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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1085

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 359/21, Urteil v. 25.08.2022, HRRS 2022 Nr. 1085


BGH 3 StR 359/21 - Urteil vom 25. August 2022 (OLG Frankfurt a.M.)

Rechtsfehlerhafte Beweiswürdigung (Grenzen der umfassenden Würdigung von Tatumständen und Beweisergebnissen; Anforderungen an freisprechendes Urteil); Inbegriffsrüge; Ablehnung eines Beweisantrags als bedeutungslos (Begründungsanforderungen); Mordmerkmale (sonstige niedrige Beweggründe bei politisch motivierter Tötung); Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (rassistischer und ausländerfeindlicher Hintergrund einer Tötung); Doppelverwertungsverbot.

§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO; § 261 StPO; § 46 StGB; § 211 StGB

Leitsätze des Bearbeiters:

1. Die Verfahrensrüge nach § 261 StPO („Inbegriffsrüge“), mit der die Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung wegen der nicht erschöpfenden Würdigung des Beweismaterials gerügt wird, weil ein Beweismittel, dessen Existenz sich zwar nicht aus den Urteilsgründen, aber aus außerhalb dieser liegenden Umständen ergibt, im Urteil keinen Niederschlag gefunden hat, kann der Revision nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn sich mit Rücksicht auf die sonstigen Feststellungen eine Erörterung aufdrängen musste, mithin das Revisionsgericht die Erörterungsbedürftigkeit des übergangenen Beweismittels ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung aus den Urteilsgründen selbst beurteilen kann. Hinsichtlich der Erörterungsbedürftigkeit gelten für die revisionsgerichtliche Kontrolldichte die gleichen Grundsätze wie bei der Prüfung der Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung im Rahmen der Sachrüge.

2. Tatsächlich bedeutungslos im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO sind Indiz- bzw. Hilfstatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht oder sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als wäre sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder Verkürzung in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache beziehungsweise zum Beweiswert der anderen Beweismittel in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde. Die Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit erlaubt es dem Tatgericht dabei nicht, die Bedeutungslosigkeit lediglich aus dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme abzuleiten, die Richtigkeit der behaupteten Tatsache in Frage zu stellen oder den Beweiswert in Zweifel zu ziehen.

3. Eine Tötung aus politischen Gründen erfüllt auch ohne Hinzutreten eines rassistischen und ausländerfeindlichen Hintergrunds das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe. Eine politische Tatmotivation ist jenseits des Widerstandsrechts aus Art. 20 Abs. 4 GG grundsätzlich als nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert und auf tiefster Stufe stehend zu bewerten, da die bewusste Missachtung des Prinzips der Gewaltfreiheit der politischen Auseinandersetzung durch physische Vernichtung politischer Gegner mit der Rechtsordnung schlichtweg unvereinbar ist. Einzelheiten der Motivlage sind dabei regelmäßig nicht von Bedeutung.

4. Eine über den Gesichtspunkt der politischen Tötung hinausgehende Tatmotivation kann bei der Entscheidung über die besondere Schuldschwere berücksichtigt werden, soweit sie für sich genommen menschenverachtenden Charakter hat. Dies ist bei einem Handeln aus rassistischen und ausländerfeindlichen Motiven der Fall, zumal diese in § 46 Abs. 2 Satz 2 Gruppe 1 StGB ausdrücklich aufgeführt sind.

5. Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt oder erkennen lässt, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Überzeugung gestellt hat.

6. Zwar verpflichtet § 261 StPO das Tatgericht, alle festgestellten Tatumstände und Beweisergebnisse, soweit sie für oder gegen den Angeklagten sprechen können oder beide Möglichkeiten zulassen, einer umfassenden Würdigung zu unterziehen; diese ist in den Urteilsgründen darzulegen. Die dort dargestellte Beweiswürdigung kann jedoch ihrer Natur nach nicht in dem Sinne erschöpfend sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten ausdrücklich abgehandelt werden. Eine solche exzessive Erörterung überstiege die Möglichkeiten und Ressourcen der Gerichte, ohne dass jemals absolute Vollständigkeit erreicht werden könnte. Ausreichend ist die Angabe des für die Entscheidung Wesentlichen; die Urteilsgründe müssen deutlich machen, dass das Tatgericht naheliegende erhebliche Beweistatsachen nicht übersehen oder unvertretbar gewertet hat.

7. Aus einzelnen tatsächlich bestehenden oder denkbaren Lücken der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, das Tatgericht habe nach den sonstigen Urteilsgründen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht. Eine revisionsrechtlich beachtliche Lücke liegt vielmehr erst vor, wenn eine wesentliche Feststellung überhaupt nicht erörtert oder ein aus den Urteilsgründen ersichtliches bedeutsames Beweisergebnis übergangen wird.

8. Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung. Das Fehlen einer geschlossenen Darstellung wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten bzw. der Angaben des einzigen Belastungszeugen in der Hauptverhandlung und - jedenfalls bei mangelnder Konstanz der Aussage - auch der im Ermittlungsverfahren kann einen Darstellungsmangel begründen. Die zusammenhängende Darstellung derartiger Angaben ist jedoch kein Selbstzweck; vielmehr reicht es aus, wenn das Urteil den Inhalt der Einlassung bzw. der Aussage so darlegt, dass eine revisionsrechtliche Prüfung dahin möglich ist, ob das Tatgericht den Anklagevorwurf zu Recht für nicht nachweisbar erachtet hat.

Entscheidungstenor

1. Die Revisionen des Generalbundesanwalts, der Angeklagten und der Nebenkläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. Januar 2021 werden verworfen.

2. Die Kosten der Rechtsmittel des Generalbundesanwalts hat die Staatskasse, im Übrigen hat jeder Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch tragen die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen die Staatskasse zur Hälfte und jeder Nebenkläger zu einem Achtel. Ferner hat die Staatskasse die durch die Revisionen des Generalbundesanwalts und der Nebenkläger den Angeklagten sowie der Angeklagte E. die durch seine Revision den drei Nebenklägern L. entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten E. wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Es hat die besondere Schwere der Schuld festgestellt, die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Angeklagten vorbehalten sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Den Angeklagten H. hat das Oberlandesgericht wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines wesentlichen Teils einer vollautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung dieser Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt und die verfahrensgegenständliche Waffe eingezogen. Im Übrigen hat es den Angeklagten H. freigesprochen. Während sich die Angeklagten mit ihren Revisionen gegen ihre Verurteilung wenden, beanstandet der Generalbundesanwalt die Teilfreisprüche beider Angeklagter und das Absehen von der vorbehaltslosen Anordnung der Sicherungsverwahrung des Angeklagten E. Die Revisionen der Nebenkläger I. L., C. L. und J. L. richten sich gegen den Teilfreispruch des Angeklagten H., das Rechtsmittel des Nebenklägers Is. gegen den Teilfreispruch des Angeklagten E. Alle Rechtsmittel bleiben erfolglos.

A.

Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I. Zur Tötung des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Lübcke:

1. Der Angeklagte E. hatte seit seiner Schulzeit eine ausländerfeindliche Gesinnung. Er war aus diesem Grund der Überzeugung, durch Zuwanderung von Migranten würden bürgerkriegsähnliche Zustände entstehen. Die Deutschen als andere Ethnien und Kulturen ausschließende Volksgemeinschaft seien zur Selbstverteidigung berufen. Auf einer Bürgerversammlung in Lo. am 14. Oktober 2015 informierte der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Kassel, Dr. Walter Lübcke, über die Einrichtung einer Notunterkunft für Flüchtlinge. An dieser Veranstaltung nahm auch der Angeklagte teil. Dabei erinnerte der Politiker in einer Rede an die historische Verantwortung der Bundesrepublik und rechtfertigte die Unterbringung von Schutzsuchenden, wobei er als Reaktion auf tumultartige Zwischenrufe von Störern aus dem rechten Spektrum auf die Freiheit eines jeden Deutschen verwies, das Land zu verlassen, wenn er diese Werte nicht vertrete. Seit der Bürgerversammlung entwickelte der Angeklagte Hass auf Dr. Lübcke, der sich unter dem Eindruck der Geschehnisse in Köln in der Silvesternacht 2015/16 sowie islamistischer Terroranschläge und Übergriffe im Jahr 2016 weiter verstärkte.

Nachdem er Informationen über den Kasseler Regierungspräsidenten gesammelt und ihn beobachtet hatte, entschloss er sich schließlich, Dr. Lübcke während eines jährlich in unmittelbarer Nähe von dessen Wohnhaus stattfindenden Volksfestes zu töten. Am 1. Juni 2019 gegen 23:30 Uhr setzte er sein Vorhaben um, als Dr. Lübcke nichtsahnend allein auf der Terrasse des Anwesens saß und sich mit seinem Tablet-Computer beschäftigte. Der Angeklagte schlich sich unbemerkt im Dunkeln an und schoss seinem Opfer in Tötungsabsicht mit einem Trommelrevolver aus kurzer Distanz gezielt in den Kopf. Er handelte aus fremdenfeindlichen Motiven und nutzte die Arglosigkeit sowie die darauf beruhende Wehrlosigkeit von Dr. Lübcke aus. Dabei kam es ihm darauf an, diesen wegen seiner politischen Überzeugung und Betätigung als Regierungspräsident zu töten und gleichsam für die von ihm vertretene Linie in der Flüchtlingspolitik abzustrafen.

Das Oberlandesgericht hat die Tat als Mord unter Verwirklichung der Mordmerkmale der Heimtücke und der sonstigen niedrigen Beweggründe (§ 211 StGB) gewertet.

2. Der Angeklagte H. folgte spätestens seit dem Jahr 2007 einer rechtsradikalen und ausländerfeindlichen Denkweise und begeisterte sich für den Nationalsozialismus. Mit dem Angeklagten E. war er befreundet und gemeinsam in der rechten Szene bei politischen Diskussionen und Demonstrationen aktiv. In diesem Zusammenhang besuchte er gemeinsam mit ihm die Bürgerversammlung in Lo. am 14. Oktober 2015, bei der er unter anderem die Rede von Dr. Lübcke hörte und mit seinem Mobiltelefon filmte. H. empörte sich über dessen Äußerungen und nahm auch die Verärgerung von E. wahr. Teile der Videoaufnahme veröffentlichte er unter kritischer Kommentierung anschließend im Internet. Beide Angeklagten teilten die Begeisterung für Schusswaffen, gehörten einem örtlichen Schützenverein an und absolvierten in den Jahren 2015 und 2016 dort zusammen zwei Schießübungen. Ferner schossen sie in der Zeit von Oktober 2016 bis Oktober 2018 an insgesamt fünf Tagen gemeinsam am Stand eines anderen Schützenvereins.

Das Oberlandesgericht hat weder die Überzeugung gewonnen, dass der Angeklagte H. dem Angeklagten E. in physischer und/oder psychischer Weise Hilfe zur Tötung von Dr. Lübcke leistete noch dass er eine solche Tat für möglich hielt. Es hat ihn daher vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord (§§ 211, 27 Abs. 1 StGB) freigesprochen.

II. Zum Übergriff auf den Nebenkläger Is. hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass dieser zu Beginn des Jahres 2016 als Asylbewerber in der Erstaufnahmeeinrichtung in Lo. untergebracht war, auf die sich die Bürgerversammlung am 14. Oktober 2015 bezogen hatte. Am Abend des 6. Januar 2016 war er zu Fuß in der näheren Umgebung der Einrichtung unterwegs, als er von einem sich von hinten nähernden Fahrradfahrer unvermittelt mit einem Messer in den Rücken gestochen wurde. Der Nebenkläger versah sich keines Angriffs und konnte sich erkennbar nicht gegen den Übergriff verteidigen. Er erlitt eine etwa viereinhalb Zentimeter tiefe Rückenverletzung und musste sich einer Notoperation sowie einer anschließenden mehrwöchigen stationären Behandlung im Krankenhaus unterziehen.

Das Oberlandesgericht hat nicht die Überzeugung gewonnen, dass es sich bei dem Angreifer um den Angeklagten E. handelte. Es hat ihn deshalb vom Vorwurf des versuchten Mordes (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) freigesprochen.

III. Zum Waffenbesitz des Angeklagten H. hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass er spätestens ab dem Jahr 2014 bis zur Sicherstellung am 26. Juni 2019 eine nicht schussfähige Maschinenpistole vom Typ „Madsen“, Modell 50 als Dekorationswaffe aufbewahrte, bei der - wie er wusste - das Griffstück funktionsfähig war. Dies hat es rechtlich als Besitz eines wesentlichen Teils einer vollautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition (§ 51 Abs. 1, § 1 Abs. 2 bis 4, § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.1 zum WaffG) gewürdigt.

B.

I. Revisionen des Generalbundesanwalts:

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen des Generalbundesanwalts sind wirksam auf die Teilfreisprüche der Angeklagten und das Absehen von der vorbehaltslosen Anordnung der Unterbringung des Angeklagten E. in der Sicherungsverwahrung beschränkt. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

1. Die durch die Sachrüge veranlasste materiellrechtliche Überprüfung der Teilfreisprüche hat keinen Rechtsfehler ergeben; insbesondere ist die durch das Oberlandesgericht getroffene Beweiswürdigung - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:

a) Zum Teilfreispruch des Angeklagten H. :

aa) Dem Angeklagten H. ist in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts - im Wesentlichen gestützt auf die erste Einlassung des Angeklagten E. vom 25. Juni 2019 - zur Last gelegt worden, E. zum Mord an Dr. Lübcke psychische Beihilfe geleistet zu haben (§§ 211, 27 Abs. 1 StGB), indem er ihm - etwa durch die gemeinsame Teilnahme an politischen Demonstrationen und die Durchführung von Schießübungen - Zuspruch und Sicherheit vermittelte und ihn so in seinem Entschluss bestärkte, einen politischen Entscheidungsträger aus fremdenfeindlichen Motiven zu töten. Spätestens seit Juli 2016 habe H. eine solche Tat des E. für möglich gehalten und dies ebenso wie den Umstand billigend in Kauf genommen, dass er durch vorgenannte Handlungen den Tatentschluss des E. bestärkte. Darüber hinaus habe H. E. durch gemeinsame Schießübungen ermöglicht, den Umgang mit Schusswaffen zu erlernen und das genaue Zielen zu trainieren. Weder hiervon noch von der durch den Angeklagten E. in der Hauptverhandlung abweichend geschilderten Tatversion, nach der er zwar geschossen, die Tötung des Dr. Lübcke indes mit H. abgesprochen habe und dieser am Tatort mit anwesend gewesen sein soll, hat sich das Oberlandesgericht eine Überzeugung gebildet.

bb) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es auf der Grundlage einer Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalls Zweifel an der Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so hat das Revisionsgericht dies grundsätzlich hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm bei der Beweiswürdigung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt oder erkennen lässt, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Überzeugung gestellt hat. Liegt ein Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre. Gleichermaßen Sache des Tatgerichts ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und entlastenden Indizien zu bewerten. Das Revisionsgericht ist insoweit auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt und nicht befugt, auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung der Indiztatsachen in dessen Überzeugungsbildung einzugreifen.

