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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 104

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 60/14, Urteil v. 04.12.2014, HRRS 2015 Nr. 104


BGH 4 StR 60/14 - Urteil vom 4. Dezember 2014 (LG Dortmund)

BGHSt 60, 75; Verfall (entgegenstehende Ansprüche Dritter: Voraussetzungen einer Feststellung im Urteil; Anordnung des Verfalls gegen Dritte: Voraussetzungen).

§ 111i Abs. 2 StPO; § 73 Abs. 3 StGB

Leitsätze

1. Eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO setzt nicht voraus, dass eine Beschlagnahme nach § 111c StPO vorgenommen oder ein Arrest nach § 111d StPO (wirksam) angeordnet wurde und/oder im Zeitpunkt der Feststellung, also des Urteils, noch besteht. (BGHSt)

2. Der Umstand, dass über das Vermögen eines von der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO Betroffenen ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, steht dieser Feststellung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Staat hierdurch (lediglich) - aufschiebend bedingt - einen Zahlungsanspruch erwirbt. (BGHSt)

3. Nach § 73 Abs. 3 StGB kann der Verfall auch gegen einen Dritten angeordnet werden, wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt hat und dieser dadurch etwas erlangt hat. Dabei verlangt Handeln für einen anderen zwar keinen echten oder gar offenen, nach außen erkennbaren Vertretungsfall, aber der Handelnde muss bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat auch, und sei es nur faktisch, im Interesse des Dritten gehandelt haben. In Fällen, in denen der erlangte Gegenstand nicht im Rahmen der Tat selbst, sondern erst durch vermittelnde Rechtsgeschäfte zu dem Dritten gelangt ist, bedarf es für die Zurechnung aber jedenfalls eines Bereicherungszusammenhangs zwischen der Tat und dem Eintritt des Vorteils bei dem Dritten. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 5. März 2013 aufgehoben, soweit das Landgericht in den Fällen V.2. und V.3. der Urteilsgründe eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO zum Nachteil der I. GmbH unterlassen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Für die Entscheidung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 5. März 2013, mit dem der Arrest in das Vermögen der I. GmbH aufgehoben wurde, ist nicht der Bundesgerichtshof, sondern das Oberlandesgericht Hamm zuständig. An dieses wird das Verfahren insoweit abgegeben.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Untreue unter Einbeziehung der im Strafbefehl vom 25. August 2008 wegen (Einkommens- und Umsatz-)Steuerhinterziehung verhängten sieben Einzelfreiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten sowie wegen Betruges in drei Fällen, wegen Untreue und wegen Urkundenfälschung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten Ho. hat es - bei Freispruch im Übrigen - wegen Urkundenfälschung und zwei Fällen der Beihilfe zur Untreue eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dieselbe Strafe hat das Landgericht gegen den Angeklagten S. wegen Betruges in zwei Fällen und wegen Beihilfe zur Untreue verhängt.

Gegen das Urteil wurden zunächst von allen Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. Die Angeklagten haben ihre Revisionen inzwischen zurückgenommen, ebenso hat die Staatsanwaltschaft ihre Revisionen hinsichtlich aller drei Angeklagten zurückgenommen. Mit ihrer - verbleibenden - Revision rügt die Staatsanwaltschaft, dass es die Strafkammer unterlassen hat, hinsichtlich der I. GmbH eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO zu treffen. Ferner hat sie Beschwerde gegen den Beschluss der Strafkammer vom 5. März 2013 eingelegt, mit dem ein angeordneter Arrest in das Vermögen der I. GmbH aufgehoben worden war. Die - verbleibende - Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; für die Entscheidung über die von ihr eingelegte Beschwerde ist der Senat nicht zuständig.

I.

