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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2019
20. Jahrgang
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1. Im Ermittlungsverfahren sind Beweisverwertungsverbote unabhängig von einem Widerspruch des Beschuldigten von Amts wegen zu beachten, auch wenn der zugrundeliegende Verfahrensmangel eine für ihn disponible Vorschrift betrifft. (BGHSt)
2. Zur Begründung der Beschuldigteneigenschaft durch die Stärke des Tatverdachts (Fortführung von BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07, BGHSt 51, 367). (BGHSt)
3. Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 VStGB liegt grundsätzlich eine tatbestandliche Bewertungseinheit vor, soweit die in den dortigen Nummern 1 bis 10 normierten Ausführungshandlungen (Einzeltaten) miteinander sachlich, zeitlich und räumlich zusammenhängen und in denselben ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen eine Zivilbevölkerung (Gesamttat) eingebunden sind. (BGHSt)
4. Mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 VStGB tateinheitlich begangene Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB) werden von dem nach § 1 Satz 1 VStGB geltenden Weltrechtsprinzip erfasst, sodass auch insoweit deutsches Strafrecht anwendbar ist (Annexkompetenz). (BGHSt)
5. Zur psychischen Beihilfe durch Dienstausübung im Fall organisierter Massenverbrechen (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 49/16, BGHSt 61, 252). (BGHSt)
6. Der der Vorschrift des § 136 StPO zugrundeliegende Beschuldigtenbegriff vereinigt subjektive und objektive Elemente. Die Beschuldigteneigenschaft setzt - subjektiv - den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde voraus, der sich - objektiv - in einem Willensakt manifestiert. Wird gegen eine Person ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Andernfalls beurteilt sich dessen Vorliegen danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des davon Betroffenen darstellt. (Bearbeiter)
7. Strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen, die nur gegenüber dem Beschuldigten zulässig sind, sind Handlungen, die ohne weiteres auf den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde schließen lassen. Aber auch Eingriffsmaßnahmen, die an einen Tatverdacht anknüpfen, begründen grundsätzlich die Beschuldigteneigenschaft des von der Maßnahme betroffenen Verdächtigen, weil sie regelmäßig darauf abzielen, gegen diesen wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen; so liegt die Beschuldigtenstellung des Verdächtigen auf der Hand, wenn eine Durchsuchung nach § 102 StPO dazu dient, für seine Überführung geeignete Beweismittel zu gewinnen. (Bearbeiter)
8. Anders liegt es bei Vernehmungen. Bereits aus §§ 55, 60 Nr. 2 StPO ergibt sich, dass im Strafverfahren Fallgestaltungen möglich sind, in denen auch ein Verdächtiger als Zeuge vernommen werden darf, ohne dass er über die Beschuldigtenrechte belehrt werden muss. Der Vernehmende darf dabei auch die Verdachtslage weiter abklären. Da er mithin nicht gehindert ist, den Vernommenen mit dem Tatverdacht zu konfrontieren, sind hierauf zielende Vorhalte und Fragen nicht ohne weiteres ein hinreichender Beleg dafür, dass der Vernehmende dem Vernommenen als Beschuldigten gegenübertritt. Der Verfolgungswille kann sich jedoch aus dem Ziel, der Gestaltung sowie den Begleitumständen der Befragung ergeben. (Bearbeiter)
9. Folgt die Beschuldigteneigenschaft nicht aus einem Willensakt der Strafverfolgungsbehörde, kann - abhängig von der objektiven Stärke des Tatverdachts - unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der Beschuldigtenrechte gleichwohl ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorliegen. Ob die Strafverfolgungsbehörde einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie einen Verdächtigen als Beschuldigten vernimmt, unterliegt ihrer pflichtgemäßen Beurteilung. Falls jedoch der Tatverdacht so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde andernfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn sie dennoch nicht zur Beschuldigtenvernehmung übergeht. (Bearbeiter)
