HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 530
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 348/23, Beschluss v. 06.02.2024, HRRS 2024 Nr. 530
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 14. März 2023 im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben, soweit die Einziehung über einen Betrag von 113.276,73 € hinaus angeordnet worden ist; die weitergehende Einziehung entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen Betrugs in neun Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in drei Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten, und wegen Diebstahls sowie wegen veruntreuender Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Unter Ablehnung des weitergehenden Antrags auf Einziehung hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 123.091,73 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf Verfahrensbeanstandungen sowie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Zum Schuldspruch und zum Strafausspruch hat die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Lediglich im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist das Urteil aufzuheben, soweit die Einziehung über einen Betrag von 113.276,73 € hinaus angeordnet worden ist. Im Fall II. 4. der Urteilsgründe hat das Landgericht zwar zutreffend erkannt, dass die beiden Goldbarren zu je 250 Gramm, die der Angeklagte aus dem Bankschließfach der Zeugin F. entwendete, infolge Vermengung (§ 948 BGB) mit 13 weiteren artgleichen Goldbarren im Bankschließfach des Angeklagten nicht länger der Einziehung nach § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB unterlagen. Rechtsfehlerhaft hat es aber für die Bestimmung des an ihrer Stelle einzuziehenden Wertes des Erlangten (§ 73c Satz 1 Alternative 2 StGB) auf den Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung abgestellt.
a) Bei Einziehungsgegenständen, die - wie der Goldpreis - Wertschwankungen unterliegen, kommt es für die Bestimmung des Wertes des Erlangten nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB auf den Zeitpunkt des Eintritts der Voraussetzungen für die Einziehung des Wertes von Taterträgen an. Denn die Abschöpfung muss spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter aus der Tat zog. Wertsteigerungen oder -verluste, die der ursprüngliche Gegenstand erfährt, bevor der Täter ihn erlangt oder nachdem er ihn nicht mehr innehat, tangieren sein Vermögen nicht (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 67; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. März 2022 - 3 StR 456/21 Rn. 17 mwN). Den Tag, an dem der Angeklagte die beiden Goldbarren zu je 250 Gramm von der Zeugin F. entwendete und mit den Goldbarren in seinem eigenen Bankschließfach ununterscheidbar vermengte (§ 948 BGB), hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf den 7. Dezember 2017 bestimmt. Entsprechendes gilt für den an diesem Tag geltenden Goldpreis von 18.185 € für beide Barren (UA S. 14/15, 81).
b) Unerheblich ist dabei, dass in dem Bankschließfach des Angeklagten bei der Sparkasse Fu. insgesamt 15 Goldbarren à 250 Gramm sichergestellt wurden, unter denen sich sowohl eigene Goldbarren des Angeklagten als auch die beiden entwendeten Barren der Zeugin F. befanden. Denn letztere waren infolge der Vermengung (§ 948 BGB) nicht länger als gegenständliche Taterträge individualisierbar. Als Einziehungsgegenstände im Sinne des § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB, an deren Wertsteigerung das Vermögen des Angeklagten allein hätte teilhaben können, waren sie vom Zeitpunkt der Vermengung an nicht mehr existent.
c) In der Folge beläuft sich der Wert der Taterträge im Sinne des § 73c Satz 1 Alternative 2 StGB, soweit der Angeklagte diese noch nicht ausgeglichen hat, auf (32.762,97 € im Fall II. 2. der Urteilsgründe zzgl. 18.185 € im Fall II. 4. der Urteilsgründe zzgl. [9.998,60 € + 33.360,72 € + 18.969,44 € =] 62.328,76 € gemäß Ziff. VII. 2. a der Urteilsgründe, insgesamt auf) 113.276,73 €. Die über diesen Betrag hinausgehende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen ist aufzuheben und entfällt.
