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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2017
18. Jahrgang
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1. Die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge, mit der ein Beweisverwertungsverbot wegen Fehlern bei einer Durchsuchung zur Sicherstellung von Sachbeweisen geltend gemacht wird, setzt keinen auf den Zeitpunkt des § 257 Abs. 1 StPO befristeten Widerspruch des verteidigten Angeklagten gegen die Verwertung voraus. Es bedarf auch keiner vorgreiflichen Anrufung des Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO. (BGHSt)
2. Ist beim Ermittlungsrichter ein Durchsuchungsbeschluss beantragt, ist auch dann, wenn dieser sich außerstande sieht, die Anordnung ohne Vorlage der Akte zu erlassen, für eine staatsanwaltschaftliche Prüfung des Vorliegens von Gefahr im Verzug regelmäßig kein Raum mehr, es sei denn, es liegen neue Umstände vor, die sich nicht aus dem vorangegangenen Prozess der Prüfung und Entscheidung über den ursprünglichen Antrag auf Durchsuchung ergeben. (BGHSt)
3. Der Hypothese eines möglichen rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kommt bei grober Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Richtervorbehalts im Rahmen der Abwägungsentscheidung über ein Beweisverwertungsverbot keine Bedeutung zu. (BGHSt)
4. Gefahr im Verzug ist gegeben, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährdet hätte. Ob ein angemessener Zeitraum zur Verfügung steht, innerhalb dessen eine Entscheidung des zuständigen Richters erwartet werden kann, oder ob bereits eine zeitliche Verzögerung wegen des Versuchs der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde und daher eine nichtrichterliche Durchsuchungsanordnung ergehen darf, haben die Ermittlungsbehörden zunächst selbst zu prüfen. Dabei
darf Gefahr im Verzug nicht vorschnell angenommen werden, damit die bei Wohnungsdurchsuchungen auch aus Art. 13 Abs. 2 GG fließende Regelzuständigkeit des Richters nicht unterlaufen wird. Aus diesem Grund reichen auf reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte, fallunabhängige Vermutungen nicht aus, Gefahr im Verzug zu begründen. (Bearbeiter)
5. Hat der ermittelnde Staatsanwalt den Eilrichter erreicht und bei ihm den Erlass einer Durchsuchungsanordnung beantragt, gibt er zu erkennen, dass zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen einer staatsanwaltschaftlichen Eilanordnung nicht gegeben sind. Mit der Befassung des Eilrichters aber endet grundsätzlich die Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden; es ist nunmehr Sache des Ermittlungsrichters, über den beantragten Eingriff zu entscheiden. (Bearbeiter)
6. Auch soweit während des durch den Richter in Anspruch genommenen Entscheidungszeitraums nach dessen Befassung die Gefahr eines Beweismittelverlusts eintritt, etwa weil dieser auf ein mündlich gestelltes Durchsuchungsbegehren hin die Vorlage schriftlicher Antragsunterlagen oder einer Ermittlungsakte fordert, Nachermittlungen anordnet oder schlicht bis zum Eintritt der Gefahr eines Beweismittelverlusts noch nicht entschieden hat, lebt die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nicht wieder auf. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt. (Bearbeiter)
7. Gibt es eine verbindliche und abschließende richterliche Entscheidung, ohne Aktenvorlage die beantragte Maßnahme abzulehnen, ist diese von der Staatsanwaltschaft zu respektieren und verbietet den Rückgriff auf einen „hypothetischen“ anderen Ermittlungsrichter, der dem Antrag stattgegeben hätte. (Bearbeiter)
1. Der Minderheit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses kommen im Verfahren nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG nur dann eigene Rechte zu, wenn sie entsprechend Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags repräsentiert. (BGHSt)
2. Die Vorschriften des § 17 Abs. 2 und 4 PUAG sind ungeachtet ihrer sprachlichen Fassungen dahin zu verstehen, dass der Ausschussminderheit im Verfahren nach § 17 Abs. 2 und 4 PUAG nur dann eigene Rechte zukommen, wenn sie entsprechend Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG mindestens ein Viertel der Mitglieder des Bundestags repräsentiert. Dieses Ergebnis folgt aus Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich unter Beachtung des den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Willens des Gesetzgebers ergeben, sowie der Systematik des Untersuchungsausschussgesetzes und den für das Recht des Untersuchungsausschusses bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. (Bearbeiter)
3. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG statuiert ein austariertes System, das die Interessen der parlamentarischen Minderheit und das in der parlamentarischen Demokratie geltende Mehrheitsprinzip (Art. 42 Abs. 2 GG) – das auch im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss die gesetzliche Regel darstellt und in § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG seinen einfachrechtlichen Niederschlag gefunden hat – zum Ausgleich bringt. (Bearbeiter)
4. Nach dem sog. „Grundsatz der Spiegelbildlichkeit“ muss grundsätzlich jeder vom Bundestag gebildete Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und dessen Zusammensetzung in seiner politischen Gewichtung widerspiegeln. Dies folgt aus der von Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit und Gleichheit des Mandats sowie der Repräsentationsfunktion des Bundestags. Wird die Repräsentation des Volkes in Ausschüsse verlagert, weil dort die Entscheidungen des Parlaments tendenziell vorbestimmt oder gar für das Parlament getroffen werden, müssen diese Gremien auch in ihrer politischen Prägung dem Plenum entsprechen. (Bearbeiter)
5. Das Untersuchungsausschussgesetz ist im Kern verfassungsinterpretatorisch und damit ein lediglich deklaratorisches Gesetz. Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt daher konzeptionell in dessen Regelungsregime hinein. Jedenfalls im hier einschlägigen Regelungsbereich von § 17 Abs. 2 und 4 PUAG handelt es sich um die unmittelbare Umsetzung der aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden Vorgaben für die Beweiserhebung. Das Untersuchungsausschussgesetz kann deshalb bereits aufgrund seines Rechtscharakters in dem hier bedeutsamen Bereich der Beweisaufnahme keine über Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG hinausgehenden Minderheitenrechte festsetzen. (Bearbeiter)
6. Das Rechtsschutzverfahren nach § 17 Abs. 4 PUAG ist nicht nur eröffnet, wenn der Erlass eines Beweisbeschlusses abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn ein bereits gefasster Beweisbeschluss nicht vollzogen wird. (Bearbeiter)
1. Nach Zustandekommen einer Verständigung durch Zustimmung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft zu dem Vorschlag des Gerichts (§ 257c Abs. 3 Satz 4 StPO) kann die Staatsanwaltschaft diese nachträglich nicht wieder einseitig zu Fall bringen, auch dann nicht, wenn sie die Voraussetzungen von § 257c Abs. 4 Satz 1 oder 2 StPO als gegeben ansieht. Die durch eine zustande gekommene Verständigung für das Gericht eingetretene Bindungswirkung (§ 257c Abs. 4 StPO) entfällt nicht durch den „Widerruf“ der Staatsanwaltschaft, vielmehr bedarf es dazu einer Entscheidung durch das Tatgericht, wenn und soweit es die Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 Satz 1 oder 2 StPO bejaht.
2. Ein Entfallen der Bindungswirkung der Verfahrensabsprache setzt zudem weiter voraus, dass das Gericht wegen der veränderten Beurteilungsgrundlage bzw. wegen des Abweichens des Angeklagten von dem erwarteten Prozessverhalten zu der Überzeugung gelangt, dass die in Aussicht gestellte Strafober- oder Strafuntergrenze (§ 257c Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Eine Lösung von der Verständigung kann deshalb nur gerechtfertigt sein, wenn das später gezeigte tatsächliche Prozessverhalten des Angeklagten aus der Sicht des Gerichts der Strafrahmenzusage die Grundlage entzieht.
3. Bei der Prüfung dieser Frage kommt dem Tatgericht – wie auch sonst bei Wertungsakten im Bereich der Strafzumessung – ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der erst überschritten ist, wenn der zugesagte Strafrahmen nicht mehr mit den Vorgaben des materiellen Rechts in Einklang zu bringen ist, etwa weil die Strafrahmenzusage sich unter Berücksichtigung des tatsächlichen Prozessverhaltens des Angeklagten so weit von dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs entfernt, dass sie als unvertretbar erschiene.
4. Nach Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache ist das neue Tatgericht an die Verständigung und die darin genannten Strafrahmen nicht gebunden; die Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO gilt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nur für das (Tat )Gericht, das die Verständigung vereinbart hat.
5. Nicht abschließend geklärt ist bislang allerdings die Frage, ob in diesen Fällen die im ersten Rechtsgang mit Blick auf die Verständigung abgegebenen Geständnisse verwertet werden dürfen, etwa durch Vernehmung der Tatrichter, die die Verständigung getroffen hatten. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass zumindest in Fällen, in denen das neue Tatgericht über die vom ersten Tatgericht zugesagte Strafrahmenobergrenze hinausgehen will, jedenfalls grundsätzlich ein Verwertungsverbot anzunehmen ist.
