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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2025
26. Jahrgang
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1. Hat eine Revision der Nebenklage zum Schuldspruch Erfolg, gebietet der Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, die Feststellungen über das nach § 353 Abs. 2 StPO gebotene Maß aufzuheben, soweit diese auf einem im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgelegten Geständnis beruhen. (BGHSt)
2. Liegt einer Verständigung im Sinne des § 257c StPO eine Vereinbarung über den Gesamtstrafenausspruch zugrunde, ist bei einem Erfolg der aufgrund von § 400 Abs. 1 StPO beschränkten Nebenklagerevision regelmäßig eine Aufhebung der gesamten Verurteilung geboten, wenn der nicht angefochtene Teil des Urteils auf dem verständigungsbasierten Geständnis des Angeklagten beruht. Die eingetretene vertikale Teilrechtskraft steht dem nicht entgegen. (BGHSt)
1. Ein Vortrag zur Wahrnehmungskompetenz eines in einem Beweisantrag benannten Zeugen zur Darlegung der erforderlichen Konnexität ist nicht stets dann entbehrlich, wenn sich diese aus den Strafakten ergibt.
2. Das Merkmal der Konnexität nach bisherigem wie nach neuem Recht fordert, dass der Antrag erkennen lassen muss, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll. Keiner näheren Darlegung bedarf es, wenn sich der erforderliche Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel von selbst versteht, etwa wenn ein Telefongespräch bewiesen werden soll, das der Zeuge selbst geführt hat, oder ein Treffen mit dem Zeugen unter Beweis gestellt wird, das dieser aus eigenem Erleben schildern kann. Nur dann, wenn ein solcher Zusammenhang nicht auf der Hand liegt, sind weitere Ausführungen im Beweisantrag notwendig.
3. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die Darlegung der Umstände, aus denen sich ergibt, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden. Je nach Sachlage kann es dabei erforderlich sein, die Wahrnehmungssituation des Zeugen vor Ort ganz konkret zu benennen, etwa wenn es um länger andauernde Geschehensabläufe geht. Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung sind dagegen nicht erforderlich (vgl. BGHSt 66, 250 Rn. 20 ff. mwN).
4. Nicht jede heimliche Aufnahme einer Person in ihrer Wohnung führt zugleich zu einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs. So bewirkt die Herstellung einer Bildaufnahme von „neutralen“ Handlungen wie dem Arbeiten, Kochen, Lesen, Fernsehen, Essen oder Schlafen in der Wohnung – wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände vorliegen – noch keine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs des Opfers.
1. Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen steht im pflichtgemäßen richterlichen Ermessen.
2. Wie das Landgericht die Überzeugung vom Übereinstimmen der Übersetzung mit fremdsprachigen Chatnachrichten gewinnt, bleibt ihm nach Maßgabe der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) überlassen (so anhand eines Antrages auf die Neuübersetzung von Sky-ECC-Chats).
1. Der Eröffnungsbeschluss bedarf regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Eine mündliche Verkündung und Protokollierung in der Sitzungsniederschrift genügt grundsätzlich dem Schriftformerfordernis.
2. Ausnahmsweise kann einem Verbindungsbeschluss der Erklärungsgehalt eines konkludenten Eröffnungsbeschlusses zukommen, wenn das verbindende Gericht die Eröffnungsvoraussetzungen erkennbar selbst geprüft hat und sich seiner eigenen Eröffnungsentscheidung bewusst war.
3. Die Anordnung der Verlesung der Anklage in der Hauptverhandlung stellt jedenfalls dann keine wirksame Nachholung der zunächst unterbliebenen Eröffnung des Hauptverfahrens dar, wenn auf einen Eröffnungsbeschluss Bezug genommen wird, der die Anklage nicht erfasst, hinsichtlich deren die Eröffnung nachgeholt werden müsste.
