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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2017
18. Jahrgang
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1. Der Senat vertritt unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung, dass der Tatrichter sein Ermessen bei der Entscheidung über die Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht rechtsfehlerhaft ausübt, wenn er im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schuldrelevanten Umstände die Versagung der Strafmilderung allein auf den Umstand stützt, dass die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters auf von diesem verschuldeter Trunkenheit beruht, auch wenn eine hierdurch bedingte, vorhersehbare signifikante Erhöhung des Risikos der Begehung von Straftaten auf Grund der persönlichen oder der situativen Verhältnisse des Einzelfalls nicht festgestellt ist (vgl. bereits BGH HRRS 2015 Nr. 1117).
2. Eine alkoholische Berauschung erhöht generell das Risiko strafbaren Verhaltens, insbesondere im Bereich der Gewalt- und Sexualdelikte. Dieser Erfahrungssatz ist allgemeinkundig. Zwar trifft es zu, dass es trotz verbreiteten hohen Alkoholkonsums nur in einem sehr geringen Teil der Fälle erheblicher Alkoholisierung zu einer rechtswidrigen Tat kommt. Eine zuverlässige Prognose darüber, wie sich ein Mensch im Alkoholrausch verhalten wird, lässt sich jedoch nicht stellen; die Wirkungen starken Alkoholgenusses lassen sich niemals sicher vorausberechnen.
3. Dass es sich bei dem selbstverantwortlichen Sich-Betrinken um ein tatschuldrelevantes Merkmal handelt, entspricht den Regelungen der §§ 323a StGB, 122 OWiG und des § 7 WStG zugrundeliegenden Wertungen. Die Vorschriften lassen Rückschlüsse auf die vom Gesetzgeber vorgenommene Beurteilung zu, dass es sich bei dem schuldhaft herbeigeführten Rausch nicht um eine sozialadäquate, wertneutrale Erscheinung handelt, sondern dass ihm als offenkundigem Gefahrenherd ein Unwert anhaftet, der geeignet ist, das Ob und das Wie strafrechtlicher Sanktionen zu bestimmen
4. Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt somit die verschuldete Herbeiführung der alkoholbedingten erheblich verminderten Schuldfähigkeit einen Umstand dar, der im Rahmen der tatrichterlichen Ermessensentscheidung über die Strafmilderung zu würdigen ist. Dass es dabei auf Fragen der – konkret festzustellenden – Vorhersehbarkeit der in diesem Zustand begangenen Tat ankommen soll, ist nirgends ersichtlich, ebenso wenig, dass trotz vorwerfbarer Alkoholisierung ohne Hinzutreten weiterer Umstände ein Milderungszwang bestehen soll.
5. Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach seinem pflichtgemäßen Ermessen auf Grund einer Gesamtwürdigung der schuldrelevanten Umstände. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, einer wertenden Betrachtung zu unterziehen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen der Tatrichter bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen.
6. Die Frage, ob der Umstand der verschuldeten Trunkenheit geeignet ist, im konkreten Fall die hierdurch verringerte Tatschuld so weit aufzuwiegen, dass das Absehen von der Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB gerechtfertigt ist, betrifft Wertungen, die vom Revisionsgericht allein auf Rechtsfehler überprüft werden können. Hat der Tatrichter die dafür wesentlichen tatsächlichen Grundlagen hinreichend ermittelt und berücksichtigt, so kann das Revisionsgericht nur beanstanden, dass er gesetzlich vorgegebene Wertungsmaßstäbe missachtet oder eine gerechtem Schuldausgleich nicht mehr entsprechende Strafe verhängt hat.
1. Bei Beschaffungsdelikten eines rauschgiftabhängigen Täters kann dessen Steuerungsfähigkeit unter Umständen auch dann erheblich vermindert sein, wenn er aus Angst vor nahe bevorstehenden Entzugserscheinungen handelt, die er schon als äußerst unangenehm erlitten hat. Dieser zunächst in Bezug auf Heroinabhängigkeit entwickelte Grundsatz ist trotz unterschiedlicher Entzugsfolgen auch bei einer Kokainabhängigkeit für ausnahmsweise anwendbar gehalten worden, bei der körperliche Entzugssymptome in der Regel geringer ausgeprägt sind.
2. Für die Beurteilung, ob Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei einem betäubungsmittelabhängigen Täter geführt hat, ist insbesondere auf die konkrete Erscheinungsform der Sucht abzustellen. Auch deren Verlauf und die suchtbedingte Einengung des Denk- und Vorstellungsvermögens sind in die Gesamtwürdigung des Zustands einzubeziehen. Ob bei Betäubungsmittelabhängigkeit aufgetretene Entzugserscheinungen oder Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt haben, ist eine Frage, die das Tatgericht zu entscheiden hat; hierbei steht ihm ein nur eingeschränkt revisionsgerichtlich überprüfbarer Spielraum zu.
Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 StGB wird auf eine inländische Strafe eine im Ausland vollstreckte Strafhaft nicht nur dann angerechnet, wenn das ausländische und das inländische Urteil dieselbe Tat im Sinne des prozessualen Tatbegriffs gemäß § 264 StPO betreffen. Nach der ratio legis des § 51 Abs. 3 Satz 1 StPO ist der Täter vielmehr allgemein so zu stellen, als habe der gesamte Freiheitsentzug im Inland stattgefunden. Die somit ausreichende funktionale Verfahrenseinheit liegt etwa dann vor, wenn die der ausländischen Strafvollstreckung zugrunde liegende Tat Gegenstand eines im inländischen Ermittlungsverfahren erlassenen Haftbefehls gewesen und das Verfahren insoweit später gemäß § 154 StPO eingestellt worden ist.
Die Tatprovokation ist auch bei Körperverletzungsdelikten als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen; sie kann zur Annahme eines minder schweren Falles führen, muss dies aber nicht. Da selbst die Tötung eines Menschen und damit die Herbeiführung des denkbar schwersten Erfolges bei vorangegangener Provokation in milderem Licht zu betrachten ist, genügt der bloße Hinweis auf etwaige Verletzungsfolgen nicht den Anforderungen an die Begründung der Strafrahmenwahl, die auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung aller für die Strafzumessung bedeutsamen Umstände zu erfolgen hat.
Bei der Strafzumessung nach § 46 StGB können rechtskräftige ausländische Vorstrafen nur berücksichtigt werden, wenn die Tat auch nach deutschem Recht strafbar wäre. Die bloße Tatbezeichnung als „Gefährdung von Leib und Leben“ erlaubt mangels näherer Feststellungen zu dem abgeurteilten Tatgeschehen nicht die Prüfung, ob die Tat auch nach deutschem Recht strafbar wäre.
1. Die Beurteilung des im Adhäsionsverfahren zuzusprechenden Schmerzensgeld richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Eine wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind.
2. Zwar kann dem sich der eigentlichen Tatbegehung anschließenden Verhalten indizielles Gewicht für die Frage nach einem Tötungsvorsatz zukommen. Jedoch spricht ein Unterlassen weiterer Angriffe – auch unter Berücksichtigung sich nähernder Personen – allein nicht gegen die Billigung des Todes des Opfers (vgl. BGHSt 57, 183, 192).
3. Hat das Opfer dem Täter durch Provokation Anlass zur Tat gegeben, ist dies ein Umstand, der die Tat in einem milderen Licht erscheinen lassen könnte. Mit der Erwägung, der Angeklagte sei vom Opfer nicht provoziert worden, wird daher zu Lasten des Angeklagten unzulässig das Fehlen eines Milderungsgrunds in die Strafzumessung eingestellt (vgl. BGH NStZ 2015, 517).
4. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in der Form der Tatbegehung „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ setzt bereits voraus, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort bewusst zusammenwirken. Das Zusammenwirken mehrerer als solcher darf daher nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Zulässig wäre es freilich, die erhöhte Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation infolge einer Beteiligung von mehr als zwei Personen straferhöhend heranzuziehen.
1. An der Erhöhung der Einzelstrafen ist der neue Tatrichter bei Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das
Revisionsgericht durch das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) nicht gehindert. Zu beachten ist lediglich, dass die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neuen Einzelstrafen nicht überschritten wird und die neu zu bildende Gesamtstrafe nicht höher ist als die bisherige (st. Rspr.).
2. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten Strafe die Gewissheit haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben (vgl. BGH NStZ 2006, 500 f.).
1. Der Anordnung der Unterbringung eines Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus steht nicht entgegen, dass bereits einige Jahre zuvor die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unter Aussetzung von deren Vollstreckung zur Bewährung angeordnet worden und zum Urteilszeitpunkt ein Verfahren über den Widerruf der Aussetzung zur Bewährung anhängig war.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Frage, ob gegen einen Angeklagten oder Beschuldigten, gegen den bereits zuvor die Unterbringung angeordnet worden ist, eine erneute Unterbringungsanordnung getroffen werden kann, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in besonderer Weise Rechnung zu tragen.
3. Die Verhältnismäßigkeit ist jedenfalls dann gewahrt, wenn das neue Urteil erhebliche Auswirkungen auf Dauer und Ausgestaltung des Maßregelvollzugs haben kann und das Erkenntnisverfahren in besserer Weise als das Vollstreckungsverfahren dazu geeignet ist, die neue Symptomtat sowie die sich darin widerspiegelnde Gefährlichkeit des Angeklagten bzw. Beschuldigten für alle an der Maßregelvollstreckung Beteiligten verbindlich festzustellen und damit Änderungen in der Ausgestaltung des Vollzugs oder die Anordnung von dessen Fortdauer zu legitimieren.
Im Rahmen der Strafzumessung kann auch ein Vortatverhalten berücksichtigt werden, wenn ein schuldrelevanter Zusammenhang mit der Tat besteht (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 170, 171).