgl. Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 263, Rn.10; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar StGB, 2. Auflage (2005), § 263 Rn. 133.

[12] Vgl. Zieschang, in: Park, Kapitalmarkt Strafrecht, 2. Auflage ( 2008), S. 58 ff.

[13] BGHSt 30, 177, 181f.

[14] BGHSt 30, 388ff.

[15] Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 263, Rn. 10a; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT 2, 31. Auflage (2008), Rn.498; Lackner/Kühl, a.a.O. (Fn.9), § 263, Rn. 9 m.w.N.

[16] Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 263, Rn. 33; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage (2006), § 263 Rn. 33.

[17] BGH BB 1991, 713; Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 263, Rn. 40.

[18] Lackner/Kühl, a.a.O. (Fn.9), § 263, Rn. 36; Kindhäuser, in Nomos Kommentar StGB, 2. Auflage (2005), § 263 Rn. 226.

[19] Vgl. zu dieser Konstellation generell BGHSt 33, 244, 246; 47, 160, 167.

[20] BGHSt 34, 394, 395; Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage (2006), §263 Rn. 143; Kindhäuser, a.a.O. (Fn.17), § 263 Rn. 297.

[21] Siehe BGH vom 18.Februar 2009, Az.: 1 StR 731/08 = HRRS 2009 Nr. 318.

[22] Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 263, Rn. 94.

[23] Wessels/Hillenkamp, a.a.O. (Fn.15), Rn. 571 m.w.N.

[24] Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 263 Rn. 97.

[25] Vgl. auch Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 263 Rn. 99; So wohl auch die Absicht des Täters in dem Beschluss des BGH vom 18.Februar 2009, Az.: 1 StR 731/08 = HRRS 2009 Nr. 318.

[26] In Bezug auf die Strafbarkeit derartiger Systeme auch BGH Beschluss vom 18. Februar 2009, Az.: 1 StR 731/08 = HRRS 2009 Nr. 318.

[27] Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 264a, Rn. 4.

[28] Damit sind zum Beispiel partiarische Darlehen gemeint, vgl. für weitere Anwendungsfälle: Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 264a, Rn. 8.

[29] Lackner/Kühl, StGB, a.a.O. (Fn.9), § 264a, Rn. 10.

[30] Lackner/Kühl, a.a.O. (Fn.9), § 264a Rn. 17; Hellmann, in Nomos Kommentar StGB, 2. Auflage (2005), § 264a Rn. 82

[31] Vgl. zur Fallgruppe der Risikogeschäfte Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage (2006), § 263 Rn. 33; Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 266 Rn. 42 und 72b.

[32] Vgl. Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 266 Rn. 42 und 72b.

[33] Fischer, a.a.O. (Fn.9), § 284 Rdnr. 4; Kindhäuser, a.a.O. (Fn.17), § 284 Rn. 7.

[34] Vgl. Lackner/Kühl, a.a.O. (Fn.9), § 284 Rn. 4; Eser/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Auflage (2006), § 287 Rn. 1.

[35] Vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O. (Fn.1), § 16, Rn. 41; Brammsen, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, (2006), § 16 Rn. 95.