1. Nach § 243 Abs. 4 StPO ist über Erörterungen zu berichten, die außerhalb einer laufenden Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist. Davon ist auszugehen, sobald bei den Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Das ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt.
2. Die Mitteilungspflicht umfasst nicht nur die Tatsache, dass es solche Erörterungen gegeben hat, sondern erstreckt sich auch auf deren wesentlichen Inhalt. Dementsprechend ist darzulegen, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertraten und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils stieß. Das gilt auch dann, wenn eine Verständigung im Sinne des § 257c Abs. 3 StPO letztlich nicht zustande kam.
3. Zu den Voraussetzungen einer Verständigung über eine Strafrahmenverschiebung aufgrund eines besonders oder eines minder schweren Falles.
a) Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass eine Verständigung über die Vornahme oder das Unterlassen einer Strafrahmenverschiebung wegen des Vorliegens eines besonders schweren oder eines minder schweren Falles wie eine unzulässige Verständigung über den Schuldspruch einzustufen ist, ist nach Auffassung des Senats mit allgemeinen strafrechtsdogmatischen Grundsätzen kaum in Einklang zu bringen.
b) Allenfalls kann diese Sichtweise dann Gewicht erlangen, wenn es tatsächlich um die Anwendung eines Sonderstrafrahmens bezüglich einer Tat geht, die die tatbestandlich ausgekleideten Merkmale des Regelbeispiels eines besonders schweren (etwa § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB) oder die gesetzlich benannten Merkmale eines minder schweren Falles (etwa § 213 Alt. 1 StGB) erfüllt.
c) Bei den unbenannten minder schweren Fällen, deren Annahme oder Ablehnung nicht an gesetzlich umschriebene Ausformungen der Tatbegehung oder Tätermotivation anknüpft, sondern allein eine tatrichterliche Gesamtwürdigung aller strafzumessungsrelevanten Gesichtspunkte voraussetzt (hier: § 250 Abs. 3 StGB), fehlt es hingegen an jedem argumentativen Anknüpfungspunkt dafür, diese Gesamtwürdigung der Frage des
Schuldspruchs gleichzustellen und damit über § 257c Abs. 2 Sätze 1 und 3 StPO dem Bereich zulässiger Verständigungsgespräche zu entziehen.
4. Ein normativ begründetes Beruhen des Urteils auf einer unvollständigen Mitteilung von verständigungsbezogenen Gesprächen (BVerfG HRRS 2015 Nr. 174 und Nr. 176; dazu BGH HRRS 2015 Nr. 1125) scheidet jedenfalls dann aus, wenn feststeht, dass ein etwaiger unzulässiger Inhalt der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche in der Hauptverhandlung mitgeteilt wurde, so dass der nicht mitgeteilte Teil des Gesprächs ausschließlich der Verständigung nicht entzogene Inhalte umfasste.
1. Nach § 184 S. 1 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Nach bislang ständiger Rechtsprechung sind fremdsprachige Schreiben grundsätzlich unbeachtlich, auch wenn der Verfasser die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht. Die vom Europäischen Gerichtshof vorgenommene Einschränkung, wonach es für die Frage, ob ein fremdsprachig abgefasstes Schreiben von Amts wegen zu übersetzen und zu beachten ist darauf ankommt, ob es sich um ein für das Verfahren wesentliches Dokument handelt (EuGH HRRS 2016 Nr. 397), betrifft nur den nichtverteidigten Beschuldigten.
2. Die Annahme der Fluchtgefahr setzt kein sicheres Wissen um die sie begründenden Tatsachen voraus. Sie müssen nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen; vielmehr genügt derselbe Grad der Wahrscheinlichkeit wie bei der Annahme des dringenden Tatverdachts.
1. Dieses Vorhalte- und Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Strafzumessung; danach darf eine getilgte oder tilgungsreife Vorstrafe nicht zum Nachteil des Angeklagten, insbesondere nicht strafschärfend berücksichtigt werden (st. Rspr). Das Vorhalte- und Verwertungsverbot tilgungsreifer Bestrafungen und der zugrundeliegenden Taten gilt aber grundsätzlich auch für die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, sofern nicht eine der in § 52 BZRG aufgeführten Ausnahmen gegeben ist (vgl. BGHSt 57, 300, 302 ff.), und damit auch für das hier maßgebliche Berufsverbot gemäß § 70 StGB.
2. Das Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allgemeinheit oder auch nur ein bestimmter Personenkreis vor weiterer Gefährdung geschützt werden sollen. Es darf daher nur verhängt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird (vgl. BGH StV 2013, 699 mwN). Voraussetzung hierfür ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten den Richter zu der Überzeugung führt, dass die Gefahr, das heißt die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (vgl. BGHSt 28, 84, 85 f).
3. Zwar dient § 174c StGB in erster Linie dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung in Situationen, in denen dieses Rechtsgut aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der durch Krankheit oder Behinderung belasteten Rechtsgutsträger und der Eigenart von Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsverhältnissen typischer Weise besonders gefährdet ist (vgl. BGH NJW 2016, 2965 mwN). Der Tatbestand schützt aber auch „das hohe Berufsethos der Heilberufe und das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Gesundheitswesen“ (BT-Drucks. 13/2203, S. 5), so dass dieses dem gesetzlichen Tatbestand zu Grunde liegende Merkmal bei der Strafzumessung nicht nochmals zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden durfte.
1. Eine sachlich-rechtlich fehlerhafte – und damit trotz des eingeschränkten Prüfungsumfangs revisible – Beweiswürdigung hinsichtlich des Tötungseventualvorsatzes kann vorliegen, wenn dieser während der Begehung einer Raubtat verneint, dann aber bei identischer Tatsachengrundlage auf der Flucht bejaht wird, ohne dass der darin liegende Widerspruch in den Urteilsgründen aufgelöst wird.
2. Die aus Art. 104 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO folgende Pflicht, den Festgenomme-
nen unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme einem Richter vorzuführen, bedeutet, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss. Ein derartiger sachlicher Grund ist jedenfalls in der Regel u.a. dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte sich nach seiner Festnahme durch die Polizei bei dieser nach ordnungsgemäßer Belehrung zu seiner Person und zur Sache einlässt.
3. Es begründet auch regelmäßig keinen Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO, wenn dem einlassungsbereiten Festgenommenen vor der Vorführung beim Richter Angaben von Mitbeschuldigten vorgehalten werden.
1. Eine Inbegriffsrüge bleibt ohne Erfolg, wenn der geltend gemachte Verstoß gegen § 261 StPO mit den Mitteln des Revisionsverfahrens nicht nachweisbar ist.
2. Aus dem Umstand, dass ein bestimmtes Beweisergebnis in den schriftlichen Urteilsgründen keine Erwähnung findet, kann nur dann auf die unterbliebene Berücksichtigung dieses Ergebnisses bei der tatrichterlichen Überzeugungsbildung geschlossen werden, wenn der Umstand nach der zum Zeitpunkt der Urteilsfindung gegebenen Beweislage erörterungsbedürftig gewesen wäre.
1. Eine Darlegung der eigenen Sachkunde des Gerichts ist nach § 244 Abs. 6 StPO zunächst im Ablehnungsbeschluss vorzunehmen gewesen, um der Verteidigung eine Reaktion hierauf noch in der Hauptverhandlung zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung genügt gegebenenfalls auch eine Darlegung der Sachkunde des Gerichts in den Urteilsgründen (vgl. BGHSt 12, 18, 20). Die Anforderungen, die an die Darlegung der eigenen Sachkunde im Urteil zu stellen sind, richten sich nach der Schwierigkeit der konkret zu beurteilenden Beweisfrage, die Art und Umfang des erforderlichen Spezialwissens bestimmt. Erfordert die Materie eine besondere Ausbildung oder kontinuierliche wissenschaftliche oder praktische Erfahrung, sind die Anforderungen an die Darlegungspflicht erhöht.
2. Die Frage, ob mit Mitteln der Bildbearbeitung und Raumvermessung näherer Aufschluss über die Größe der auf Fotos abgebildeten Personen zu gewinnen ist, zählt nicht zu allgemein vorhandenem Wissen, auf das Tatrichter ohne weiteres zurückgreifen können. Es bedarf deshalb besonderer Darlegungen zur eigenen Sachkunde des Gerichts.
1. Auch bei einer rechtskräftigen Verweisung nach § 17a Absatz 2 Satz 3 GVG sind Ausnahmefälle denkbar, in denen die bindende Wirkung entfällt (vgl. BGH(Z) NJW 2014, 2125 f.) Danach kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Verweisung nach objektiven Maßstäben sachlich unter keinem Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen, daher willkürlich und der Rechtsfehler als extremer Verstoß gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren ist (oder wenn der Beschluss jeder Grundlage entbehrt oder dazu führt, dass die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen sich in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat (vgl. BAG NJW 2006, 1371).
2. Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entsprechend anwendbar, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist, etwa weil es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der infrage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (vgl. BAG NJW 2016, 3469). Zuständig für die Zuständigkeitsbestimmung ist derjenige oberste Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (vgl. BAG NJW 2016, 3469).
