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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2017
18. Jahrgang
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1. Für die Frage, wann Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass ein die Strafbarkeit erhöhender oder mindernder Umstand eine doppelrelevante Tatsache darstellt, kommt es neben der besonderen Lage des Einzelfalls auf die Trennbarkeit von den bindenden Feststellungen an. (BGHSt)
2. Ob es sich dabei um einen Umstand handelt, der der Tatausführung das entscheidende Gepräge gibt, von ihm also nicht trennbar ist, wird von dem Grundsatz der Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Urteilsgründe bestimmt. (BGHSt)
3. Die Gewerbsmäßigkeit als Handlungsmotivation im Rahmen der Verwirklichung eines Regelbeispiels ist – anders als die von der Bindungswirkung erfassten subjek-
tiven Elemente der Tatbegehung – in der Regel vom Tatgeschehen abtrennbar, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe zu gefährden. (BGHSt)
4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass subjektive Elemente der Tatbegehung wie Beweggründe bzw. das tatauslösende Moment als doppelrelevante Tatsachen anzusehen sind, die trotz Aufhebung des Strafausspruchs das neu zuständige Tatgericht binden. Während solche das Tatgeschehen maßgeblich prägen, von ihm als geschichtlichen Vorgang nicht loslösbar sind, ohne denselben umzuschreiben, gilt dies für die Gewerbsmäßigkeit in der Regel nicht. Das liegt daran, dass der maßgebliche Bezugspunkt für die zugrunde liegende besondere subjektive Einstellung des Täters – anders als das Merkmal des Eigennutzes (vgl. BGH NStZ 1981, 448) oder die Gewinnabsicht – nicht die konkrete Tat ist, sondern darüber hinausreicht. Der besondere Unrechtsgehalt liegt gerade in der auf die Begehung weiterer Taten gerichteten Planung. Die die Gewerbsmäßigkeit begründenden Umstände können deswegen in der Regel hinzugedacht oder hinweggedacht werden, ohne dass der den Schuldspruch tragende Geschehensablauf hiervon berührt würde. (Bearbeiter)
5. Eine Bindung des neuen Tatgerichts an das nur im Strafausspruch aufgehobene Urteil besteht in der Regel hinsichtlich festgestellter Sachverhaltsumstände, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat gefunden worden sind und an solche Bestandteile der Sachverhaltsschilderung, aus denen das frühere Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten abgeleitet hat. Hierunter sollen solche Umstände fallen, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, zum Beispiel die Umstände schildern, die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben (vgl. BGHSt 30, 340). Es kann von den Schuldspruch lediglich illustrierenden, ihn aber nicht beeinflussenden Tatsachen gesprochen werden. (Bearbeiter)
6. Geschichtlicher Vorgang in einem von der inneren Einheit der Urteilsgründe – und nicht wie beim prozessualen Tatbegriff von der Vermeidung einer unnatürlichen Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges – geprägten Sinne ist nicht mit dem Begriff der prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO gleichzusetzen. Vielmehr handelt es dabei um die den Schuldspruch näher beschreibenden Feststellungen über die einzelnen, auch außertatbestandlichen Tatmodalitäten, die Handlungsabläufe und die Identität der Handelnden, die über das Mindestmaß an Tatsachen hinausgehen, ohne das der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand hätte (vgl. BGHSt 30, 340). Ist es danach möglich, einen Umstand herauszulösen und insoweit abweichende Feststellungen zu treffen, ohne die innere Einheit der Urteilsgründe in Frage zu stellen, wird es sich in der Regel nicht um eine doppelrelevante Tatsache handeln. (Bearbeiter)
7. Insoweit darf der neue Tatrichter keine neuen, den bisherigen widersprechende Feststellungen treffen und seiner Entscheidung zugrunde legen (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 203). Der neue Tatrichter muss die bestehen gebliebenen Feststellungen weder wiederholen noch hierauf Bezug nehmen (vgl. BGH NStZ 2015, 600). (Bearbeiter)
8. Bei Merkmalen von Regelbeispielen handelt es sich nicht um den Schuldspruch tragende Feststellungen. (Bearbeiter)
