HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2025
26. Jahrgang
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III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

69. BGH 6 StR 230/24 – Beschluss vom 1. Oktober 2024 (LG Rostock)

Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht; Mord durch Unterlassen; Begehen durch Unterlassen, besondere gesetzliche Milderungsgründe (wertende Gesamtwürdigung aller wesentlichen Gesichtspunkte, unterlassensbezogene Gesichtspunkte, umfassende Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände; rechtsfehlerhaftes Heranziehen des strafbegründenden Unterlassens für Versagung der Strafmilderung).

§ 171 StGB; § 211 StGB; § 13 Abs. 2 StGB; § 49 Abs. 1 StGB

Die Frage, ob eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB geboten ist, muss das Tatgericht in einer wertenden Gesamtwürdigung aller wesentlichen Gesichtspunkte prüfen. Dabei sind insbesondere die unterlassensbezogenen Gesichtspunkte, also diejenigen Momente zu berücksichtigen, die etwas darüber besagen, ob das Unterlassen im Verhältnis zur entsprechenden Begehungstat weniger schwer wiegt.


Entscheidung

99. BGH 5 StR 557/24 – Beschluss vom 19. November 2024 (LG Hamburg)

Strafzumessung (Härteausgleich bei früherer Verurteilung in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union).

§ 46 StGB; § 55 StGB

Bei der Strafzumessung sind auch solche etwaigen Härten in den Blick zu nehmen, die durch die zusätzliche Vollstreckung von Strafen drohen, die von Gerichten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhängt wurden, wenn diesbezüglich in zeitlicher Hinsicht die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB erfüllt wären. Denn die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass frühere in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilungen in gleichem Maße bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, wie inländische Vorverurteilungen nach innerstaatlichem Recht. Hiernach ist bei zeitigen Freiheitsstrafen ein Härteausgleich vorzunehmen, um den sich daraus ergebenden Nachteil auszugleichen, dass bei einer früheren Verurteilung durch ein Gericht eines anderen EU-Mitgliedstaats keine Gesamtstrafe nach § 55 StGB gebildet werden kann. Beziffert werden muss dieser nicht.


Entscheidung

82. BGH 6 StR 419/24 (alt: 6 StR 88/23) – Beschluss vom 16. Oktober 2024 (LG Potsdam)

Sexueller Missbrauch von Kindern, Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind (knapp unter der Schutzaltersgrenze liegendes Alter des Tatopfers).

§ 176 StGB; § 176a StGB; § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass es zugunsten des Täters gewertet werden darf, wenn das Alter des Missbrauchsopfers sich der Schutzaltersgrenze annähert; um einen bestimmenden Milderungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO, der losgelöst von den Umständen des Einzelfalls regelmäßig strafmildernd berücksichtigt werden muss, handelt es sich aber nicht.


Entscheidung

42. BGH 3 StR 312/24 – Beschluss vom 16. Oktober 2024 (LG Wuppertal)

Einziehung (Mitverfügungsmacht bei Beteiligung mehrerer Täter); Hinweispflichten bei Einziehungen.

§ 73 StGB; § 73c StGB; § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO; § 337 StPO

1. Eine faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand bei mehreren Beteiligten kann – jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, die Beute oder Teile davon in den Händen haltenden Mittäter – auch dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit ,verfügt‘ der Mittäter zu seinen oder der anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet.

2. Ein ausdrücklicher gerichtlicher Hinweis ist nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO auf die Rechtsfolge der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§§ 73, 73c StGB) auch dann erforderlich ist, wenn die ihr zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen bereits in der zugelassenen Anklage enthalten sind.