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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2024
25. Jahrgang
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1. Die Anwendung des § 73a Abs. 1 StGB, auch in Verbindung mit § 73c Satz 1 StGB, setzt voraus, dass die Herkunft der Einziehungsgegenstände aus rechtswidrigen
Taten feststeht, aber eine sichere Zuordnung zu konkreten oder zumindest konkretisierbaren einzelnen Taten nach Ausschöpfung aller Beweismittel ausgeschlossen ist. Sofern die betreffenden Gegenstände einzelnen rechtswidrigen Herkunftstaten zugeordnet werden können oder könnten, und sei es erst nach weiteren Ermittlungen oder Beweiserhebungen, scheidet eine erweiterte Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen aus. Vielmehr ist dann eine Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB bzw. des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB einem (gesonderten) Verfahren wegen dieser anderen Straftaten vorbehalten. § 73a Abs. 1 StGB ist damit subsidiär gegenüber § 73 Abs. 1 StGB (st. Rspr.).
2. Für die Frage, ob sich das Tatgericht außerstande sieht, die Einziehungsgegenstände den abgeurteilten oder anderen rechtswidrigen Taten zuzurechnen, gelten wie für den Nachweis der deliktischen Herkunft gemäß § 261 StPO die allgemeinen Maßstäbe der freien Beweiswürdigung und der richterlichen Überzeugungsbildung. Eine voreilige Anwendung von § 73a StGB verbietet sich ebenso wie eine den Anforderungen von § 261 StPO nicht genügende Nichtanordnung einer erweiterten Einziehung.
3. Allein die theoretische Möglichkeit, dass eine verfahrensfremde Straftat die Herkunftstat darstellen könnte, vermag einen Vorrang von § 73 StGB gegenüber § 73a StGB nicht zu begründen. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die betreffenden Vermögenswerte auch tatsächlich einer konkreten Straftat zugeordnet werden können.
1. „Für die Tat“ sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (st. Rspr.). Von diesem Tatlohn sind Zuwendungen abzugrenzen, die der Tatbeteiligte aus einem anderen, von der Tatbegehung unabhängigen Rechtsgrund erhält. Ob ein solcher Rechtsgrund tatsächlich besteht oder ob der Tatlohn lediglich unter dem Deckmantel eines vorgetäuschten Anspruchs weitergeleitet wird, ist Tatfrage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
2. Dies gilt auch für „schwarz“ ausbezahlten Arbeitslohn. Allein aus der Zahlung unter Verkürzung von Beiträgen und Steuern kann nicht darauf geschlossen werden, dass damit die Begehung von bzw. Beteiligung an Straftaten vergütet wurde.
Bei Einziehungsgegenständen, die Wertschwankungen unterliegen, kommt es für die Bestimmung des Wertes des Erlangten nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB auf den Zeitpunkt des Eintritts der Voraussetzungen für die Einziehung des Wertes von Taterträgen an. Denn die Abschöpfung muss spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter aus der Tat zog. Wertsteigerungen oder -verluste, die der ursprüngliche Gegenstand erfährt, bevor der Täter ihn erlangt oder nachdem er ihn nicht mehr innehat, tangieren sein Vermögen nicht.
Der Verzicht auf Gegenstände, die der Angeklagte ohnehin nicht behalten darf – hier eine verbotene Waffe (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 WaffG) sowie Betäubungsmittel –, rechtfertigt eine Strafmilderung nicht. Ebenso wenig ist die Verbüßung von Untersuchungshaft ohne Weiteres ein bestimmender Strafmilderungsgrund, sofern nicht über die üblichen Beschwernisse einer Untersuchungshaft hinausgehende Belastungen konkret festgestellt werden. Der – auch erstmalige – Vollzug von Untersuchungshaft ist für sich genommen für die Strafzumessung vielmehr ohne Bedeutung, weil diese nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird.
Die für eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderliche Einwilligung des Verurteilten kann auch im Beschwerdeverfahren noch erklärt werden. Hierfür genügt unter den konkreten Umständen die für den Verurteilten durch den Verteidiger abgegebene Erklärung. Zwar ist eine Stellvertretung wegen des höchstpersönlichen Charakters ausgeschlossen. Die Übermittlung durch einen Erklärungsboten ist aber zulässig.
Liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB vor, soll ein Angeklagter, dessen Straftaten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären.
Daraus folgt, dass § 2 Abs. 6 StGB keine Anwendung findet, wenn eine rechtskräftig angeordnete Unterbringung nach § 55 Abs. 2 StGB aufrechterhalten wird. Denn nur so kann der Zweck des § 55 StGB, dass dem Angeklagten durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung weder Vor- noch Nachteile entstehen sollen, erreicht werden.
Infolge der Änderung von § 64 Satz 2 StGB muss das Erreichen des Unterbringungsziels aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten sein. Die Erwartung erfolgreicher Behandlung ist in der Regel dann nicht berechtigt, wenn der Angeklagte nicht über die für die Behandlung in der Entziehungsanstalt erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt. Die Behandlung kann nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur dann erfolgversprechend sein, wenn eine echte, d.h. therapeutisch sinnvolle, Kommunikation zwischen Therapeut und Patient möglich ist.
Durch die engere Koppelung der Therapieanordnung an den Therapiebedarf in § 64 StGB n. F. soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere die Einweisung von Drogendealern vermieden werden, bei denen der Betäubungsmittelkonsum zwar Teil des Lebensstils ist, aber nicht den Schweregrad erreicht, der tatsächlich eine Behandlung und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erfordert.