10. Dieser Willkürmaßstab ist objektiv zu bestimmen. Ein auch subjektiv auf Umgehung der Beschuldigtenrechte gerichtetes, bewusst missbräuchliches Verhalten des Vernehmenden ist nicht erforderlich. In diesem Sinne ist die Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums als (objektiv) willkürlich zu beurteilen, wenn es sich als sachlich unvertretbar erweist, einen die Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO auslösenden starken Tatverdacht zu verneinen. Der insoweit maßgebliche Verdachtsgrad kann dahin präzisiert werden, dass er zwar nicht erst dann erreicht ist, wenn das überprüfende Gericht aus der Ex-ante-Sicht des Vernehmenden einen dringenden Verdacht nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO für gegeben hält, dass aber auch nicht schon jeder gegen den Vernommenen bestehende Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO die Pflicht zu seiner Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO nach sich zieht. (Bearbeiter)
11. Bei einer Zivilbevölkerung (§ 7 Abs. 1 VStGB) handelt es sich um eine größere Gruppe von Menschen, die über gemeinsame Unterscheidungsmerkmale (etwa das gemeinsame Bewohnen eines geografischen Gebiets oder eine gemeinsame politische Willensrichtung) verfügen, aufgrund derer sie angegriffen werden. Kennzeichnend ist, dass die Maßnahmen auf die einzelnen Tatopfer nicht in erster Linie als individuelle Persönlichkeiten, sondern wegen ihrer Zugehörigkeit zu der Gruppe zielen. Nicht notwendig ist hingegen, dass sich der Angriff gegen die gesamte - in einem Gebiet ansässige - Bevölkerung richtet. Vielmehr ist ausreichend, dass gegen eine erhebliche Anzahl von Einzelpersonen vorgegangen wird. Für eine Staatsmacht kann auch die eigene Zivilbevölkerung taugliches Tatobjekt sein. (Bearbeiter)
12. Verstoßen die Strafverfolgungsbehörden gegen die Pflicht zur Beschuldigtenbelehrung, so hat dies grundsätzlich auch dann, wenn eine Zeugenvernehmung unter Belehrung nach § 55 Abs. 2 StPO durchgeführt worden ist, die Unverwertbarkeit der betroffenen Aussage zu Folge, ohne dass eine einzelfallbezogene Abwägung vorzunehmen wäre. Allein die Unterrichtung des Vernommenen dahin, die Auskunft auf solche Fragen verweigern zu dürfen, deren Beantwortung ihm selbst die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat belangt zu werden, kann in aller Regel die gebotene Belehrung über das vollumfängliche Aussageverweigerungsrecht nicht ersetzen. Zudem fehlt bei der Belehrung über das in § 55 Abs. 1 StPO geregelte Auskunftsverweigerungsrecht ein Hinweis auf das Recht zur Verteidigerkonsultation. (Bearbeiter)
13. Bei organisierten Massenverbrechen kann eine psychische Beihilfe darin liegen, dass den die Taten anordnenden und organisierenden Führungspersonen eine Organisationsstruktur mit willigen, gehorsamen und zuverlässigen Untergebenen zur Verfügung steht, ohne die die Durchführung der Taten nicht möglich (vgl. BGH HRRS 2016 Nr. 1123). Das setzt jedoch (u.a.) voraus, dass es sich bei den organisierten Taten um einen einigermaßen fest umgrenzten Komplex handelt, da anderenfalls eine gänzlich uferlose Zurechnung droht. (Bearbeiter)
1. Nach geltendem Recht können Postdienstleister mangels Rechtsgrundlage nicht dazu verpflichtet werden, Auskunft über an den Beschuldigten gerichtete, nicht mehr in ihrem Gewahrsam befindliche Postsendungen zu erteilen, insbesondere Namen und Anschriften der Absender (sog. retrograde Postdaten).
