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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2013
14. Jahrgang
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1. Die Verwertbarkeit mittels Rechtshilfe eines ausländischen Staates erlangter Beweise bestimmt sich nach dem inländischen Recht. (BGHSt)
2. Auf diesem Weg gewonnene Beweise unterliegen trotz Nichteinhaltung der maßgeblichen rechtshilferechtlichen Bestimmungen keinem Beweisverwertungsverbot, wenn die Beweise auch bei Beachtung des Rechtshilferechts durch den ersuchten und den ersuchenden Staat hätten erlangt werden können. (BGHSt)
3. Ist die Rechtshilfe durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union geleistet worden, darf bei der Beurteilung der Beweisverwertung im Inland nur in eingeschränktem Umfang geprüft werden, ob die Beweise nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Mitgliedstaates rechtmäßig gewonnen wurden. Das gilt jedenfalls dann, wenn die dortige Beweiserhebung nicht auf einem inländischen Rechtshilfeersuchen beruht. (BGHSt)
4. Welche Gründe zu einer Unverwertbarkeit derart gewonnener Beweise im inländischen Strafverfahren führen können, ist nicht in allen Einzelheiten geklärt. Es besteht jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass sich Beweisverwertungsverbote im Zusammenhang mit Beweisrechtshilfe entweder aus der inländischen Rechtsordnung des ersuchenden Staates oder aus völkerrechtlichen Grundsätzen ergeben können. Der Bundesgerichtshof hat im Kontext der Beweisrechtshilfe ein aus der Verletzung des Völkerrechts abgeleitetes inländisches Verwertungsverbot bislang bei unzulässigen Eingriffen in das Souveränitätsrecht eines anderen Staates angenommen (BGHSt 34, 334, 343 f.). (Bearbeiter)
5. Eine Unverwertbarkeit von im Rahmen der Rechtshilfe gewonnenen Beweisen kann sich im Grundsatz zudem aus der Verletzung rechtshilferechtlicher Bestimmungen selbst ergeben. So hat der Bundesgerichtshof die Verletzung von multilateralen rechtshilferechtlichen Bestimmungen durch den ersuchten ausländischen Staat als Grund für die Unverwertbarkeit eines Beweises herangezogen (BGH NStZ 2007, 417 bzgl. Art. 4 Abs. 1 EURhÜbk). EURhÜbk. Ist der ersuchte ausländische Staat rechtshilferechtlich zur Vornahme der erbetenen Beweiserhebung nach dem Recht des ersuchenden Staates verpflichtet, wird sich ein inländisches Beweisverwertungsverbot grundsätzlich aus der Verletzung der maßgeblichen inländischen Beweiserhebungsregeln ergeben. (Bearbeiter)
6. Der Senat neigt der Auffassung zu, dass ein aus der Nichteinhaltung rechtshilferechtlicher Bestimmungen abgeleitetes Verwertungsverbot lediglich dann in Betracht zu ziehen ist, wenn den entsprechenden Regelungen (auch) ein individualschützender Charakter - wenigstens im Sinne eines Schutzreflexes (so bereits BGHSt 34, 334, 343 f.) - zukommt. (Bearbeiter)
7. Es entspricht dem mittlerweile ganz überwiegenden völkerrechtlichen Verständnis, den Einzelnen als Subjekt des Völkerrechts anzuerkennen und seine Interessen im Rahmen des Rechtshilferechts zu berücksichtigen. (Bearbeiter)
8. Der Senat teilt nicht die in der Strafrechtswissenschaft vertretene Auffassung, hinsichtlich der Überwachung von Telekommunikation bei Verwertung im Ausland gewonnener Informationen dürfe das inländische Strafgericht nicht ungeprüft von der Rechtmäßigkeit der Anordnungsentscheidung ausgehen, sondern müssen die Einhaltung der ausländischen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen „zusätzlich kontrollieren“. Auch wenn die Beurteilung der Verwertbarkeit eines im Ausland erhobenen Beweises sich nach der inländischen Rechtsordnung bestimmt, würde eine mit der Rechtswidrigkeit der ausländischen Beweiserhebung begründete Unverwertbarkeit des erhobenen Beweises unter den hier vorliegenden tatsächlichen Gegebenheiten mit einem Eingriff in die Souveränität des ausländischen Staates einhergehen. (Bearbeiter)
9. Es wäre es mit dem hinter dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (Art. 82 Abs. 1 AEUV) stehenden Gedanken des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten nicht zu vereinbaren, eine in einem Mitgliedstaat ergangene, dort nicht aufgehobene gerichtliche Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat mit der Begründung als rechtswidrig zu bewerten, die Gerichte des Entscheidungsstaates hätten ihre eigene nationale Rechtsordnung nicht eingehalten. (Bearbeiter)
10. Die Unverwertbarkeit im Ausland erhobener Beweise kann sich ergeben, wenn die Beweiserhebung unter Verletzung völkerrechtlich verbindlicher und dem Individualrechtsgüterschutz dienender Garantien, wie etwa Art. 3 EMRK, oder unter Verstoß gegen die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze im Sinne des ordre public (vgl. § 73 IRG) erfolgt ist. (Bearbeiter)
1. Stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den zum Tatvorwurf vernommenen Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ein und führt es sodann gegen Unbekannt weiter, so wird die Verfolgungsverjährung gegen den (früheren) Beschuldigten nicht nach § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB unterbrochen, wenn die Staatsanwaltschaft oder ein Richter nunmehr einen Sachverständigen beauftragt. (BGHSt)
2. Die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung wirkt gemäß § 78c Abs. 4 StGB nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht. Daraus folgt, dass nur eine gegen eine bestimmte Person gerichtete, nicht aber eine die Ermittlung des noch unbekannten Täters bezweckende Untersuchungshandlung geeignet ist, die Verjährung zu unterbrechen (vgl. BGHSt 42, 283, 287). Der Täter muss im Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung „der Person nach“ bekannt sein, d. h. er muss - wenn auch nicht unter zutreffenden Namen - als Tatverdächtiger in den Akten genannt sein (vgl. BGHSt 24, 321, 323). (Bearbeiter)
3. Bei wertender Betrachtung macht es keinen Unterschied, ob das Ermittlungsverfahren von vornherein gegen Unbekannt geführt oder ob der Beschuldigte vor der Unterbrechungshandlung durch eine Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO aus dem Kreis der Tatverdächtigen ausgeschieden worden ist. Wegen der Bedeutung der Verjährung und der Rechtssicherheit im Hinblick auf ihren Ablauf (vgl. BGH NStZ 2008, 158, 159) ist allein darauf abzustellen, ob der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung - hier der Beauftragung der Sachverständigen gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB - aus den Akten als Tatverdächtiger hervorgeht. (Bearbeiter)
1. Ein wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Spezialität bestehendes Verfahrenshindernis entfällt gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. b des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk) jedenfalls dann, wenn der Ausgelieferte nach Verlassen der Bundesrepublik Deutschland dorthin zurückkehrt, obwohl er auf die sich aus einer Wiedereinreise ergebenden Rechtsfolgen dieser Vorschrift hingewiesen worden war (Bestätigung und Fortführung von BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 1 StR 148/11, BGHSt 57, 138). (BGHSt)
2. Dem Hinweis auf die Vorschrift des Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk kommt auch dann rechtliche Bedeutung zu, wenn er nicht unmittelbar bei der Freilassung ergangen ist. Der Zeitpunkt des Hinweises hat lediglich für den Lauf der 45-tägigen Schonfrist bei einer Nichtausreise nach endgültiger Freilassung, nicht aber im Falle einer Wiedereinreise Bedeutung. (Bearbeiter)
3. Materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist eine Rechnung, die die jeweilige Lieferung oder sonstige Leistung belegt (vgl. EuGH DStRE 2012, 1336). Rechnung in diesem Sinn ist nur ein solches Abrechnungspapier, das hinreichende Angaben tatsächlicher Art enthält, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen; der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahingehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Die ausgeführte Leistung oder der beim Leistungsempfänger eintretende Erfolg der Leistungshandlung muss mit der in der Rechnung bezeichneten identisch sein. (Bearbeiter)
1. Verfahrensrechtliche Beanstandung mangelnder Berücksichtigung einem Mitangeklagten im Rahmen von Verständigungsgesprächen erteilter Rechtsfolgenprognosen bei der Würdigung von dessen belastenden Angaben (im Anschluss an BGHSt 48, 161; 52, 78). (BGHSt)
2. § 267 Abs. 3 Satz 5 StPO ist auf nicht zustande gekommene oder informelle Absprachen nicht entsprechend anwendbar. (Bearbeiter)
3. Sofern Inhalt und Begleitumstände einer Verständigung – wie etwa bei einer Verständigung mit einem Mitangeklagten – für die Beweiswürdigung relevant sein können, ergibt sich die Notwendigkeit einer Berücksichtigung in der Hauptverhandlung stattgefundener Verständigungsgespräche aus § 261 StPO. Fehlt es an einer entsprechenden Erörterung in den Urteilsgründen, ist demgemäß die Inbegriffsrüge eröffnet. Finden Verständigungsbemühungen außerhalb der Hauptverhandlung statt und werden diese trotz sich aufdrängender Relevanz für die Beweisführung nicht in die Beweisaufnahme eingeführt, kann dies mit der Aufklärungsrüge gemäß § 244 Abs. 2 StPO geltend gemacht werden. (Bearbeiter)
4. Besteht nach einer gescheiterten Verständigung in erheblichem Maße Anlass, der Frage besonders nachzugehen, ob seitens eines geständigen Mitangeklagten ein Falschbelastungsmotiv besteht, beruht das Urteil i.d.R. dann nicht auf der fehlenden Erörterung der Verständigungsversuche in den Entscheidungsgründen, wenn Falschbelastungsmotive gleichwohl in einem anderen Zusammenhang ausreichend erörtert und überzeugend verneint werden. (Bearbeiter)
1. Allgemeinabstrakte Grundsätze darüber, in welcher Beziehung die Beweistatsache zu dem Verfahrensgegenstand stehen muss, wenn sie für seine Beurteilung Bedeutung haben soll, lassen sich kaum aufstellen. Auch Vorfälle, die dem angeklagten Vorwurf zeitlich nachfolgen, und an denen der Angeklagte nicht beteiligt war, können im Einzelfall auf die Beurteilung des konkreten Falles wichtige Schlüsse zulassen und dadurch Bedeutung erhalten.
2. In einem Beschluss, durch den ein Beweisantrag als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abgelehnt wird (§ 244 Abs. 6 StPO), sind die hierfür maßgeblichen Erwägungen aber zumindest in ihrem Kern konkret darzulegen, um dem Antragsteller zu ermöglichen, sein weiter-
es Prozessverhalten entsprechend einzurichten (st. Rspr.).
1. Mehrere nebeneinander eingelegte Rechtsmittel sind kostenrechtlich voneinander zu trennen (vgl. BGHSt 19, 226, 228); die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO). Bleiben deshalb mehrere Rechtsmittel ohne Erfolg, trägt jeder Rechtsmittelführer die Kosten seines Rechtsmittels.
2. Ein kostenrechtlicher Erfolg wird im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung noch nicht durch die aufhebende Entscheidung des Revisionsgerichts, sondern erst durch die weiteren Entscheidungen bewirkt (BGH StraFo 2008, 529). Nach kostenrechtlichen Maßstäben steht das nach einer Zurückverweisung ergangene, freisprechende Erstinstanzurteil deshalb einem freisprechenden Urteil des Revisionsgerichts gleich.
Ein Beweisantrag kann wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden, wenn dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsste (st. Rspr.). Dies ist dann der Fall, wenn mit dem vom Antragsteller benannten Beweismittel die behauptete Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht bestätigt werden kann.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs betrifft das Alter eines Angeklagten eine doppelrelevante Tatsache, sofern die Beweisaufnahme darüber zu dem Ergebnis führen kann, dass statt der für allgemeine Strafsachen zuständigen Strafkammer das Jugendgericht zuständig ist bzw. dass Erwachsenenstrafrecht statt Jugendstrafrecht angewendet werden kann. In einem derartigen Fall darf sich das Gericht für die Feststellung des Alters nicht mit dem Freibeweisverfahren begnügen; diese hat vielmehr im Strengbeweisverfahren zu erfolgen. Stellt der Angeklagte einen dahingehenden Beweisantrag, darf dieser nur aus einem der in § 244 Abs. 3, 4 StPO genannten Gründe abgelehnt werden (vgl. BGH StV 1982, 101).
2. Völlig ungeeignet i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Beweismittel, wenn das Gericht ohne jede Rücksicht auf das bisherige Beweisergebnis sagen kann, das sich mit dem Beweismittel das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt. Ob das vorhandene Material dem Sachverständigen genügend Anknüpfungstatsachen wenigstens für ein Möglichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsurteil bietet, kann das Gericht nötigenfalls im Wege des Freibeweises klären (vgl. BGH NStZ 1995, 97).
1. Nach § 273 Abs. 4 StPO darf das Urteil nicht zugestellt werden, bevor das Protokoll fertiggestellt ist. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass mit dem Protokoll schon zu Beginn der regelmäßig mit der Urteilszustellung in Lauf gesetzten Revisionsbegründungsfrist eine abgeschlossene Grundlage für die Entscheidung über die Anbringung von Verfahrensrügen vorliegt, die dem Anfechtungsberechtigten während der gesamten Revisionsbegründungsfrist zur Einsichtnahme offensteht (vgl. BGHSt 37, 287, 288). § 273 Abs. 4 StPO ist eine zwingende Verfahrensvorschrift, deren Verletzung zur Unwirksamkeit der Zustellung führt (vgl. BGHSt 27, 80 f).
2. Die Fertigstellung des Protokolls erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem Zeitpunkt, zu dem die letzte der für die Beurkundung des gesamten Protokollinhalts nach § 271 Abs. 1 Satz 1 erforderlichen Unterschriften geleistet wurde (vgl. BGHSt 51, 298, 317). Weder für die Fertigstellung des Protokolls gemäß § 271 Abs. 1 StPO noch für die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils nach § 273 Abs. 4 StPO ist es erforderlich, dass die von den Urkundspersonen unterschriebene Niederschrift in tatsächlicher Hinsicht zur Akte genommen wird.