HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 983
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 481/22, Urteil v. 22.06.2023, HRRS 2023 Nr. 983
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 9. Mai 2022
a) soweit es den Angeklagten R. betrifft, aa) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchtem Diebstahl und mit Sachbeschädigung in zwei Fällen, sowie der Sachbeschädigung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist; bb) im Ausspruch über die für die Taten vom 2. Juli 2019 verhängten Einzelstrafen sowie im Gesamtstrafen- und Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;
b) soweit es den Angeklagten S. betrifft, dahingehend geändert, aa) dass der Angeklagte des Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchtem Diebstahl und mit Sachbeschädigung in zwei Fällen schuldig und im Übrigen freigesprochen ist; bb) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Diebstahls in zwei Fällen, davon einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Den Angeklagten S. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat das Landgericht Entscheidungen über die Anrechnung der jeweils erlittenen Auslieferungshaft getroffen.
Hiergegen richten sich die vom Generalbundesanwalt teilweise vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft, die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts die Verurteilung der Angeklagten wegen schwerwiegenderer sowie weiterer tateinheitlich begangener Delikte, die Verhängung höherer Strafen und die Verurteilung des Angeklagten S. im Umfang des ergangenen Freispruchs erstrebt. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Rechtsmittel haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg und sind im Übrigen unbegründet.
1. Nach den Feststellungen hielten sich die Angeklagten am Nachmittag des 30. Juni 2019 an einem Baggersee in Ro. bei G. auf. Der Angeklagte R. beobachtete, wie der Zeuge D. seinen Pkw Mercedes C 220 in der Nähe des Sees abstellte und die Insassen das Fahrzeug verließen. Dabei bemerkte der Angeklagte R., dass die Beifahrertür nicht verschlossen war, und fasste den Entschluss, das Fahrzeug wegzunehmen, um damit einen bereits zuvor gefassten Tatplan umzusetzen, mit dem Auto gegen die Scheibe eines Juweliergeschäfts in K. zu fahren, um Schmuck und wertvolle Uhren an sich zu bringen. Dabei war ihm bewusst, dass das Fahrzeug dadurch beschädigt und nicht ohne eine erhebliche Wertminderung an den Zeugen D. zurückgelangen würde, was er billigend in Kauf nahm. Er teilte dem Angeklagten S. mit, dass die Beifahrertür des Mercedes nicht verschlossen sei. Sodann begaben sich beide Angeklagte zu dem Fahrzeug. Der Angeklagte R. öffnete die nicht verschlossene Beifahrertür, durchsuchte den Wagen und fand im Handschuhfach einen Ersatzschlüssel. Er setzte sich auf den Fahrersitz, um mit dem Auto wegzufahren. Der Angeklagte S. setzte sich auf den Beifahrersitz und die Angeklagten fuhren gemeinsam auf die BAB 7 in Richtung K. Dass der Angeklagte S. bereits zu diesem Zeitpunkt von dem geplanten Überfall auf das Juweliergeschäft wusste, vermochte das Landgericht nicht festzustellen.
2. Am Vormittag des 2. Juli 2019 fuhren die Angeklagten in dem VW Golf der Zeugin Dr., der mit einem litauischen Kfz-Kennzeichen ausgestattet war, zu einem Parkplatz in K., wo sie drei Tage zuvor den Mercedes des Zeugen D. abgestellt hatten. Der Angeklagte S. entfernte von einem anderen dort geparkten Pkw die Kfz-Kennzeichen und brachte diese an dem VW Golf an, so dass dieser den Anschein erweckte, mit einem K. er Kennzeichen ausgestattet zu sein. Dieses Fahrzeug sollte als Fluchtwagen nach dem Überfall auf das Juweliergeschäft dienen.
Im Anschluss daran fuhren die Angeklagten mit zwei weiteren Personen in dem Mercedes des Zeugen D. in die K. er Innenstadt. Die Zeugin Dr. folgte ihnen in ihrem VW Golf und stellte diesen absprachegemäß mit laufendem Motor an einer Einfahrt in der Fußgängerzone ab, in der sich das Juweliergeschäft befand. Der Angeklagte R. fuhr in dem Mercedes mit einer Geschwindigkeit von 11 km/h in die Fußgängerzone ein. Als er das Geschäft gegen 14.15 Uhr erreichte, hupte er, um Passanten zu warnen, und lenkte das Auto in einem „ausholenden Bogen“ in Form einer Rechtskurve in Richtung der Fensterfront des Ladenlokals. Dabei beschleunigte er es auf mindestens 24 km/h, indem er das Gaspedal vollständig durchtrat, und fuhr auf den verglasten Schaufensterbereich zu. Der Wagen traf mit der Fahrzeugfront leicht schräg auf die Scheibe. Die Angeklagten handelten dabei in der Absicht, diese zu zerstören, um dem Angeklagten S. und den beiden anderen Beteiligten zu ermöglichen, an die in der Auslage liegenden Schmuckstücke und Uhren zu gelangen, sie in einem Rucksack oder einer Schultertasche vom Tatort wegzuschaffen und später gewinnbringend zu verkaufen. Die Schaufensterscheibe, die mit Panzerglas ausgestattet war, hielt dem Aufprall jedoch stand; sie wurde lediglich teilweise aus ihrer Verankerung gerissen und ein Stück weit eingedrückt, zerbrach jedoch nicht. Die hinter der Scheibe befindliche Auslage samt Uhren und Schmuckstücken wurde in den Innenraum des Geschäfts geschleudert; dabei gingen die hinter dem Auslagetresen befindlichen Milchglasscheiben teilweise zu Bruch. Zu diesem Zeitpunkt befand sich niemand im Verkaufsraum des Geschäfts. Das Landgericht konnte nicht feststellen, dass die Angeklagten billigend in Kauf nahmen, andere Personen in dem Geschäft zu verletzen.
Nachdem die Angeklagten festgestellt hatten, dass die Schaufensterscheibe nicht derart beschädigt war, dass sie an die Auslageware gelangen konnten, verblieben sie und die beiden weiteren Beteiligten im Fahrzeug. Sie erkannten, dass die Scheibe auch einem zweiten Aufprall standhalten würde, und beschlossen zu fliehen. Der Angeklagte R. setzte den nach wie vor fahrtüchtigen Mercedes zurück und fuhr mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 51 km/h weiter durch die Fußgängerzone. Währenddessen betätigte einer der Angeklagten die Hupe des Fahrzeugs, um umstehende Personen zu warnen. Gleichwohl gerieten zahlreiche Passanten in Panik und flüchteten in unmittelbar angrenzende Geschäfte. Der Angeklagte R. blieb mit dem Wagen auf der Fahrbahn, ohne den anliegenden Gehweg zu befahren, wo sich zwei Frauen in der Annahme, dass es sich um einen Terroranschlag handle, in Todesangst an die an den Gehweg grenzende Hauswand drängten. Sie blieben beide unverletzt.
Der Angeklagte R. fuhr sodann aus der Fußgängerzone heraus entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung in eine Einbahnstraße ein, auf der ihm die Zeugin W. in ihrem Pkw Skoda Fabia entgegenkam. Zunächst hielten beide Fahrzeuge an. Entweder einer der Angeklagten oder einer der weiteren Beteiligten betätigte die Hupe und die Lichthupe des Mercedes, um die Zeugin W. dazu zu veranlassen, den Weg zu räumen. Als diese jedoch stehen blieb, fuhr der Angeklagte R. seitlich an ihrem Pkw vorbei. Dabei erkannte er, dass zwischen dessen Fahrertür und einem daneben befindlichen Gebäude nicht genug Platz für den Mercedes verblieb, und streifte das Fahrzeug der Zeugin W. an der Fahrerseite. Ferner riss er mit dem Mercedes einen Bauzaun an der rechten Seite der Straße um. Dabei nahm er billigend in Kauf, dass er durch sein Fahrmanöver Schäden an anderen Gegenständen verursachen würde. Am Pkw der Zeugin W. entstand ein Schaden in Höhe von ca. 2.000 €, an den Bauzäunen ein solcher in Höhe von 731,85 €.
Die zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.
1. Die Rechtsmittel sind wirksam auf die Überprüfung des Freispruchs des Angeklagten S. und des Strafausspruchs gegen den Angeklagten R. betreffend die Tat vom 30. Juni 2019 (s.o. unter Ziff. I. 1.), die Schuld- und Strafaussprüche betreffend die Taten vom 2. Juli 2019 (siehe Ziff. I. 2.) sowie die Gesamtstrafenaussprüche und den Maßregelausspruch beschränkt (§ 344 Abs. 1 StPO).
a) In ihrer Revisionsbegründungsschrift vom 4. August 2022 hat die Beschwerdeführerin zwar einen umfassenden Aufhebungsantrag gestellt und das Urteil ohne Beschränkung auf die dort behandelten Einzelaspekte zur Überprüfung durch den Senat gestellt. Eine Nr. 156 Abs. 2 Halbs. 2 RiStBV berücksichtigende Auslegung der Revisionsbegründung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. Juni 2023 - 4 StR 225/22 Rn. 14; Urteil vom 14. April 2022 - 5 StR 313/21, NStZ-RR 2022, 201, 202; Urteil vom 18. Dezember 2014 - 4 StR 468/14, NStZ-RR 2015, 88, 89; Urteil vom 11. Juni 2014 - 2 StR 90/14, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 21) ergibt aber, dass sich die Staatsanwaltschaft nur gegen den Freispruch des Angeklagten S. vom Vorwurf des Kfz-Diebstahls am 30. Juni 2019, die Schuldsprüche gegen beide Angeklagten wegen des Angriffs auf das Juweliergeschäft und die anschließende Wegfahrt vom 2. Juli 2019 sowie die Strafaussprüche einschließlich des Maßregelausspruchs wendet. Bezogen auf den vorausgegangenen Kfz-Kennzeichendiebstahl beanstandet die Beschwerdeführerin hingegen nur den Strafausspruch gegen den Angeklagten S., nicht die zugrundeliegenden Schuldsprüche gegen die beiden Angeklagten.