9. Die neue Regelung der Strafbarkeit des Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken in § 4 Abs. 1 Nr. 1 Anti-Doping-Gesetz stellt jedenfalls dann gegenüber § 95 Abs. 3 Nr. 2 lit. b i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 lit. a AMG aF kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB dar, wenn der Qualifikationstatbestand der gewerbsmäßigen Begehung nach § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b Anti-Doping-Gesetz erfüllt ist. (Bearbeiter)
1. Die Hinzuziehung eines Dolmetschers in gerichtlichen Verhandlungen bei Beteiligung der deutschen Sprache nicht mächtiger Angeklagter regelt ausschließlich § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG, nicht § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG. (BGH)
2. Werden unzureichende Übersetzungsleistungen des in der gerichtlichen Verhandlung hinzugezogenen Dolmetschers beanstandet, bedarf es dazu Vortrag zu den konkreten Mängeln der Übersetzung und deren Auswirkungen auf die Möglichkeiten des Angeklagten, dem Gang des Verfahrens zu folgen und die wesentlichen Verfahrensvorgänge zu erfassen. (BGH)
3. Wird nicht die über § 185 Abs. 1 Satz 1 GVG, § 338 Nr. 5 StPO rügbare Abwesenheit eines Dolmetschers trotz fehlender deutscher Sprachkenntnisse des Angeklagten geltend gemacht, sondern werden unzureichende Dolmetscherleistungen beanstandet, kann dies einen relativen Revisionsgrund (§ 337 StPO) darstellen. Der Senat neigt dazu, jedenfalls die Beanstandung einer für die Gewährleistung einer sachgerechten Verteidigung ungenügenden Übersetzung des in der Hauptverhandlung hinzugezogenen Dolmetschers lediglich im Rahmen von § 338 Nr. 8 StPO für anfechtbar zu erachten. Er teilt dabei nicht die in der Rechtsprechung des Reichsgerichts vertretene Auffassung, bei erfolgter Hinzuziehung eines Dolmetschers in der Hauptverhandlung könne mit der Revision nicht geltend gemacht werden, dieser sei für die Aufgabe ungeeignet gewesen (vgl. RGSt 76, 177, 178). (Bearbeiter)
4. Die Bemessung der Gesamtstrafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist im Wege
einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen Zumessungsakt vorzunehmen (vgl. BGHSt 24, 268, 269 f.). Der Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht zu, maßgeblich ist die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter zusammenfassender Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Dabei ist vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BGHSt 24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang, hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel geringer auszufallen (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 238). (Bearbeiter)
Die Verwertung von Geschehnissen während oder nach der Urteilsverkündung kann den Bestand eines Urteils gefährden.
1. Dem Angeklagten wird nicht das Recht des letzten Worts genommen, wenn nach seinen Äußerungen eine Person im Zuschauerraum das Wort ergreift. Zuschauer sind nicht verfahrensbeteiligt, so dass der Angeklagte als letzter Verfahrensbeteiligter vor Beginn der Beratung das Wort hatte (vgl. BGHSt 13, 53, 59 f.). Verfahrensbeteiligt ist nur derjenige, der nach dem Gesetz eine Prozessrolle ausübt, d.h. durch eigene Willenserklärungen im prozessualen Sinne gestaltend als Prozesssubjekt mitwirken muss oder darf. Auch wird durch einen solchen Vorgang nicht erneut in die Beweisaufnahme eingetreten.
2. Für die rechtsfehlerfreie Feststellung einer verminderten Steuerungsfähigkeit ist auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung erforderlich, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Beschuldigten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.). Diese Anforderungen gelten auch in Fällen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. BGH NStZ-RR 2014, 305).
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind „offensichtlich“ nur solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss – auch ohne Berichtigung – eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht.
2. Jedenfalls bei einer eindeutig alle anhängigen Taten ergreifenden Fassung des verkündeten Tenors kann allein der Umstand, dass in den Urteilsgründen mehr Taten festgestellt, bewertet und sanktioniert worden sind, als es dem verkündeten Urteilstenor entspricht, nicht dazu berechtigen, einen offensichtlichen Zählfehler anzunehmen.