1. Das Landgericht hat - soweit nach den Rechtsmittelrücknahmen noch von Bedeutung - im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte H. beherrschte im Tatzeitraum 2007/2008 die R. Gruppe, bei deren Unternehmen damals auch die Angeklagten Ho. und S. beschäftigt waren. Die Gruppe bestand damals aus der R. GmbH (im Folgenden: R. A.), der AR. Handelsgesellschaft mbH (im Folgenden: AR.) und der L. GmbH & Co KG (im Folgenden: L.). Alle diese Unternehmen befassten sich mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb von Zubehör und Teilen für Pkws, insbesondere bzw. ausschließlich mit dem von Felgen und/oder Reifen.

Der Angeklagte H. war damals alleiniger Geschäftsführer und mit seiner Ehefrau Inhaber sämtlicher Gesellschaftsanteile der von ihm 1978 als Re. GmbH gegründeten, 1988 umfirmierten R. A. Ferner führte er als Einzelkaufmann die R. R. e.K. (im Folgenden: R. R.) und war alleiniger Geschäftsführer der R. P., deren einzige Gesellschafterin die R. A. war. Außerhalb der R. Gruppe stand ferner die vom Angeklagten H. 2005 in der Schweiz gegründete R. S. A.G. (im Folgenden: R. S.), deren Präsident bis zum Juli 2007 der Angeklagte H. war, der auch in der Folgezeit alle unternehmerischen Entscheidungen traf; das Aktienkapital hielt bis zum Juli 2007 die R. A. und seitdem die Ehefrau des Angeklagten H. .

Ab 2001 war der Angeklagte Ho. - neben seiner Tätigkeit für die R. Gruppe - zudem geschäftsführender Alleingesellschafter der vom Angeklagten H. noch unter anderem Namen gegründeten und "faktisch" stets geleiteten I. GmbH (im Folgenden: I.).

Ab dem Jahreswechsel 2006/2007 begann die "Talfahrt" der bis dahin erfolgreich wirtschaftenden R. Gruppe und ab Mitte 2007 hielt der Angeklagte H. es für möglich, dass die R. Gruppe in Insolvenz gerät und entschloss sich, Vorkehrungen für diesen Fall zu treffen, um seine geschäftlichen Aktivitäten "möglichst nahtlos" mit der nicht zu der Gruppe gehörenden R. S. sowie der I. fortsetzen zu können. Mitte Oktober 2008 wurden - unter anderem vom Angeklagten H. - Anträge auf Eröffnung von Insolvenzverfahren über die Vermögen der R. A., der AR. und der L. gestellt, denen das Amtsgericht am 8. Januar 2009 entsprach. Am 4. November 2008 beantragte der Angeklagte H. zudem die Einleitung eines Privatinsolvenzverfahrens über sein Vermögen, das im August 2009 eröffnet wurde. Auch hinsichtlich der Vermögen der I., der R. P. sowie der Nachfolgegesellschaft der R. S. laufen inzwischen Insolvenzverfahren.

Die infolge der Rechtsmittelrücknahmen rechtskräftigen Schuldsprüche betreffen Betrugstaten zum Nachteil verschiedener Banken und eines weiteren Unternehmens in Zusammenhang mit der Gewährung von Darlehen und Kontokorrentkrediten, ferner zum Nachteil von Lieferanten von Reifen und von Aluminium-Gusslegierungen sowie eine Urkundenfälschung, die aus steuerlichen Gründen zu einer Bilanzmanipulation führen sollte. Für das - verbleibende - Rechtsmittelverfahren von Bedeutung sind insbesondere folgende Feststellungen der Wirtschaftsstrafkammer:

(1.) Im März 2008 beschlossen die Angeklagten H. und Ho., dass die I. nicht mehr alle Reifenlieferungen der R. A. bezahlen soll. Dementsprechend fertigte der hierfür zuständige Angeklagte Ho. für die zwischen 1. April und 16. Oktober 2008 gelieferten Reifen in Umsetzung der mit dem Angeklagten H. getroffenen Absprache Rechnungen, die tatsächlich gelieferte 20.679 Reifen im Wert von 1.583.727,55 € nicht auswiesen. Dieser Betrag wurde von der I. auch nicht bezahlt.

