HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2019
20. Jahrgang
PDF-Download

Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH


I. Materielles Strafrecht - Allgemeiner Teil


Entscheidung

762. BGH 1 StR 76/19 - Beschluss vom 8. Mai 2019 (LG Mannheim)

Versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen (Versuchsbeginn: Konkretisierung der Bestimmungshandlung auf ausreichend bestimmte Tat; Mord: Habgier).

§ 30 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 211 StGB

1. Bei der misslungenen Anstiftung ist zwischen der straflosen bloßen Versicherung der allgemeinen Tatbereitschaft und der strafbaren vorbehaltlosen Veranlassung

zur Tatbegehung zu unterscheiden. Die Schwelle zum Versuchsbeginn ist überschritten, wenn sich die Bestimmungshandlung auf eine ausreichend bestimmte Tat konkretisiert und der Angestiftete die Tat begehen könnte, wenn dieser es wollte (vgl. BGHSt 50, 142, 145). Dabei ist bei Prüfung der Frage, ob der Anzustiftende den Einflussbereich des Anstifters verlassen hat und jederzeit die Tat eigenmächtig zu der von ihm selbst bestimmten Zeit begehen kann, die „Vorstellung“ des Anstifters maßgeblich.

2. Grund für diese Anforderung an die Bestimmungshandlung ist die von § 30 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB vorausgesetzte Rechtsgutsgefährdung, die entsteht, wenn der Initiator das von ihm angestoßene kriminelle Unrecht derart aus der Hand gibt, dass es sich ohne sein weiteres Zutun gegebenenfalls bis zur Vollendung der Straftat fortentwickeln kann (vgl. BGHSt 44, 99, 102 f.). Dies bedeutet auf der Seite des Anstifters, dass es auf diejenige Bestimmungshandlung ankommt, mit der er nach seiner Vorstellung dem Anzustiftenden die weiteren Schritte zur Tatbegehung überlässt.


Entscheidung

842. BGH 2 StR 363/18 - Beschluss vom 17. April 2019 (LG Köln)

Notwehr (Erforderlichkeit: Androhung des Gebrauchs eines Messers).

§ 32 Abs. 2 StGB

1. Eine in einer Notwehrlage verübte Tat ist gemäß § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung steht. Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden.

2. Wird eine Person rechtswidrig angegriffen, ist sie grundsätzlich berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, welches eine endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet. Der Angegriffene muss auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und ihm genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz eines Messers kann danach durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist der Gebrauch eines Messers jedoch in der Regel anzudrohen, wenn die Drohung unter den konkreten Umständen eine so hohe Erfolgsaussicht hat, dass dem Angegriffenen das Risiko eines Fehlschlags und der damit verbundenen Verkürzung seiner Verteidigungsmöglichkeiten zugemutet werden kann.

3. Dies ist auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung zu beurteilen. Angesichts der geringen Kalkulierbarkeit des Fehlschlagrisikos dürfen an die in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung für oder gegen eine weniger gefährliche Verteidigungshandlung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.


Entscheidung

808. BGH 5 StR 181/19 - Beschluss vom 5. Juni 2019 (LG Berlin)

Beteiligung eines passiv bleibenden Angeklagten an der gefährlichen Körperverletzung (kein konkludenter Tatentschluss allein aufgrund von Beobachtung und innerlicher Billigung; sukzessive Mittäterschaft; psychische Beihilfe; objektive Förderung; Vorsatz; Unterlassen; Handlungsmöglichkeit).

§ 25 StGB; § 27 StGB; § 224 StGB; § 13 StGB

1. Allein der Umstand, dass ein passiv bleibender Angeklagter die Deliktsbegehung (hier: die gefährliche Körperverletzung) eines anderen beobachtet, innerlich billigt und hiergegen nichts unternimmt, lässt keinen rechtlich tragfähigen Rückschluss auf einen in diesem Zeitpunkt konkludent gefassten gemeinsamen Tatentschluss und damit auf (ggf. sukzessive) Mittäterschaft zu.

