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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2022
23. Jahrgang
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1. Zusammenveranlagte Eheleute müssen nach § 25 Abs. 3 Satz 2 EStG eine gemeinsame Einkommensteuererklärung abgeben. Beide haben den Vordruck eigenhändig zu unterschreiben und versichern damit, die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass alle Angaben von beiden Ehegatten mitgetragen werden. Vielmehr beschränkt sich der Erklärungsgehalt der Unterschrift auf die Tatsachen, die den jeweiligen Ehegatten betreffen. Betrifft die Erklärung Einkünfte, die nur von einem Ehegatten erzielt werden, so macht nur derjenige Ehegatte ‚Angaben‘, der den Tatbestand dieser Einkunftsart verwirklicht.
2. Eine frühere Einziehungsentscheidung ist im Fall des § 55 Abs. 2 StGB in das neue Urteil einzubeziehen. Dies geschieht – trotz des auf die Aufrechterhaltung der früheren Entscheidung gerichteten Wortlauts des § 55 Abs. 2 StGB – durch das Zusammenzählen der Beträge aus der früheren und der aktuellen Einziehungsentscheidung. Damit wird die Einziehungsanordnung in dem früheren Urteil gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB und bedarf keiner Aufrechterhaltung; die entsprechende Anordnung entfällt.
1. Das Tatbestandsmerkmal „unter der Wirkung“ in § 24a Abs. 2 StVG erfordert keine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit; es ist vielmehr dann gegeben, wenn eine der Substanzen der Anlage zu § 24a StVG im Blut nachgewiesen ist. Auf eine bestimmte Mindestkonzentration im Blut kommt es nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich nicht an. Im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift ist es jedoch erforderlich, dass sich die im Blut nachgewiesene Wirkstoffkonzentration in einem
Bereich bewegt, der eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zumindest als möglich erscheinen lässt.
2. Bei einem Teleskopschlagstock handelt es sich nicht um einen Totschläger i.S. der Anlage 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG. Bei den Totschlägern handelt es sich um biegsame Gegenstände, welche im Unterschied zu vielen Stahlruten nicht zusammengeschoben werden können und zudem einen oder mehrere Metallköpfe aufweisen. Dementsprechend werden Totschläger auch als flexibler Griff beschrieben, an dessen einem Ende sich eine Beschwerung (meist aus Metall) befindet. Die Biegsamkeit ist wesentliches Kriterium, da nur durch diese die beabsichtigte Verstärkung der Schlagwirkung gewährleistet wird.
1. Ein Absehen von der nach § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG grundsätzlich vorgeschriebenen Einbeziehung einer Vorverurteilung gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 JGG erfordert Gründe, die unter dem Aspekt der Erziehung von besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungsgesichtspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen. Erst wenn solche Gründe festgestellt sind, ist der tatrichterliche Ermessensspielraum eröffnet.
2. Im Fall der Einbeziehung richtet sich die Anrechnung der aufgrund der Vorverurteilung vollzogenen Maßregel auf die Einheitsjugendstrafe nicht nach § 67 Abs. 4 StGB, sondern – unbeschadet einer Anwendung des § 67 Abs. 6 Satz 1 StGB – nach § 51 Abs. 2 StGB. Nach dieser Vorschrift wird auf die neu erkannte Einheitsjugendstrafe die vormalige (Jugend-)Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist. § 67 Abs. 4 StGB ist demnach nur insoweit von Bedeutung, als der Maßregelvollzug die Erledigung der Strafe aus dem einbezogenen Urteil bewirkt hat. Lediglich in diesem Umfang wird somit mittelbar die Dauer der Unterbringung auf die neu erkannte Strafe angerechnet.
1. Auch eine eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte kann dem Begriff des Handeltreibens im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unterfallen; er setzt weder ein eigenes Umsatzgeschäft mit Betäubungsmitteln noch deren Absatz voraus, daher kann Handeltreiben auch vorliegen, wenn es nicht zur Anbahnung bestimmter Geschäfte gekommen ist. Handeltreiben durch eigennützige Förderung fremder Verkäufe kann insbesondere auch bei Vermittlung eines Absatzgeschäftes oder bei Nennung potentieller Kunden erfüllt sein. Maßgeblich ist deshalb nicht, wer Lieferant des Betäubungsmittels ist.
2. Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch bei Vermittlungsgeschäften die allgemeinen Grundsätze, wobei insbesondere auf die Bedeutung des Tatbeitrags, das Tatinteresse und die Tatherrschaft oder wenigstens den Willen zur Tatherrschaft abzustellen ist. In Grenzfällen ist eine wertende Gesamtwürdigung der für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme relevanten Kriterien vorzunehmen. Von Bedeutung hierbei ist insbesondere, welches Gewicht dem konkreten Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt zukommt. Für eine Täterschaft kann sprechen, dass der eigennützig handelnde Vermittler erst den Kontakt hergestellt hat und noch weitergehend in das Umsatzgeschäft eingebunden ist.
1. Nach den zu § 26 StGB entwickelten, allgemeingültigen Grundsätzen ist unter „Bestimmen“ im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG die Einflussnahme auf den Willen eines anderen zu verstehen, die diesen zu dem im Gesetz bezeichneten Verhalten bringt.
2. Fehlende Vorgaben betreffend Preis, Menge und Art der zu verkaufenden Betäubungsmittel stehen einem Bestimmen eines Minderjährigen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht entgegen. Es genügt, wenn die bestimmte Person aus vorhergehenden Übergaben weiß, über welche Betäubungsmittel der Täter verfügte und die Einkaufspreise kennt, was ihn zu Absprachen mit etwaigen Interessenten befähigt.
3. Dass keine spezifischen Vereinbarungen über Gewinne und eine Entlohnung der bestimmten Person getroffen werden, steht einem Bestimmen gleichfalls nicht entgegen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass mit Drogenverkäufen Gewinne erzielt werden sollen und ein für den Drogenhandel Angeworbener für die Begehung der Straftaten vom Anstifter Vorteile erhält. Ausdrücklicher Abreden bedarf es nicht. Der Akt des Bestimmens ist auch in konkludenter Form möglich.
4. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass vollendetes Handeltreiben vorliegen kann, wenn sich der Täter bei sicher erwartetem Erhalt von Betäubungsmitteln um einen Abnehmer für diese bemüht; Verhandlungen über Menge und Preis mit dem Kaufinteressenten sind dann nicht erforderlich.
1. Zwar werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden (st. Rspr.). Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen. Dies ist nicht der Fall, wenn die Betäubungsmittel weder aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen, noch zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint wurden.
2. Auch der bloße gleichzeitige Besitz zweier aus verschiedenen Liefervorgängen stammender Handelsmengen vermag zwei selbständige Fälle des Handeltreibens nicht zu einer Bewertungseinheit im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu verbinden (st. Rspr.).
1. Besitzen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein bewusstes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis sowie Besitzwillen und Besitzbewusstsein voraus, die darauf gerichtet sind, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel zu erhalten. Besitzer im betäubungsrechtlichen Sinne ist dabei nicht nur ein Eigenbesitzer. Auch ein Fremdbesitzer, der die tatsächliche Verfügungsgewalt für einen anderen ausübt und keine eigene Verfügungsgewalt in Anspruch nehmen will, besitzt die Betäubungsmittel.
2. Ausgehend von diesen Maßstäben genügt allein der Umstand, dass der vermeintliche Täter Betäubungsmittel in seiner Wohnung wahrgenommen hat und sie mit einer weiteren Nutzung der Wohnung durch als Betäubungsmitteldepot einverstanden war, für die Wertung, er sei Besitzer der Betäubungsmittel gewesen, nicht aus.
Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Maßgeblich sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen. Dabei kann eine Kuriertätigkeit als mittäterschaftliches Handeltreiben einzuordnen sein, wenn der Beteiligte über den reinen Transport hinaus erhebliche Tätigkeiten entfaltet. Beschränkt sich der Tatbeitrag eines Drogenkuriers auf den bloßen Transport von Betäubungsmitteln, liegt selbst dann keine Täterschaft vor, wenn ihm faktische Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben.
1. Der Versuch der Einfuhr von Betäubungsmitteln beginnt frühestens mit Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen und das geschützte Rechtsgut unmittelbar gefährden. Das unmittelbare Ansetzen unterscheidet sich von Fall zu Fall einerseits nach der Art des Transportmittels und andererseits nach der Frage, ob der Täter eigenhändig oder mittels eines anderen handelt.
2. Auch wenn der Erwerber der Drogen einen Kurier angeworben und den Transport organisiert hat und dieser bei einer Zwischenlandung im Ausland festgenommen und die Betäubungsmittel vor dem Umladen in ein anderes Transportmittel nach Deutschland sichergestellt werden, fehlt es an einem unmittelbaren Ansetzen des Erwerbers zur Einfuhr.
3. Der Tatbestand der Verabredung zur Begehung eines Verbrechens setzt die Willensübereinstimmung von mindestens zwei Personen voraus, welche die in Aussicht genommene Tat als Mittäter ausführen wollen; das Versprechen einer Beihilfe genügt nicht.
4. Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass
Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst ins Inland verbringt. Dann müssen aber die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln auch des Hintermanns nach den Grundsätzen des § 25 Abs. 2 StGB vorliegen. Voraussetzung für eine mittäterschaftliche Einfuhr ist daher ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der gemeinsamen Tätigkeit darstellt und der die Handlungen des anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich.
5. Von Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung und Planung der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu. Entscheidender Bezugspunkt bei allen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst. Das bloße Veranlassen einer Beschaffungsfahrt ohne besonderen Einfluss auf deren Durchführung genügt daher regelmäßig nicht für die Annahme von Mittäterschaft. Jedenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung hat das Interesse am Gelingen des Einfuhrvorgangs; vielmehr ist die Tatherrschaft bei der eigentlichen Einfuhrhandlung oder der Wille von zentraler Bedeutung. Mittäterschaft beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln begründet auch nicht notwendig auch Mittäterschaft bei deren Einfuhr.
1. Das Unrecht einer Betäubungsmittelstraftat und die Schuld des Täters werden maßgeblich durch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffmenge bestimmt (st. Rspr.). Hierzu bedarf es deshalb im Grundsatz konkreter Feststellungen. Dabei ist es erforderlich, den Wirkstoffgehalt in Gewichtsprozenten anzugeben oder als Gewichtsmenge zu bezeichnen.
2. Von genaueren Feststellungen kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es ausgeschlossen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehaltes das Strafmaß zugunsten des Angeklagten beeinflussen kann.
3. Dem Wirkstoffgehalt bei Kleinstmengen von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 und 3 BtMG) kommt keine bestimmende Bedeutung für die Strafbemessung zu. Das Tatbild dürfte in derartigen Fällen nämlich maßgeblich geprägt sein durch den Umfang der hier vielfach auf einzelne Konsumrationen beschränkten Absatzgeschäfte, die Tatfrequenz und die Art der Drogen sowie ein ostentatives Handeln auf öffentlichen Plätzen. Diese Umstände und ein hiermit verbundenes Gewinnstreben können auch bei „Kleindealern“ ein gewerbsmäßiges Handeln nahelegen.
1. Überschneidungen der Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln führen zur Annahme von Tateinheit (st. Rspr.).
2. Demgemäß werden bei Betäubungsmitteldelikten durch die Vereinbarung eines neuen Liefertermins bei Abholung einer vorhergehenden Bestellung einzelne Taten zur Tateinheit verknüpft.
Die Zubilligung von Kommission, durch die der Angeklagte das Risiko der Bezahlung von eingeführten Betäubungsmitteln auf sich nimmt, begründet nicht ohne Weiteres eine mittäterschaftliche Einfuhr im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG. Diese muss vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen festgestellt werden, wobei insofern der Einfuhrvorgang selbst der entscheidende Bezugspunkt für die Prüfung der Täterschaftsvoraussetzungen ist.
Der Besitz im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG hat im Verhältnis zu den anderen Begehungsformen des § 29 Abs. 1 BtMG den Charakter eines Auffangtatbestandes. In der Folge wird der Besitz in Fällen, in denen das Tatgericht Feststellungen zur Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft zur freien Verfügung über das Betäubungsmittel im Einverständnis mit dem zuvor Verfügungsberechtigten hat treffen können, durch den Tatbestand des Erwerbs nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verdrängt.