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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2017
18. Jahrgang
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1. Auch berufstypische Handlungen, wie etwa Beratungs- oder Unterstützungshandlungen von Rechtsanwälten, können eine strafbare Beihilfe darstellen. Weder Alltagshandlungen noch berufstypische Handlungen sind in jedem Fall neutral; denn nahezu jede Handlung kann in einen strafbaren Kontext gestellt werden (vgl. BGHSt 46, 107). Es ist jedoch anerkannt, dass nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis tatfördernd auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden kann. Vielmehr bedarf es in Fällen, die sog. neutrale Handlungen betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Einzelfall. Hierbei sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Beihilfestrafbarkeit bei berufstypischen „neutralen“ Handlungen folgende Grundsätze zu beachten.
2. Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten und dann auch nicht mehr als sozialadäquat anzusehen.
3. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (vgl. BGHSt 46, 107, 112 ff.).
4. Liegt einem Angeklagten Steuerhinterziehung zur Last, sind im Anklagesatz das relevante Verhalten und der Taterfolg i.S.v. § 370 AO anzuführen; einer Berechnungsdarstellung der Steuerverkürzung bedarf es dort hingegen nicht (vgl. BGH wistra 2009, 465).
1. Zur Beitragsberechnung im Sinne von § 266a Abs. 1 und 2 StGB nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ist von einem gezahlten Nettoarbeitsentgelt auszugehen, welches auf einen fiktiven Bruttolohn hochgerechnet werden muss. Die Fiktion einer Nettolohnvereinbarung gilt auch, wenn die Schwarzlohnzahlung nur einzelne Lohnteile erfasst (vgl. BGH wistra 2010, 29). Dabei ist zwar die Hochrechnung der Schwarzlohnsumme auf eine Bruttolohnsumme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nur auf den Schwarzlohnanteil zu beziehen. Aber dieser muss für eine auch die Progression beinhaltende zutreffende Beitragsberechnung dem gemeldeten Teil der Lohnsumme hinzugerechnet werden, damit anschließend von dem insgesamt ermittelten Bruttolohn der gemeldete Bruttolohn wieder abgezogen werden kann (vgl. BGH wistra 2010, 148).
2. Eine einschränkende Auslegung des § 78b Abs. 4 StGB dahingehend, dass er gegen seinen Wortlaut wegen der Änderung von § 376 AO auf Fälle der einfachen Steuerhinterziehung keine Anwendung mehr finden soll, hält der Senat nicht für geboten.
1. Aufgrund der Besonderheiten des weiten Tatbegriffs beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie bei angemessener Beachtung von Sinn und Zweck der Konkurrenzvorschriften ist es nach Auffassung des Senats geboten, § 52 Abs. 1 StGB einschränkend dahin auszulegen, dass nicht bei jeder teilweisen Identität von auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen bezogenen Ausführungshandlungen – dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten oder die Bezahlung einer zuvor auf „Kommission“ erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren – von Tateinheit auszugehen ist.
2. Eine teilidentische Ausführungshandlung führt vielmehr nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier an
sich unabhängiger, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehender Handelsgeschäfte, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist und dadurch deren Unwert und die jeweilige Schuld des Täters zumindest mitprägt. Dies liegt beim bloßen Aufsuchen des Lieferanten durch einen Drogenhändler nicht vor.
3. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur konkurrenzrechtlichen Beurteilung von tatbestandlichen Handlungseinheiten kann nach Auffassung des Senats nicht argumentiert werden, dass der Wortlaut von § 52 Abs. 1 StGB der Annahme von Tatmehrheit in diesen Fällen entgegenstehe. Denn die Bewertungseinheit des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln stellt eine tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinne bzw. die Zusammenfassung verschiedener natürlicher Handlungen zu einer Tat im Rechtssinne dar, wobei für die Zusammenfassung nicht tatsächliche Umstände maßgeblich sind, sondern normative Gründe, die sich insbesondere aus der Fassung des gesetzlichen Tatbestands ergeben und die somit auf rechtlichen Wertungen beruhen.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwirklicht der gleichzeitige Besitz unterschiedlicher Betäubungsmittelmengen den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal (vgl. BGH NStZ-RR 2016). Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das täterschaftlich begangene unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurück (st. Rspr.), während zwischen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Besitz Tateinheit besteht (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 58). Besitzt der Täter Betäubungsmittel teils zur gewinnbringenden Weiterveräußerung und teils zu anderen Zwecken, geht lediglich der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf. Für die anderen Zwecken dienende Menge verbleibt es dagegen bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln. Zwischen dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem gleichzeitigen Besitz der davon nicht betroffenen Betäubungsmittelmenge besteht Tateinheit (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 174 f).
2. Die Annahme von Tateinheit durch Klammerwirkung setzt voraus, dass die Ausführungshandlungen zweier an sich selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil )identisch sind und zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist (st. Rspr.). Als Maßstab hierfür dient die Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt unter Orientierung an den Strafrahmen, wobei der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen ist (vgl. BGHSt 33, 4, 6 ff.).
3. Mangels Wertgleichheit hat der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht die Kraft, selbständige, die Voraussetzungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllende Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge untereinander zur Tateinheit zu verbinden. Demgegenüber werden an sich selbständige Taten der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch einen einheitlichen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer materiellrechtlichen Tat verklammert.
Der 2. Strafsenat lässt offen, ob er beabsichtigt, der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zur Einstufung der Gefährlichkeit von Methamphetamin zu folgen.
Dass der spätere Angeklagte die Tat im Ermittlungsverfahren stets geleugnet und keine Unrechtseinsicht erkennen lassen hat, darf die Jugendkammer im Rahmen der Bewährungsentscheidung nicht berücksichtigen.