2. Eine psychische Beihilfe durch den passiven Angeklagten setzt voraus, dass dieser die Tat objektiv fördert oder erleichtert und dass dies ihm dies bewusst ist. Zum Beleg dessen bedarf es genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zur entsprechenden Willensrichtung des Gehilfen.


Entscheidung

791. BGH 3 StR 400/18 - Beschluss vom 20. Februar 2019 (LG Oldenburg)

Keine Rechtfertigung von Erwerb und Besitz einer später zu Verteidigungszwecken eingesetzten Schusswaffe (unmittelbares Zusammenfallen des Waffendelikts mit einer durch Notwehr gerechtfertigten Verletzungshandlung; Notstand; gegenwärtige Gefahr); Konkurrenzen.

§ 32 StGB; § 34 StGB; § 35 StGB; § 52 StGB; § 52 WaffG

Ein Verstoß gegen das Waffengesetz ist gerechtfertigt, soweit er unmittelbar mit einer ihrerseits durch Notwehr gerechtfertigten, mittels der Waffe begangenen Verletzungshandlung zusammenfällt. Erwerb und Besitz der Waffe vor der Notwehrlage sind hingegen nur dann gerechtfertigt, wenn bereits zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes (etwa nach § 34 StGB) gegeben sind.


Entscheidung

802. BGH 5 StR 51/19 - Beschluss vom 18. Juni 2019 (LG Hamburg)

Keine Beteiligung durch bloße Kenntnis von der Tat und deren Billigung (Mittäterschaft; Beihilfe; Notwendigkeit eines objektiv fördernden Beitrags); Amtsanmaßung.

§ 25 StGB; § 27 StGB; § 132 StGB

Die bloße Kenntnis von der Tat und deren Billigung ohne einen die Tatbegehung objektiv fördernden Beitrag genügt allein kann weder die Annahme einer Beihilfe gemäß § 27 StGB noch (bzw. erst recht nicht) die Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB begründen.


II. Materielles Strafrecht – Besonderer Teil


Entscheidung

806. BGH 5 StR 128/19 - Urteil vom 19. Juni 2019 (LG Dresden)

BGHSt; Voraussetzungen des Heimtückemordes bei vermeintlicher Tötung zum Besten des Opfers (Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit; feindselige Willensrichtung; Mitleidsmotivation; Vermeidung schwerster Leiden, objektiv nachvollziehbare Wertung; erweiterter Suizid; Unfähigkeit zur Willensbildung; wohlverstandenes Interesse; absolute Erhaltungswürdigkeit des Lebens; einseitiges Absprechen des Lebensrechts; tatbestandliche Einschränkung; Rechtsfolgenlösung).

§ 211 StGB; § 212 StGB

1. Einer heimtückischen Tötung kann die feindselige Willensrichtung grundsätzlich nur dann fehlen, wenn sie dem ausdrücklichen Willen des Getöteten entspricht oder – aufgrund einer objektiv nachvollziehbaren und anzuerkennenden Wertung – mit dem mutmaßlichen Willen des zu einer autonomen Entscheidung nicht fähigen Opfers geschieht. Ansonsten hat ein Schuldspruch wegen Mordes zu erfolgen. Anschließend ist zu prüfen, ob aufgrund ganz besonderer schuldmindernder Gesichtspunkte in Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 30, 105) ausnahmsweise eine Berücksichtigung des besonderen Tatmotivs auf der Rechtsfolgenseite geboten ist. (BGHSt)

2. Frühere Rechtsprechung des Großen Senats für Strafsachen zur tatbestandlichen Einschränkung des Merkmals der Heimtücke in Fällen, in denen der Täter glaubt, zum Besten seines Opfers zu handeln (vgl. BGHSt 9, 385 sowie auch BGHSt 11, 139, 143), sieht der entscheidende Senat mit Blick auf die spätere Entscheidung zur sog. „Rechtsfolgenlösung“ als weitgehend überholt an. Denn eine Tötung zum vermeintlich „Besten“ des Opfers zeichnet sich allein durch ein besonderes Motiv aus und kann auf der Grundlage der jüngeren Entscheidung des Großen Senats auf der Tatbestandsebene grundsätzlich nicht zur Einschränkung des Mordmerkmals der Heimtücke führen. (Bearbeiter)

