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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2023
24. Jahrgang
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1. Die Vorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG setzt ein Handeln „entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 1“ voraus und verbietet es damit, Arzneimittel oder Wirkstoffe herzustellen oder in den Verkehr zu bringen, die durch Abweichung von den anerkannten pharmazeutischen Regeln in ihrer Qualität nicht unerheblich gemindert sind. Erforderlich ist folglich – ungeachtet der Frage, ob sich die Erheblichkeit der Qualitätsminderung nach einer Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall bestimmt – die Feststellung, dass überhaupt eine Qualitätsminderung gegeben ist.
2. Allein die bloße (objektiv) unrichtige Angabe begründet indes keine tatbestandsmäßige Fälschung im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 3a AMG. Dies ergibt sich aus der auch hinsichtlich gefälschter Arzneimittel und Wirkstoffe in Bezug genommenen Bestimmung des § 8 Abs. 1 AMG, die – wie die übrigen Verbote des § 8 AMG – „zum Schutz vor Täuschung“ der Verbraucher dienen soll. Nach diesem schon in der amtlichen Gesetzesüberschrift zum Ausdruck gekommenen Schutzzweck der Vorschrift wird eine Falschangabe vom Verbot nur erfasst, wenn ihr Täuschungseignung zukommt.
3. Zwar ist das Tatgericht verfahrensrechtlich lediglich dazu verpflichtet, das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz in den Urteilsgründen zu bezeichnen, § 267 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz StPO. Inwieweit daneben weitere Rechtsausführungen geboten sind, richtet sich nach sachlich-rechtlichen Gesichtspunkten. Es dürfen aber keine Zweifel verbleiben, ob das Tatgericht die sich aus den getroffenen Feststellungen ergebenden rechtlichen Fragen erkannt und zutreffend beurteilt hat. Solche Zweifel können insbesondere dann bestehen, wenn ein Widerspruch zwischen Urteilsformel und -gründen vorliegt. Beide bilden eine untrennbare Einheit. Bei einem offensichtlichen Verkündungsversehen darf der Fehler im Urteilstenor berichtigt werden, wenn er für alle Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist und seine Behebung darum auch nicht den entfernten Verdacht einer inhaltlichen Änderung des Urteils begründen kann. Lässt sich indes nicht mit Sicherheit klären, dass lediglich ein – noch nachträglich zu berichtigendes – offensichtliches Versehen bei der Fassung bzw. Verkündung der Urteilsformel vorliegt, führt ein solcher Widerspruch bereits auf die Sachrüge hin zur Urteilsaufhebung.
Subventionserhebliche Tatsache nach § 264 Abs. 8 Nr. 2 StGB aF ist das Nichtvorliegen eines Gestaltungsmissbrauchs als Ausschlusstatbestand für eine Bewilligung. Die Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs setzt – wie bei dem insoweit vergleichbaren § 42 AO – voraus, dass der gewählten Gestaltungsform kein eigenständiger Sinngehalt zukommt und sie allein zur Herbeiführung der Subventionsgewährung vorgenommen wird.
1. Schließen sich mehrere Personen für die Produktion von Tabakprodukten (konkludent) zu einer Personengesellschaft zusammen, so ist die Personengesellschaft als „Herstellerin“ Steuerschuldnerin der hinsichtlich der anfallenden Tabaksteuer. Die Anordnung der Wertersatzeinziehung wegen ersparter Aufwendungen durch das Verkürzen von Steuern ist dann auch gegen sie als
Dritteinziehungsbeteiligte zu richten. Dem steht es nicht entgegen, wenn die Gesellschaft ausschließlich einen strafbaren Geschäftszweck verfolgte; die Illegalität führt nicht dazu, dass die Gesellschaft verbrauchsteuer- und nachfolgend einziehungsrechtlich zu ignorieren wäre (vgl. § 40 AO).
2. Dass im Falle der Hinterziehung von Tabaksteuer jeder Täter als „an der Herstellung beteiligte Person“ ebenfalls Schuldner der Tabaksteuer war (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 TabStG;), sich damit selbst Tabaksteuer ersparte und Gesamtschuldnerschaft nicht nur untereinander, sondern auch mit der Gesellschaft besteht (§ 15 Abs. 5 TabStG), ändert nichts an der Beschränkung der – durch eine gegenständliche Betrachtungsweise geprägten – Abschöpfung auf das Vermögen der Gesellschaft. Mit der Inanspruchnahme ist die Steuerersparnis zugleich „verbraucht“; sie kann nicht „vervielfältigt“ werden.
3. § 73b Abs. 2 StGB ist der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass der geldwerte Vorteil in Form einer Ersparnis mangels Gegenständlichkeit einziehungsrechtlich nicht weitergereicht werden kann, auch nicht im Anwendungsbereich der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB.
Die Hinterziehung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag erfolgt auch nach der neueren Rechtsprechung des BGH regelmäßig tateinheitlich, da beim Solidaritätszuschlag nach § 1 SolZG keine selbständige originäre Erklärungspflicht besteht, sondern eine „Annexfestsetzung“ auf der Grundlage der Hauptsteuererklärung erfolgt.
1. Erfolgt die Aufzucht von Marihuanapflanzen zum Zwecke des späteren gewinnbringenden Absatzes der geernteten Pflanzen, geht der Anbau als unselbständiger Teilakt in der Bewertungseinheit des Handeltreibens auf (st. Rspr.).
2. Gesonderte Anbauvorgänge sind dann grundsätzlich als für sich selbständige, zueinander in Tatmehrheit stehende Taten des Handeltreibens zu bewerten. Nichts anderes gilt, wenn Betäubungsmittel aus einer Plantage mit Pflanzen unterschiedlicher Reifungsgrade, die sukzessiv nach ihrer Reife geerntet werden, verkauft werden oder die Aufzucht der Pflanzen aus dem nachfolgenden Anbauvorgang noch vor der Ernte der zuvor gezüchteten Pflanzen begonnen wurde. Denn daraus folgt nur eine Gleichzeitigkeit der Anbauvorgänge im Sinne einer zeitlichen Überschneidung, die für eine tateinheitliche Verbindung als solche nicht ausreicht (st. Rspr.).
3. Die Aufzucht von Cannabispflanzen erfüllt den Tatbestand des Handeltreibens, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt. Allein der Erwerb von Setzlingen zum Zweck des anschließenden Anbaus stellt dabei aber noch keine auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit dar.
4. Der lediglich pauschale Hinweis auf „Kontakt- und Besuchsbeschränkungen“ trägt eine – auch im Übrigen regelmäßig nicht veranlasste – strafmildernde Berücksichtigung vollstreckter Untersuchungshaft ohne Mitteilung konkreter Tatsachen für hierdurch im Einzelfall bedingte besondere Belastungen nicht.
1. Handeltreiben durch eigennützige Förderung fremder Verkäufe kann insbesondere auch bei Vermittlung eines Absatzgeschäftes oder bei Nennung potentieller Kunden erfüllt sein. In gleicher Weise stellt das Bereitstellen einer ausschließlich dem Zweck des Handels mit Betäubungsmitteln dienenden virtuellen Verkaufs- und Kommunikationsplattform sowie die zur Aufrechterhaltung der technischen und inhaltlichen Forenstruktur geleisteten Beiträge regelmäßig ein (täterschaftliches) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln dar, sofern die Betreiber nicht allein aus uneigennützigen Motiven heraus handeln.
2. Ob die Beteiligung an unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln als Mittäterschaft oder Beihilfe zu werten ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat
einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein.
3. Diese Grundsätze gelten auch für das Errichten und Betreiben einer internetgestützten Handelsplattform, die dazu dient, den Kontakt zwischen Käufern und Verkäufern herzustellen und Möglichkeiten zur Verkaufsabwicklung zur Verfügung stellt.
4. Haben bei einer durch mehrere Personen begangenen Deliktsserie einzelne Angeklagte einen Tatbeitrag zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer auf die Begehung von Straftaten ausgerichteten Infrastruktur erbracht, so sind die Einzeltaten der Mittäter zu einem sogenannten uneigentlichen Organisationsdelikt zusammenzufassen, durch welches die Einzelhandlungen rechtlich verbunden und die auf der Grundlage dieser Infrastruktur begangenen Straftaten für die im Hintergrund Tätigen zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden.
5. Anknüpfend an Entscheidungen zum Bandenbetrug ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für den Bandenhandel im Sinne von §§ 29, 30a Abs. 1 BtMG anerkannt, dass die Zusammenfassung mehrerer auf Drogenumsatz gerichteter Aktivitäten zu einer einzigen Bewertungseinheit – mithin die Verknüpfung mehrerer Einzelakte zu einer Tat aus Rechtsgründen – der Annahme bandenmäßigen Handeltreibens nicht entgegensteht.
Die unterschiedlichen Wirkstoffkombinationen und die Schwankungen in den Wirkstoffkonzentrationen der einzelnen als Ecstasy vertriebenen Tabletten lassen die ausreichend sichere Feststellung einer Mindestkonzentration pro Tablette, die in der Praxis erfahrungsgemäß nicht unterschritten wird, nicht zu.