1. Die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatgerichts, wobei regelmäßig davon auszugehen ist, dass Berufsrichter über diejenige Sachkunde bei der Anwendung aussagepsychologischer Glaubwürdigkeitskriterien verfügen, die für die Beurteilung von Aussagen auch bei schwieriger Beweislage erforderlich ist. Dies gilt bei jugendlichen Zeugen erst recht, wenn die Berufsrichter Mitglieder der Jugendschutzkammer sind und über spezielle Sachkunde in der Bewertung der Glaubwürdigkeit von jugendlichen Zeugen verfügen.
2. Die Hinzuziehung eines psychologischen Sachverständigen ist lediglich dann geboten, wenn der Sachverhalt Besonderheiten aufweist, die Zweifel daran aufkommen lassen, ob die eigene Sachkunde des Tatgerichts zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit unter den konkret gegebenen Umständen ausreicht.
3. Solche Besonderheiten sind nicht schon allein deshalb anzunehmen, weil Gegenstand der Aussage eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist oder der Zeuge zur Zeit des geschilderten Vorfalls in kindlichem oder jugendlichem Alter war oder zum Zeitpunkt seiner Aussage ist.
4. Es ist einem Tatgericht auch nicht verwehrt, vom Gutachten eines Sachverständigen abzuweichen. Es muss dann aber die maßgeblichen Überlegungen des Sachverständigen wiedergeben und seine Gegenansicht unter Auseinandersetzung mit diesen begründen.
5. Ob der Antragsteller eine Beweisbehauptung in der gebotenen Konkretisierung aufstellt, ist ggf. durch Auslegung des Antrags nach dessen Sinn und Zweck zu ermitteln. Bei dieser Auslegung hat das Gericht die Beweisbehauptung unter Würdigung aller in der Hauptverhandlung zutage getretenen Umstände, des sonstigen Vorbringens des Antragstellers sowie ggf. des Akteninhalts zu beurteilen. Dabei dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
1. Nicht ausreichend konkretisierte, unklare oder widersprüchliche Beweistatsachen dürfen zwar grundsätzlich nicht als wahr unterstellt werden. Enthält das Beweisbegehren derartige Behauptungen, so hat das Gericht vor der Wahrunterstellung darauf hinzuwirken, dass die Beweisbehauptung präzisiert oder ihr Sinn klargestellt wird. Unterlässt es dies jedoch und unterstellt das Vorbringen gleichwohl als wahr, so ist es an diese Zusage in derselben Weise gebunden, als wenn es sich hierbei um eine ausreichend konkretisierte Beweisbehauptung gehandelt hätte. Das Gericht darf sich dann in den Urteilsgründen nicht in Widerspruch zu der Wahrunterstellung setzen.
2. Das Revisionsgericht kann angesichts der Zusage einer Wahrunterstellung nicht darauf abstellen, dass es dem Tatgericht möglich gewesen wäre, eine unzureichende Konkretisierung der Beweisbehauptung anzunehmen; vielmehr ist es im Falle einer Wahrunterstellung unerheblich, ob das Antragsvorbringen den Konkretisierungsanforderungen an eine Beweisbehauptung genügt. Das bedeutet, dass sich die revisionsrechtliche Überprüfung bei Behauptungen, deren Inhalt als wahr unterstellt wird, einheitlich nach den im Rahmen des § 244 Abs. 3 StPO geltenden Maßstäben vollzieht, nicht aber – wie sonst bei einem Vorbringen, das die Anforderungen an eine Beweisbehauptung wegen mangelnder Bestimmtheit nicht erfüllt – nach denjenigen des § 244 Abs. 2 StPO.
1. Die allgemeinen Grundsätze zur Beweiswürdigung und zum eingeschränkten Umfang ihrer revisionsgerichtlichen Überprüfung gelten auch, wenn eine DNA-Spur vorliegt, bei der zwischen den Allelen des Angeklagten und den auf der Tatortspur festgestellten Allelen eine hohe Übereinstimmung besteht. Bei dieser Merkmalswahrscheinlichkeit handelt es sich um einen statistischen Wert, weshalb die Spurenverursachung durch eine andere Person niemals völlig auszuschließen ist.
2. Ob sich das Tatgericht – was grundsätzlich ohne Rechtsfehler möglich ist – allein aufgrund einer Merkmalsübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist vorrangig ihm selbst überlassen. Bei nach allgemeinen Maßstäben rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung ist es im Einzelfall revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht (siehe bereits BGH HRRS 2013 Nr. 431).