3. Ein tatbestandlicher Ausschluss der Heimtücke aufgrund einer besonderen Motivation des Täters kommt demnach allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht:

a) Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn die Tötung in einer Situation geschieht, in der das Opfer zu einer autonomen Willensbildung selbst nicht in der Lage ist und der Täter zu seinem vermeintlich Besten zu handeln glaubt. Mitleid kann die Annahme eines Heimtückemordes dabei allerdings nur ausschließen, wenn es sich aus einer objektiv nachvollziehbaren Wertung ableitet, die der Vermeidung schwersten Leidens den Vorrang gibt.

b) Ferner kann ein Ausnahmefall beim sogenannten erweiterten Suizid gegeben sein. Von einem solchen ist allerdings nur auszugehen, wenn der Täter in Willensübereinstimmung mit dem Opfer aus dem Leben scheiden will und es entsprechend dem gemeinsamen Tatplan übernimmt, dieses und sich selbst zu töten. An einer feindlichen Willensrichtung fehlt es in diesen Fällen gerade wegen des autonomen Wunsches des Opfers, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. (Bearbeiter)

4. Eine ungewollte Tötung stellt grundsätzlich einen feindseligen Angriff auf das Lebensrecht des Opfers dar, weil das menschliche Leben – auch ein leidensbehaftetes –ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig ist; das Urteil über seinen Wert steht keinem Dritten zu. Maßt sich der Täter einen solche Wertung an, ist es unangebracht, das Motiv einer ungewollten Tötung zum vermeintlich Besten des Opfers besonders zu privilegieren und ein solches „einseitiges Absprechen des Lebensrechts“ von vorneherein aus dem Anwendungsbereich der Heimtücke auszuschließen, ohne dass dies durch die Formulierung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erfordert wäre. Ein solches Motiv ist überdies regelmäßig nicht geeignet, einer unter bewusster Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit begangenen Tötungshandlung das „Tückische“ zu nehmen. (Bearbeiter)

5. Der Senat sieht keinen Grund, bei der Tötung eigener Kinder oder Ehegatten durch einen zu deren Schutz berufenen Garanten andere Maßstäbe gelten zu lassen, als sie der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Mitleidstötung Schwerkranker entwickelt hat. Ist das Opfer zu einer autonomen Entscheidung auf absehbare Zeit nicht in der Lage, ist neben der subjektiven Zielsetzung des Täters für einen Ausschluss der feindlichen Willensrichtung deshalb objektiv erforderlich, dass die Tat nach einer anerkennenswerten und nachvollziehbaren Wertung im „wohlverstandenen Interesse“ des Opfers lag. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob der Täter aufgrund Vorverschuldens selbst ganz wesentlich für die aus seiner Sicht ausweglose Situation verantwortlich war. (Bearbeiter)


Entscheidung

845. BGH 2 StR 469/18 - Beschluss vom 24. April 2019 (LG Köln)

Raub mit Todesfolge (deliktsspezifischer Gefahrzusammenhang: im konkreten Fall keine Abkehr von bisheriger Rechtsprechung veranlasst).

§ 251 StGB

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der besondere qualifikationsspezifische Zusammenhang unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Schutzzwecks der Norm auch dann gegeben, wenn die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung zwar nicht mehr in

finaler Verknüpfung mit der Wegnahme steht, sie mit dem Raubgeschehen aber derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht, was auch noch in der Beendigungsphase des Raubes in Betracht kommen kann.