1. Der Senat lässt offen, ob und unter welchen Voraussetzungen neben den an dem Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichten und Staatsanwaltschaften ein Betroffener mit der Behauptung, durch einen Zuständigkeitsstreit in seinen Rechten verletzt zu sein, sich unmittelbar an den Bundesgerichtshof wenden kann. Ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs ist jedenfalls nur dann veranlasst, wenn sich dem Vorbringen des Antragstellers Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass eine schützenswerte Rechtsposition des Antragstellers tangiert sein kann, dass nämlich tatsächlich ein Zuständigkeitsstreit zwischen verschiedenen Gerichten besteht, und der Bundesgerichtshof als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung berufen sein kann.
2. Der Senat lässt auch offen, ob im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung die Gewährung von Prozesskostenhilfe oder die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Pflichtverteidigers überhaupt möglich sind.
Der pauschale Verweis auf ein molekulargenetisches Gutachten ohne nähere Darstellung der Anknüpfungstatsachen und der Ausführungen des Gutachters genügt in der Regel nicht den von der Rechtsprechung formulierten Anforderungen an die Auseinandersetzung mit entsprechenden Gutachten (näher zu diesen Anforderungen BGH HRRS 2016 Nr. 616).
Ist die Einhaltung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage offensichtlich, bedarf es ausnahmsweise nicht des Vortrags und der Glaubhaftmachung, wann das der rechtzeitigen Vornahme der versäumten Handlung entgegenstehende Hindernis weggefallen ist und der Angeklagte davon Kenntnis erhalten hat.
Das Tatgericht verweist in unzulässiger Weise auf Erkenntnisquellen außerhalb des eigenen Urteils, wenn es Erwägungen, die für die Gesamtstrafenbildung von Bedeutung sind, ihrem wesentlichen Inhalt nach im vorliegenden Urteil nicht wiedergibt. Soweit Umstände für die Zumessung der Gesamtstrafe gemäß § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmend gewesen sind, müssen sie in den Urteilsgründen mitgeteilt werden; insoweit ist eine Bezugnahme auf den Inhalt eines anderen Urteils unzulässig.
1. Maßgebend für die Bestimmung des zuständigen Gerichts ist der das gerichtliche Verfahren einleitende Antrag. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sind Anträge nach §§ 109 ff. StVollzG sachdienlich, d.h. in einer Weise auszulegen, die den erkennbaren Interessen des Antragstellers bestmöglich Rücksicht trägt.
2. Der Vollzugsplan (bzw. seine regelmäßig vorzunehmende Fortschreibung) dient der Konkretisierung des Vollzugsziels im Blick auf den einzelnen Gefangenen und bildet einen Orientierungsrahmen zum Behandlungsverlauf, in dem die richtungsweisenden Grundentscheidungen festgelegt werden. Aufgrund dieser Funktion bewirkt er zugunsten des Gefangenen eine Selbstbindung der Verwaltung, die nach einer Verlegung auch für die übernehmende Anstalt gilt.
3. Der Gefangene darf daher bei ihn begünstigende Regelungen eines Vollzugsplans darauf vertrauen, dass sich auch die übernehmende Vollzugsbehörde an diese hält. Soweit Regelungen eines Vollzugsplans den Gefangenen belasten, ist die Vollzugsanstalt, in der sich der Gefangene nach der Verlegung befindet, nicht gehindert, davon zugunsten des Gefangenen abzuweichen. Dies gilt erst recht dann, wenn sich die für die Regelung maßgeblichen Umstände seit der letzten Vollzugsplanfortschreibung geändert haben.
4. Ungeachtet der Möglichkeit, bei einer neuen Vollzugsanstalt die Gewährung einer konkreten Lockerungsmaßnahme zu beantragen, kann ein Gefangener mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Verpflichtung der für die Vollzugsplanfortschreibung verantwortlichen früheren Anstalt erstreben, die Regelung zu korrigieren und dadurch die neue Vollzugsanstalt zu seinen Gunsten zu binden.
4. Die Justizvollzugsanstalt, die eine angefochtene Maßnahme angeordnet hat, ist die gem. § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG am gerichtlichen Verfahren beteiligte Vollzugsbehörde. Nur sie ist auch in der Lage, die für die Vollzugsplanfortschreibung maßgeblichen Erwägungen darzulegen. Deren Relevanz folgt daraus, dass für die gerichtliche Entscheidung über einen Verpflichtungsantrag auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme abzustellen ist.