1. § 261 StPO verlangt eine erschöpfende Würdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise. Auch wenn das Gericht nicht gehalten ist, auf jedes Vorbringen einzugehen und jeden erhobenen Beweis im Urteil zu behandeln, muss es unter Würdigung der dafür und dagegen sprechenden relevanten Beweise und Überlegungen lückenlos darlegen, was für die Bildung seiner Überzeugung maßgebend war. Umstände, welche geeignet sind, die Entscheidung zu beeinflussen, dürfen nicht stillschweigend übergangen werden. Dass eine verlesene oder im Selbstleseverfahren eingeführte Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei, kann mit der Verfahrensbeschwerde geltend gemacht werden.
2. Eine entsprechende Verfahrensrüge muss gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO sämtliche Umstände mitteilen, deren Kenntnis das Revisionsgericht für die Beurteilung der Frage benötigt, ob eine von der Revision vorgelegte – im Selbstleseverfahren eingeführte – Urkunde mit Blick auf den ihr zukommenden Beweiswert unrichtig oder unvollständig gewürdigte wurde.
1. Die Reihenfolge, in der dem jugendlichen Angeklagten und seinem Erziehungsberechtigten bzw. gesetzlichen Vertreter das letzte Wort zu erteilen ist, steht im Ermessen des Vorsitzenden.
2. Nach § 67 Abs. 1 JGG steht dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter das Recht zu, gehört zu werden, Fragen und Anträge zu stellen oder bei Untersuchungshandlungen anwesend zu sein, soweit dem Beschuldigten ein solches Recht zusteht. In Verbindung mit § 258 Abs. 2 StPO folgt daraus, dass diesen Personen – wie dem jugendlichen Angeklagten – das Recht auf das letzte Wort zusteht. Zu der Reihenfolge, in der dem Angeklagten und seinem Vertreter jeweils das letzte Wort zu gewähren ist, enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung, so dass der Wortlaut des Gesetzes für ihre Gleichrangigkeit spricht, jedenfalls aber keinen Hinweis auf einen Vorrang der Rechte des Angeklagten gibt.
Zur Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß § 203 StPO genügt zwar auch eine schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen (vgl. BGH NStZ 2016, 747). Dennoch bedarf es im Hinblick auf die Bedeutung des Eröffnungsbeschlusses als Grundlage des Hauptverfahrens regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist es erforderlich, dass die Urkunde aus sich heraus und in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben (vgl. BGH StV 2015, 740). Die beschlossene Übernahme und Hinzuverbindung eines noch im Zwischenverfahren befindlichen Verfahrens kann nicht die Bedeutung einer konkludenten Eröffnung des Hauptverfahrens beigemessen werden.
1. Lediglich berichtende Presseäußerungen eines Staatsanwalts zu einem Strafverfahren eröffnen regelmäßig nicht die Anwendung der speziellen Rechtswegbestimmung des § 23 Abs. 1 EGGVG.
2. Der besonderen Rechtswegregelung des § 23 Abs. 1 EGGVG liegt die Annahme zugrunde, dass den ordentlichen Gerichten die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsmaßnahmen auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege von der Sache her näher stehen als den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Außerdem soll die Regelung verhindern, dass Gerichte verschiedener Gerichtszweige über Verwaltungsstreitigkeiten desselben Rechtsgebietes entscheiden. Aus diesem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte folgt, dass § 23 EGGVG die Nachprüfung von Maßnahmen den ordentlichen Gerichten nur zuweist, wenn die in Rede stehende Amtshandlung der zuständigen Behörde gerade als spezifisch justizmäßigen Aufgabe auf einem der dort genannten Rechtsgebiete anzusehen ist. Auch systematisch ist § 23 Abs. 1 EGGVG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. BGHSt 44, 107, 112 ff.). Auf dem Gebiet der Strafrechtspflege ist danach letztlich allein maßgebend, ob die beanstandete Maßnahme funktional der Verfolgung strafbarer Handlungen dient.
3. Der Begriff der Justizbehörde in § 23 EGGVG ist nicht organisationsrechtlich, sondern rein funktional zu verstehen (vgl. BVerwGE 69, 192, 195 ff). Er kann demnach auch auf Maßnahmen solcher Behörden Anwendung finden, die organisatorisch nicht zum Justizressort gehören, namentlich solche der zum Innenressort gehörenden Polizeibehörden (vgl. BVerwGE 47, 255, 259).
1. Ist auszuschließen, dass das Landgericht eine niedrigere als die in den Urteilsgründen genannte Strafe verhängen wollte, ist der Senat nicht gehindert, die niedrigere der beiden Strafen selbst festzusetzen.
2. Über geltend gemachte Schmerzensgeldansprüche darf das Landgericht nicht hinausgehen.
1. Die für die Gewährung der Wiedereinsetzung erforderlichen Angaben sind ebenso wie ihre Glaubhaftmachung Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrags.
2. Darzulegen und glaubhaft zu machen sind auch diejenigen Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller ohne eigenes Verschulden gehindert war, die versäumte Rechtsmittelfrist einzuhalten. Dazu gehört der Vortrag eines Lebenssachverhalts, der das fehlende Verschulden an der Säumnis belegt und Alternativen ausschließt, die der Wiedereinsetzung sonst entgegenstehen.
3. Für eine unverschuldete Säumnis des Angeklagten ist erforderlich, dass der Angeklagte seinen Verteidiger mit der Einlegung eines Rechtsmittels gegen das Urteil beauftragt hat.
4. Anders liegt der Fall, wenn der bis dahin bestreitende Angeklagte einen solchen Auftrag zwar vor dem letzten Termin zur mündlichen Verhandlung für den Fall einer
Verurteilung erteilt hat, zeitlich danach aber „nach Vorbereitung durch den Unterzeichner“ (seinem Verteidiger) ein Teilgeständnis in dem Termin zur Hauptverhandlung abgelegt, in dem auch das Urteil verkündet worden ist.
5. Angesichts der gegenüber dem Zeitpunkt der behaupteten Beauftragung erheblich veränderten Sachlage war der Angeklagte gehalten, sich zu vergewissern, dass sein Verteidiger den vor dem Teilgeständnis erteilten Rechtsmittelauftrag auch tatsächlich erfüllen würde.
6. Auch wenn ein Angeklagter seinen Verteidiger grundsätzlich hinsichtlich der zugesagten Einlegung von Rechtsmitteln und deren Begründung nicht zu überwachen braucht, bestand wegen der dargelegten Veränderung der Situation hier die Obliegenheit des Angeklagten zu einer Klarstellung gegenüber seinem Verteidiger, gegen das verkündete Urteil Rechtsmittel einzulegen.
7. Ohne nähere Darlegungen dazu, warum der Angeklagte die Übersetzung in seine Muttersprache nicht verstanden habe, ist den in § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO geregelten Begründungsanforderungen nicht genügt.
Außerhalb einer Verständigung gemäß § 257c StPO besteht keine Bindung des Tatgerichts an den von ihm für den Fall des Zustandekommens einer Absprache in Aussicht gestellten Strafrahmen; erst recht ist es nicht verpflichtet, die dort angesprochene Strafuntergrenze zu verhängen. Wird aufgrund einer dennoch angenommenen Bindung eine entsprechende Strafe verhängt, kann dies zu einer Verletzung von § 46 StGB führen.
Selbst wenn aufgrund eines Besetzungseinwands in der Hauptverhandlung über die Besetzung der Strafkammer zu entscheiden ist, bleibt hierfür die Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung zuständig (vgl. BGHSt 60, 248 Rn. 13).
Eine Beschwer ist Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Diese liegt nur vor, wenn die ergangene Entscheidung einen unmittelbaren Nachteil für den Beschwerten enthält, wenn seine Rechte und geschützten Interessen eine unmittelbare Beeinträchtigung erlitten haben.
1. Die Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift dient dazu, den Prozessgegenstand festzulegen, mit dem sich das Gericht aufgrund seiner Kognitionspflicht zu befassen hat. Deshalb sind in der Anklageschrift neben der Bezeichnung des Angeschuldigten Angaben erforderlich, welche die Tat als geschichtlichen Vorgang unverwechselbar kennzeichnen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft zu urteilen hat (vgl. BGHSt 56, 183, 186). Jede einzelne Tat muss sich als historisches Ereignis von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Angeschuldigten unterscheiden lassen, damit sich die Reichweite des Strafklageverbrauchs und Fragen der Verfolgungsverjährung eindeutig beurteilen lassen.