Die Tat (Fall V.2. der Urteilsgründe) wurde vom Landgericht als Untreue des Angeklagten H. zum Nachteil der R. A. und beim Angeklagten Ho. als Beihilfe hierzu gewertet.

(2.) Im Jahr 2008 entschloss sich der Angeklagte H., den zur Erfüllung einer Bewährungsauflage nach der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung erforderlichen Betrag von 1 Mio. € dem Vermögen der R. Gruppe zu entnehmen. Hierzu sollte die R. A. von der L. für 1 Mio. € (netto) eine Lackieranlage kaufen; diesen Betrag wollte der Angeklagte H. anschließend dem Vermögen der L. entnehmen.

Der in diesen Plan eingeweihte Angeklagte S. fertigte im Juni 2008 eine entsprechende Rechnung und überwies am 23. Juni 2008 vom Konto der R. A. 1.190.000 € an die L. Da der Angeklagte H. das Geld in dem Steuerstrafverfahren noch nicht benötigte, beschloss er, dieses zunächst der I. darlehensweise zu überlassen. Nach Absprache mit den Angeklagten Ho. und S. überwies daraufhin der Angeklagte S. den Betrag auf ein Konto des Angeklagten Ho. ; zudem schlossen dieser (als Geschäftsführer der I.) und der Angeklagte H. einen entsprechenden Darlehensvertrag. Am 1. Juli 2008 ging das Geld auf dem Konto der I. ein. Später überwies der Angeklagte Ho. von einem Konto der I. insgesamt 470.000 € an den Angeklagten H., der diesen Betrag in Zusammenhang mit seinem Steuerstrafverfahren verwendete.

Auch diese Tat (Fall V.3. der Urteilsgründe) wurde vom Landgericht als Untreue des Angeklagten H. zum Nachteil der R. A. und bei den Angeklagten Ho. und S. als Beihilfe hierzu gewertet.

2. Mit ihrer - verbleibenden - Revision rügt die Staatsanwaltschaft, dass es die Strafkammer unterlassen hat, hinsichtlich der I. eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO über 2.583.727,55 € zu treffen. Eine solche Feststellung sei geboten, weil die I. aus dem Verkauf der Lackieranlage 1 Mio. € und aus den nicht in Rechnung gestellten Reifenlieferungen 1.583.727,55 € erlangt habe. Hinsichtlich der gegen die Aufhebung des Arrestbeschlusses des Amtsgerichts Bochum vom 22. Juni 2011 von der Staatsanwaltschaft eingelegten Beschwerde sieht die Strafkammer, die der Beschwerde nicht abgeholfen hat, die Entscheidungszuständigkeit beim Senat.

3. Das Urteil enthält keinerlei Ausführungen zu § 111i StPO.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die von ihr erhobene Rüge, mit der sie das Unterlassen einer Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO in den Fällen V.2. und V.3. der Urteilsgründe zum Nachteil der I. beanstandet, ist begründet. Auf diese Fälle ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft wirksam beschränkt.

1. Ob der Tatrichter eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO trifft, steht zwar in seinem Ermessen ("kann"; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN) und unterliegt daher nur der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - 5 StR 306/12, BGHSt 58, 152). Unterlässt er es aber, eine solche Entscheidung zu treffen und lässt sich dem Urteil - mangels jeglicher Ausführungen hierzu - auch nicht entnehmen, warum er von seinem Ermessen in entsprechender Weise Gebrauch gemacht hat oder aus welchen sonstigen Gründen er eine solche Entscheidung nicht getroffen hat, so liegt hierin jedenfalls dann ein Rechtsfehler im Sinn des § 337 StPO, wenn eine entsprechende Feststellung nahe liegt.

2. Ein solcher Rechtsfehler liegt hier vor. Denn das angefochtene Urteil enthält keine Ausführungen zu § 111i Abs. 2 StPO, obwohl nahe liegt, dass eine solche Feststellung in Betracht kam und das Landgericht davon ausging, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I. stehe - aus Rechtsgründen - einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO entgegen. Dies trifft indes nicht zu. Auch ist aus anderen Gründen eine solche Feststellung nicht von vorneherein ausgeschlossen.

a) Eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO setzt insbesondere nicht voraus, dass eine Beschlagnahme nach § 111c StPO vorgenommen oder ein Arrest nach § 111d StPO (wirksam) angeordnet wurde und/oder im Zeitpunkt der Feststellung, also des Urteils, noch besteht. Es bedarf daher keiner Entscheidung darüber, ob die Strafkammer den angeordneten Arrest zu Recht aufgehoben hat.

aa) Zwar könnte die systematische Stellung des § 111i Abs. 2 StPO (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - 5 StR 306/12, NJW 2013, 950; Rogall in SK-StPO, 4. Aufl., Vor §§ 111b ff. Rn. 2) sowohl in der Strafprozessordnung, als auch in den §§ 111b ff. StPO sowie in § 111i StPO dafür sprechen, dass es sich bei § 111i Abs. 2 StPO nicht um eine §§ 73, 73a StGB ergänzende, zumindest auch materiell-rechtliche Regelung handelt. Auch deuten Äußerungen des Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien darauf hin, dass dieser davon ausging, § 111i Abs. 2 StPO käme nur dann zur Anwendung, wenn eine Beschlagnahme nach § 111c StPO vorgenommen oder ein Arrest nach § 111d StPO angeordnet wurde, da durch den Auffangrechtserwerb des Staates verhindert werden soll, dass das durch die Straftat Erlangte oder dessen Wert an den Täter zurückfällt, wenn die Opfer ihre Ansprüche nicht geltend machen und die Zwangsvollstreckung in die vorläufig sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte nicht betreiben (BT-Drucks. 16/700 S. 1, 8, 9 sowie insbesondere S. 14 und 16/2021 S. 1, 4; dazu auch BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07, NJW 2008, 1093). Es soll verhindert werden, dass gesicherte "Vermögenswerte wieder dem Täter zurückgegeben werden müssen" (BT-Drucks. 16/700 S. 8; dazu auch Rogall in SK-StPO, aaO, § 111i Rn. 3 mwN; vgl. ferner BT-Drucks. 16/700 S. 9: "... fallen die gesicherten Werte dem Staat anheim", S. 10: "... gehen die nach § 111c StPO beschlagnahmten Gegenstände mit Ablauf der Frist auf den Staat über. Zugleich kann der Staat die auf der Grundlage des dinglichen Arrestes gesicherten Vermögensgegenstände verwerten" sowie S. 16: "Es ist nicht vorstellbar, dass ein Gericht Feststellungen nach Absatz 2 trifft, ohne die Sicherungsmaßnahmen aufrecht zu halten"; ähnlich etwa Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 111i Rn. 15: "Einen Zahlungsanspruch erwirbt der Staat, soweit Ansprüche des Verletzten im Wege des (aufrechterhaltenen) dinglichen Arrests (§ 111d) gesichert worden sind.").

bb) Jedoch gebietet der Wortlaut von § 111i Abs. 2 StPO eine solche einschränkende Auslegung nicht. Vielmehr sieht § 111i Abs. 2 Satz 4 unter anderem vor, dass trotz einer bereits erfolgten "Verfügung" des Verletzten im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung (Nr. 1; dazu auch Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 111i Rn. 9b mwN) eine Feststellung nach dieser Vorschrift erfolgen kann. Hierdurch soll das Gericht den "Rahmen des möglichen späteren Auffangrechtserwerbs" vorgeben, indem es "den Umfang der insoweit erlangten Vermögenswerte unter Berücksichtigung der möglichen zwischenzeitlichen Restitution bestimmt" (BT-Drucks. 16/700 S. 15), was belegt, dass die Feststellung weiter gehen kann als eine infolge Beschlagnahme oder Arrestanordnung bereits durchgeführte "Restitution" (vgl. auch Johann in LR-StPO, 26. Aufl., § 111i Rn. 47: "Eines Vollstreckungstitels [nach § 111i Abs. 6 Satz 1 StPO] bedarf der Staat ... nur in den Fällen, in denen er einen Zahlungsanspruch erhält, der sich nicht auf ein bestehendes Arrestpfandrecht bezieht.").

Die systematische Stellung des § 111i Abs. 2 StPO erfordert ebenfalls nicht eine Beschränkung dessen Anwendungsbereichs auf Fälle, in denen eine Beschlagnahme nach § 111c StPO vorgenommen oder ein Arrest nach § 111d StPO angeordnet wurde. Zwar hat die Vorschrift vorrangig die Sicherung und Durchsetzung der Ansprüche des Verletzten im Blick. Ferner regelt § 111i Abs. 5 Sätze 2 bis 4 StPO (zu diesen: Rogall in SK-StPO, aaO, § 111i Rn. 46) die Zwangsvollstreckung sowie die Folgen des Auffangrechtserwerbs insbesondere in den Fällen des § 73a StGB abweichend von § 459g Abs. 2 StPO und den dort in Bezug genommenen Vorschriften. Jedoch ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Recht anerkannt, dass der Auffangrechtserwerb nach § 111i Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 StPO rechtsdogmatisch eine Modifizierung der materiell-rechtlichen Regelung zum Ausschluss des Verfalls nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB darstellt und dem nicht entgegensteht, dass die Regelung in die Strafprozessordnung aufgenommen wurde (BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07, NJW 2008, 1093, 1094). Die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO bezieht sich somit nicht nur auf die Sicherung und Durchsetzung der Ansprüche der Verletzten, sondern bildet zudem die materiell-rechtliche Grundentscheidung für eine aufschiebend bedingte Verfallanordnung zu Gunsten des Staates, die dann zum Tragen kommt, wenn die vorrangigen Ansprüche der Verletzten nicht innerhalb der Frist des § 111i Abs. 3 StPO geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07, NJW 2008, 1093, 1094; Beschlüsse vom 19. Februar 2008 - 1 StR 596/07, wistra 2008, 221; vom 19. Februar 2008 - 1 StR 503/07, StV 2008, 226; vom 23. Oktober 2008 - 1 StR 535/08, NStZ-RR 2009, 56 f.; vom 17. Februar 2010 - 2 StR 524/09, BGHSt 55, 62, 64; vom 2. Juli 2009 - 3 StR 219/09). Dieses Verständnis eines - von einem angeordneten Arrest oder einer vorgenommenen Beschlagnahme unabhängigen - materiell-rechtlichen Entscheidungsgehalts der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO entspricht ersichtlich auch dem Willen des Gesetzgebers, der hinsichtlich der "sich aus § 111i Abs. 2 bis 8 StPO-E ergebenden möglichen Belastungen für den Verurteilten" (ausdrücklich) die für materiell-rechtliche Vorschriften geltende Regelung des § 2 StGB für anwendbar erachtet und dargelegt hat, dass es sich (nur) "ansonsten um Änderungen des Verfahrensrechts" handelt (BT-Drucks. 16/700 S. 20; dazu auch BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - 1 StR 535/08, NStZ-RR 2009, 56, 57).

Vor allem aber spricht der mit den Ergänzungen der §§ 111b ff. StPO - auch der Einfügung von § 111i StPO - verfolgte Gesetzeszweck gegen eine Beschränkung des Auffangrechtserwerbs des Staates auf Fälle, in denen eine Beschlagnahme nach § 111c StPO vorgenommen oder ein Arrest nach § 111d StPO angeordnet wurde. Denn mit diesen Regelungen sollte neben dem Opferschutz die strafrechtliche "Vermögensabschöpfung ... im Interesse ... einer effektiven Strafrechtspflege" verbessert und verhindert werden, "dass Verbrechen sich lohnt" (BT-Drucks. 16/700 S. 8; zur Gesetzesgeschichte auch Rogall in SK-StPO, aaO, Vor §§ 111b ff. Rn. 7 ff., § 111i Rn. 4). Dementsprechend soll mit dem Auffangrechtserwerb des Staates auch verhindert werden, dass das aus der Straftat Erlangte dem Täter belassen werden muss (ebenso Rogall in SK-StPO, aaO, Vor §§ 111b ff. Rn. 3). Dieser Zweck kann indes nur erreicht werden, wenn die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO ohne oder über angeordnete Beschlagnahmen oder Arreste hinaus getroffen werden kann.

b) Auch der Umstand, dass über das Vermögen eines von der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO Betroffenen ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, steht dieser Feststellung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Staat hierdurch (lediglich) - aufschiebend bedingt - einen Zahlungsanspruch erwirbt.

Dabei bedarf keiner Entscheidung, welche Auswirkungen und Folgen die Beantragung oder Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf einen - wie hier - bereits angeordneten Arrest hat (vgl. dazu - aus neuerer Zeit - einerseits OLG Nürnberg, Beschlüsse vom 15. März 2013 - 2 Ws 561/12 u.a., ZWH 2013, 225 m. Anm. Mahler/Tekin; vom 8. November 2013 - 2 Ws 508/13, Anm. Neußner, EWiR 2014, 199; andererseits KG, Beschluss vom 10. Juni 2013 - 2 Ws 190/13 u.a., wistra 2013, 445, Anm. Hansen, EWiR 2014, 99; OLG Hamm, NStZ 2014, 344; ferner OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. November 2013 - 3 Ws 327/13, ZWH 2014, 236 m. Anm. Bittmann = ZInsO 2014, 608 m. Anm. Weyand; sowie Markgraf, NZG 2013, 1014; Bittmann, ZWH 2014, 135). Auch muss der Senat nicht abschließend klären, ob es sich bei einem auf einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO beruhenden Zahlungsanspruch um eine Insolvenzforderung handelt oder ob der Staat in einem solchen Fall als anderer Gläubiger, etwa als Neugläubiger, zu behandeln ist, der während des Insolvenzverfahrens beispielsweise in den nach § 850f ZPO erweitert pfändbaren Teil von Bezügen des Schuldners vollstrecken kann (§ 89 Abs. 2 Satz 2 InsO; vgl. zur entsprechenden Rechtsprechung beim prozessualen Kostenerstattungsanspruch in Zusammenhang mit Ansprüchen auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung: BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - IX ZB 57/12, NZI 2014, 310 mwN).

Wäre der Staat als Gläubiger eines auf einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO beruhenden Zahlungsanspruchs ein anderer Gläubiger als der einer Insolvenzforderung, stünde ein bereits eingeleitetes Insolvenzverfahren weder dieser Feststellung noch deren Durchsetzung von vorneherein entgegen (vgl. § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO sowie Kroth in Braun, InsO, 6. Aufl., § 89 Rn. 7 ff. und - beispielhaft - § 53 Rn. 8; ferner Rogall in SK-StPO, aaO, Vor §§ 111b ff. Rn. 46 f.).

Aber auch eine Stellung als Insolvenzgläubiger stünde der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO nicht entgegen. Dann würde zwar gemäß § 88 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Sicherheit unwirksam, welche der Insolvenzgläubiger nach dem Antrag auf Insolvenzeröffnung durch Zwangsvollstreckung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen erlangt hat (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 41/05, NJW 2007, 3350 mwN). Zudem untersagt § 89 Abs. 1 InsO während der Dauer des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung einzelner Insolvenzgläubiger - auch von Deliktsgläubigern - in die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - IX ZB 57/12, NZI 2014, 310, 311). Dieses Verbot gilt jedoch nicht für bloße Vorbereitungsmaßnahmen der Zwangsvollstreckung (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 - IX ZB 57/12, NZI 2014, 310, 311), wozu die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO allenfalls zählt. Auch steht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein laufendes Insolvenzverfahren einer Verfallanordnung nach §§ 73, 73a StGB nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 253; vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 312; ferner Rogall in SK-StPO, aaO, Vor §§ 111b ff. Rn. 46); ein durch diese begründeter Zahlungsanspruch erhält - anders als der gemäß § 38 InsO zu behandelnde Anspruch des Verletzten - den Rang einer "Nebenfolge einer Straftat" gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - IX ZR 138/09, NZI 2010, 607). Steht mithin ein laufendes Insolvenzverfahren einer Verfallanordnung nach §§ 73, 73a StGB nicht entgegen, so kann während eines Insolvenzverfahrens erst Recht jedenfalls dann eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO getroffen werden, wenn diese lediglich einen Zahlungsanspruch des Staates aufschiebend bedingt begründet (vgl. zu letzterem BGH, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07, NJW 2008, 1093, 1094; Beschlüsse vom 19. Februar 2008 - 1 StR 596/07, wistra 2008, 221; vom 19. Februar 2008 - 1 StR 503/07, StV 2008, 226; vom 23. Oktober 2008 - 1 StR 535/08, NStZ-RR 2009, 56 f.; vom 17. Februar 2010 - 2 StR 524/09, BGHSt 55, 62, 64; vom 2. Juli 2009 - 3 StR 219/09; vgl. auch Rogall in SK-StPO, aaO, § 111i Rn. 41 f.; anders ders. in Rn. 40 für den hier nicht zu entscheidenden Fall des Eigentumserwerbs; zur Beschlagnahme auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 15. März 2013 - 2 Ws 561/12 u.a., NZI 2013, 552, 557). Hierfür spricht auch, dass eine solche Feststellung weder einen etwaigen "Vorrang" der insolvenzrechtlichen Vorschriften in Frage stellt, noch zu unangemessenen Folgen oder unlösbaren Konflikten mit diesen Vorschriften führt, sondern sogar anerkannt ist, dass ein solcher Anspruch wieder geltend gemacht werden kann, wenn das Insolvenzverfahren beendet ist (§ 201 Abs. 1 InsO), und ein Anspruch aus unerlaubter Handlung auch von einer erteilten Restschuldbefreiung nicht erfasst wird (§ 302 Nr. 1 InsO; BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - IX ZR 138/09, NZI 2010, 607, 609; vgl. auch Bittmann, ZWH 2014, 135, 136 bis 138).

c) Sonstige Gründe, die eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO von vorneherein ausschließen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO gegen einen Dritten getroffen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 - 5 StR 467/12, wistra 2014, 192 f.).

d) Gegen den Schuldspruch und die in den Fällen V.2. und V.3. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen wurden auch keine Einwendungen erhoben.

3. Ein Fall, in dem die nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffende Ermessensentscheidung ausnahmsweise vom Senat nachgeholt werden kann, liegt nicht vor. Die Sache bedarf daher insofern neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung. Hierfür weist der Senat, soweit die Staatsanwaltschaft eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO auch hinsichtlich des letztlich der I. zugeflossenen Kaufpreises der Lackieranlage begehrt, insbesondere auf Folgendes hin:

Nach § 73 Abs. 3 StGB kann der Verfall oder der Verfall von Wertersatz gemäß § 73a StGB zwar auch gegen einen Dritten angeordnet werden, wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt hat und dieser dadurch etwas erlangt hat. Dabei verlangt Handeln für einen anderen zwar keinen echten oder gar offenen, nach außen erkennbaren Vertretungsfall, aber der Handelnde muss bei oder jedenfalls im Zusammenhang mit der rechtswidrigen Tat auch, und sei es nur faktisch, im Interesse des Dritten gehandelt haben. In Fällen, in denen der erlangte Gegenstand nicht im Rahmen der Tat selbst, sondern erst durch vermittelnde Rechtsgeschäfte zu dem Dritten gelangt ist, bedarf es für die Zurechnung aber jedenfalls eines Bereicherungszusammenhangs zwischen der Tat und dem Eintritt des Vorteils bei dem Dritten (dazu im Einzelnen: BGH, Urteil vom 3. Dezember 2013 - 1 StR 53/13, wistra 2014, 219, 222).

III.

Zur Entscheidung über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der Strafkammer vom 5. März 2013, mit dem diese am Tag der Urteilsverkündung einen die Fälle V.2. und V.3. der Urteilsgründe betreffenden Arrest in das Vermögen der I. aufgehoben hat, ist nicht der Bundesgerichtshof, sondern das Oberlandesgericht Hamm berufen. Dorthin ist das Verfahren insofern abzugeben.

1. Der Beschwerde liegt im Wesentlichen folgendes Geschehen zu Grunde:

Das Amtsgericht Bochum ordnete mit Beschluss vom 22. Juni 2011 den dinglichen Arrest in Höhe von 2.364.400 € in das Vermögen der I. an. In der Folge wurden Pfändungen und Beschlagnahmen bei der I. vorgenommen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der I., das nach wie vor anhängig ist, hob die Kammer mit einem am Tag des Urteils verkündeten Beschluss unter anderem den oben bezeichneten Arrestbeschluss des AG Bochum vom 22. Juni 2011 auf. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft am 6. März 2013 Beschwerde eingelegt, soweit "der dingliche Arrest in das Vermögen der Verfallsbeteiligten I." betroffen ist. Der Beschwerde hat die Strafkammer nicht abgeholfen; sie vertritt die Ansicht, dass zur Entscheidung über die Beschwerde der Bundesgerichtshof entsprechend § 305a StPO zuständig ist und hat diesem die Sache auch insofern vorgelegt.

2. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beschwerde wurde vom Gesetzgeber nicht besonders geregelt. Insbesondere fehlt es an einer § 305a Abs. 2, § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO, § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG i.V.m. § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO entsprechenden Regelung, die dem mit der Revision befassten Rechtsmittelgericht auch die Entscheidung über eine zugleich eingelegte Beschwerde überträgt. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz, dass zur Entscheidung über (sofortige) Beschwerden gegen Entscheidungen der Strafkammern nicht der Bundesgerichtshof (§ 135 Abs. 2 GVG), sondern die Oberlandesgerichte berufen sind (§ 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG). Hiervon abzuweichen rechtfertigen weder die oben bezeichneten Ausnahmeregelungen, die schon mangels einer Gesetzeslücke einer analogen Anwendung nicht zugänglich sind, noch können das Anliegen, divergierende Entscheidungen zu vermeiden, oder verfahrensökonomische Gründe die Rechtsprechung dazu ermächtigen, den gesetzlichen Richter abweichend vom Gesetz zu bestimmen (zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 - 4 StR 188/09, NStZ 2010, 50, 51 mwN).

3. Der Senat gibt daher das Beschwerdeverfahren entsprechend § 348 StPO an das hierfür zuständige Oberlandesgericht Hamm ab (zur entsprechenden Anwendung von § 348 StPO im Beschwerdeverfahren: BGH, Beschlüsse vom 29. Oktober 2008 - 2 ARs 467/08 u.a.; vom 24. Juni 2009 - 4 StR 188/09, NStZ 2010, 50, 51 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 104

Externe Fundstellen: BGHSt 60, 75; NJW 2015, 713; NStZ 2015, 705 ; StV 2015, 418

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel