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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2024
25. Jahrgang
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1. Ein unmittelbares Ansetzen liegt nicht erst dann vor, wenn der Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht. In den Bereich des Versuchs einbezogen ist ein für sich gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals räumlich und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll.
2. Handlungen, die keinen tatbestandsfremden Zwecken dienen, sondern wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan des Täters als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden, sind nicht als der Annahme unmittelbaren Ansetzens entgegenstehende Zwischenakte anzusehen.
Der Entschuldigungsgrund des § 35 Abs. 1 Satz 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden. Nicht anders abwendbar ist die Gefahr dann, wenn bei einer Ex-ante-Betrachtung kein milderes, gleichermaßen zur Gefahrenabwehr geeignetes Mittel vorhanden ist. Als anderweitige Abwendungsmöglichkeit in diesem Sinne ist grundsätzlich die rechtzeitig mögliche Inanspruchnahme behördlicher Hilfe vorgreiflich.
1. Wenn zwischen Tat und Blutentnahme kein Nachtrunk stattfand oder festgestellt werden kann, ist für die Frage der Schuldfähigkeit zu Gunsten des Angeklagten ein stündlicher Alkoholabbau von 0,2 Promille und zusätzlich ein einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille anzusetzen.
2. Ein individueller Abbauwert aufgrund der Ermittlung der Differenz von zwei in einem bestimmten Abstand zueinander entnommenen Blutproben ist nach medizinischer Erkenntnis nicht feststellbar. Ein derart berechneter (vermeintlicher) individueller Wert darf daher für eine Rückrechnung zur Bestimmung der Schuldfähigkeit nicht herangezogen werden.
1. Zur Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB (BGHR)
2. § 246 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. (Bearbeiter)
3. Für die Zueignung im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB genügt eine bloße Manifestation des Zueignungswillens nicht, sie kann aber ein gewichtiges Beweisanzeichen für den subjektiven Tatbestand sein. (Bearbeiter)
4. In dem bloßen Unterlassen der geschuldeten Rückgabe sicherungsübereigneter Gegenstände liegt keine vollendete Zueignung, denn ein solches beeinträchtigt die Eigentümerbefugnisse nicht weitergehend, als bereits durch die im Rahmen des Miet- oder Leasingvertrags erfolgte Gebrauchsüberlassung geschehen. (Bearbeiter)
1. Heftige Schläge gegen den Kopf des Opfers können eine das Leben gefährdende Behandlung i.S. des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB sein, wenn sie nach der Art der Ausführung der Verletzungshandlungen im Einzelfall zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können. Dies gilt selbst für Schläge mit der bloßen Hand in das Gesicht oder gegen den Kopf, sofern Umstände in der Tatausführung oder individuelle Besonderheiten beim Opfer vorliegen, die das Gefahrenpotential der Handlung im Vergleich zu einer „einfachen“ Körperverletzung deutlich erhöhen. Insbesondere gilt dies für kräftige Fausthiebe gegen den Kopf, namentlich gegen die Schläfenregion.
2. Zwar darf die Art der Tatausführung auch bei einer erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit zu Lasten des Angeklagten gewertet werden, indes nur eingeschränkt nach dem Maß der geminderten Schuld.
1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und dadurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglos ist ein Tatopfer, das bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs weder mit einem lebensbedrohlichen noch mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet.
2. Handelt es sich um ein mehraktiges Tatgeschehen, bei welchem dem Tatopfer die todesursächliche Verletzungsfolge nicht mit dem ersten Angriff, sondern durch einen späteren Teilakt beigebracht wird, kommt es grundsätzlich darauf an, ob das Gesamtgeschehen als eine natürliche Handlungseinheit zu bewerten ist und deshalb eine Tat im Rechtssinne vorliegt. Dies ist der Fall, wenn zwischen einer Mehrheit gleichgearteter, strafrechtlich erheblicher Betätigungen ein derart unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint und die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind. Unabhängig hiervon kann ein Heimtückemord gleichwohl ausscheiden, wenn der Täter im ersten Handlungskomplex bereits zurückgetreten war.
3. In subjektiver Hinsicht setzt das Mordmerkmal der Heimtücke gemäß § 211 Abs. 2 StGB voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Das Ausnutzungsbewusstsein kann im Einzelfall bereits aus dem objektiven Bild des Tatgeschehens abgeleitet werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt. Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. An einem Ausnutzungsbewusstsein kann es aber bei affektiven Durchbrüchen oder heftigen Gemütsbewegungen ebenso fehlen wie bei einem zur Tatzeit erheblich alkoholisierten Täter.
1. Das Opfer kann auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen.
2. Nach § 23 Abs. 2 StGB kann der Versuch milder bestraft werden als die vollendete Tat. Ob eine Strafrahmenverschiebung wegen Versuchs gemäß § 23 Abs. 2 StGB in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, ist vom Tatgericht auf der Grundlage einer Gesamtschau aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden Eine sorgfältige Abwägung und umfassende Begründung ist insbesondere in Fällen geboten, in denen die Versagung der Strafmilderung wegen Versuchs die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Folge hat.
1. In Fällen nicht identifizierter abgebildeter Personen bedarf es einer Altersbestimmung oder zumindest Alterseingrenzung aufgrund einer Gesamtwürdigung aller sich aus dem Inhalt selbst und dessen Bezeichnung ergebender Umstände; als solche kommen namentlich die körperlichen Entwicklung, das Aussehens, die Gestik und Mimik, die Stimme, die Äußerungen und das Verhaltens des Abgebildeten, aber auch weiterer Faktoren wie die Räumlichkeit, in der die Aufnahme gefertigt wurde, Bekleidungsstücke (etwa Kinderbekleidung), sichtbare weitere Gegenstände (etwa Kinderspielzeug) sowie textliche oder sprachliche Altersangaben in dem Inhalt oder dessen Bezeichnung (Dateiname) in Betracht.
2. Zwar ist primär das beweiswürdigend festgestellte oder zumindest eingegrenzte Alter der Person maßgeblich. Für eine Einordnung eines Inhalts als kinder- beziehungsweise jugendpornographisch genügt es aber, wenn ein objektiver, gewissenhaft urteilender Betrachter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Inhalts und dessen Bezeichnung den Eindruck erlangt, dass die gezeigte Person ein Kind oder Jugendlicher ist. Dann ist das tatsächliche Alter irrelevant („Scheinkinder“ oder „Scheinjugendliche“) beziehungsweise ohne Bedeutung, ob sich dieses feststellen lässt oder nicht.
3. Altersangaben zu nicht identifizierten abgebildeten Personen in den betreffenden Aufnahmen oder in Dateinamen, die eine Volljährigkeit oder zumindest Jugendlichkeit des Darstellers behaupten, stehen der gesamtwürdigenden Annahme einer jüngeren Altersstufe nicht entgegen, denn ansonsten hätte es der Hersteller oder Verbreiter des Inhalts in der Hand, durch einfache unwahre Behauptungen eine Anwendbarkeit der §§ 184b, 184c StGB zu verhindern.
4. Demgegenüber kann Angaben in einer Videoaufnahme oder einer Dateibezeichnung, die ein kindliches oder jugendliches Alter des Abgebildeten behaupten, im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung Indizwert dahin zukommen, dass es sich bei der betreffenden Person tatsächlich um ein Kind oder einen Jugendlichen handelt. Auch kann eine solche Angabe in der Gesamtschau mit dem Aufnahmeinhalt geeignet sein, einem objektiven, gewissenhaft urteilenden Betrachter den Eindruck zu vermitteln, die gezeigte Person sei ein Kind oder Jugendlicher, was für die Qualifikation eines Inhalts als kinder- oder jugendpornographisch ausreicht.
1. Ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 StGB liegt vor, wenn durch eine der in den Nummern 1 bis 3 genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat. Dabei kann § 315b Abs. 1 StGB auch mittels eines Kraftfahrzeugs im Rahmen von Verkehrsvorgängen im fließenden Verkehr verwirklicht werden (sog. Inneneingriff). Dies setzt aber voraus, dass das Fahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig eingesetzt wird und der Täter das Fahrzeug mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht. Erst dann liegt eine über den Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB hinausgehende und davon abzugrenzende verkehrsatypische „Pervertierung“ eines Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB vor.
2. Ein verkehrsfeindlicher Inneneingriff kann auch durch einen Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs in Mittäterschaft begangen werden. § 315b Abs. 1 StGB stellt kein eigenhändiges Delikt dar, bei dem der Täter nur durch ein eigenes Handeln persönlich den Tatbestand erfüllen kann.
3. Ein eigenhändiges Delikt ist dadurch gekennzeichnet, dass die Täterschaft an eine bestimmte Ausführungshandlung gebunden ist, sodass das maßgebliche Unrecht in einem eigenen verwerflichen Tun liegt und nicht in erster
Linie aus der Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsguts hergeleitet wird. Ob dies der Fall ist, ist mit Rücksicht auf die Fassung des gesetzlichen Tatbestands sowie mit Blick auf den Zusammenhang der einschlägigen Gesetzesbestimmungen und die Entstehungsgeschichte zu entscheiden.
1. Auch Straftaten, die in wechselnder Beteiligung ohne vorherige Tatplanung spontan aus der Situation heraus begangen werden, können einer Bandenabrede zugrunde liegen. Auch kann nach vorheriger Bandenabrede eine von nur zwei Mitgliedern verübte Tat als Bandentat zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbegehung eingebunden sein oder auch nur Kenntnis von der Tatbegehung haben. Die Annahme eines Bandendiebstahls setzt aber neben einer ausdrücklich oder konkludent getroffenen Bandenabrede zwischen mindestens drei Personen voraus, dass der Täter gerade als Mitglied der Bande unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt, die Einzeltat also Ausfluss der Bandenabrede ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt wird.
2. Der Täter eines Diebstahls muss bei der Wegnahme beabsichtigen, sich oder einem Dritten zumindest vorübergehend eine eigentümerähnliche Verfügungsgewalt über die Sache anzumaßen. Daran kann es hinsichtlich eines Behältnisses fehlen, wenn sich der Täter nicht das Behältnis, sondern in der Hoffnung auf möglichst große Beute allein dessen vermuteten Inhalt aneignen will. Enthält ein Behältnis, das der Täter in seinen Gewahrsam bringt, nicht die vorgestellte werthaltige Beute, auf die es ihm bei der Tat allein ankommt, und entledigt er sich – nachdem er dies festgestellt hat – deswegen des Behältnisses sowie des gegebenenfalls darin befindlichen, ihm nutzlos erscheinenden Inhalts, so kann er mangels Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute nicht wegen eines vollendeten, sondern nur wegen versuchten (fehlgeschlagenen) Diebstahls bestraft werden.
3. An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auch auf Änderung des Bestandes seines Vermögens gerichtet sein muss, fehlt es zudem in Fällen, in denen er eine fremde Sache nur wegnimmt, um sie wegzuwerfen oder beiseitezuschaffen.
4. Es kann einen über die Sicherstellung hinausgehenden Strafmilderungsgrund darstellen, wenn die polizeiliche Überwachung der Tat mit dem Wegfall einer Gefahr für Rechtsgüter des Tatopfers verbunden ist. Dieses Gewicht resultiert aus dem Gewinn an Sicherheit, den eine derartige Überwachung schon während der Tatbegehung bewirkt, indem sie bereits von Beginn an die Möglichkeit für eine spätere Sicherstellung schafft und so eine tatsächliche Gefahr für die betroffenen Rechtsgüter ausschließt; insoweit reduziert sie das Handlungsunrecht zusätzlich gegenüber Fällen, in denen eine Sicherstellung trotz fehlender Überwachung letztlich gelingt.
1. Der Tatbestand des Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB erfordert den Einsatz von Gewalt gegen eine Person oder die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben als Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme einer Sache. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn der Täter zwar Gewalt gegen das Tatopfer richtet, aber den Raubvorsatz erst nach Abschluss der Gewaltanwendung fasst.
2. Als Raubmittel kommt auch die konkludente Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, nämlich der Fortführung der Gewalt, in Betracht. Dafür genügt jedoch weder allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, noch das bloße Ausnutzen der durch die vorangegangene Gewaltanwendung entstandenen Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers. Vielmehr muss sich den Gesamtumständen einschließlich der zuvor verübten Gewalt die aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung entnehmen lassen, der Täter also in irgendeiner Form schlüssig erklärt haben, er werde einen eventuell geleisteten Widerstand mit Gewalt gegen Leib oder Leben brechen.
3. Eine räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB setzt voraus, dass der Täter Gewalt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einsetzt, um eine Vermögensverfügung des Opfers herbeizuführen, sodass zwischen beidem nach seiner Vorstellung von der Tat ein finaler Zusammenhang besteht. Das bloße Ausnutzen der Angst des zuvor körperlich misshandelten Opfers vor erneuter Gewaltanwendung reicht dafür nicht aus. Zwar kann in einem solchen Fall die Annahme naheliegen, der Täter habe dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gegeben, er werde die zuvor zu anderen Zwecken eingesetzte Gewalt nunmehr zur Erzwingung der erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers fortsetzen oder wiederholen. Die Annahme einer konkludenten Drohung bedarf aber konkreter Feststellungen und Belege.
Das Verüben beschimpfenden Unfugs bedeutet ein im Angesicht eines Toten durch ein besonderes Maß an Pietätlosigkeit und Rohheit gekennzeichnetes Verhalten, mit dem der Täter seine Verachtung des Toten zum Ausdruck bringt, wobei er sich des beschimpfenden Charakters seiner Handlung bewusst ist.