b) Diese Revisionsbeschränkung ist unwirksam, soweit sie den Kennzeichendiebstahl, die Anbringung dieses Kennzeichens am Pkw der Zeugin Dr. und die anschließende Verwendung dieses Fahrzeugs vom Rechtsmittelangriff ausnehmen will. Denn der Kfz-Kennzeichendiebstahl und die anschließende Anbringung dieses Kennzeichens am Fahrzeug der Zeugin Dr. stehen zu dem nachfolgenden versuchten Diebstahl zum Nachteil des Inhabers des Juweliergeschäfts im Verhältnis der Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB. Auf solche einzelnen rechtlichen Gesichtspunkte des Schuldspruchs kann ein Rechtsmittel nicht beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. bereits BGH, Beschluss vom 15. Juni 1954 - 4 StR 310/54, BGHSt 6, 229, 230; Beschluss vom 26. Mai 1967 - 2 StR 129/67, BGHSt 21, 256, 258; Schmitt in Meyer-Goßner, StPO, 66. Aufl., § 318 Rn. 12 f. mwN).
aa) Das Herstellen einer unechten zusammengesetzten Urkunde und deren nachfolgender Gebrauch bilden als natürliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB, wenn und soweit dieser Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2018 - 5 StR 85/18, NStZ 2018, 468, 469; Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 156/08, StV 2009, 589, 590; Urteil vom 21. Dezember 1988 - 2 StR 613/88, BGHSt 36, 64, 65; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 267 Rn. 58 mwN). Trifft ein anderes Delikt mit einer einheitlichen Urkundenfälschung in diesem Sinne tateinheitlich zusammen, hat dies zur Folge, dass sämtliche Gesetzesverstöße, die nicht deutlich schwerer wiegen, zu einer Tat im materiellrechtlichen Sinne verklammert werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2022 - 4 StR 88/22 Rn. 4; Beschluss vom 18. Februar 2021 - 4 StR 279/20, NStZ 2022, 227, 228; Urteil vom 17. Oktober 2018 - 4 StR 149/18, NZV 2018, 37; Beschluss vom 28. Januar 2014 - 4 StR 528/13, NStZ 2014, 272; Fischer, aaO, Rn. 60 mwN).
bb) In der Nutzung des mit falschen amtlichen Kennzeichen ausgestatteten VW Golf der Zeugin Dr. im öffentlichen Straßenverkehr liegt demnach ein einheitliches Gebrauchmachen von einer zusammengesetzten Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB, das auch das kurzzeitige Abstellen des Fahrzeugs an der Einfahrt zur Fußgängerzone umfasste. Diese Urkundenfälschung steht nicht nur mit dem Diebstahl der Kfz-Kennzeichen, sondern auch mit dem versuchten Diebstahl zum Nachteil des Inhabers des Juweliergeschäfts in Tateinheit. Denn nach den Feststellungen stand der VW Golf absprachegemäß mit laufendem Motor als Fluchtfahrzeug für die Angeklagten bereit, während diese mit dem Mercedes auf das Juweliergeschäft zufuhren. Damit liegt eine Teilüberschneidung der tatbestandlichen Ausführungshandlungen der Urkundenfälschung und des unmittelbaren Ansetzens zum Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB vor. Dass diese Tat im Versuchsstadium stecken geblieben ist, rechtfertigt keine andere konkurrenzrechtliche Beurteilung, als wenn das mit falschen Kfz-Kennzeichen versehene Fluchtfahrzeug erst nach Vollendung des Überfalls vor dessen tatsächlicher Beendigung zum Einsatz kommt (vgl. zu dieser Fallgestaltung BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 - 4 StR 528/13, NStZ 2014, 272).
2. Die in diesem Sinne beschränkten Rechtmittel haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet.
a) Wegen der Taten vom 2. Juli 2019 hat sich der Angeklagte R. des Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchtem Diebstahl und Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie der Sachbeschädigung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht.
aa) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte in Bezug auf die Entwendung des Kennzeichens auf dem Parkplatz in K., dessen Anbringung an dem Fahrzeug der Zeugin Dr. und die anschließenden Nutzung dieses Fahrzeugs in der K. er Innenstadt des Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung schuldig gemacht hat. Angesichts der Einbindung dieses Geschehens in den gesamten gemeinsamen Tatplan ist die Annahme von Mittäterschaft insoweit rechtsfehlerfrei (§ 25 Abs. 2 StGB).
bb) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht den Angeklagten wegen der Fahrt in die Schaufensterscheibe des Juweliergeschäfts zu Recht nur wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung in zwei Fällen verurteilt. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
(1) Eine Strafbarkeit wegen eines versuchten Diebstahls mit Waffen hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Denn der von den Angeklagten tatplangemäß eingesetzte Pkw des Zeugen D. war kein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB.