2. Die für die Beschlagnahme retrograder Postdaten erforderliche gesetzliche Grundlage ergibt sich nicht aus § 99 StPO, und zwar weder aus einer direkten noch aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift.
a) Zwar ist in der Verpflichtung zur Herausgabe von Postsendungen nach allgemeiner Meinung als weniger intensiver Eingriff und mithin rechtstechnisch als Minus zugleich die Verpflichtung enthalten, Auskunft über die Postsendungen zu erteilen. Diese Möglichkeit stellt sich allerdings lediglich als eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar und schafft daher keine weitergehenden Zugriffsmöglichkeiten als die Postbeschlagnahme selbst. Deshalb erstreckt sich nach dem eindeutigen Wortlaut des § 99 StPO die Auskunftspflicht - ebenso wie die Herausgabepflicht - nur auf diejenigen Postsendungen, die sich noch im Gewahrsam der Postunternehmen befinden, nicht hingegen auf bereits weitergeleitete.
b) Eine analoge Anwendung des § 99 StPO scheidet ebenfalls aus. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts dieser Vorschrift („im Gewahrsam“) fehlt es schon an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke an sich. Eine solche wäre hier auch nicht planwidrig, weil der Gewahrsam der Postdienstleister eine Tatbestandsvoraussetzung der Postbeschlagnahme darstellt und damit die Fälle des Nicht-mehr-Gewahrsams aufgrund einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung nicht von § 99 StPO erfasst werden.
3. Eine Auskunftspflicht der Postunternehmen über retrograde Postdaten lässt sich auch nicht auf § 94 StPO stützen. Zwar kommt diese Vorschrift grundsätzlich als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis in Betracht, weil die in den §§ 99, 100a und 100g StPO normierten Regelungen insoweit nicht abschließend sind. Ein Rückgriff auf § 94 StPO als Ermächtigungsgrundlage kommt insoweit aber nur in Betracht, soweit diese Vorschrift den Anforderungen genügt, die im Hinblick auf den jeweiligen Grundrechtseingriff von Verfassungs wegen zu stellen sind. Dies ist für Eingriffe in den verfassungsrechtlich besonders sensiblen Bereich retrograder Daten nicht der Fall.
4. Eine Auskunftspflicht in Bezug auf retrograde Postdaten folgt schließlich auch nicht aus Nr. 84 Satz 2 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV). Danach ist die Auskunft zwar auch über Postsendungen zu erteilen, die sich „nicht mehr im Machtbereich des Postunternehmens befinden“. Die RiStBV stellen indes schon aufgrund ihrer Rechtsnatur als interne Verwaltungsvorschriften bzw. innerdienstliche Weisungen im Sinne des § 146 GVG keine tragfähige Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe dar. Die über die gesetzlichen Regelungen hinausgehenden Vorgaben in Nr. 84 Satz 2 RiStBV erweisen sich vielmehr im Ergebnis als rechtswidrig.
1. Bringt der Beschuldigte zum Ausdruck, sich mit einem Verteidiger besprechen zu wollen, kann die Vernehmung nach einem fehlgeschlagenen Kontaktversuch nur fortgesetzt werden, wenn sich der Beschuldigte nach erneutem Hinweis auf sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers mit der Fortsetzung der Vernehmung einverstanden erklärt. Zweck dieser wiederholten Belehrung ist es, dem Beschuldigten vor Augen zu führen, dass er sein Recht auf Verteidigerkonsultation nicht durch den fehlgeschlagenen Kontaktversuch verwirkt hat; sie trägt dadurch zur Subjektstellung des Beschuldigten bei.
2. Der Hinweis auf einen anwaltlichen Notdienst (§ 136 Abs. 1 S. 4 StPO) ist immer dann entbehrlich, wenn der Beschuldigte bereits einen bestimmten Rechtsanwalt als Verteidiger benannt hat. In diesem Fall beschränkt sich für die Ermittlungsbehörden das Gebot, bei der Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger zu helfen, darauf, eine Verbindung zu dem benannten Rechtsanwalt herzustellen, sofern der Beschuldigte nicht zu erkennen gibt, dass er nach dem Scheitern der Kontaktaufnahme einen anderen Rechtsanwalt als Verteidiger wählen will. Die Vorschrift des § 136 Abs. 1 S. 4 StPO schützt insoweit lediglich den Beschuldigten, der zwar einen Verteidiger befragen möchte, aber keinen benennt.