Zwar verpflichtet § 261 StPO das Tatgericht, alle festgestellten Tatumstände und Beweisergebnisse, soweit sie für oder gegen den Angeklagten sprechen können oder beide Möglichkeiten zulassen, einer umfassenden Würdigung zu unterziehen; diese ist in den Urteilsgründen darzulegen. Die dort dargestellte Beweiswürdigung kann jedoch ihrer Natur nach nicht in dem Sinne erschöpfend sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten ausdrücklich abgehandelt werden. Eine solche exzessive Erörterung überstiege die Möglichkeiten und Ressourcen der Gerichte, ohne dass jemals absolute Vollständigkeit erreicht werden könnte; sie ist daher von Rechts wegen nicht zu verlangen. Ausreichend ist die Angabe des für die Entscheidung Wesentlichen; die Urteilsgründe müssen deutlich machen, dass das Tatgericht naheliegende erhebliche Beweistatsachen nicht übersehen oder unvertretbar gewertet hat. Aus einzelnen tatsächlich bestehenden oder denkbaren Lücken der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, das Tatgericht habe nach den sonstigen Urteilsgründen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht. Eine revisionsrechtlich beachtliche Lücke liegt vielmehr erst vor, wenn eine wesentliche Feststellung überhaupt nicht erörtert oder ein aus den Urteilsgründen ersichtliches bedeutsames Beweisergebnis übergangen wird (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 15. Dezember 2021 - 3 StR 441/20, juris Rn. 23 f. mwN).

cc) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich die Beweiswürdigung nicht als durchgreifend rechtsfehlerhaft.

(1) Soweit der Angeklagte E. in der Hauptverhandlung eine Version geschildert hat, nach der H. unmittelbar an der Tatausführung beteiligt gewesen sein soll, hat die Einlassung zwar ungeachtet des Tatvorwurfs in der Anklageschrift der Kognitionspflicht des Oberlandesgerichts (§ 264 StPO) unterlegen. Jedoch hat der Staatsschutzsenat in einer umfassenden, revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Würdigung dargelegt, warum er diese Aussage insgesamt als nicht glaubhaft erachtet hat.

(2) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts erweist es sich nicht als rechtsfehlerhaft, dass das Oberlandesgericht seine Feststellungen ohne Hinzutreten weiterer Beweismittel nur insoweit auf die Bekundungen des E. in seiner Vernehmung vom 25. Juni 2019 gestützt hat, als sie dessen Handeln, seine innere Einstellung sowie seine Gedanken- und Gefühlswelt betreffen. Weder ist insoweit ein Darstellungsmangel gegeben, noch hat das Tatgericht die Anforderungen an die Überzeugungsbildung überspannt und dabei eine nicht existierende Beweisregel aufgestellt. Auch hat es keinen gesicherten Erfahrungssatz übergangen oder für die Überzeugungsbildung wesentliche Aspekte rechtsfehlerhaft nicht erörtert. Im Einzelnen:

Das Oberlandesgericht hat angesichts des wechselhaften Einlassungsverhaltens des Angeklagten E. und des Umstandes, dass er in seinen späteren Vernehmungen nicht nur H. zu Unrecht belastet, sondern auch wahrheitswidrig behauptet hat, ein Zeuge habe während des Vergrabens der Tatwaffe Wache gestanden, die Angaben des E. in seiner Vernehmung vom 25. Juni 2019, soweit sie nicht ausschließlich ihn selbst betreffen, einer besonders kritischen Würdigung unterzogen und anhand anderer Beweistatsachen überprüft. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(a) Die Ausführungen im Urteil zu den einzelnen Einlassungen des E. genügen - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - den Anforderungen, die insoweit an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.

(aa) Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (BGH, Urteil vom 4. September 2013 - 5 StR 152/13, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 17 Rn. 15). Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung (BGH, Urteile vom 27. November 2019 - 3 StR 301/19, NStZ-RR 2020, 116, 117; vom 13. März 2014 - 4 StR 15/14, juris Rn. 12; vom 17. März 2009 - 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513; vom 6. Februar 2002 - 2 StR 507/01, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 27). Das Fehlen einer geschlossenen Darstellung wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten bzw. der Angaben des einzigen Belastungszeugen in der Hauptverhandlung und - jedenfalls bei mangelnder Konstanz der Aussage - auch der im Ermittlungsverfahren kann einen Darstellungsmangel begründen (BGH, Urteile vom 22. Oktober 2014 - 2 StR 92/14, NStZ-RR 2015, 52 f.; vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 Rn. 14; vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23; zu Angaben im Ermittlungsverfahren vgl. BGH, Urteil vom 3. August 2011 - 2 StR 167/11, NStZ 2012, 227, 228; vgl. auch Urteil vom 16. August 1995 - 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Die zusammenhängende Darstellung derartiger Angaben ist jedoch kein Selbstzweck; vielmehr reicht es aus, wenn das Urteil den Inhalt der Einlassung bzw. der Aussage so darlegt, dass eine revisionsrechtliche Prüfung dahin möglich ist, ob das Tatgericht den Anklagevorwurf zu Recht für nicht nachweisbar erachtet hat (vgl. BGH, Urteile vom 4. September 2013 - 5 StR 152/13, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 17 Rn. 17; vom 20. Februar 2013 - 1 StR 320/12, NZWiSt 2013, 230 Rn. 16; vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96, NStZ-RR 1997, 172).

(bb) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Oberlandesgericht hat die Genese der Einlassung des Angeklagten E. hinreichend dargestellt. Seine Aussage in der Hauptverhandlung wird umfangreich im Zusammenhang mit der Begründung seiner eigenen Verurteilung wiedergegeben. Den sich dieser Schilderung anschließenden Ausführungen betreffend das Fehlen von Aussagekonstanz können auch die wesentlichen Inhalte der drei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren entnommen werden. Der Inhalt der Einlassung vom 25. Juni 2019 wird im Rahmen der Begründung der Verurteilung des Angeklagten E. und des Teilfreispruchs des Angeklagten H. im Einzelnen dargelegt.

