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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2024
25. Jahrgang
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1. Die Fristsetzung zur Anbringung von Beweisanträgen nach § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO erfordert nicht die Feststellung oder den konkreten Verdacht einer Absicht der Prozessverschleppung. (BGHSt)
2. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gemäß § 244 Abs. 6 Satz 4 Halbsatz 1 StPO im Urteil abgelehnt, so ist eine rechtsfehlerhafte Begründung unschädlich, wenn das Tatgericht ihn ohne Rechtsfehler hätte zurückweisen dürfen und die Ablehnungsgründe vom Revisionsgericht aufgrund des Urteilsinhalts nachgebracht werden können. (BGHSt)
3. Für den Abschluss des gerichtlichen Beweisprogramms i.S. des § 244 Abs. 6 Satz 3 StPO macht es keinen Unterschied, ob das Gericht von vorneherein ein bestimmtes Beweismittel als für seine Entscheidungsfindung unerheblich erachtet und daher nicht zum Gegenstand der Beweisaufnahme macht oder ob es erkennbar von der Absicht einer solchen Beweiserhebung abrückt und die Beweisaufnahme aufgrund der geänderten Beurteilung nicht auf das Beweismittel erstreckt.
4. Für die Prüfung, ob nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB der Täter „im Inland betroffen ... wird“ und seine „Auslieferung nicht ausführbar ist“, ist der Zeitpunkt des Urteils in der letzten Tatsacheninstanz, nicht derjenige der revisionsgerichtlichen Entscheidung, maßgebend. (BGHR)
1. Bei den gesetzlichen Vorschriften, nach denen ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann (§ 24 Abs. 1 und 2, § 31 StPO), handelt es sich nicht um Rechtsnormen, die im Sinne des § 339 StPO lediglich zugunsten des Angeklagten wirken. (BGHSt)
2. Die Staatsanwaltschaft kann in Ausübung ihrer Rolle als „Wächterin des Gesetzes“ Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Entscheidung über von ihr gestellte Ablehnungsgesuche ungeachtet von deren Angriffsrichtung mit der Revision rügen. (BGHSt)
3. Ein Ablehnungsgesuch der Staatsanwaltschaft ist gerechtfertigt, wenn sie bei verständiger Würdigung der ihr bekannten Umstände Grund zu der Besorgnis hat, dass der Richter gegenüber dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt oder den daran Beteiligten nicht unvoreingenommen und unparteilich ist. (BGHSt)
4. Die Ablehnung eines (Berufs-)Richters ist nach § 24 Abs. 2 StPO, der nach § 31 Abs. 1 StPO für einen Schöffen entsprechend gilt, gerechtfertigt, wenn die ablehnende Staatsanwaltschaft bei verständiger Würdigung der ihr bekannten Umstände Grund zu der Besorgnis hat, dass der Richter gegenüber dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt oder den daran Beteiligten nicht unvoreingenommen und unparteilich ist. Nicht erheblich ist, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist oder nicht. (Bearbeiter)
5. Dabei ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass die §§ 22, 23 StPO Ausschlussgründe aufgrund typisierter Verhältnisse oder Beziehungen erschöpfend regeln. Sie sind eng auszulegen und dürfen nicht dadurch erweitert werden, dass für bestimmte Fälle § 24 StPO allgemein „zur Lückenfüllung“ herangezogen wird. (Bearbeiter)
6. Grundsätzlich gilt daher, dass, soweit nicht die im Gesetz aufgeführten persönlichen Verhältnisse oder Beziehungen vorliegen, von der Fähigkeit des Richters auszugehen ist, sich von Befangenheit frei zu halten. Gleichwohl vermögen persönliche Beziehungen des Richters zu Angeklagten, Verletzten oder Zeugen je nach Intensität und konkreter Sachlage die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Sie lassen eine Ablehnung aber nur dann als begründet erscheinen, wenn eine besonders enge Beziehung vorliegt oder ein besonderer Zusammenhang mit der Strafsache besteht, der besorgen lässt, dass der Richter der Sache nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit gegenübersteht. (Bearbeiter)
Für Zulässigkeit der Rüge, das Tatgericht einen Antrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten unter Verstoß gegen § 244 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 2 StPO abgelehnt, ist ein Sachvortrag zur Einwilligung der zu begutachtenden Person in die Untersuchung jedenfalls in den Fällen nicht erforderlich, in denen das Tatgericht den Antrag auf Begutachtung wegen eigener Sachkunde abgelehnt hat.
Eine abschließende Sachentscheidung des Revisionsgerichts kann in Fällen einer bereits eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in Ausnahmefällen
geboten sein, wenn jede weitere Verzögerung des Verfahrens durch Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht unvertretbar wäre.
Wird hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot keine Verfahrensrüge erhoben oder greift diese nicht durch, so unterliegt die Frage, ob ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK vorliegt, nur dann der revisionsrechtlichen Überprüfung, wenn sich entweder die Verfahrensverzögerung aus den Urteilsgründen – gegebenenfalls unter Heranziehung der vom Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Verfahrenstatsachen – ergibt oder aber die Urteilsgründe jedenfalls ausreichende Anhaltspunkte enthalten, die das Tatgericht zur Prüfung einer Kompensation drängen mussten, sodass ein Erörterungsmangel gegeben ist.
1. In Haftsachen ist grundsätzlich eine Verhandlungsdichte von durchschnittlich mehr als einem Tag pro Woche erforderlich. Ferien- und Krankheitszeiten haben bei der Berechnung außer Betracht zu bleiben. Jedoch ist ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nicht streng schematisch an der Terminierungsdichte festzumachen; ebenfalls entscheidend sind die konkreten Verfahrensabläufe in der Hauptverhandlung.
2. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine Entscheidung über die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Dazu gehört die sorgfältige Planung der Beweisaufnahme. Die voraussichtliche Dauer einer Beweiserhebung durch das Gericht ist im Vorfeld ebenso abzuschätzen wie die Wahrnehmung von Frage- und Erklärungsrechten der Verfahrensbeteiligten, um Leerläufe möglichst gering zu halten.
3. Strafgerichte sind nicht dazu gehalten, für Situationen, in denen ein für den entsprechenden Tag vorgesehenes Beweisprogramm früher als ursprünglich vorgesehen abgeschlossen ist, stets eine alternative tagesfüllende Beweisaufnahme vorzubereiten und vorzuhalten.
4. Soweit der bisherige Verlauf eines Verfahrens zumindest auch auf dem Prozessverhalten der Angeklagten und ihrer Verteidiger beruht – und etwa von zahlreichen Anträgen und Widersprüchen der Angeklagten geprägt ist – hat dies bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer Berücksichtigung zu finden.
Zur Berücksichtigung von Urkunden in einem Ablehnungsbeschluss vor formell ordnungsgemäßem Abschluss des Selbstleseverfahrens.
Die Zusage des Angeklagten, im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung keine weiteren Beweisanträge zu stellen, ist kein zulässiger Gegenstand einer Verständigung. Allenfalls einzelne Anträge können zum Gegenstand der Verständigung gemacht werden.
Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der Löschung von Daten nach § 489 StPO oder dem Bundesdatenschutzgesetz unterfallen dem Katalog der beschwerdefähigen Entscheidungen in § 304 Abs. 4 Satz 2 StPO grundsätzlich nicht.