3. Werden Beweismittel nur ergänzend im Urteil erwähnt und sogar ausdrücklich für die Entscheidung als nicht wesentlich beschrieben, ist regelmäßig (im Sinne eines Beruhens gem. § 337 StPO) auszu-
schließen, dass das Tatgericht bei Nichtverwertung des Beweismittels zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
1. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO an die ständige Rechtsprechung angeknüpft, wonach eine Veränderung der Sachlage eine Hinweispflicht auslöst, wenn sie in ihrem Gewicht einer Veränderung eines rechtlichen Gesichtspunkts gleichsteht. Die durch den Bundesgerichtshof hierzu entwickelten Grundsätze wollte der Gesetzgeber kodifizieren, weitergehende Hinweispflichten hingegen nicht einführen.
2. Danach bestehen Hinweispflichten auf eine geänderte Sachlage bei einer wesentlichen Veränderung des Tatbildes beispielsweise betreffend die Tatzeit, den Tatort, das Tatobjekt, das Tatopfer, die Tatrichtung, eine Person des Beteiligten oder bei der Konkretisierung einer im Tatsächlichen ungenauen Fassung des Anklagesatzes (vgl. BGHSt 56, 121, 123 ff.). Hingegen sind Hinweise etwa hinsichtlich der Bewertung von Indiztatsachen nach dem Willen des Gesetzgebers auch künftig nicht erforderlich. Ebenso wenig muss das Gericht unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens vor der Urteilsberatung seine Beweiswürdigung offenlegen oder sich zum Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen erklären (vgl. BGHSt 43, 212, 214 f.).
1. Zwar hat der Bundesgerichtshof, dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Dezember 2008 – C-388/08 PPU – folgend, für Fallkonstellationen nachträglicher Einbeziehung einer nicht von der Auslieferungsbewilligung umfassten Vorverurteilung entschieden, dass der Grundsatz der Spezialität allein der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Sanktion, nicht bereits der Verfolgung der Tat entgegensteht (§ 83h Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 IRG). Nach erfolgter Teileinstellung des Verfahrens bedarf die Frage, ob der Senat dieser Auffassung auch für eine Fallkonstellation folgen könnte, in der eine von mehreren gleichzeitig zur Aburteilung anstehenden Taten von der Auslieferungsbewilligung bzw. von dem Europäischen Haftbefehl nicht umfasst ist, keiner Entscheidung.
2. Die beruflichen Wirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung sind regelmäßig als ein bestimmender Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen, wenn der Angeklagte durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert oder zu verlieren droht.
3. Das bloße Tragen von Bekleidung und sonstiger Accessoires anlässlich der Tatbegehung stellt sich als bloßes
Benutzen gelegentlich der Tatbegehung dar und vermag eine Einziehung als Tatmittel nicht zu rechtfertigen.
4. Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf die Frage der Maßregelanordnung möglich; dies gilt auch für die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung. Zwischen Strafe und Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung besteht aufgrund der Zweispurigkeit des Sanktionensystems grundsätzlich keine Wechselwirkung. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Tatgericht Strafe und Maßregel in einen inneren, eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließenden Zusammenhang gebracht hat.
5. Hangtäterschaft und Gefährlichkeit für die Allgemeinheit sind, wie die begriffliche Differenzierung in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB zeigt, keine identischen Merkmale.
6. Das Tatgericht hat in eigener Verantwortung zunächst das Vorliegen oder die Wahrscheinlichkeit eines Hanges unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und der Anlasstaten maßgeblichen Umstände vergangenheitsbezogen festzustellen und in den Urteilsgründen darzulegen. Prognostische Erwägungen sind erst in einem zweiten Schritt im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose anzustellen.
1. Art. 54 SDÜ bestimmt, dass derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, nicht durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat verfolgt werden darf, wenn im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Bei dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 54 SDÜ handelt es sich um ein Verfahrenshindernis, dessen Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen ist.
2. Nach der für die nationalen Gerichte verbindlichen Auslegung des Art. 54 SDÜ durch den Europäischen Gerichtshof gilt im Rahmen dieser Vorschrift ein im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen eigenständiger, autonom nach unionsrechtlichen Maßstäben auszulegender Tatbegriff. Maßgebendes Kriterium für die Anwendung des Art. 54 SDÜ ist danach die Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes konkreter, in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbundener Tatsachen.
3. Demgegenüber ist die Einordnung der Tatsachen nach den Strafrechtsordnungen der Vertragsstaaten unbeachtlich. Allein aus dem Umstand, dass die Taten durch einen einheitlichen Vorsatz auf subjektiver Ebene verbunden sind, lässt sich die Identität der Sachverhalte nicht herleiten; erforderlich ist vielmehr eine objektive Verbindung der zu beurteilenden Handlungen. Ob nach diesen Kriterien im konkreten Fall eine einheitliche Tat anzunehmen ist, obliegt der Beurteilung durch die zuständigen nationalen Gerichte.
Der Senat kann offenlassen, ob sich aus § 67 JGG ein „Elternkonsultationsrecht“ herleiten lässt. Jedenfalls erfordert eine Verfahrensrüge hinsichtlich der unterlassenen Belehrung über ein solches etwa bestehendes Recht nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO Angaben über den Ermittlungsstand und etwaige ergriffene Ermittlungsmaßnahmen. Diese Informationen sind notwendig, um das Revisionsgericht zur Beurteilung in die Lage zu versetzen, ob die Belehrung gegebenenfalls analog § 67a Abs. 4 S. 1 oder analog § 51 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 JGG unterbleiben durfte.
Die Regelung des § 55 Abs. 1 StPO findet auch Anwendung, wenn ein Zeuge bei der Beantwortung von Fragen in die Gefahr gerät, wegen einer vor der Vernehmung begangenen Tat im Ausland strafrechtlich verfolgt zu werden.
1. Nach der Entscheidung des Großen Senats setzt die Protokollberichtigung sichere Erinnerung beider Urkundspersonen voraus. Fehlt es hieran, kann das Protokoll nicht (mehr) berichtigt werden. Die Absicht der Berichtigung ist dem Beschwerdeführer – im Fall einer Angeklagtenrevision zumindest dem Revisionsverteidiger – zusammen mit den dienstlichen Erklärungen der Urkundspersonen mitzuteilen. Diese Erklärungen haben die für die Berichtigung tragenden Erwägungen zu enthalten, etwa indem sie auf markante Besonderheiten des Falls eingehen. Daneben sollten gegebenenfalls während der Hauptverhandlung getätigte Aufzeichnungen, welche den Protokollfehler belegen, in Abschrift übermittelt werden. Dem Beschwerdeführer ist innerhalb angemessener Frist rechtliches Gehör zu gewähre.
2. Rechtsfolge einer nicht den Vorgaben des Großen Senats entsprechenden Berichtigung ist, dass das Protokoll in der nicht berichtigten Fassung gilt.
3. Der Senat kann ein Beruhen des angefochtenen Urteils auf der Nichterteilung des letzten Wortes nicht ausschließen, wenn sich der Angeklagte zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen nicht eingelassen hatte. Denn dann besteht die Möglichkeit, dass sich das letzte Wort zu seinen Gunsten ausgewirkt hätte.
1. Ob der Antragsteller eine hinreichend konkretisierte Beweisbehauptung aufstellt, ist erforderlichenfalls durch Auslegung des Antrags nach seinem Sinn und Zweck zu ermitteln. Bei dieser Auslegung hat das Gericht die Beweisbehauptung unter Würdigung aller in der Hauptverhandlung zutage getretenen Umstände, des sonstigen Vorbringens des Antragstellers sowie ggf. des Akteninhalts zu beurteilen. Dabei dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Dies gilt insbesondere für einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens; denn insoweit ist der Antragsteller vielfach nicht in der Lage, die seinem Beweisziel zugrundeliegenden Vorgänge oder Zustände exakt zu bezeichnen.
2. Ist die neu abzuurteilende Tat zwischen zwei Vorverurteilungen begangen, die untereinander nach der Regelung des § 55 StGB gesamtstrafenfähig sind, darf aus der Strafe für die neu abzuurteilende Tat und der Strafe aus der letzten Vorverurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB steht in diesem Fall die von der ersten Vorverurteilung ausgehende Zäsurwirkung entgegen. Sie entfiele nur, wenn die der ersten Vorverurteilung zugrundeliegende Strafe bereits vor der zweiten Vorverurteilung – etwa infolge vollständiger Vollstreckung der Strafe – erledigt wäre. Ist dies nicht der Fall, so kommt der zweiten Vorverurteilung, wenn die Taten aus beiden Vorverurteilungen bereits in dem früheren Erkenntnis geahndet werden können, gesamtstrafenrechtlich keine eigenständige Bedeutung zu. Dies gilt unabhängig davon, ob eine nachträgliche Gesamtstrafe tatsächlich gebildet wurde oder im Verfahren nach § 460 StPO noch nachgeholt werden kann.
1. Nach den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist der Beschwerdeführer zu einer so genauen Angabe der rügebegründenden Tatsachen verpflichtet, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsbegründungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Wird beanstandet, das Tatgericht habe einen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist der Beschwerdeführer gehalten, den vollständigen Inhalt des Beweisantrags einschließlich der Antragsbegründung sowie den gerichtlichen Ablehnungsbeschluss vorzutragen.
2. Darüber hinaus müssen die im Beweisantrag oder in dem ablehnenden Beschluss in Bezug genommenen Unterlagen oder Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden. Schließlich sind auch alle Umstände, die für die Prüfung erforderlich sind, ob das Tatgericht den Beweisantrag rechtlich richtig gewertet und verbeschieden hat, mitzuteilen.
Das Beruhen des Urteils auf einer fehlenden Vereidigung eines Dolmetschers ist nicht auszuschließen. Mit der Eidesleistung in der Hauptverhandlung (§ 189 Abs. 1 GVG) bzw. mit dem Berufen auf einen allgemeinen Eid (§ 189 Abs. 2 GVG) soll dem Dolmetscher seine besondere Verantwortung im konkreten Fall bewusst gemacht werden. Eine solche Verpflichtung ist bereits deswegen erforderlich, weil das Gericht in der Regel – gegebenenfalls mit Ausnahme gängiger Fremdsprachen wie etwa Englisch oder Französisch – die Übersetzung nicht überprüfen kann. In diesem Sinne ist die Vereidigung eine wesentliche und unverzichtbare Förmlichkeit des Verfahrens (vgl. BGHSt 22, 118, 120). Mit der – zu protokollierenden – Abnahme allgemeiner Eide und der anschließenden Aufnahme derart vereidigter Dolmetscher in fortzuführenden Verzeichnissen als Aufgabe der Justizverwaltung soll den Gerichten im Einzelfall das Auffinden eines qualifizierten Übersetzers erleichtert werden.
Gemäß § 345 Abs. 2 StPO beginnt die einmonatige Frist zur Begründung der Revision spätestens mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe. Auf den Eingang einer etwaigen Übersetzung kommt es beim verteidigten Verurteilten selbst dann nicht an, wenn dieser einen Anspruch auf Fertigung einer solchen Übersetzung hätte (vgl. dazu BGH HRRS 2018 Nr. 116). Die effektive Verteidigung des sprachunkundigen (verteidigten) Angeklagten wird dadurch ausreichend gewährleistet, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt und der Angeklagte die Möglichkeit hat, das Urteil mit ihm - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers - zu besprechen.
Hängt es maßgeblich von der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung ab, ob die zum Gegenstand der Verfahrensrüge gemachten Inhalte eines Briefes und eines Chat-Verlaufs, die dem Zeugen in der Hauptverhandlung vorgehalten worden sind, von der Strafkammer hätten erörtert werden müssen, scheidet eine dahingehende Verfahrensrüge wegen des Verbots der Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweisaufnahme aus.
1. Im vereinfachten Jugendverfahren nach § 76 Abs. 1 JGG ist eine Änderung der örtlichen Zuständigkeit durch Abgabe nach § 42 Abs. 3 JGG unzulässig. Die Vorschrift ist in diesem Sonderverfahren nicht anwendbar.
2. Bevor eine Zuständigkeitsübertragung in Betracht kommt, ist grundsätzlich eine die gerichtliche Untersuchung eröffnende Entscheidung erforderlich. Die Notwendigkeit der Verfahrenseröffnung durch das ursprünglich angegangene Gericht vor Übertragung der örtlichen Zuständigkeit auf ein anderes Gericht ergibt sich aus dem Umstand, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Staatsanwaltschaft ihre erhobene Anklage zurücknehmen und andernorts anhängig machen kann. In dieses Recht darf nicht durch gerichtliche Beschlüsse nach § 42 Abs. 3 JGG (oder § 12 Abs. 2 StPO) eingegriffen werden. Eine solche endgültige Bindung der Staatsanwaltschaft, wie sie der Eröffnungsbeschluss bewirkt, ist aber im vereinfachten Jugendverfahren gerade nicht vorgesehen.
1. Nach den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist der Beschwerdeführer zu einer so genauen Angabe der rügebegründenden Tatsachen verpflichtet, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsbegründungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Wird beanstandet, das Tatgericht habe einen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, ist der Beschwerdeführer gehalten, den vollständigen Inhalt des Beweisantrags einschließlich der Antragsbegründung sowie den gerichtlichen Ablehnungsbeschluss vorzutragen.
2. Darüber hinaus müssen die im Beweisantrag oder in dem ablehnenden Beschluss in Bezug genommenen Unterlagen oder Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden. Schließlich sind auch alle Umstände, die für die Prüfung erforderlich sind, ob das Tatgericht den Beweisantrag rechtlich richtig gewertet und verbeschieden hat, mitzuteilen.
1. Die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, unterliegt im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Zwar muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen; daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten.
2. Die mitgliedschaftliche Beteiligung i.S.d. § 129a Abs. 1 StGB setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die der Vereinigung regelmäßig nicht aufgedrängt werden kann, sondern von ihrer Zustimmung abhängig ist. Eine Beteiligung als Mitglied scheidet deshalb aus, wenn Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind.
3. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen erfordert, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Bei absehbar umfangreichen Verfahren ist stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs durchzuführen. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung.
1. Im Adhäsionsverfahren ist gemäß § 404 Abs. 5 S. 1 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO über den Prozesskostenhilfeantrag des Nebenklägers für die jeweilige Instanz gesondert zu entscheiden. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht dabei nicht entgegen, dass das Revisionsverfahren inzwischen rechtskräftig abgeschlossen ist.
2. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe, zumal nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss, ist indes grundsätzlich nicht möglich. Sie kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Antrag bereits vor Verfahrensabschluss gestellt, jedoch versehentlich nicht beschieden worden ist und wenn der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Erforderliche getan, insbesondere die gemäß § 404 Abs. 5 S. 1 StPO i.V.m. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt hat.
Im Adhäsionsverfahren ist über den Prozesskostenhilfeantrag für die jeweilige Instanz gesondert zu entscheiden (§ 404 Abs. 5 S. 1 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO). Eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkende Entscheidung ist dabei nur möglich, wenn der Antrag nicht rechtzeitig beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hatte.
Ein Adhäsionsantrag hat inhaltlich den Anforderungen an eine Zivilklage (§ 253 ZPO) zu genügen. Wenn der Umfang der beantragten Geldleistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden; das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe einer Größenordnung, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll
1. Dass das Rechtsmittel von seinem Verteidiger eingelegt worden war, ist für die Wirksamkeit der Rücknahme durch den Angeklagten ohne Belang; der erklärte Wille des Angeklagten geht stets vor.
2. Die wirksame Rücknahmeerklärung ist nach ihrem Eingang bei Gericht unwiderruflich und unanfechtbar geworden.
1. § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG entscheidet bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat. Gemeint ist damit die Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat.
2. Die Verwaltungsbehörde hat ihren Sitz grundsätzlich dort, wo ihre Hauptstelle eingerichtet ist, mithin dort, wo sie den organisatorischen Mittelpunkt ihres Dienstbetriebs hat. Erlässt eine Nebenstelle den Bußgeldbescheid ist für den Behördensitz der Ort der Hauptstelle maßgeblich, es sei denn, die Aufgabe der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten wurde der Nebenstelle als eigenständiger Behörde zugewiesen.
3. Verwaltungsbehörde ist nach dem für das Ordnungswidrigkeitenrecht – wie auch für den Bereich der Sozialgesetze – geltenden funktionalen Behördenbegriff jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, womit neben Verwaltungsbehörden im organisatorischen Sinne auch sonstige Stellen mit der Befugnis zur eigenständigen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben erfasst sind. Die Agenturen für Arbeit sind in diesem Sinne Behörden.
4. Der Umstand, dass im Kopf des angefochtenen Bußgeldbescheids auch die „Bundesagentur für Arbeit“ aufgenommen sowie eine für deren gesamten Geschäftsbereich einheitliche Zahlungsverbindung angegeben ist, ergibt nicht, dass der Bußgeldbescheid von der Agentur für Arbeit Kiel als Nebenstelle erlassen worden wäre.
5. Einer Entscheidung darüber, ob die Agentur für Arbeit Kiel im jeweiligen Einzelfall auch für den Erlass des Bußgeldbescheids sachlich und örtlich zuständig war, bedarf es im Übrigen nicht. Die Betroffene hat lediglich einen Anspruch darauf, dass der gesetzliche Richter im Falle eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid tätig wird. Dass mit § 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG dafür formal an den Sitz der handelnden Verwaltungsbehörde angeknüpft wird, entspricht nicht nur dem Wesen des auf vereinfachten und beschleunigten Abschluss ausgerichteten Bußgeldverfahrens, sondern genügt auch der Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
1. Der Tatrichter ist verpflichtet, die Verfahrensvoraussetzungen zu prüfen und in den Urteilsgründen so darzulegen, dass sie vom Revisionsgericht nachgeprüft werden können. Stellt er das Verfahren durch Urteil wegen eines Verfahrenshindernisses ein, hat er, von der zugelassenen Anklage ausgehend, anzugeben, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen die Durchführung des Strafverfahrens unzulässig ist. Der Umfang der Darlegungen richtet sich dabei nach den besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls, insbesondere der Eigenart des Verfahrenshindernisses.
2. Hängt das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses von der strafrechtlichen Würdigung der Sache ab, kann eine abschließende Beurteilung darüber, ob ein Verfahrenshindernis vorliegt, indes nur getroffen werden, wenn eine Beweisaufnahme durchgeführt und entsprechende Feststellungen getroffen wurden. In einem solchen Fall doppelrelevanter Tatsachen benötigt das Einstellungsurteil eine vom Tatrichter im Strengbeweisverfahren festzustellende Sachverhaltsgrundlage.
3. Ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt, ist für jeden Tatbeteiligten besonders zu prüfen und zu entscheiden. Erbringt ein Beteiligter nur einen individuellen Beitrag, durch den mehrere Taten eines anderen gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als einheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Mehrere Hilfeleistungen eines Gehilfen zu einer Tat eines anderen rechtfertigen regelmäßig ebenfalls nur die Annahme einer Beihilfe, weil sich das Unrecht des Gehilfen allein aus der Rechtsgutsverletzung der einmalig begangenen Haupttat ableiten lässt. Unterstützt der Gehilfe demgegenüber mit mehreren eigenständigen Beihilfehandlungen verschiedene Taten des Haupttäters, liegt Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB vor. Dies gilt auch dann, wenn er im Vorbereitungsstadium weitere Handlungen vorgenommen hat, die auf das Gesamtgeschehen bezogen waren.
4. Die Prüfung dieser konkurrenzrechtlichen Grundsätze setzt mithin zunächst die dem Tatrichter vorbehaltene Klärung der Frage voraus, ob es sich bei den den Mitangeklagten zur Last liegenden Haupttaten um selbstständige und voneinander abgrenzbare Handlungen handelt. Sollte dies der Fall sein, bedarf es einer Tatsachengrundlage für die weitere Prüfung, ob sich die dem Angeklagten zur Last liegenden Vorwürfe ihrerseits als selbstständige und individualisierte Unterstützungshandlungen zu den jeweiligen Taten der Mitangeklagten darstellen oder ob sie materiellrechtlich als Handlungseinheit und damit als eine Tat im Sinne des § 264 StPO zu werten sind.
§ 404 Abs. 1 Satz 2 StPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangen die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag. Sie stehen der Zulässigkeit eines unbezifferten Klageantrags nur dann nicht entgegen, wenn der Umfang der beantragten Geldleistung durch Angabe einer Größenordnung eingegrenzt wird.