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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2015
16. Jahrgang
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1. Der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB ist auf den vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b StGB nicht anwendbar. (BGHSt)
2. Obgleich § 46a StGB nach seinem Wortlaut in beiden Varianten für alle Delikte gilt), können sich aus den verschiedenen tatbestandlichen Voraussetzungen, die in den Nummern 1 und 2 der Bestimmung festgeschrieben sind, Anwendungsbeschränkungen ergeben (vgl. BGH NStZ 1995, 492). Im Gegensatz zu § 46a Nr. 2 StGB, der vorwiegend den materiellen Schadensausgleich betrifft, zielt § 46a Nr. 1 StGB vorrangig auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat ab. Dazu bedarf es eines kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt ist. Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren (st. Rspr.). Dies und der Wortlaut des § 46a Nr. 1 StGB schließen eine Anwendung dieser Vorschrift auf „opferlose“ Delikte aus. (Bearbeiter)
3. Bezugspunkt für den Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB, soweit er zu einem vertypten Strafmilderungsgrund führt, ist der konkret verwirklichte Straftatbestand. Hat der Täter tateinheitlich mehrere Delikte begangen, führt dies dazu, dass im Hinblick auf jede der konkurrierenden Gesetzesverletzungen gesondert zu prüfen ist, inwieweit ein die Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB ermöglichender Opferbezug besteht und – bejahendenfalls – ob ein gelungener Ausgleich mit dem betroffenen Opfer erfolgt ist. Ist dies lediglich in Bezug auf eines oder mehrere der konkurrierenden Delikte der Fall, kann dem Täter § 46a StGB als vertypter Strafmilderungsgrund auch nur insoweit zugute kommen. (Bearbeiter)
4. § 315b StGB schützt die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs (vgl. BGH NStZ 2004, 625). Die in der Norm aufgezählten Individualrechtsgüter (Leben, Gesundheit und bedeutende Sachwerte der durch den Eingriff betroffenen Verkehrsteilnehmer) werden dabei lediglich faktisch mit geschützt (vgl. BGHSt 48, 119, 123). (Bearbeiter)
1. Eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO setzt nicht voraus, dass eine Beschlagnahme nach § 111c StPO vorgenommen oder ein Arrest nach § 111d StPO (wirksam) angeordnet wurde und/oder im Zeitpunkt der Feststellung, also des Urteils, noch besteht. (BGHSt)
2. Der Umstand, dass über das Vermögen eines von der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO Betroffenen ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, steht dieser Feststellung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Staat hierdurch (lediglich) – aufschiebend bedingt – einen Zahlungsanspruch erwirbt. (BGHSt)
3. Nach § 73 Abs. 3 StGB kann der Verfall auch gegen einen Dritten angeordnet werden, wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt hat und dieser dadurch etwas erlangt hat. Dabei verlangt Handeln für einen anderen zwar keinen echten oder gar offenen, nach außen erkennbaren Vertretungsfall, aber der Handelnde muss bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat auch, und sei es nur faktisch, im Interesse des Dritten gehandelt haben. In Fällen, in denen der erlangte Gegenstand nicht im Rahmen der Tat selbst, sondern erst durch vermittelnde Rechtsgeschäfte zu dem Dritten gelangt ist, bedarf es für die Zurechnung aber jedenfalls eines Bereicherungszusammenhangs zwischen
der Tat und dem Eintritt des Vorteils bei dem Dritten. (Bearbeiter)
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, ob bei Vorliegen eines Regelbeispiels die Indizwirkung für die Annahme eines besonders schweren Falles entfallen kann, hat der Tatrichter zwar grundsätzlich alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen, doch kann entsprechend dem Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB zum Beispiel die Gewerbsmäßigkeit des Handelns, die als Regelbeispiel zur Prüfung eines besonders schweren Falles führt, nicht als Umstand herangezogen werden, um ein Absehen von der durch die Gewerbsmäßigkeit begründeten Regelwirkung zu verneinen.
1. Die wiederholte Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB gegenüber einem bereits in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die setzt aber voraus, dass der erneute Maßregelausspruch in besonderer Weise mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang steht. Hierbei ist maßgeblich, ob die erneute Unterbringungsanordnung zur Erreichung des Maßregelziels der Besserung und Sicherung geeignet und erforderlich ist, weil von ihr Wirkungen ausgehen, die der erste Maßregelausspruch nach § 63 StGB nicht zeitigt.
2. Die Feststellungen des Urteils zu einer neuerlichen Tat des bereits Untergebrachten verlieren ihre Bedeutung für die Überzeugungsbildung der Strafvollstreckungskammer vom Vorliegen bestimmter Tatsachen nicht dadurch, dass der Tenor der Entscheidung auf „Ablehnung des Antrags der Staatsanwaltschaft“ oder auf „Absehen von der Unterbringung“ lautet.
Die Therapieunwilligkeit des Angeklagten ist nur ein Indiz für das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht. Es bedarf regelmäßig der Prüfung, ob die konkrete Aussicht besteht, die Therapiebereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung zu wecken.
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr).
2. An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 337, 338).
3. Dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine erheblichen Straftaten begangen hat, ist ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger solcher Straftaten (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 198, 199).
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und daher nur unter sorgfältiger Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen angeordnet werden darf. Das gilt nicht nur für die Feststellung des die Anordnung rechtfertigenden Zustands (vgl. BGHSt 49, 347, 351 f.), sondern gleichermaßen für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gefährlichkeitsprognose. Eine erschöpfende Abwägung der maßgeblichen Umstände und ihre Erörterung in den Urteilsgründen ist jedenfalls dann erforderlich, wenn unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) ein Grenzfall gegeben ist.
Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB allein an der Rechtskraft der früheren Verurteilung an. Die (sachliche) Richtigkeit dieser Entscheidung hat das neu entscheidende Gericht grundsätzlich nicht zu prüfen (vgl. BGHSt 8, 269, 271). Dieser Grundsatz kann auch nicht im Rahmen der Entscheidung gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB umgangen werden, zumal das dort eingeräumte Ermessen (allein) nach Strafzumessungsgesichtspunkten auszuüben ist (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 264).