2. Zu den von der Revision erhobenen Verfahrensbeanstandungen bemerkt der Senat ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts:
a) Die Rüge, das Landgericht habe unter Verletzung des § 251 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 3 StPO bzw. § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO von der persönlichen Vernehmung der Zeugin D. (Fälle II. 1.1-1.4 der Urteilsgründe) und des Zeugen M. (Fall II. 6. der Urteilsgründe) abgesehen, ist jedenfalls unbegründet. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts genügen die nach § 251 Abs. 4 StPO geforderten Gerichtsbeschlüsse vom 10. bzw. 12. Januar 2023 dem gesetzlichen Begründungszwang des § 251 Abs. 4 Satz 2 StPO. Danach muss der die Verlesung anordnende Beschluss die Tatsachen angeben, die eine Verlesung - als Ausnahme von § 250 StPO - rechtfertigen. In aller Regel ist wenigstens die Wiedergabe der das Gericht leitenden Erwägungen erforderlich, so dass diese rechtlich überprüfbar sind (BGH, Beschluss vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 446/92 Rn. 7 mwN). Nach den in der Hauptverhandlung verlesenen Auskünften der behandelnden Ärzte litten die 98-jährige Zeugin D. und der (knapp) 76-jährige Zeuge M. unter gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Damit war für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich, dass beide Zeugen aufgrund ihres Alters und Gesundheitszustands auf absehbare Zeit nicht vernehmungsfähig sein würden. Einer weitergehenden Begründung bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.
b) Die Rüge, mit der die Revision eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) beanstandet, weil das Landgericht die frühere Mitangeklagte Fe. - nach Einstellung des gegen diese geführten Strafverfahrens gemäß § 153a StPO - nicht als weitere Zeugin vernommen hat, ist bereits unzulässig.
aa) Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO legt die Revision zum Fall II. 3. der Urteilsgründe nicht dar, weshalb sich der Strafkammer die vermisste Vernehmung der Zeugin mit Blick auf die Beweisaufnahme im Übrigen aufdrängen musste. Die Strafkammer hat die Zeugin G. als geschädigte (formelle) Inhaberin des in Rede stehenden Kontos als unmittelbare Zeugin zu dem betroffenen Beweisthema einvernommen und ihre Angaben mit den in die Hauptverhandlung eingeführten Bankunterlagen und den Angaben der Zeugen Dö. und H. abgeglichen. Anhaltspunkte, die aus Sicht der Strafkammer eine weitergehende oder abweichende Aussage der Zeugin Fe. erwarten ließen, lässt die Revisionsbegründung nicht erkennen. Sie ergaben sich insbesondere nicht aus dem - auszugsweise wiedergegebenen - Schriftsatz der (seinerzeitigen) Mitangeklagten Fe. vom 23. April 2021, der zur Erteilung eines Auftrags zur Kontoeröffnung durch die Zeugin G. keine konkreten Angaben erhält.
bb) Soweit die Revision die Vernehmung der Zeugin Fe. zur technischen Veränderbarkeit der internen Datensätze im Rechensystem der Sparkasse vermisst, lässt sie schon mit Blick auf die - mit Ausnahme der Fälschung von Unterschriften - geständige Einlassung des Angeklagten zu Fall II. 5. der Urteilsgründe nicht erkennen, weshalb der Strafkammer sich die Notwendigkeit dieser Beweisaufnahme aufdrängen musste.
c) Die Rüge einer Verletzung der § 244 Abs. 2, § 261 StPO durch - vermeintlich - verfahrensfehlerhafte Beweiserhebung über den Blanko-Barauszahlungsbeleg der Geschädigten A. im Wege des Urkundenbeweises anstelle des richterlichen Augenscheins ist bereits deshalb unzulässig, weil die Revision der Wahrheit zuwider vorträgt, die Auszahlungsbelege betreffend Frau A. seien „auch nicht in anderer Weise zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden“. Dies zeigt der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift unter Bezugnahme auf die Urteilsgründe (UA S. 20, 34) zutreffend auf.
3. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 530
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede