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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2019
20. Jahrgang
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1. Eine Strafvollstreckungskammer verkennt Bedeutung und Tragweite des Resozialisierungsanspruchs des Strafgefangenen, wenn sie die Gewährung von Vollzugslockerungen erst dann für geboten erachtet, wenn der Gefangene Anzeichen einer drohenden haftbedingten Depravation aufweist. Dasselbe gilt, wenn das Gericht die Annahme einer Missbrauchs- und Fluchtgefahr ungeprüft von der Justizvollzugsanstalt übernimmt, obwohl es insoweit an aktuellen Erkenntnissen fehlt und die Anstalt überdies bereits die Überstellung des Gefangenen in den offenen Vollzug vorbereitet.
2. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug
auf eine Resozialisierung des Gefangenen auszurichten. Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es erforderlich, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und die Lebenstüchtigkeit des Betroffenen in Freiheit zu erhalten und zu festigen.
3. Die Versagung von Vollzugslockerungen nach mehrjährigem Freiheitsentzug berührt den grundrechtlich geschützten Resozialisierungsanspruch des Strafgefangenen. Sie darf nicht auf lediglich abstrakte Wertungen gestützt werden. Vielmehr sind im Rahmen einer Gesamtwürdigung konkrete Anhaltspunkte darzulegen, die geeignet sind, eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu begründen.
4. Bei langjährig Inhaftierten können auch ohne Bestehen einer konkreten Entlassungsperspektive zumindest Lockerungen in Form von Ausführungen verfassungsrechtlich geboten sein, bei denen die Justizvollzugsanstalt einer angenommenen Flucht- oder Missbrauchsgefahr durch geeignete Sicherheitsvorkehrungen entgegenwirkt. Verfassungsrechtlich unzulässig ist dabei die Erwägung, bei entsprechenden Maßnahmen wie etwa einer verdeckten Fesselung entspreche die Ausführung nicht dem realen Erleben und verfehle ihren Zweck.
5. Die Versagungsgründe der Flucht- und Missbrauchsgefahr eröffnen der Vollzugsbehörde bei ihrer Prognoseentscheidung einen Beurteilungsspielraum. Gleichwohl haben die Vollstreckungsgerichte den Sachverhalt umfassend aufzuklären und dabei festzustellen, ob die Vollzugsbehörde eine hinreichende tatsächliche Grundlage für ihre Entscheidung geschaffen hat.
1. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, den Strafvollzug auf eine Resozialisierung des Gefangenen auszurichten. Besonders bei langjährig Inhaftierten ist es erforderlich, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und die Lebenstüchtigkeit des Betroffenen in Freiheit zu erhalten und zu festigen.
2. Dieses Gebot greift nicht erst dann ein, wenn sich bei dem Gefangenen bereits Anzeichen einer (drohenden) haftbedingten Deprivation – wie etwa Rückzugstendenzen, Interessenlosigkeit, Perspektiv- und Ziellosigkeit, Mangel an Autonomiestreben oder krankheitswertige Persönlichkeitsveränderungen – zeigen.
3. Auch wenn noch keine konkrete Entlassungsperspektive besteht, ist es regelmäßig geboten, zumindest Lockerungen in Gestalt von Ausführungen zu ermöglichen. Abweichendes gilt nur dann, wenn einer konkret und durch aktuelle Tatsachen belegten Missbrauchs- oder Fluchtgefahr auch durch die Begleitung von Bediensteten und, soweit erforderlich, durch zusätzliche Weisungen und Auflagen wie etwa der verhältnismäßigen Anordnung einer (verdeckten) Fesselung nicht ausreichend begegnet werden kann.
4. Sieht das Rechtsbeschwerdegericht von einer Begründung seiner Entscheidung ab, so ist dies mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz bereits dann nicht vereinbar, wenn die angegriffene Entscheidung offenkundig von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – hier: zu vollzugsöffnenden Maßnahmen – abweicht, so dass erhebliche Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten bestehen.
Die Entscheidung eines Oberlandesgerichts, mit der eine Auslieferung nach Rumänien zum Zwecke der Strafverfolgung für zulässig erklärt wird, verletzt möglicherweise die Menschenwürde des Verfolgten und sein Recht auf den gesetzlichen Richter und ist daher einstweilen auszusetzen, wenn das Gericht die Überprüfung der Haftbedingungen trotz allgemeiner Anhaltspunkte für eine Verletzung der konventions- und unionsgrundrechtlichen Mindeststandards im rumänischen Strafvollzug und ohne Vorlage an den Europäischen Gerichtshof lediglich auf die Haftanstalt beschränkt, in der der Verfolgte zunächst inhaftiert sein wird, und wenn es davon ausgeht, den Anforderungen der EMRK und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen sei jedenfalls Genüge getan, wenn dem Verfolgten in einem Gemeinschaftshaftraum eine anteilige Fläche von mehr als 3 m2 zur Verfügung stehe.