2. Hiervon ausgehend ist der von § 251 StGB geforderte Gefahrzusammenhang etwa dann bejaht worden, wenn die mit dem Einsatz der Nötigungsmittel zur Wegnahme regelmäßig verbundene Konfrontation mit dem Opfer dazu führt, dass das Opfer sich zum Zweck der Tatverhinderung und/oder der Ergreifung des Täters zur Wehr setzt und der Täter darauf mit tödlicher Gewalt reagiert, wenn der Täter nach der Wegnahmehandlung zur Sicherung der Beute oder seiner Flucht Gewalt anwendet und dadurch den Tod eines anderen verursacht, wenn mit dem Nötigungsmittel ausgeführte Gewalteinwirkungen dazu dienten, das Tatopfer zum Schweigen zu bringen und dadurch eine Entdeckung der Tat zu verhindern, wenn aus der Befürchtung entdeckt zu werden oder aufgrund anspannungsbedingter Fehleinschätzung ein nichtiger Anlass oder ein Missverständnis zu einem Gewaltausbruch des Täters gegenüber dem Opfer führt oder wenn sich bei einer räuberischen Erpressung unter Verwendung einer Schusswaffe die Gefahr der Eskalation durch den – dann tödlichen – Gebrauch der Waffe verwirklicht, weil das Opfer die Forderungen des Täters nicht erfüllt.

3. Ob an dieser Rechtsprechung in jeder Hinsicht festzuhalten ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn auch nach ihr kann sich der von § 251 StGB geforderte besondere qualifikationsspezifische Zusammenhang nicht mehr realisieren, wenn bei der zum Tode führenden Gewaltanwendung der Raub bzw. die räuberische Erpressung bereits beendet war. Dem steht es gleich, wenn der Raub bzw. die räuberische Erpressung lediglich versucht und zum Zeitpunkt der tödlichen Gewalteinwirkung die Erlangung einer Tatbeute aus Sicht des Täters bereits endgültig gescheitert war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – anders als in dem mit Beschluss vom 13. August 2002 (3 StR 204/02, aaO) entschiedenen Fall – der Täter mit der dann tödlich verlaufenden Gewalteinwirkung auf das Tatopfer erst beginnt, nachdem aus seiner Sicht die Erlangung der erstrebten Beute durch keine Handlungsalternative mehr verwirklicht werden kann, eine Fortsetzung der Tat als (versuchtes) Vermögensdelikt also nicht mehr in Betracht kommt.


Entscheidung

877. BGH 4 StR 541/18 - Urteil vom 6. Juni 2019 (LG Dessau-Roßlau)

Mord (Verdeckungsabsicht: subjektive Tätersicht als Prüfungsmaßstab; kein Ausschluss durch Fluchtmotivation; kein Ausschluss durch vorgestellte Überlebenschance).

§ 211 Abs. 2 StGB

1. In Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten. Zu den einer Verdeckung zugänglichen Tatumständen gehört insbesondere die eigene Beteiligung an der vorangegangenen Tat. Schon begrifflich scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dagegen aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es nicht auf die objektiv gegebene Sachlage, sondern ausschließlich auf die subjektive Sicht des Täters an. Solange der Täter subjektiv davon ausgeht, dass die Umstände der Tat noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang bekannt sind, kommt eine Tötung aus Verdeckungsabsicht in Betracht.

2. Eine beim Täter gegebene Fluchtmotivation steht der Annahme von Verdeckungsabsicht nicht entgegen. In Fällen, in denen eine befürchtete Ergreifung aus der allein maßgeblichen Sicht des Täters zugleich die Aufdeckung der eigenen Tatbeteiligung zur Folge haben kann, besteht vielmehr notwendigerweise ein enger Zusammenhang zwischen Flucht und Tatverdeckung, aufgrund dessen die Absicht zu fliehen in aller Regel auch den bestimmenden Willen umfasst, die eigene Täterschaft zu verdecken. Eine andere Bewertung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann geboten, wenn der Täter – unabhängig von einem noch für möglich gehaltenen Verbergen seiner Täterschaft – ausschließlich deswegen tötet, um sich der Ergreifung durch Flucht zu entziehen. Bei dieser Motivlage fehlt es an einer auf Verdeckung gerichteten Absicht des Täters. In diesen Fällen wird allerdings das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe in Betracht zu ziehen sein.

3. Dass nach den Vorstellungen der Angeklagten auch ein Überleben des Tatopfers möglich war, steht schließlich einer Verdeckungsabsicht der Angeklagten ebenfalls nicht entgegen. Denn eine Sachverhaltskonstellation, in welcher ein lediglich bedingter Tötungsvorsatz des Täters das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ausschließt, weil nach den maßgeblichen Tätervorstellungen ein Verdeckungserfolg nur durch den Tod des Opfers erreichbar erscheint, ist nach den Feststellungen nicht gegeben.


Entscheidung

797. BGH 3 StR 520/18 - Beschluss vom 3. Mai 2019 (LG Osnabrück)

Keine vollendete Hehlerei bei Veräußerung eines entwendeten PKW an einen nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamten (untauglicher Versuch).

§ 259 StGB; § 260 StGB

Beim Verkauf eines entwendeten PKW an einen – vom Angeklagten nicht als solchen erkannten – nicht öffentlich ermittelnden Polizeibeamten scheidet eine vollendete Hehlerei regelmäßig aus, weil solche Absatzbemühungen nicht geeignet sind, den rechtswidrigen Vermögenszustand aufrechtzuerhalten oder zu vertiefen, sondern im Gegenteil dazu führten, dass der rechtmäßige Vermögenszustand wiederhergestellt wird. Es liegt daher regelmäßig lediglich ein untauglicher Versuch der Hehlerei vor.


Entscheidung

816. BGH AK 32/19 - Beschluss vom 26. Juni 2019 (OLG Hamburg)

Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (konkreter, nicht notwendig messbarer Nutzen für die Vereinigung; Bereitschaft zur Heirat eines

Mitglieds; Schaffung von Kommunikationsmöglichkeiten); Fortdauer der Untersuchungshaft.

§ 129a StGB; § 129b StGB; § 112 StPO

1. Erforderlich, aber auch ausreichend für ein Unterstützten im Sinne des § 129a Abs. 5 S. 1 StGB ist, dass die Förderungshandlung an sich konkret wirksam ist, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang. In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen. Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren grundsätzliche Nützlichkeit müssen indes stets anhand belegter Fakten nachgewiesen sein.

2. Die Zusage der Bereitschaft zur Heirat des Mitglieds einer ausländischen terroristischen Organisation (hier der sog. „Islamische Staat“) erbringt jedenfalls dann den für das Tatbestandsmerkmal des Unterstützens erforderlichen objektiven Nutzen für die Vereinigung, wenn dadurch Planungen für die Ausreise des im Ausland befindlichen Mitglieds ermöglicht werden und sich so die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung erweitern.

3. Die Schaffung von Kommunikationsmöglichkeiten (hier durch Einrichtung von Profilen für Kommunikationsdienste) für eine im Umfeld der terroristischen Vereinigung tätige Person kann auch dann die Voraussetzungen des Unterstützens erfüllen, wenn die Person nicht selbst Mitglied ist. Es genügt, dass sie ihrerseits mit einem Mitglied unterstützend in Verbindung steht und dabei auf die geschaffenen Kommunikationsmöglichkeiten zurückgreift.


Entscheidung

817. BGH AK 33/19 - Beschluss vom 4. Juli 2019 (OLG Celle)

Werben um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung; Fortdauer der Untersuchungshaft.

§ 129a StGB; § 129b StGB; § 112 StPO

Um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung (§§ 129a, 129b StGB) wirbt, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzugliedern. Die Werbung kann sich dabei in beiden Fällen sowohl an eine konkrete Person als auch an eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten richten. Ein Erfolg der Werbung wird nicht vorausgesetzt. Jedenfalls bedarf es einer Gedankenäußerung, die sich nach dem Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten terroristischen Vereinigung darstellt und über das bloße Werben um Sympathie im Sinne eines befürworteten Eintretens für eine konkrete terroristische Vereinigung hinausgeht