2. Die Umstände, welche die gesetzlichen Merkmale der Straftat ausfüllen, gehören hingegen – wie sich schon aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO ergibt – nicht zur Bezeichnung der Tat. Wann die Tat in dem sonach umschriebenen Sinne hinreichend umgrenzt ist, kann nicht abstrakt, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgelegt werden.
3. Wird eine Vielzahl gleichartiger Einzelakte durch dieselbe Handlung des Angeschuldigten zu gleichartiger Tateinheit und damit prozessual zu einer Tat verbunden, genügt die Anklageschrift ihrer Umgrenzungsfunktion, wenn die Identität dieser Tat klargestellt ist und die Tat als historisches Ereignis hinreichend konkretisiert ist. Einer individualisierenden Beschreibung sämtlicher Einzelakte bedarf es bei einer solchen Fallgestaltung nicht, um den Prozessgegenstand unverwechselbar zu bestimmen. Darüber hinausgehende Angaben, die den Tatvorwurf näher konkretisieren, können zwar erforderlich sein, damit die Anklageschrift ihre Informationsfunktion erfüllt; ihr Fehlen lässt jedoch die Wirksamkeit der Anklageschrift unberührt.
4. Durch die Abfassung der Anklageschrift bedingte Mängel in der Informationsfunktion sind im weiteren Verfahren erforderlichenfalls durch gerichtliche Hinweise zur Gewährung rechtlichen Gehörs entsprechend § 265 StPO auszugleichen (vgl. BGHSt 57, 88, 91).
5. Dem Tatgericht obliegt es nach ständiger Rechtsprechung bei einer Verurteilung nach § 266a StGB, die geschuldeten Beiträge – für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert – nach Anzahl, Beschäftigungszei-
ten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse festzustellen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH NStZ 1996, 543), weil die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkassen sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung zu berechnen ist (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 376). Falls solche Feststellungen im Einzelfall nicht möglich sind, kann die Höhe der vorenthaltenen Beiträge auf Grundlage der tatsächlichen Umstände geschätzt werden (vgl. BGH NStZ 2010, 635, 636). Die Grundsätze, die die Rechtsprechung bei Taten nach § 370 AO für die Darlegung der Berechnungsgrundlagen der verkürzten Steuern entwickelt hat, gelten insoweit entsprechend (vgl. BGH StV 1993, 364). Dementsprechend genügt es nicht, die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge lediglich der Höhe nach anzugeben (vgl. BGH NJW 2002, 2480, 2483). Vielmehr müssen die Urteilsgründe die Berechnungsgrundlagen und Berechnungen im Einzelnen wiedergeben (vgl. BGH StV 1993, 364).
Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Richters setzt objektive Grundlagen voraus. Diese müssen aus rationalen Gründen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Das ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und sich nicht als bloße Vermutung erweist (st. Rspr.).
Zwar bildet den Rahmen der gerichtlichen Untersuchung zunächst das tatsächliche Geschehen, wie es die Anklage umschreibt. Erfolgsdelikte sind aber regelmäßig bereits durch die Art des Erfolgs und das Tatopfer hinreichend konkretisiert, so dass die Tatidentität auch bei Abweichungen vom zugelassenen Anklagesatz hinsichtlich der Tatzeit, dem Tatort und der Art und Weise der Tatbegehung – etwa bei einem Austausch von Vorsatz und Fahrlässigkeit oder Tun und Unterlassen – gewahrt bleiben kann (vgl. BGHSt 40, 44, 46), wobei entsprechende Änderungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht erforderlichenfalls im Wege eines Hinweises nach § 265 StPO deutlich zu machen sind.
1. Bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlichrechtlichen Gründen dann zu Feststellungen zur Person des Angeklagten verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an; für eine schematische Betrachtungsweise ist kein Raum (vgl. BGH NStZ 2014, 419).
2. Für die Beurteilung eines des Tatvorwurfs der gewerbsmäßigen Hehlerei kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Angeklagte in der Vergangenheit bereits durch vergleichbare Taten oder andere Vermögensdelikte in Erscheinung getreten ist.