(a) Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestandes bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2015 ? 4 StR 151/15, NStZ 2015, 702, 703). Ein auf die Begehung einer Tat im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB gerichteter Tatentschluss setzt daher voraus, dass bei dem ins Auge gefassten Diebstahl von dem Täter oder einem anderen Beteiligten „ein anderes gefährliches Werkzeug“ mitgeführt werden soll. Ob ein Gegenstand diese Voraussetzungen erfüllt, ist allein nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Für ein zusätzliches subjektives Element zur Eingrenzung dieses Tatbestandsmerkmals ist dabei ? gerade auch mit Rücksicht auf die Abgrenzung zu den sonstigen Werkzeugen oder Mitteln im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB, die erst durch die ihnen von Seiten des Täters in der konkreten Situation beigelegte Zwecksetzung tatbestandsmäßig werden - kein Raum (grundlegend BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 - 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257, 269 Rn. 32; ebenso BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 - 1 StR 347/20, NStZ-RR 2021, 107, 108). Dabei sind die objektive Bestimmung und die Beschaffenheit des jeweiligen Gegenstands in den Blick zu nehmen. Für die daran anknüpfende Bewertung als „gefährlich“ kommt es maßgeblich darauf an, ob von dem Gegenstand danach eine abstrakte Gefahr ausgeht, die derjenigen einer Waffe im technischen Sinne nahekommt, sodass allein deshalb eine Mitführung dieses Gegenstands bei der Tat als latent gefährlich angesehen werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 - 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257, 269 Rn. 34 f. [Taschenmesser] mwN; daran anknüpfend BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 ? 1 StR 347/20, NStZ-RR 2021, 107 [Zimmermannshammer]; Beschluss vom 21. Juli 2012 - 5 StR 286/12, NStZ 2012, 570 [Schraubendreher bei objektiv gegebener Eignung zur Verwendung als Stichwerkzeug]). Aus diesem Grund verlieren objektiv gefährliche Werkzeuge diese ihre Eigenschaft nicht dadurch, dass der Täter sie in der konkreten Situation allein zum Aufbruch oder Aufsprengen eines Behältnisses etc. verwenden will (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 15. Oktober 2018 - 8 Ss 183/18, StV 2020, 250; OLG Stuttgart, Urteil vom 5. Mai 2009 - 4 Ss 144/09, NJW 2009, 2756, 2758; Brodowski in LK-StGB, 13. Aufl., § 244 Rn. 14; Kindhäuser/Hoven in NK-StGB, 6. Aufl., § 244 Rn. 11; Schmitz in MüKo-StGB, 10. Aufl., § 244 Rn. 19; jew. mwN).
(b) Danach erfüllt das von dem Angeklagten R. nach seiner Vorstellung von der Tat verwendete Kraftfahrzeug nicht die Voraussetzungen eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB. Denn ein Pkw ist trotz der von ihm ausgehenden erheblichen Bewegungsenergie bei objektiver Betrachtung kein Gegenstand, der dazu bestimmt ist, eine Kraft gegen ein anderes Objekt zu entfalten oder zu verstärken. Er unterscheidet sich dadurch von alltäglichen Werkzeugen wie etwa einem Hammer oder einem Schraubendreher, die schon bei bestimmungsgemäßer Verwendung diesen Zweck haben und sich ohne weitreichende Veränderung der vorgesehenen Einsatzform (Schlagen, auf einen Punkt konzentrierte Druckausübung etc.) verbotenen Waffen ähnlich gegen Menschen einsetzen lassen. Dass sich ein Kraftfahrzeug - wie hier geschehen - unter krasser Pervertierung seines Zwecks als Fortbewegungsmittel auch dazu missbrauchen lässt, Sachen zu zerstören oder Menschen zu verletzen, ändert daran nichts.
(2) Die Beweiserwägungen des Landgerichts, mit denen es einen auf die Begehung einer gefährlichen Körperverletzung gerichteten Tatentschluss der Angeklagten im Sinne von § 223 Abs. 1, Abs. 2, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB verneint hat, erweisen sich unter Berücksichtigung des insofern geltenden eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. Februar 2022 - 4 StR 457/21, StV 2023, 371 Rn. 7; Beschluss vom 7. Juni 1979 ? 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 f. mwN; Franke in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. mwN) ebenfalls als rechtsfehlerfrei.
Das Landgericht hat dabei insbesondere das Vor- und Nachtatverhalten der Angeklagten und der beiden anderen Beteiligten in den Blick genommen (Warnung der umstehenden Personen durch Hupen) und daraus für den Vorsatz in Bezug auf die Verletzung von Kunden oder Mitarbeitern im Innenraum des Geschäfts einen zulässigen Erweiterungsschluss gezogen. Ferner hat es darauf abgestellt, dass die Angeklagten das Geschäft vorher zweimal in Augenschein genommen und sich einen Eindruck davon verschafft hatten, dass es seinem Charakter als hochpreisiges Juweliergeschäft nach nur über wenig „Laufkundschaft“ verfügte, und es daher kein Zufall war, dass sich zum Tatzeitpunkt niemand dort aufhielt. Es habe daher keine Situation vorgelegen, in der die Angeklagten aufgrund der Gefährlichkeit ihres Handelns verständigerweise nicht darauf vertrauen durften, dass niemand verletzt werde. Schließlich spreche gegen einen entsprechenden Tatentschluss auch das tatplangemäße Vorgehen der Angeklagten, wonach durch das Zufahren mit dem Pkw nur die Scheibe zerstört werden sollte, um den Zugriff auf die Auslagen zu ermöglichen, ohne dass Personen zu Schaden kommen sollten. Jedenfalls in ihrer Gesamtschau tragen diese Erwägungen den Schluss auf den fehlenden Körperverletzungsvorsatz der Angeklagten, so dass die diesbezügliche Beweiswürdigung nicht als rechtsfehlerhaft zu beanstanden ist.