(b) Das Oberlandesgericht hat bei seiner Würdigung der Aussage die Anforderungen an die Ãœberzeugungsbildung nicht überspannt. Der Wechsel der Einlassung eines Zeugen im Laufe des Verfahrens kann ein Indiz für ihre Unrichtigkeit sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder unter Umständen ganz entfallen lassen (BGH, Urteile vom 12. Dezember 2012 - 5 StR 544/12, NStZ-RR 2013, 119; vom 17. November 1998 - 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256, 257; Beschlüsse vom 12. August 2021 - 1 StR 162/21, NStZ-RR 2022, 26, 27; vom 17. Januar 2002 - 3 StR 417/01, NStZ-RR 2002, 146). Dies gilt auch für belastende Angaben von Mitangeklagten (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 - 1 StR 438/18, NJW 2019, 945 Rn. 6; vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 27. Juli 1990 - 2 StR 324/90, NStZ 1990, 603, wonach dem wechselnden Aussageverhalten eines Mitangeklagten sogar stärkere indizielle Bedeutung als dem eines Zeugen zukommen soll). Es ist nicht zu besorgen, dass der Staatsschutzsenat dabei die lediglich indizielle Bedeutung eines wechselnden Aussageverhaltens aus dem Blick verloren hat und zu Unrecht von einer Bindung an eine nichtbestehende Beweisregel (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. Januar 2021 - 3 StR 124/20, NStZ-RR 2021, 113, 114) ausgegangen ist, die eine schematische Betrachtung etwa in einem Sinne erfordere, den Angaben einer Aussageperson, die wechselnd und teilweise wahrheitswidrig bekundet, nur dann zu folgen, wenn diese durch andere Beweismittel bestätigt werden. Trotz einzelner Formulierungen (etwa UA S. 142: „hat der Senat […] nur insoweit zu seiner Ãœberzeugungsbildung heranziehen können“), die isoliert betrachtet Anlass für Missverständnisse geben könnten, wird aus den Urteilsgründen hinreichend deutlich, dass sich das Oberlandesgericht nicht aus Rechtsgründen, sondern unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls von der Glaubhaftigkeit der Angaben des E. nicht hat überzeugen können. Denn es hat etwa explizit in seine Abwägung eingestellt, dass E. in seinen späteren Vernehmungen unter anderem einen Zeugen zu Unrecht belastet hat. Auch der Umstand, dass die Einlassung des E. den Angeklagten H. betreffend teilweise - etwa hinsichtlich des Zeitpunkts des Wiedertreffens, mit dem E. seine angeblich erneute Radikalisierung verband - widerlegt worden ist, hat den Staatsschutzsenat zu besonders kritischer Prüfung veranlasst. Hiergegen ist nichts zu erinnern, zumal sich aus den Urteilsgründen ergibt, dass das Oberlandesgericht mit rechtsfehlerfreier Begründung der Aussage des E., er habe sich vor dem erneuten Zusammentreffen mit H. aus der rechten Szene gelöst, keinen Glauben geschenkt hat. Vor diesem Hintergrund hat es sich nicht aufgedrängt, einen etwaigen Irrtum des E. hinsichtlich des Zeitpunktes des Wiedertreffens zu erörtern. Gleiches gilt für die Auseinandersetzung mit einem Falschbelastungsmotiv.

(c) Schließlich ist es nicht widersprüchlich, dass der Staatsschutzsenat den Angaben des E. mit Blick auf ihren Detailreichtum, ihre Komplexität, ihre Anschaulichkeit und seine besonders authentische emotionale Beteiligung gefolgt ist, soweit er sich selbst belastet hat, seine Einlassung zu H. ohne Hinzutreten weiterer Beweismittel seinen Feststellungen jedoch nicht zugrunde gelegt hat. Es existiert kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass einer Aussageperson nur entweder insgesamt geglaubt oder nicht geglaubt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2022 - 5 StR 542/20 u.a., juris Rn. 91; Beschluss vom 27. November 2017 - 5 StR 520/17, NStZ 2018, 116; Urteile vom 11. Februar 2016 - 3 StR 436/15, juris Rn. 21; vom 5. November 2015 - 4 StR 183/15, NStZ-RR 2016, 54, 55). Dies hat das Oberlandesgericht nicht verkannt. Seinen aus revisionsrechtlicher Sicht möglichen Schluss, der Selbstbezichtigung einen höheren Wahrheitsgehalt zuzumessen als der Belastung einer anderen Person, hat es rechtsfehlerfrei begründet (vgl. Gliederungspunkt B.I.1.a) cc) (2) (b)).

(3) Die Beweiswürdigung ist auch im Übrigen sachlichrechtlich nicht zu beanstanden.

Offenbleiben kann, ob - wie der Generalbundesanwalt rügt - der Staatsschutzsenat hinsichtlich des objektiven Tatbestands der Beihilfe zum Mord rechtsfehlerhaft maßgebliche Umstände nicht in seine Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. dazu etwa BGH, Urteile vom 2. Februar 2022 - 2 StR 442/21, NStZ-RR 2022, 213, 214; vom 13. Juli 2017 - 3 StR 188/17, juris Rn. 10; vom 18. August 2015 - 5 StR 78/15, NStZ-RR 2015, 349, 350) oder dabei von überhöhten rechtlichen Anforderungen, insbesondere zu der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung anerkannten Form der psychischen Beihilfe (vgl. zu den diesbezüglichen Voraussetzungen BGH, Beschluss vom 22. August 2019 - StB 21/19, juris Rn. 27 mwN), ausgegangen ist.

Denn das Oberlandesgericht hat sich jedenfalls in nicht zu beanstandender Weise keine Überzeugung davon gebildet, dass der Angeklagte H. die Tötung Dr. Lübckes beziehungsweise eines anderen staatlichen Funktions- oder politischen Entscheidungsträgers durch den Angeklagten E. für möglich hielt, und seiner diesbezüglichen Würdigung den zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Hierzu gilt:

(a) Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern (BGH, Urteile vom 1. August 2000 - 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109; vom 26. Mai 1988 - 1 StR 111/88, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 2). Einzelheiten der Haupttat muss er dabei nicht kennen und keine bestimmten Vorstellungen von ihr haben (s. BGH, Urteile vom 16. November 2006 - 3 StR 139/06, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 10; vom 18. Juni 1991 - 1 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7). Allerdings ist ein Mindestmaß an Konkretisierung erforderlich. Der Hilfeleistende muss die zentralen Merkmale der Haupttat, namentlich den wesentlichen Unrechtsgehalt und die wesentliche Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10 Rn. 96 mwN). Zudem muss der Hilfeleistende wissen, dass seine Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern. Unter dieser Voraussetzung vermag die bloße innere Absicht, nicht zu helfen, dem Beitrag des Gehilfen nicht den Charakter der strafbaren Beihilfe zu nehmen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1989 - 3 StR 148/89, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 5).

(b) Das Oberlandesgericht hat sich schon vom Vorliegen des subjektiven Tatbestands hinsichtlich der Haupttat keine Überzeugung gebildet. Dabei hat es die vorstehend dargelegten Maßstäbe beachtet. Bereits im Einleitungssatz - wie auch erneut bei der Erörterung einzelner Indizien - hat es ausdrücklich geprüft, ob der Angeklagte H. die Tötung „für möglich hielt“. Soweit es die Ablehnung des Gehilfenvorsatzes an einer Stelle auch damit begründet hat, die Äußerungen E. s trügen nicht die Feststellung eines stillschweigenden Einverständnisses hinsichtlich einer gewaltsamen Aktion, ist aus dieser Formulierung nicht zu schließen, dass der Staatsschutzsenat die Anforderungen insgesamt überspannt hat. Denn das Oberlandesgericht hat zunächst geprüft, ob zwischen den Angeklagten eine ausdrückliche oder stillschweigende Übereinkunft bestand, Dr. Lübcke zu töten, und im Anschluss erörtert, ob der Angeklagte H. eine solche zumindest für möglich hielt.