4. Ein Verweisungsbeschluss nach § 270 Abs. 1 StPO kann nur an die Stelle eines früheren Eröffnungsbeschlusses treten, einen solchen aber nicht ersetzen. Das verweisende Gericht muss die Eröffnungsvoraussetzungen selbst prüfen.
1. Neues Verfahrensrecht gilt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, auch für bereits anhängige Verfahren. Es erfasst sie in der Lage, in der sie sich beim Inkrafttreten der neuen Rechtsvorschriften befinden; laufende Verfahren sind nach diesen weiterzuführen. Der Grundsatz findet Anwendung auf Vorschriften, die das Verfahren des Gerichts regeln, auf Bestimmungen, welche die Stellung von Verfahrensbeteiligten im Prozess, ihre Befugnisse und Pflichten betreffen, sowie auf Normen über die Vornahme und Wirkungen von Prozesshandlungen Beteiligter. Er erfasst Fälle, in denen die Strafverfolgung von einem wirksamen Strafantrag abhängig ist. Hieraus folgt zudem, dass eine fehlende Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Prozesshandlung grundsätzlich noch in jeder Lage des Verfahrens nachgeholt werden kann. Darunter fällt auch das Revisionsverfahren.
2. Der allgemeine Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts findet jedoch dort seine Grenze, wo es sich um ein bereits beendetes prozessuales Geschehen handelt. Denn neu geschaffenes formelles Recht kann ohne ausdrückliche anderweitige Regelung keine rückwirkende Kraft entfalten.
3. Daraus, dass eine Strafverfolgung wieder zulässig wird, wenn der Gesetzgeber nach fruchtlosem Ablauf der Strafantragsfrist nachträglich ein absolutes in ein relatives Antragsdelikt umwandelt und die Staatsanwaltschaft noch während des laufenden Verfahrens das besondere Interesse an der Strafverfolgung bejaht, folgt kein Wertungswiderspruch. Insoweit besteht zwischen dieser und der hier zu beurteilenden Konstellation ein grundlegender struktureller Unterschied, der eine abweichende rechtliche Beurteilung rechtfertigt. Denn die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses ist gerade nicht fristgebunden und führt unabhängig von dem fehlenden Strafantrag zur Verfolgbarkeit der Tat. Nach einer solchen Gesetzesänderung kann somit die Staatsanwaltschaft dieses Interesse bekunden, nachdem die Strafantragsfrist verstrichen ist.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden kann. Das Urteil muss aber stets erkennen lassen, dass das Tatgericht die Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt werden. Insbesondere dürfen Indizien nicht lediglich einzeln vor Augen geführt und durch eine isolierte Abhandlung vorschnell entwertet werden. Sie erlangen ihre Bedeutung vielmehr regelmäßig erst in der Zusammenschau mit anderen Indizien.
Bei einfachen und überschaubaren Sachverhalten kann im Einzelfall für die Angabe der tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein Adhäsionsanspruch herleitet, genügen, wenn der Adhäsionskläger zur Begründung des Antrags auf detailreiche Angaben einer nach der Tat gefertigten Strafanzeige Bezug nimmt.
Zwar kann der Maßregelausspruch regelmäßig nicht wirksam vom Revisionsangriff ausgenommen werden, wenn
zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, weil die Feststellung der Symptomtat unerlässliche Voraussetzung für die Maßregelanordnung ist. Richtet sich die Revision aber nur teilweise gegen den Schuldspruch und sind mehrere Symptomtaten von dem Revisionsangriff ausgenommen, welche die Maßregelanordnung losgelöst von den mit dem Rechtsmittel angegriffenen Taten tragen, ist die Rechtsmittelbeschränkung auch insoweit als wirksam anzusehen.
Der Verzicht auf ein Rechtsmittel setzt eine eindeutige, vorbehaltslose und ausdrückliche Erklärung voraus, wobei aber nicht von ‚Verzicht‘ gesprochen werden muss, wenn die Erklärung eindeutig ist. Die Erklärung, das Urteil werde ‚angenommen‘, enthält regelmäßig einen Rechtsmittelverzicht.