(3) Ferner tragen die Feststellungen auch die Annahme einer Strafbarkeit der Angeklagten wegen eines versuchten Raubdelikts nicht.
Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuschrift vom 15. Dezember 2022 ausgeführt:
„Ebenso lassen die Feststellungen […] - anders als die Revision meint (RB S. 21 ff.) - nicht auf einen versuchten (schweren) Raub nach § 249 Abs. 1, (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Fall 2), § 12 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 Fall 1 StGB schließen. Unabhängig davon, ob der von den Angeklagten verfolgte Plan die Annahme von Gewalt gegen eine Person oder eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben überhaupt nahelegt, fehlt es zumindest am vorgestellten Finalzusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme der Sachen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2022 - 1 StR 497/21, juris Rn. 7). Die Angeklagten wollten im Außenbereich das Diebesgut an sich nehmen, ohne dabei mit zum Juweliergeschäft zugehörigen Personen zu interagieren (UA S. 21).“ Dem schließt sich der Senat an.
(4) Schließlich kommt entgegen der Auffassung der Revision nach den Feststellungen ein (vollendeter) gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Nachteil von Passanten nicht in Betracht, da sich aus den Urteilsgründen keine Situation ergibt, die einen „Beinahe-Unfall“ im Sinne der Rechtsprechung des Senats darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2022 - 4 StR 412/22 Rn. 11; Beschluss vom 14. September 2021 - 4 StR 21/21, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff 9; Beschluss vom 15. März 2017 - 4 StR 53/17, StV 2018, 430; jew. mwN). Ein versuchter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB durch das Zufahren auf die Schaufensterscheibe scheitert daran, dass nach der Vorstellung der Angeklagten im öffentlichen Verkehrsraum noch keine zumindest abstrakte Gefahr für eines der von dieser Vorschrift geschützten Rechtsgüter begründet worden ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2011 - 4 StR 401/11, NStZ-RR 2012, 185; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 315b Rn. 9 mwN).
cc) Auch die vom Landgericht vorgenommene rechtliche Würdigung der Ereignisse in der Einbahnstraße bei der Wegfahrt vom Tatort als Sachbeschädigung (in zwei tateinheitlichen Fällen) enthält keinen die Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.
(1) Mit der Anklageschrift vom 22. Juli 2021 hat die Beschwerdeführerin den Angeklagten insoweit die tateinheitliche Begehung einer Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB und eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b) StGB zur Last gelegt und in der zugehörigen Begleitverfügung das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1, § 154a Abs. 1 StPO auf die von der Anklage erfassten Tatvorwürfe beschränkt. Das Landgericht hat den Angeklagten R. insoweit wegen Sachbeschädigung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen verurteilt und eine Strafbarkeit gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint, da es in Bezug auf die Beschädigung des Fahrzeugs der Zeugin W. und des Bauzauns an einem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs fehle.
(2) Mit der Revision rügt die Beschwerdeführerin diesbezüglich einen Verstoß gegen die Kognitionspflicht aus § 264 Abs. 2 StPO wegen fehlerhafter Anwendung des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB und unterbliebener Prüfung einer Strafbarkeit der Angeklagten wegen Nötigungsdelikten zum Nachteil der Passanten, die sich vor dem Mercedes in Sicherheit brachten, und der Zeugin W., sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch die Weiterfahrt nach der Kollision mit deren Pkw und dem Bauzaun. Dieser Angriff der Revision dringt nicht durch.
(a) Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten R. wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StPO zutreffend verneint, da die Voraussetzungen eines verkehrsfremden Inneneingriffs nicht vorliegen.
(aa) Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr wird von § 315b StGB nur erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“, und es ihm darauf ankommt, hierdurch in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert zudem, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2021 - 4 StR 134/21 Rn. 4; Beschluss vom 19. November 2020 - 4 StR 240/20 Rn. 26; Beschluss vom 24. Oktober 2017 ? 4 StR 334/17 Rn. 3 f. und Beschluss vom 20. Oktober 2009 ? 4 StR 408/09 Rn. 4). Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2021 - 4 StR 134/21 Rn. 4; Beschluss vom 16. März 2010 - 4 StR 82/10, StraFO 2010, 259; Urteil vom 31. August 1995 - 4 StR 283/95, BGHSt 41, 231, 234; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 315b Rn. 9 mwN).
(bb) Gemessen hieran ist ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht festgestellt. Denn die Urteilsgründe ergeben nicht, dass der Angeklagte das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug bewusst zweckwidrig einsetzte und den Verkehrsvorgang zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr „pervertierte“. Nach den Feststellungen verwendete er es vielmehr in erster Linie als Fortbewegungsmittel. Dabei handelte er zwar grob verkehrswidrig, brachte den von ihm gesteuerten Pkw aber nicht bewusst zweckwidrig in verkehrsfeindlicher Einstellung zum Einsatz.
(b) Das Landgericht war aufgrund seiner Kognitionspflicht aus § 264 Abs. 2 StPO auch nicht gehalten, eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Nötigung oder unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu prüfen, da die mit der Anklageschrift verfügte Beschränkung der Strafverfolgung nach § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO jedenfalls bezogen auf diese Delikte wirksam ist.
Zwar sind ausgeschiedene Tatteile oder Strafbestimmungen regelmäßig konkret („positiv“) zu bezeichnen. Die Feststellung, das Verfahren werde gemäß § 154 Abs. 1 StPO und/oder § 154a Abs. 1 StPO im Sinne der Anklage beschränkt, entspricht als zu ungenau nicht dem Gesetz (fehlende Rechtssicherheit) und ist daher unwirksam (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 4 StR 461/13 Rn. 6; Beschluss vom 7. Oktober 2011 - 1 StR 321/11, NStZ-RR 2012, 50, 51; Beschluss vom 16. Juli 1980 ? 3 StR 232/80, NStZ 1981, 23; Beukelmann in Graf, StPO, 4. Aufl., § 154a Rn. 7; Diemer in KK-StPO, 9. Aufl., § 154a Rn. 9; Schmitt in Meyer-Goßner, StPO, 66. Aufl., § 154a Rn. 18; Schnabl in SSW-StPO, 5. Aufl., § 154a Rn. 9; jew. mwN).
Hier liegt jedoch ein Fall vor, in dem wegen der Eindeutigkeit des ausgeschiedenen Verfahrensstoffs der Hinweis auf die Anklage ausreicht. Denn es kommt nicht auf die Wortwahl an, sondern darauf, dass die das Ausscheiden bewirkende Prozesshandlung keinen Zweifel darüber lässt, in welchem Umfang Tatteile oder Gesetzesverletzungen nach dem Willen der zuständigen Strafverfolgungsbehörde nicht weiterverfolgt werden sollen (vgl. Mavany in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 154a Rn. 9; Weßlau/Deiters in SK-StPO, 5. Aufl., § 154a Rn. 21; jew. mwN). In der Anklageschrift sind die Sachverhalte, welche die Tatvorwürfe sowohl der Nötigung zum Nachteil der Passanten und der Zeugin W. als auch des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach der Kollision mit dem Pkw der Zeugin W. und dem Bauzaun begründen, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht klar umrissen. Zugleich ergibt sich aus dem Anklagesatz eindeutig, dass diesbezüglich nur eine Strafverfolgung wegen Sachbeschädigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr erfolgen soll. Bei verständiger Auslegung der Begleitverfügung im Lichte der Anklageschrift bezieht sich die Verfolgungsbeschränkung daher mit hinreichender Deutlichkeit jedenfalls auf die Straftatbestände des § 142 Abs. 1 Nr. 1 und § 240 Abs. 1 und 2 StGB.
dd) Die Kennzeichenentwendung, dessen anschließende Anbringung am Fahrzeug der Zeugin Dr. und die planmäßige Verwendung dieses Fahrzeugs bei der Tatbegehung in der K. er Innenstadt verbinden die darin liegenden Tatbestandsverwirklichungen aus den oben dargelegten Gründen zu einer Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB. Die Ereignisse in der Einbahnstraße stehen hierzu im Verhältnis der Tatmehrheit gemäß § 53 Abs. 1 StGB. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen.
Dadurch kommen die für die Kennzeichenentwendung und die Fahrt in die Schaufensterscheibe festgesetzten Einzelstrafen in Wegfall. Insoweit wird eine neue Einzelstrafe festzusetzen sein. Auch für die Ereignisse in der Einbahnstraße ist eine neue Einzelstrafe zu bilden. Dadurch verliert die Gesamtstrafe ihre Grundlage. Der Senat hebt auch den Maßregelausspruch auf.
b) Die von der Strafkammer gegen den Angeklagten R. für die im Schuldspruch teilrechtskräftige Tat vom 30. Juni 2019 festgesetzte Einzelstrafe hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
aa) Die Strafkammer hat die für diese Tat verhängte Einzelstrafe dem Regelstrafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB entnommen und die Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB mit der Begründung verneint, dass „kein besonders schwerer Fall vorlag“. Sodann hat sie Ausführungen zum Merkmal der Gewerbsmäßigkeit i.S.d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB gemacht. Bei der konkreten Strafzumessung hat sie zu Lasten des Angeklagten R. berücksichtigt, dass er sowohl in seiner Heimat Litauen als auch in Deutschland erheblich und einschlägig wegen Vermögensdelikten vorbestraft ist und er die Tat in der Bewährungszeit kurz nach seiner letzten Haftentlassung begangen hat.
bb) Diese Strafzumessungserwägungen weisen unter Berücksichtigung des insoweit geltenden eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 24. Juni 2021 - 5 StR 545/20, NStZ-RR 2021, 346, 347; Urteil vom 2. Februar 2017 - 4 StR 481/17, NStZ-RR 2017, 105, 106; jew. mwN) keinen Rechtsfehler auf. Den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Regelbeispielen kommt zwar nur indizielle Wirkung zu, d.h. bei ihrem Fehlen kann gleichwohl ein (unbenannter) besonders schwerer Fall vorliegen, worüber das Tatgericht auf Grund einer Gesamtbewertung der wesentlichen tat- und täterbezogenen Umstände zu entscheiden hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1989 - 2 StR 319/89, NJW 1990, 1489, 1490; Urteil vom 21. April 1970 - 1 StR 45/70, BGHSt 23, 257; Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., Vorb. §§ 38 ff. Rn. 50 mwN). Dafür, dass das Landgericht dies verkannt hat, ergeben sich aus den Urteilsgründen indes keine Anhaltspunkte, da es einen besonders schweren Fall generell - auch bezogen auf nicht in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannte Fälle - verneint hat.
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Strafzumessung auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil dem Angeklagten R. nicht angelastet worden ist, dass er eigens zur Begehung von Straftaten nach Deutschland eingereist ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - 4 StR 447/19; Beschluss vom 16. März 1993 - 4 StR 602/92, NStZ 1993, 337, 338). Denn das Landgericht hat zum konkreten Zeitpunkt und Zweck der Einreise des Angeklagten R. keine Feststellungen getroffen. Auch eine gewohnheitsmäßige Begehungsweise der Angeklagten in Bezug auf die Entwendung von Kfz-Kennzeichen, die bei fehlender Gewerbsmäßigkeit Anlass zur Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles sein kann (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 243 Rn. 12; Wittig in BeckOK-StGB, 56. Ed., § 243 Rn. 20 mwN), ergibt sich aus den Feststellungen nicht.
Schließlich leidet die Strafzumessung auch nicht an einem Erörterungsmangel mit Blick darauf, dass das Landgericht den Wert des Mercedes nicht in seine Erwägungen einbezogen hat. Zwar kann es sich beim Wert der gestohlenen Sache um einen für die Strafzumessung beim Diebstahl bestimmenden Grund im Sinne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2014 - 2 StR 566/13, StV 2015, 172). Auf die Sachrüge hin ist die Strafzumessung insoweit hier aber nicht zu beanstanden, da der Angeklagte R. den Pkw nicht dauerhaft in seinen Besitz bringen oder sich seinen Verkehrswert - etwa durch Veräußerung - aneignen, sondern ihn nur bei dem Überfall auf das Juweliergeschäft nutzen wollte, wobei er billigend in Kauf nahm, dass das Fahrzeug nicht ohne erhebliche Beschädigung und Wertminderung an den Eigentümer zurückgelangen würde. Ergibt sich unter diesem Aspekt eines mangelnden Rückführungswillens die Zueignungsabsicht des Täters (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. September 1986 - 1 StR 283/86, NStZ 1987, 71, 72; Urteil vom 26. Januar 1968 - 4 StR 495/67, BGHSt 22, 45, 46 f.; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 242 Rn. 39 mwN), begegnet es keinen Bedenken, wenn das Tatgericht zur Bestimmung des Unrechts- und Schuldgehalts lediglich auf die infolge der Tat eingetretene Wertminderung abstellt.
c) Bei dem Angeklagten S. war der Schuldspruch für die Tat vom 2. Juli 2019 in Bezug auf die Entwendung des Kennzeichens, dessen Anbringung am Fahrzeug der Zeugin Dr. und die spätere Zufahrt auf das Juweliergeschäft aus den gleichen Gründen wie bei dem Angeklagten R. abzuändern. § 265 Abs. 1 StPO steht auch hier nicht entgegen. Dies führt zum Wegfall der verhängten Einzelstrafen und entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage.
d) Der (Teil-)Freispruch des Angeklagten S. wegen der Tat vom 30. Juni 2019 hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
aa) Das Landgericht hat den Angeklagten S. vom Vorwurf der Beihilfe zum Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB freigesprochen, da es nicht die Überzeugung gewonnen hat, dass er bei dem Diebstahl des Pkw des Zeugen D. durch den Angeklagten R. mitwirkte. Er habe lediglich in Kenntnis des Vorhabens des Angeklagten R., das Fahrzeug wegzunehmen, auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Die Einlassung des Angeklagten R., dass sie beide gemeinsam die Fahrzeugtür geöffnet, das Auto durchsucht und im Handschuhfach den Zweitschlüssel gefunden hätten, sei nicht geeignet, die Angaben des Angeklagten S. zu widerlegen. Dass dieser dem Vorhaben des Angeklagten R. nicht widersprochen und sich auf den Beifahrersitz gesetzt habe, reiche für die Annahme psychischer Beihilfe nicht aus.
bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt die bloße Anwesenheit am Tatort in Kenntnis einer Straftat selbst bei deren Billigung nicht, um die Annahme einer Beihilfe zu tragen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 28. Juli 2020 - 2 StR 64/20 Rn. 8; Beschluss vom 18. Juni 2019 - 5 StR 51/19 Rn. 6; Beschluss vom 4. Februar 2016 ? 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Beschluss vom 22. Dezember 2015 - 2 StR 419/15 Rn. 11; jew. mwN). Ein „Dabeisein“ kann die Tatbegehung im Sinne eines aktiven Tuns zwar auch fördern oder erleichtern, wenn die „Billigung der Tat“ gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht wird, dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist. Dafür bedarf es jedoch sorgfältiger Feststellungen dazu, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert wird und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH, Beschluss vom 21. April 2020 - 4 StR 287/19, NStZ 2020, 730, 731 f. Rn. 16).
Dass das Landgericht bereits einen entsprechenden objektiv tatfördernden Beitrag des Angeklagten S. nicht hat feststellen können, ist unter Berücksichtigung des insoweit geltenden eingeschränkten Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2022 - 5 StR 309/22 Rn. 8; Urteil vom 10. November 2021 - 5 StR 127/21 Rn. 11; Urteil vom 3. Juni 2015 - 5 StR 55/15, NStZ-RR 2015, 255; vom 30. Juli 2020 - 4 StR 603/19, NStZ 2021, 116 mwN) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Einziger Anhaltspunkt dafür war die Einlassung des Mitangeklagten R., der die Strafkammer nachvollziehbar nicht gefolgt ist, nachdem sie diese bereits in anderen Punkten für widerlegt gehalten hat. Ansätze für eine weiter gehende Sachaufklärung, die das Landgericht im Rahmen seiner Kognitionspflicht aus § 264 Abs. 2 StPO hätte wahrnehmen müssen, zeigt die Revision nicht auf und sind auch nicht ersichtlich.
3. Im Hinblick auf die neu festzusetzenden Strafen weist der Senat auf das Folgende hin:
Das Landgericht hat im ersten Rechtsgang bei der Bildung der Gesamtstrafen nach § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB einen Härteausgleich zugunsten beider Angeklagter vorgenommen, weil sie am 3. Februar 2021, rechtskräftig seit dem 19. Mai 2021, von einem litauischen Gericht jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden sind, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat dazu ausweislich der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Dezember 2022 ausgeführt:
„Der von der Strafkammer […] vorgenommene Härteausgleich von 3 Monaten war […] nicht veranlasst. Zwar ist es zutreffend, dass Verurteilungen in einem anderen EU-Mitgliedsstaat bei der Strafzumessung wie inländische Sanktionen Berücksichtigung finden müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.09.2017 - C-171/16, juris). Auch sind Nachteile, die aus der fehlenden Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung mit einer EU-ausländischen Strafe resultieren, bei der Strafzumessung auszugleichen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.4.2020 - 1 StR 15/20 = NJW 2020, 3185). Dies kann grundsätzlich über einen Härteausgleich erfolgen. Vorliegend fehlt es jedoch an einem ausgleichsbedürftigen Nachteil. Der Umstand, dass die Einbeziehung der ausländischen Freiheitsstrafe in die Gesamtfreiheitsstrafe rechtlich ausgeschlossen ist, erweist sich hier für die Angeklagten nämlich als Vorteil. Wäre vorliegend die Einbeziehung der ausländischen Strafen rechtlich möglich, würde die dort gewährte Strafaussetzung in Wegfall geraten und zudem die im hiesigen Verfahren neu festzusetzende, hinsichtlich des Angeklagten S. zudem nicht bewährungsfähige Gesamtfreiheitsstrafe höher ausfallen. In einem solchen Fall ist für die Gewährung eines Härteausgleichs kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 11.12.2019 - 5 StR 610/19, juris; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.03.2022 - 1 Ss 260/21; Sander/Dietsch, NStZ 2022, 449 mwN.). Die Vollstreckung der vom litauischen Gericht mit Urteil vom 03.02.2021 festgesetzten Freiheitsstrafen von 1 Jahr und 6 Monaten bezüglich beider Angeklagter ist jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Da die Angeklagten die hier abgeurteilten Taten nicht innerhalb der dort laufenden Bewährungszeit begangen haben, ist insoweit ein Widerruf der Strafaussetzung - wie von der Kammer ausgeführt - nicht zu erwarten. Die vom Landgericht als „theoretische Möglichkeit“ eines Widerrufs kann die Annahme eines Nachteils nicht begründen und widerspricht dem Grundgedanken von § 55 StGB, dass der Täter weder schlechter noch bessergestellt werden soll (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1997 ? 1 StR 105/97 = BGHSt 43, 79 ff. juris Rn. 5).“
Dem schließt sich der Senat an.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 983
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede