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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 92

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 132/14, Urteil v. 26.11.2014, HRRS 2015 Nr. 92


BGH 2 StR 132/14 - Urteil vom 26. November 2014 (LG Aachen)

Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (hinreichend konkrete Aussicht auf Heilungserfolg: Therapieunwilligkeit als Kriterium).

§ 64 Satz 2 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Therapieunwilligkeit des Angeklagten ist nur ein Indiz für das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht. Es bedarf regelmäßig der Prüfung, ob die konkrete Aussicht besteht, die Therapiebereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung zu wecken.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 12. Dezember 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf eine Verfahrensrüge und die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge gestützte Revision führt zur Aufhebung, soweit das Landgericht von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Rüge, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es wesentliche Teile der Hauptverhandlung ohne Anwesenheit des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen durchgeführt habe, bleibt aus den durch den Generalbundesanwalt dargelegten Gründen ohne Erfolg.

2. Die Überprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge ergibt weder im Schuldspruch noch bei der Strafzumessung einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer bei der Bemessung der Einzelstrafen strafschärfend die hohe Rückfallgeschwindigkeit (Tat II. 1.) bzw. berücksichtigt hat, "dass auch die wiederholte, zum Teil mehrjährige Verbüßung von Strafhaft wegen einschlägiger Straftaten auf den Angeklagten offenbar keinen nachhaltigen Einfluss ausüben konnte" (Tat II. 2.). Dem Umstand, dass der Angeklagte bei Begehung der Taten in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war, hat das Landgericht durch eine - weitere - Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 StGB hinsichtlich der Tat vom 22. August 2013 bzw. hinsichtlich der Tat vom 7. Juni 2013 durch Anwendung des geminderten Strafrahmens des § 30 Abs. 2 BtMG unter Verbrauch des § 21 StGB Rechnung getragen. Darüber hinaus hat die Strafkammer in beiden Fällen ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte als langjähriger Drogenkonsument in besonderem Maße tatgeneigt war.

b) Dass die Kammer im Fall II. 2. der Urteilsgründe einen Schuldspruch wegen tateinheitlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - sei es als Täter oder als Gehilfe - abgelehnt hat, beschwert den Angeklagten ebenso wenig, wie die rechtlich bedenkliche strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft, ohne dass die Strafkammer konkrete Feststellungen zu den Angeklagten besonders beschwerenden Umständen oder Folgen des Haftvollzuges getroffen hätte.

3. Dagegen hält die Ablehnung einer Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Landgericht begründet seine Entscheidung lediglich mit der Therapieunwilligkeit des Angeklagten und verkennt dabei, dass dieser Umstand nur ein Indiz für das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht ist und es regelmäßig der Prüfung bedarf, ob die konkrete Aussicht besteht, die Therapiebereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung zu wecken (BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 - 2 StR 620/12; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 64 Rn. 20, jeweils mwN).

Diese Prüfung war hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil der Angeklagte bereits eine Vielzahl fehlgeschlagener Rückstellungsversuche nach § 35 BtMG und eine Unterbringung nach § 64 StGB hinter sich hatte. Die Unterbringung in der Entziehungsanstalt liegt fast 20 Jahre zurück. Außerdem hat der Angeklagte im Jahre 2003 eine stationäre Drogentherapie absolviert, die zumindest für einen gewissen Zeitraum Erfolg hatte. Darüber hinaus sind die Ausführungen der Strafkammer widersprüchlich, soweit sie die Erfolgsaussicht im Rahmen des § 64 StGB wegen Therapieunwilligkeit des Angeklagten verneint, jedoch die Voraussetzungen einer Maßnahme nach § 35 BtMG, die eine Therapiezusage seitens des Angeklagten voraussetzen würde, "unproblematisch" als gegeben ansieht (UA 20). Diese Einschätzung spricht auch dafür, dass die Therapiebereitschaft des Angeklagten als Voraussetzung einer Anordnung nach § 64 StGB bei dem Angeklagten zumindest geweckt werden kann.

Soweit die Strafkammer auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG verweist, verkennt sie im Übrigen, dass die Maßregel nach § 64 StGB gegenüber der Zurückstellung 6 7 8 9 nach § 35 BtMG vorrangig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. März 2010 - 2 StR 34/10, StV 2010, 678).

Der Senat weist schließlich darauf hin, dass Ausführungen des Tatrichters zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 BtMG nicht veranlasst sind.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 92

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel