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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2023
24. Jahrgang
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1. Für die Abgrenzung von sog. scheinselbständigen Rechtsanwälten und freien Mitarbeitern einer Rechtsanwaltskanzlei ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung maßgebend; soweit die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung wegen der Eigenart der Anwaltstätigkeit im Einzelfall an Trennschärfe und Aussagekraft verlieren, ist vornehmlich auf das eigene Unternehmerrisiko und die Art der vereinbarten Vergütung abzustellen. (BGHSt)
2. Beitragszahlungen von Schwarzarbeitern und illegal Beschäftigten aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung lassen nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit des § 266a Abs. 1 und 2 StGB entfallen, sondern sind erst auf der Ebene der Strafzumessung zu berücksichtigen. (BGHSt)
3. Einen autonomen Arbeitgeberbegriff enthält das StGB nicht. Ob eine Person Arbeitgeber ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht, das weitgehend auf das Arbeitsrecht Bezug nimmt. Aus dem Berufsbild des Rechtsanwalts und den Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung ergibt sich für diese Abgrenzung nichts wesentlich anderes.(Bearbeiter)
4. Für Arbeitnehmer, die wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze kranken- und pflegeversicherungsfrei sind, könne keine Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten werden. Ob die von der Versicherungspflicht befreiten Rechtsanwälte freiwillig gesetzlich oder privat kranken- und pflegeversichert waren, ist unerheblich; auch die Beiträge freiwillig gesetzlich versicherter Beschäftigter sind nicht von § 266a Abs. 1 und 2 StGB erfasst. (Bearbeiter)
5. Auch für Arbeitnehmern, die nach § 6 Abs. 1 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht befreit werden können, können Rentenversicherungsbeiträge vorenthalten werden, solange eine entsprechender Befreiungsantrag (§ 6 Abs. 2 SGB VI) nicht gestellt wurde. (Bearbeiter)
6. Die gebotenen eigenen Urteilsfeststellungen oder Würdigungen des Tatgerichts können durch Bezugnahmen auf im Selbstleseverfahren eingeführte Urkunden nicht ersetzt werden, weil es sachlichrechtlich an der Möglichkeit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht fehlt. (Bearbeiter)
7. Jedenfalls ist in den Fällen, in denen zur Abschöpfung des aus der Tat erlangten Vermögens eine Einziehungsentscheidung getroffen wird, zu erörtern, ob die kumulative Verhängung von Freiheits- und Geldstrafen im Sinne des § 41 StGB angebracht ist. (Bearbeiter)
Befreit die Finanzverwaltung den Täter von der Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen, steht das einer Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO auch entgegen, wenn die Befreiung durch falsche Angaben erschlichen wurde. Vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes entfaltet bei verwaltungsakzessorischen Straftatbeständen die Verwaltungsentscheidung grundsätzlich Tatbestandswirkung.
Der Berücksichtigung der Vorsteuern aus Gemeinkosten im Rahmen des tatbestandlichen Verkürzungsumfangs steht das Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) entgegen. Denn die betreffenden Steuervorteile beziehen sich nicht auf dasselbe Wirtschaftsgut wie die von der Angeklagten ausgeführten Ausgangsumsätze und stehen mit diesen daher nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang (vgl. BGHSt 63, 203 Rn. 16).
1. Entscheidend für die Differenzierung zwischen Tatertrag und Tatobjekt sind nach Auffassung des Senats die Überschrift des § 73 StGB („von Taterträgen“) und eine Wertung nach Maßgabe des geschützten Rechtsguts der einschlägigen Strafvorschrift („tatbestandsspezifisch“; vgl. BGHSt 62, 114 Rn. 16). „Ertrag“ im Sinne der §§ 73 ff. StGB ist der „wirtschaftlich messbare“, mithin geldwerte Vorteil, den der Täter durch die Straftat seinem Vermögen – und sei es nur vorübergehend – einverleibt. Die Legaldefinition des § 74 Abs. 2 StGB, wonach Tatobjekte notwendige Gegenstände der Tathandlung sein sollen, also Gegenstände, an denen die strafbare Handlung selbst begangen wird, erscheint hingegen ungeeignet, diese vom „durch“ die Tat erlangten Ertrag abzugrenzen.
2. An diesen Vorgaben gemessen sind Anlagegelder, die der Täter im Zuge ohne Erlaubnis betriebener Bankgeschäfte nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG einsammelt, Tatobjekte.
3. Erbringt der Geschädigte aufgrund einer einzigen Täuschungshandlung des Täters mehrere Leistungen, ist lediglich ein Betrugsfall anzunehmen; dies gilt insbesondere bei fortlaufenden Bezügen aufgrund eines Antrags mit wahrheitswidrigen Angaben (vgl. BGHSt 27, 342, 343). In solchen Fällen ist der Betrug bei einem anwachsenden Gesamtschaden erst mit der letzten Teilauszahlung beendet (vgl. BGHSt 59, 205 Rn. 60; BGHSt 46, 159, 166). Sind hingegen neue Täuschungen erforderlich, um den Geschädigten zu weiteren Zahlungen zu veranlassen, führt dies zu Tatmehrheit. Nur eine einheitliche Zielsetzung des Täters, ein übereinstimmender Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks vermag Tateinheit nicht zu.
4. Allein in der anders gelagerten Konstellation einzelner Mittelabrufe auf der Grundlage eines – die Gesamthöhe der Zuschüsse bereits festlegenden – Zuwendungsbescheids in einem einheitlichen zweistufigen Subventionsvergabeverfahren gilt, gleich ob die Verurteilung auf § 263 Abs. 1 StGB oder § 264 Abs. 1 StGB gestützt wird, dass aufgrund der engen sachlichen Verbindung von Bescheid und einzelnen Anforderungen mit weiteren Täuschungselementen eine Bewertungseinheit anzunehmen ist.
Die „Verhaftung“ i.S. des § 304 Abs. 5 StPO betrifft die Entscheidung des Ermittlungsrichters nur, wenn damit unmittelbar entschieden wird, ob der Beschuldigte in Haft zu nehmen oder zu halten ist. Nicht mit der Beschwerde angreifbar sind dagegen Beschränkungen durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die dem Untersuchungsgefangenen im Hinblick auf den Zweck der Untersuchungshaft nach § 119 Abs. 1 StPO auferlegt werden und die sich lediglich auf die Art und Weise des Vollzugs erstrecken (hier: Verweigerung der Nutzung eines Schreibprogramms auf einem zur Verfügung gestellten Leselaptop).
Wenn eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliegt, setzt die Einziehung die Tatvollendung, namentlich den Erlass eines Schätzungsbescheids oder den allgemeinen Abschluss der Veranlagungsarbeiten voraus. Vor Eintritt des Taterfolgs kann der Täter noch nicht über die Steuerersparnis verfügen.
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit. Eigennützig handelt, wer von einem Streben nach Gewinn geleitet wird oder wer sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder – objektiv messbar – immateriell bessergestellt wird. Daran kann es fehlen, wenn der Täter Betäubungsmittel zum Einstandspreis veräußert. Allerdings kann auch in einem solchen Fall das Interesse an der Aufrechterhaltung einer gewinnbringenden Geschäftsbeziehung für die Annahme eines eigennützigen Handelns ausreichen. Kein Vorteil mit objektiv messbarem Inhalt ist die Hoffnung auf ideelle Anerkennung bei anderen.
1. Der Tatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Als Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB kommt ein Beteiligter auch in Betracht, wenn das Rauschgift von einer anderen Person in das Inland verbracht wird. Voraussetzung dafür ist aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt.
2. Ob die Voraussetzungen einer täterschaftlichen Einfuhr vorliegen, ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung zu beurteilen, bei welcher der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu von besonderer Bedeutung sind; im Ergebnis muss die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist allerdings der Einfuhrvorgang selbst. Das bloße Veranlassen einer Einfuhrfahrt ohne Einfluss auf deren Durchführung genügt für die Annahme von Mittäterschaft regelmäßig nicht.