(c) Auch die Würdigung der Indizien zum subjektiven Tatbestand der Beihilfe zum Mord gibt zu Beanstandungen keinen Anlass. Insbesondere hat das Oberlandesgericht die festgestellten Beweisanzeichen einer umfassenden Gesamtwürdigung unterzogen. Soweit es dabei den Ausführungen des Angeklagten E. nur insofern gefolgt ist, als sie durch andere Beweismittel Bestätigung gefunden haben, ist hiergegen nichts zu erinnern (vgl. Gliederungspunkt B.I.1.a) cc) (2) (b)). Gleiches gilt für den Umstand, dass es aus dem Indiz, H. habe gegenüber einer Zeugin von einem „Erhängen“ des Dr. Lübcke gesprochen, nicht auf dessen Gehilfenvorsatz geschlossen oder die bei dem Angeklagten H. sichergestellte Datei, die das Gesicht und den Oberkörper der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit der Aufschrift „Zielscheibe 25m Volksverräter BRD“ zeigt, keiner ausdrücklichen Würdigung unterzogen hat. Der Generalbundesanwalt nimmt diesbezüglich eine eigene Würdigung vor, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Ein solcher ist vielmehr nicht ersichtlich.

(d) Die weiteren Einwendungen erschöpfen sich im Wesentlichen ebenfalls in einer revisionsrechtlich unbeachtlichen eigenen Würdigung der Beweismittel.

b) Zum Teilfreispruch des Angeklagten E. :

aa) Dem Angeklagten E. ist in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts vorgeworfen worden, den unter A.II. dargelegten Angriff auf den Nebenkläger Is. mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz aus ausländerfeindlichen Motiven begangen zu haben. Das Oberlandesgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten E. keine Überzeugung gebildet.

bb) Gemessen an den unter B.I.1.a) aa) aufgezeigten Maßstäben ist auch der Teilfreispruch des Angeklagten E. revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - weder zirkulär noch lückenhaft; insbesondere ist gegen die durch den Staatsschutzsenat angestellte Gesamtschau der Indizien nichts zu erinnern.

(1) Das Oberlandesgericht hat keine Ãœberzeugung von der den Angeklagten belastenden Indiztatsache gewonnen, eine ihm zuzuordnende Tatwaffe sei vorhanden. Als mögliche Tatwaffe ist nach der Würdigung des Staatsschutzsenats ein bei dem Angeklagten sichergestelltes Einhandmesser in Betracht gekommen, auf dem sich eine geringe Menge von DNA-Antragungen befand, hinsichtlich derer der Nebenkläger als Mitverursacher nicht hat ausgeschlossen werden können. Angesichts einer bei dem Angeklagten E. aufgefundenen Kaufquittung, aus der sich der Erwerb eines Messers gleichen Typs nach dem Anschlag auf den Nebenkläger ergibt, hat das Oberlandesgericht jedoch nachvollziehbar erwogen, dass er erst nach der Tat in den Besitz des bei ihm aufgefundenen Messers gelangt sein könnte, und dies rechtsfehlerfrei als ein Indiz gegen die Annahme gewürdigt, bei dem Gegenstand handele es sich um das Tatwerkzeug. Dabei erweisen sich seine Ausführungen, in der Hauptverhandlung seien keine Umstände dafür zutage getreten, dass sich die Quittung auf ein anderes Messer derselben Marke und desselben Typs bezieht, nicht als zirkelschlüssig. Das Oberlandesgericht hat insoweit auch nicht rechtsfehlerhaft den „in dubio pro reo-Grundsatz“ angewandt (vgl. zur Anwendung bei entlastenden Indiztatsachen BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 - 3 StR 136/01, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24). Zum einen hat es diesen Aspekt nur als ein weiteres Indiz gegen die Zuordnung einer Tatwaffe zum Angeklagten erwähnt; zum anderen hat es bei seiner Gesamtwürdigung in den Blick genommen, dass E. den Beleg nur deshalb eingescannt haben könnte, um das Messer als ein in Betracht kommendes Tatmittel auszuschließen.

(2) Soweit der Generalbundesanwalt rügt, der Staatsschutzsenat hätte eine umfassendere Würdigung von Lichtbildern einer Überwachungskamera vornehmen müssen, zeigt er keine revisionsrechtlich relevante Lücke in der Beweiswürdigung auf. Denn auf den Bildern ist nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts - bedingt durch die schlechte Qualität - weder der Fahrradfahrer noch das Fahrrad in einer Weise erkennbar, die gewichtige Schlüsse auf die Täterschaft des Angeklagten E. zulasse. Zudem ist unklar geblieben, ob es sich bei dem Fahrradfahrer tatsächlich um den Täter handelte, zumal der Tathergang auf den Aufnahmen gerade nicht zu sehen ist. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, dass der Staatsschutzsenat bei der Bedeutung des Tatmotivs einschränkend berücksichtigt hat, der Migrationshintergrund des Nebenklägers sei für eine sich von hinten auf einem Rad nähernde Person nicht festzustellen gewesen, dabei aber nicht erörtert hat, dass der auf den Aufnahmen zu erkennende Fahrradfahrer einmal in die eine und einmal in die andere Richtung unterwegs war und damit den Nebenkläger vor der Tat von vorne hätte sehen können. Ebenfalls ist es nicht zu beanstanden, dass das Tatgericht im Rahmen der Gesamtwürdigung des Tatmotivs die Möglichkeit, E. sei dem Nebenkläger zunächst auf dem Fahrrad entgegengekommen, als lediglich theoretische Möglichkeit betrachtet hat, ohne sich in diesem Zusammenhang nochmals explizit mit den Bildern aus der Überwachungskamera auseinanderzusetzen.

(3) Soweit der Generalbundesanwalt die seines Erachtens zu geringe Berücksichtigung des Umstands beanstandet, dass der Angeklagte E. in seiner Vernehmung vom 25. Juni 2019 in Bezug auf den Tattag berichtet hat, außer sich gewesen zu sein, Wahlplakate zerstört und einen Passanten mit Migrationshintergrund damit angeschrien zu haben, "(e)uch müsse man den Hals aufschneiden“, nimmt er eine eigene Beweiswürdigung vor. Es begegnet keinen revisionsrechtlich relevanten Bedenken, dass der Staatsschutzsenat mit näherer Begründung der Einlassung in diesem Zusammenhang kein Gewicht von vergleichbarem Umfang zugemessen hat, wie er das hinsichtlich der Tötung von Dr. Lübcke getan hat. Das Oberlandesgericht hat ausdrücklich die Möglichkeit erwogen, dass E. damit verklausuliert auf die Tat zu Lasten des Nebenklägers anspielen könnte.

(4) Der Staatsschutzsenat hat schließlich entsprechend den geltenden Anforderungen sämtliche für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte einer abschließenden Gesamtwürdigung unterzogen. Er hat dafür nicht jeden einzelnen zuvor in den Urteilsgründen näher dargelegten Aspekt ausdrücklich erwähnen und mit den übrigen Beweisanzeichen in Beziehung setzen müssen. Vielmehr kommt durch die vom Oberlandesgericht gewählte Formulierung und Gliederungsebene hinreichend zum Ausdruck, dass sämtliche zuvor erörterten Umstände Berücksichtigung gefunden haben.

Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts sind daher Lücken bei der Gesamtwürdigung nicht gegeben. Soweit er einzelne Gesichtspunkte nicht ausreichend gewürdigt sieht, bewertet er letztlich selbst das Beweisergebnis in einer Gesamtschau, was der Revision nicht zum Erfolg verhelfen kann.

2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts, die Unterbringung des Angeklagten E. in der Sicherungsverwahrung lediglich vorzubehalten und nicht anzuordnen, ist frei von Rechtsfehlern. Vorverurteilungen, die nicht der Rückfallverjährung gemäß § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB unterliegen, sind nicht ersichtlich, so dass überhaupt nur eine Verhängung der Maßregel nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB in Betracht käme. Die dafür in formeller Hinsicht erforderliche Verurteilung wegen einer zweiten Straftat ist jedoch angesichts des revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Teilfreispruchs nicht gegeben.

II. Revisionen der Nebenkläger I. L., C. L. und J. L. :

Die auf drei Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Nebenkläger I. L., C. L. und J. L. sind wirksam auf den Teilfreispruch des Angeklagten H. beschränkt und zulässig (§ 400 Abs. 1 StPO). Die Rechtsmittel haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Die Verfahrensrügen dringen nicht durch.

a) Die Nebenklage beanstandet ohne Erfolg als Verstoß gegen § 261 StPO, das Tatgericht habe Aufzeichnungen über Gespräche zwischen dem Angeklagten E. und einem früheren Verteidiger bei der Beweiswürdigung unerörtert gelassen.

aa) Dem liegt zugrunde, dass das Oberlandesgericht in der Hauptverhandlung verschiedene Unterlagen verlesen hat, die bei einem ehemaligen Verteidiger des Angeklagten E. sichergestellt worden waren, nachdem dieser seinen früheren Rechtsbeistand teilweise von der Schweigepflicht entbunden hatte. Die Verlesung betraf handschriftliche Mitschriften und maschinenschriftliche Texte von Besprechungen zwischen dem Angeklagten E. und dem Rechtsanwalt, die sich näher mit dem Ablauf des Tatgeschehens befassen. Dabei handelt es sich - bedingt durch die bloß teilweise Entbindung von der Schweigepflicht - um nur punktuell wiedergegebene Textpassagen, die sich zeitlich überwiegend nicht einordnen lassen und überdies teilweise geschwärzt sind. Während sich einem handschriftlich gefertigten Vermerk zwischen der ersten und zweiten polizeilichen Vernehmung entnehmen lässt, dass E. selbst geschossen haben will, ergibt sich aus gedruckten Niederschriften eine Schussabgabe durch den Angeklagten H., wobei es sich insofern um Verschriftlichungen eines von E. selbst abgefassten Textes handeln soll. Weitere Notizen und Ausdrucke gehen wiederum von einer Betätigung der Waffe durch E. aus.

bb) Die Rüge ist zulässig, jedoch unbegründet. Der gerügte Verfahrensfehler liegt nicht vor. Die Revision führt zwar zutreffend aus, dass die in die Hauptverhandlung eingeführten Verteidigungsunterlagen in den Urteilsgründen keine Erwähnung finden. Indes hat sich mit Rücksicht auf die sonstigen Feststellungen eine Erörterung nicht aufgedrängt.

(1) Die Verfahrensrüge nach § 261 StPO („Inbegriffsrüge“), mit der die Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung wegen der nicht erschöpfenden Würdigung des Beweismaterials gerügt wird, weil ein Beweismittel, dessen Existenz sich zwar nicht aus den Urteilsgründen, aber aus außerhalb dieser liegenden Umständen ergibt, im Urteil keinen Niederschlag gefunden hat, kann der Revision nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn sich mit Rücksicht auf die sonstigen Feststellungen eine Erörterung aufdrängen musste (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2010 - 2 StR 495/10, NStZ-RR 2011, 214; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 210), mithin das Revisionsgericht die Erörterungsbedürftigkeit des übergangenen Beweismittels ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung aus den Urteilsgründen selbst beurteilen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - 4 StR 406/16, NStZ-RR 2017, 185; LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 58; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 261 Rn. 48). Hinsichtlich der Erörterungsbedürftigkeit gelten für die revisionsgerichtliche Kontrolldichte die gleichen Grundsätze wie bei der Prüfung der Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung im Rahmen der Sachrüge (vgl. KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 210; vgl. auch Gliederungspunkt B.I.1.a) bb)).

(2) Die Urteilsgründe legen nicht nahe, dass die verlesenen Verteidigungsunterlagen erörterungsbedürftig gewesen sind.

Zwar ergibt sich hieraus ein ähnlich wechselndes Einlassungsverhalten des Angeklagten E. wie in seinen sonstigen Angaben, was durch den Staatsschutzsenat allerdings ohnehin umfassend gewürdigt worden ist. Der Umstand, dass E. nach den verlesenen Unterlagen gegenüber seinem ehemaligen Verteidiger Angaben machte, die teilweise denen der Hauptverhandlung und an anderer Stelle denen der zweiten und dritten Vernehmung ähneln, erbringt für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit seiner verschiedenen Bekundungen keine bedeutsamen Erkenntnisse. Da die Verteidigungsunterlagen nicht vollständig vorliegen und sich aus den Notizen und ausgedruckten Texten nicht entnehmen lässt, unter welchen Umständen und aus welchem Anlass sie angefertigt wurden, ist ihr Beweiswert ohnehin beschränkt. Im Übrigen zeigt sich darin vor allem der bereits vom Oberlandesgericht in den Blick genommene Umstand, dass E. zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Angaben zum Tatgeschehen gemacht hat, auch wenn in den Mitschriften des ehemaligen Verteidigers die bei der ersten Vernehmung geäußerte Version einer Alleintäterschaft ohne Anwesenheit des Angeklagten H. keine Erwähnung findet.

Eine besondere Beweisbedeutung lässt sich ebenso wenig aus dem Umstand herleiten, dass sich E. insoweit gegenüber seinem Verteidiger unter dem Schutz der Verschwiegenheitspflicht äußerte. In den Unterlagen ersichtliche Randnotizen wie etwa „Angeblich hätte H. geschossen. Der verarscht mich“ deuten vielmehr darauf hin, dass selbst der Verteidiger Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Bekundungen seines Mandanten hegte.

b) Der weiteren Inbegriffsrüge nach § 261 StPO bleibt gleichfalls der Erfolg versagt. Die Revision beanstandet damit, dass die Urteilsgründe in Widerspruch zu einem im Selbstleseverfahren eingeführten Auswertevermerk hinsichtlich der Mobiltelefone der Angeklagten E. und H. stünden, wonach der Zeitpunkt des Löschens der Kommunikation beider über einen Messenger-Dienst nicht feststellbar sei, obwohl im entsprechenden Vermerk die Löschung der Datensätze des Mobiltelefons von H. zeitlich bestimmt worden sei.

Der von der Revision behauptete Widerspruch liegt nicht vor. Die in dem Auswertevermerk genannten Zeitpunkte betreffen jeweils das Datum der Kommunikation, nicht das der Löschung. Dies ergibt sich daraus, dass auf Seite 4 des Vermerks in Bezug auf die gelöschten Datensätze ein näher benannter Zeitraum thematisiert wird, der betrachtet worden sei. Aus dieser Periode seien nicht alle Datensätze, sondern nur einzelne gelöscht worden. In der Folge führt der Vermerk die gelöschten Datensätze tabellarisch auf; die Datumsangaben fallen in den zuvor genannten Zeitraum. An diesem Verständnis ändert nichts, dass in der Kopfzeile missverständlich „Zeitraum der Löschung“ aufgeführt ist. Vielmehr ist naheliegend, dass es sich dabei um die Erstellungszeitpunkte der Nachrichten handelt und bei den angegebenen Daten nur deshalb von „Zeitraum“ gesprochen wird, weil teilweise mehrere gelöschte Datensätze zusammengefasst sind, die über eine gewisse Zeitspanne erstellt wurden. Dies drängt sich auch deshalb auf, weil unmittelbar nach der Tabelle von „im vorstehenden Zeitraum fehlenden Datensätze[n]" die Rede ist.

Selbst wenn man dieser Betrachtung nicht folgte, wäre die Verfahrensrüge unbegründet. Denn der Staatsschutzsenat hat sich neben dem verlesenen Vermerk auf die Angaben eines Zeugen und eines Sachverständigen gestützt. Der Inhalt deren Bekundungen kann ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht ermittelt werden. Das endgültige Beweisergebnis und damit das Vorliegen eines Verfahrensfehlers steht aus diesem Grund nicht fest, weshalb sich die vom Revisionsgericht nicht auszuräumenden Zweifel zu Lasten der Beschwerdeführer auswirken (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07, NStZ 2008, 353; Urteil vom 28. Juni 1961 - 2 StR 154/61, BGHSt 16, 164, 167).

Unter den gegebenen Umständen ist es somit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die vorstehenden Aspekte in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich erörtert worden sind.

c) Die Nebenkläger dringen schließlich nicht mit der Verfahrensrüge durch, mit der sie sich gegen die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags wenden und damit eine Verletzung von § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO sowie eine Missachtung der Amtsaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO geltend machen.

aa) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

Am 17. Dezember 2020 beantragte der Vertreter der Nebenkläger in der Hauptverhandlung in zwei gesonderten Schriftsätzen jeweils die Einholung von Sachverständigengutachten. Zum einen sollte bewiesen werden, dass auf einem Terrassenstuhl inklusive dessen Sitzauflage sowie auf einem Tisch, die sich am Tatort befunden hatten, Schmauchspuren zu finden sind. Der zweite Antrag zielte auf die Durchführung von Testschüssen mit einer tatgleichen Waffe ab, womit der Nachweis erbracht werden sollte, dass dies zu Schmauchspuren an einer baugleichen Örtlichkeit (insbesondere an Stuhl, Sitzauflage und Tisch) führe und aus diesem Grund Wahrscheinlichkeitsaussagen zum Abstand von der Schusshand getroffen werden könnten.

Das Oberlandesgericht hat den ersten Beweisantrag mit Verweis auf die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen abgelehnt. Das Vorliegen von Schmauchspuren habe keine indizielle Wirkung in Bezug auf eine vom Angeklagten E. geschilderte Version des Tathergangs. Dieser habe bei seinen Einlassungen die konkreten Schusspositionen nicht derart detailliert beschrieben, dass sich daraus eine Entfernung zu den genannten Objekten hinreichend zuordnen lasse. Außerdem seien die exakte Sitzposition und die Blickrichtung von Dr. Lübcke nicht rekonstruierbar. Bei dem zweiten Antrag, mit dem die Durchführung von Testschüssen begehrt wurde, handele es sich mangels bestimmter Beweistatsachen schon nicht um einen Beweisantrag. Im Übrigen wäre dieser ebenfalls wegen Bedeutungslosigkeit abzulehnen gewesen, da sich die Feststellung der Schussposition aus den vorgenannten Gründen nicht indiziell auswirken könne.

bb) Die Rüge ist unbegründet. Das Oberlandesgericht hat die Anträge in nicht zu beanstandener Weise abgelehnt.

(1) Tatsächlich bedeutungslos sind Indiz- beziehungsweise Hilfstatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht oder sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulassen und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will. Ob der Schluss gerechtfertigt wäre, hat das Tatgericht nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als wäre sie erwiesen, in ihrem vollen Umfang ohne Umdeutung, Einengung oder Verkürzung in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Ãœberzeugung zu der potentiell berührten Haupttatsache beziehungsweise zum Beweiswert der anderen Beweismittel in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde. Die Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit erlaubt es dem Tatgericht dabei nicht, die Bedeutungslosigkeit lediglich aus dem Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme abzuleiten, die Richtigkeit der behaupteten Tatsache in Frage zu stellen oder den Beweiswert in Zweifel zu ziehen (st. Rspr.; s. etwa BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 - 3 StR 202/21, juris Rn. 19 mwN).

(2) Daran gemessen erweist sich die Ablehnung als rechtsfehlerfrei. Das Oberlandesgericht hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Einlassungen des Angeklagten E. nicht die Feststellung einer konkreten Schussposition zulasse und deshalb das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Schmauchspuren ohne indizielle Wirkung für die Würdigung der verschiedenen Versionen vom Tathergang sei. Damit hat es die unter Beweis gestellten Tatsachen derart berücksichtigt, als wären sie erwiesen, und zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht geeignet wären, die Entscheidung zu beeinflussen. Unbeachtlich ist dabei, dass die Nebenklage die Angaben E. s anders würdigt und ihr zumindest Wahrscheinlichkeitsaussagen zum Standort des Schützen entnehmen will.

Ob es sich bei dem zweiten der gestellten Anträge überhaupt um einen Beweisantrag gehandelt hat, bedarf somit keiner Entscheidung.

cc) Bei dieser Sachlage hat es auch die Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO nicht geboten, dem Antrag im Sinne einer Beweisanregung nachzugehen.

2. Die materiellrechtliche Nachprüfung des Teilfreispruchs des Angeklagten H. hat aus den bereits unter Gliederungspunkt B.I.1.a) dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler ergeben.

Soweit die Nebenklage der Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts insofern nicht folgen will, als dieses dem Umstand nur geringe Bedeutung beigemessen hat, dass der Angeklagte E. bei seiner ersten Vernehmung nicht selbst von einer Berührung von Dr. Lübcke berichtet habe, und es in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, er sei mit seiner DNA-Spur am Hemd des Tatopfers nicht konfrontiert worden, stellt sie revisionsrechtlich unbeachtliche eigene Erwägungen an. In den Urteilsgründen wird nachvollziehbar ausgeführt, dass sich ein solches Anfassen des Tatopfers schlüssig in die Beweisaufnahme einfüge, weil E. Anlass gehabt habe, den Toten zu berühren. Die Schusswunde sei nicht ohne Weiteres von außen wahrnehmbar gewesen. Sie sei selbst von den Rettungskräften nicht bemerkt und erst im Krankenhaus festgestellt worden.

III. Revision des Nebenklägers Is. :

Die auf eine Verfahrensrüge und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Nebenklägers Is. ist wirksam auf den Teilfreispruch des Angeklagten E. beschränkt und zulässig (§ 400 Abs. 1 StPO). Das Rechtsmittel bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Der Nebenkläger dringt mit der Verfahrensbeanstandung, mit der er die rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags und damit eine Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO geltend macht, nicht durch.

a) Der Vertreter des Nebenklägers beantragte in der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2020, eine datenforensische Analyse eines beim Angeklagten E. sichergestellten USB-Sticks durchführen zu lassen und einen Kriminalbeamten, der mit der Auswertung des USB-Sticks befasst gewesen war, als Zeugen zu vernehmen. Damit sollte im Kontext der Frage, ob das möglicherweise als Tatwaffe in Betracht kommende, bei E. sichergestellte Messer entsprechend einem auf dem USB-Stick gespeicherten Beleg erst nach der Tat gekauft wurde, unter anderem bewiesen werden, dass neben dem gespeicherten Schriftstück lediglich zwei andere Quittungen auf dem Speichermedium gesichert waren und der Erwerb zahlreicher anderer wertvoller Gegenstände im Haus des Angeklagten nicht dokumentiert war. Nach der Antragsbegründung soll dies dafür sprechen, dass die Kaufquittung ganz bewusst und mit dem Ziel auf dem Stick gespeichert worden sei, das Messer im Fall einer Hausdurchsuchung als irrelevant für die Tat erscheinen zu lassen.

Das Oberlandesgericht hat den Beweisantrag am 17. Dezember 2020 wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen abgelehnt. Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der in Bezug genommenen Daten ändere nichts daran, dass im Ladengeschäft am besagten Tag ein Messer dieses Typs gekauft worden sei, was dadurch belegt werde, dass der Geschäftsinhaber und die Verkäuferin die Authentizität des Belegs bestätigt hätten. Die Annahme des Senats, dass der Erwerb keiner Legendierung eines früheren Kaufs eines Messers derselben Marke gedient habe, werde durch das mit der beantragten Beweiserhebung erstrebte Beweisziel nicht widerlegt. Denn auch unter Berücksichtigung des unter Beweis gestellten Datenbestandes ziehe der Senat nicht den Schluss, der Angeklagte E. habe den Beleg gescannt, um sich quasi ein „Alibi für die Waffe“ zu verschaffen. Derartige Entlastungsbemühungen wären nicht erforderlich gewesen, wenn sich der Angeklagte des Messers stattdessen entledigt hätte. Eine solche Vorgehensweise habe weitaus näher gelegen als die Schlussfolgerungen des Nebenklägers.

b) Die Rüge ist unbegründet, da die Ablehnungsentscheidung die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen ausreichend dargelegt hat und sie auch ansonsten keine Rechtsfehler enthält.

Nach der Beschlussbegründung hat das Oberlandesgericht die unter Beweis gestellten Tatsachen in seine Würdigung eingestellt, als wären sie erwiesen. Es hat ausgeführt, dass es unabhängig von der Frage, ob die gegenständlichen Daten auf dem Speichermedium vorhanden oder nicht vorhanden sind, nicht den möglichen Schluss ziehen wolle, der Angeklagte habe damit eine Legendierung beabsichtigt. Die Darlegung des für den Staatsschutzsenat wesentlichen Arguments, dass der Angeklagte in diesem Fall eher das Tatmesser hätte verschwinden lassen als sich mittels des Kaufbelegs eines neu erworbenen Messers gleichen Typs zu entlasten, hat es den Verfahrensbeteiligten in hinreichender Weise ermöglicht, sich auf die durch Ablehnung des Beweisantrags geschaffene Prozesslage einzustellen. Eine ausdrückliche Erörterung der Indizien, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen könnten, war dagegen angesichts des Gewichts des vorgenannten Umstands nicht erforderlich, um die Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung zu dokumentieren (vgl. zur Begründungstiefe etwa BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 - 3 StR 516/18, NStZ 2019, 547 Rn. 11).

2. Die auf die Sachrüge gebotene materiellrechtliche Prüfung des Teilfreispruchs lässt aus den unter Gliederungspunkt B.I.1.b) dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler erkennen.

Bei den von der Revision des Nebenklägers gegen die Beweiswürdigung vorgebrachten Einwänden handelt es sich weitgehend um eine revisionsrechtlich unbeachtliche eigene Bewertung des Beweisergebnisses. Soweit beanstandet wird, die Ausführungen zu der Frage, ob E. ein als Tatwaffe in Betracht kommendes und bei ihm sichergestelltes Messer entsprechend einem bei ihm aufgefundenen Kaufbeleg erst nach der Tat erwarb, seien lückenhaft, wird kein wesentlicher Umstand aufgezeigt, den das Tatgericht ausdrücklich hätte erörtern müssen. Dies gilt zum Beispiel dafür, dass der Angeklagte in den 1990er Jahren in Strafhaft Notizen anfertigte, die sich mit der Frage des Verbergens begangener Taten beschäftigten, oder er nach der Ermordung von Dr. Lübcke über einen Freund versuchte, sich ein falsches Alibi für die Tatzeit zu verschaffen. Soweit die Revision ergänzend darauf hinweist, der Angeklagte E. sei in der Zeit zwischen dem Übergriff auf den Nebenkläger und dem Kauf des Messers zu dem Sachverhalt polizeilich vernommen worden, handelt es sich um urteilsfremdes und damit im Rahmen der Sachrüge unbeachtliches Vorbringen.

IV. Revision des Angeklagten E. :

Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die auf die erhobene Sachrüge gebotene materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen werden durch die Beweiswürdigung belegt und tragen den Schuldspruch. Die Rechtsfolgenentscheidungen sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

1. Der Staatsschutzsenat hat die Verurteilung des Angeklagten E. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes neben dem Mordmerkmal der Heimtücke auf das der sonstigen niedrigen Beweggründe gestützt, weil E. Dr. Lübcke aus politischen Gründen tötete. Bei der Prüfung der besonderen Schwere der Schuld hat das Oberlandesgericht im Rahmen seiner Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit die rassistische und ausländerfeindliche Motivation des Angeklagten ungeachtet des Mordmerkmals der sonstigen niedrigen Beweggründe gesondert zu seinen Lasten berücksichtigt.

2. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

a) Die politische Zwecksetzung des Angeklagten erfüllt auch ohne Hinzutreten des rassistischen und ausländerfeindlichen Hintergrunds das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe. Eine politische Tatmotivation ist jenseits des Widerstandsrechts aus Art. 20 Abs. 4 GG grundsätzlich als nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert und auf tiefster Stufe stehend zu bewerten, da die bewusste Missachtung des Prinzips der Gewaltfreiheit der politischen Auseinandersetzung durch physische Vernichtung politischer Gegner mit der Rechtsordnung schlichtweg unvereinbar ist. Einzelheiten der Motivlage sind dabei regelmäßig nicht von Bedeutung (BGH, Beschlüsse vom 21. September 2020 - StB 28/20, juris Rn. 37; vom 15. Januar 2020 - AK 62/19, juris Rn. 12; vom 2. Mai 2018 - 3 StR 355/17, NStZ 2019, 342; vgl. auch MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl., § 211 Rn. 92 mwN).

b) Der Staatsschutzsenat hat bei der Prüfung der besonderen Schwere der Schuld deshalb nicht gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB verstoßen (zur Geltung bei Prüfung der besonderen Schuldschwere vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2020 - 6 StR 328/20, NStZ-RR 2021, 104; vom 20. August 1996 - 4 StR 361/96, BGHSt 42, 226, 228 f.). Denn eine über den Gesichtspunkt der politischen Tötung hinausgehende Tatmotivation kann aus vorgenannten Gründen bei der Entscheidung über die besondere Schuldschwere berücksichtigt werden, soweit sie für sich genommen menschenverachtenden Charakter hat. Dies ist bei einem Handeln aus rassistischen und ausländerfeindlichen Motiven der Fall, zumal diese in § 46 Abs. 2 Satz 2 Gruppe 1 StGB ausdrücklich aufgeführt sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 20. August 2020 - 3 StR 40/20, BGHR StGB § 60 Absehen, fehlerhaft 1 Rn. 14).

V. Revision des Angeklagten H. :

Das Rechtsmittel bleibt gleichfalls ohne Erfolg. Die vom Angeklagten gegen seine Verurteilung vorgebrachten verfahrens- und sachlichrechtlichen Einwendungen verfangen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 4 StR 519/19, juris Rn. 27 ff.).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1085

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede