HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1039
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 64/20, Beschluss v. 28.07.2020, HRRS 2020 Nr. 1039
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. Oktober 2019, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts Aachen zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte L. B. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwarnt und ihr auferlegt, näher bezeichnete Arbeitsleistungen zu erbringen. Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel der Angeklagten hat Erfolg.
Das Landgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Am 6. sowie am 18. März 2018 erwarb der Mitangeklagte K. für den Mitangeklagten A. B. jeweils 500 ml Amphetaminöl mit einer Mindestwirkstoffmenge von 171 g Amphetaminbase zu einem Preis von je 1.000 €. A. B. veräußerte von der ersten Menge 370,9 ml. Die restliche Menge sowie das am 18. März 2018 erworbene Amphetaminöl, das ebenfalls zur Weiterveräußerung bestimmt war, wurden von den Ermittlungsbehörden anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung am 26. März 2018 sichergestellt (ausgeurteilt als Fälle II. 19 und II. 21 der Urteilsgründe betreffend A. B.). Am 26. März 2018 verfügte A. B. neben dem vorbeschriebenen 629,1 g flüssigem Amphetamin über 515,8 g feuchte Amphetaminpaste mit einer Gesamtwirkstoffmenge von 120,8 g Amphetaminsulfat. Auch diese Drogen waren zum Weiterverkauf bestimmt. Weitere Drogen dienten dem Eigenkonsum. Zur Beihilfehandlung der Angeklagten, der damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau des A. B., hat die Strafkammer festgestellt, dass diese ihn bei seinen Verkaufsbemühungen „unterstützt[e]“. „Insbesondere half diese […] bei der Vermittlung des Rauschgifts an Abnehmer, wobei sie hierauf gerichtete Verkaufsgespräche auch eigenständig führte“ (Fall II. 23 der Urteilsgründe).
Die Revision der Angeklagten hat Erfolg.
1. Das ohne nähere Ausführungen zum Angriffsziel auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel ist hier zulässig. Der ohne Einschränkung auf Aufhebung des Urteils gerichtete Revisionsantrag macht - anders als bei der strukturell anders gelagerten Nebenklage (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 21. Aufl. § 55 Rn. 46a; zu den strengeren Anforderungen an die Revisionsbegründung bei der Nebenklage vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 - 2 StR 592/18, juris Rn. 2; BGH, Beschluss vom 8. April 2020 - 3 StR 606/19, juris Rn. 3, jeweils mwN) ? noch hinreichend deutlich, dass sich der Revisionsangriff gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtet. Anhaltspunkte, dass mit dem Rechtsmittel ein unzulässiges Angriffsziel verfolgt werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - 3 StR 323/13, juris Rn. 2), sind der Rechtsmittelschrift nicht zu entnehmen. Auch die Urteilsurkunde, ausweislich derer sich die Angeklagte in der Hauptverhandlung schweigend verteidigt hat, bietet ? anders als bei geständigen Angeklagten (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2013 - 1 StR 278/13, juris Rn. 14; vom 7. September 2017 - 5 StR 407/17, juris Rn. 3, vgl. auch Radtke, NStZ 2013, 660, 661) ? keinen Anhaltspunkt für eine Umgehung der Rechtsmittelbeschränkung aus § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob dem Senat zur weiteren Auslegung des Anfechtungsumfangs der Rückgriff auf die bestreitende Darstellung der Angeklagten gegenüber der Jugendgerichtshilfe oder den auf Freispruch lautenden Schlussantrag des Verteidigers, dem sich die Angeklagte im letzten Wort angeschlossen hat, eröffnet war, obwohl weder der Bericht der Jugendgerichtshilfe noch das Hauptverhandlungsprotokoll Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden sind (vgl. zum möglichen Rückgriff auf das Hauptverhandlungsprotokoll BGH, Beschluss vom 18. Juli 2018 - 4 StR 59/18).
2. Die Revision ist auch begründet. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wird von den Feststellungen nicht getragen. Es bleibt unklar, in welchem konkreten Handeln die Strafkammer den fördernden Tatbeitrag der Angeklagten zum Betäubungsmittelhandel ihres Lebensgefährten gesehen hat.
a) Gemäß § 27 Abs. 1 StGB wird wegen Beihilfe bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Als Hilfeleistung ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert oder erleichtert, ohne dass diese für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 257). Sie kann auch schon im Vorbereitungsstadium der Tat geleistet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Senat, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 2 StR 58/15, NStZ-RR 2015, 343, 344). Dabei setzt die Beihilfe durch positives Tun einen durch eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen voraus (Senat, Beschluss vom 22. Dezember 2015 - 2 StR 419/15, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 34 mwN).
Allein das Wissen um die Begehung der Haupttat genügt den Anforderungen an die Beihilfe durch aktives Tun daher nicht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 18. Juni 2019 ? 5 StR 51/19, juris Rn. 6 und vom 4. Februar 2016 ? 1 StR 344/15, NStZ-RR 2016, 136, 137; Senat, Beschluss vom 22. Dezember 2015 - 2 StR 419/15, juris Rn. 11, jeweils mwN). Ein „Dabeisein“ kann die Tatbegehung im Sinne eines aktiven Tuns jedoch fördern oder erleichtern, wenn die „Billigung der Tat“ gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht wird, dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und der Gehilfe sich dessen bewusst ist (st. Rspr.: vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Mai 2018 - 1 StR 108/18, juris Rn. 7; vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252, 258; Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 2 StR 505/11, juris Rn. 5, StV 2012, 287, jeweils mwN). Zum Beleg einer solchen psychischen Beihilfe bedarf es jedoch stets genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen (vgl. Senat, Urteil vom 7. November 2018 - 2 StR 361/18, juris Rn. 14 mwN).
b) Hieran gemessen ist den Feststellungen keine aktive Beihilfehandlung der Angeklagten zu dem Betäubungsmittelhandel des A. B. für den 23. Juni 2018 zu entnehmen. Es ist nicht hinreichend dargetan, in welcher Form die Angeklagte ihren Lebensgefährten bei dessen Handel mit Betäubungsmitteln „unterstützt“ hat. Damit bleibt unklar, ob die Strafkammer von einer physischen oder einer psychischen Beihilfe ausgegangen ist und welche konkrete Handlung der Angeklagten sich wie auf die angeklagte Haupttat ihres Lebensgefährten fördernd ausgewirkt haben soll.
aa) Eine physische Beihilfe ist nicht dargelegt. Dass die Angeklagte ihren damaligen Lebenspartner, wie ihr die Anklage vorwirft, bei Ankauf, Lagerung und Verpackung der Drogen unterstützt hat, wird nicht geschildert. Auch eine Beteiligung am Weiterverkauf der im Fall II. 23 der Urteilsgründe aufgefundenen drei Handelsmengen ist nicht dargestellt. Vielmehr konnte sich die Strafkammer von einer Beteiligung der Angeklagten an dem Erwerb bzw. dem teilweisen Verkauf von Amphetaminöl in den ausgeurteilten Fällen II. 19 bzw. II. 21 der Urteilsgründe durch A. B. gerade nicht überzeugen. Für die 515,8 g Amphetaminpaste sind Absatzbemühungen, bei denen die Angeklagte ihren Lebenspartner hätte unterstützen können, nicht dargestellt. Einen geplanten Abverkauf der weiteren in der Wohnung am 23. Juni 2018 aufgefundenen Drogen hat die Strafkammer ebenfalls nicht festgestellt. Vielmehr geht sie davon aus, dass A. B. weder mit dem zusätzlich aufgefundenen Cannabis noch mit dem MDMA oder den Ecstasy-Tabletten Handel treiben wollte. Insofern bleibt offen, wie die Angeklagte bei der Vermittlung des Rauschgifts an Abnehmer „half“ und „hierauf gerichtete Verkaufsgespräche auch eigenständig führte“ und so das Gelingen der Haupttat förderte.
bb) Auch eine psychische Beihilfe wird durch die Urteilsgründe nicht belegt. Dass die Angeklagte „über die Drogenaktivitäten ihres damaligen Lebensgefährten und späteren Ehemannes […] im Bilde war“, reicht nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 2 StR 505/11, aaO).
Die Sache bedarf insoweit insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1039
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2020, 319
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner