HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2012
13. Jahrgang
PDF-Download

V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

730. BGH 3 StR 118/11 – Beschluss vom 15. Mai 2012 (LG Oldenburg)

BGHSt; Aufgabe der Interessentheorie (Merkmalsüberwälzung; Ziel des § 14 StGB; Ein-Mann-GmbH; Gläubigerschutz); Untreue; Bankrott.

§ 14 StGB; § 266 StGB; § 283 StGB

1. Die Strafbarkeit des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung wegen Bankrotts setzt nicht voraus, dass die Tathandlung im Interesse der Gesellschaft liegt (Aufgabe der „Interessentheorie“). (BGHSt)

2. § 14 StGB verfolgt den Zweck, den Anwendungsbereich von Straftatbeständen auf Personen zu erweitern, die in einem bestimmten Vertretungs- oder Auftragsverhältnis für den Normadressaten handeln, und die kriminalpolitisch nicht erträgliche Lücke zu schließen, die sich daraus ergibt, dass der Normadressat mangels Handlung und der Handelnde deshalb nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, weil er nicht Normadressat ist. Mit dieser Intention lässt sich insbesondere nicht vereinbaren, dass die Interessentheorie im Ergebnis bei einer Vielzahl von Taten einer Strafbarkeit nach § 283 StGB entgegensteht, weil der Vermögensträger als juristische Person und die handelnde natürliche Person auseinanderfallen. (Bearbeiter)

3. Die Interessentheorie führt vor allem beim Handeln von Organen einer Kapitalgesellschaft zu unangemessenen, mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbarenden Ergebnissen. Dies trifft in besonderem Maße auf die

Ein-Mann-GmbH zu, deren Alleingesellschaftergeschäftsführer nach der Interessentheorie selbst dann nicht wegen Bankrotts bestraft werden kann, wenn er durch das Beiseiteschaffen von Vermögenswerten die Insolvenz gezielt herbeiführt. Diese Situation ist mit Blick auf die Parallele zu Einzelkaufleuten wertungswidersprüchlich und konterkariert zudem den – bei der insolvenzanfälligen GmbH besonders notwendigen – Gläubigerschutz. (Bearbeiter)

4. Kommt es für ein Handeln als Vertretungsberechtigter im Sinne des § 14 Abs. 1 StGB nicht (mehr) darauf an, ob dieses im Interesse des Geschäftsherrn liegt, sind andere taugliche Abgrenzungskriterien in Betracht zu ziehen. Entscheidend ist, dass der Handelnde gerade in seiner Eigenschaft als vertretungsberechtigtes Organ, also im Geschäftskreis des Vertretenen, und nicht bloß „bei Gelegenheit“ tätig wird. Dabei kann zwischen rechtsgeschäftlichem und sonstigem Handeln zu differenzieren sein. Bei rechtsgeschäftlichem Handeln kann ein Handeln „als Organ“ bereits dadurch deutlich werden, dass der Vertreter die Gesellschaft rechtswirksam zu binden vermag. Bei faktischem Handeln ist die Zurechnung problematischer. Sie kommt jedenfalls bei einer Zustimmung des Vertretenen in Betracht. (Bearbeiter)

5. Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung zu § 266 StGB fest, wonach die GmbH-Gesellschafter in ihrer Befugnis zur (tatbestandsausschließenden) Disposition über das Gesellschaftsvermögen eingeschränkt sind. Ein Einverständnis ist danach unwirksam, wenn unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (zuletzt BGH HRRS 2011 Nr. 1094). Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kapitalschutz nach § 30 GmbHG nicht ausschließlich den Gläubigern eine Befriedigungsreserve, sondern überdies der GmbH nach Möglichkeit ein ihren Bestand schützendes Mindestbetriebsvermögen sichern soll. (Bearbeiter)

6. Es stellt in Fällen einer mit (unwirksamer) Zustimmung der Gesellschafter erfolgten Entnahme von Gesellschaftsvermögen keinen Wertungswiderspruch dar, dieses Verhalten sowohl als Bankrott als auch als Untreue zu beurteilen. (Bearbeiter)


Entscheidung

711. BGH 4 StR 144/12 – Beschluss vom 6. Juni 2012 (LG Detmold)

BGHR; Versuch des Einschleusens von Ausländern (unmittelbares Ansetzen).

§ 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AufenthG; § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG; § 22 StGB; § 24 StGB; § 30 StGB

1. Die Strafbarkeit wegen Versuchs des Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3; § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG bestimmt sich nach den §§ 22 ff. StGB. (BGHR)

2. Für die Prüfung des unmittelbaren Ansetzens kann die Rechtsprechung zur versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB herangezogen werden. (BGHR)

3. Darauf, ob auch zur unerlaubten Einreise selbst unmittelbar angesetzt worden ist, kommt es nicht an. (BGHR)

4. Durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG in der Tatbestandsalternative des Hilfeleistens werden sonst nur nach den allgemeinen Regeln (§ 27 StGB) strafbare Beihilfehandlungen zu Taten nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu selbstständigen, in Täterschaft (§ 25 StGB) begangenen Straftaten heraufgestuft, wenn der Gehilfe zugleich eines der in § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unter den Buchstaben a) oder b) genannten Schleusermerkmale erfüllt. Als ein (täterschaftliches) Hilfeleisten im Sinne dieser Vorschrift kommen deshalb grundsätzlich alle Handlungen in Betracht, die nach § 27 StGB und den zu dieser Vorschrift entwickelten Grundsätzen als Beihilfe zu der jeweiligen Bezugstat erfasst werden. Geht es – wie hier – um die Unterstützung der unerlaubten Einreise eines oder mehrerer Ausländer gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, fällt damit jede Handlung unter den Tatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, die den unerlaubten Grenzübertritt eines Ausländers in irgendeiner Weise objektiv fördert. Dabei muss die Hilfeleistung nicht unmittelbar zum Grenzübertritt geleistet werden. Schon eine Unterstützung im Vorfeld der Einreise (z. B. Beschaffung und Weiterleitung von Informationen zum Grenzübertritt, Organisation von Reisemöglichkeiten, Beschaffung von gefälschten Reisedokumenten, Anwerbung von Transithelfern) ist ausreichend, wenn sie den Grenzübertritt ermöglicht oder erleichtert. Nach den Grundsätzen zur sog. Kettenbeihilfe, die an dieser Stelle ebenfalls Anwendung finden, kann ein täterschaftliches Hilfeleisten im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auch dann gegeben sein, wenn sich die Unterstützungshandlung auf die Förderung der Hilfeleistung eines anderen Schleusers (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) oder Gehilfen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, § 27 StGB) beschränkt. (Bearbeiter)


Entscheidung

752. BGH 5 StR 1/12 – Beschluss vom 5. Juli 2012 (LG Lübeck)

Betrug (Vermögensschaden: Schadensberechnung bei gewinnbringender Weiterveräußerung von für den Klinikbereich vorgesehenen Medikamenten; Rabattbetrug; Preisbindung bei Medikamenten).

§ 263 StGB; § 78 AMG; Arzneimittelpreisverordnung

1. Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gilt grundsätzlich keine Preisregulierung. Werden solche Medikamente von Pharmaherstellern für die Versorgung von Krankenhäusern bezogen, aber außerhalb des Klinikbereichs an andere Pharma-Großhändler oder Apotheken gewinnbringend weiterverkauft, ist hinsichtlich des Vermögensschadens des Betruges unter Berücksichtigung eines dem Risiko fehlender Treffgenauigkeit angemessenen Sicherheitsabschlags zu ermitteln, welche Bedingungen für die Medikamentenabgabe einerseits für Kliniken und andererseits für den freien Verkauf in Apotheken gegolten haben und welche Preise zu erzielen waren. Dabei ist zu beachten, dass der höhere Preis gegenüber den Abnehmern, die keine Krankenhäuser sind, sich mit Wahrscheinlichkeit durchsetzen lassen muss.

2. Eine bloße unterlassene Vermögensmehrung ist kein Schaden im Sinne des Betrugstatbestandes.


Entscheidung

667. BGH 1 StR 289/12 – Beschluss vom 26. Juni 2012 (LG Bochum)

Gewerbsmäßiger Schmuggel (Verkürzung von Einfuhrumsatzsteuer durch inhaltlich unrichtige Zollanmeldungen; Vorsteuerabzug; systembedingte Nachholwirkung; Schadenswiedergutmachung; Tatvorsatz; subjektive Ausrichtung der Gewerbsmäßigkeit).

§ 370 Abs. 1, Abs. 4 Satz 3 AO; § 373 Abs. 1 AO; § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG; § 11 Abs. 1 UStG; § 21 Abs. 2 UStG; Art. 28 ZK; Art. 29 ZK; Art. 59 Abs. 1 ZK; Art. 79 ZK; Art. 217 ZK

1. Der Vorsteuerabzug hinsichtlich der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer beim Weiterkauf einer Ware lässt die im Rahmen der Zollanmeldung bei Einfuhr der Waren begangene Hinterziehung der Einfuhrumsatzsteuer unberührt und führt bei Abführung der geschuldeten Umsatzsteuern an die Finanzbehörden nach der Weiterveräußerung allenfalls zu einer Schadenswiedergutmachung. Im Rahmen der Zollanmeldungen bei Einfuhr der Waren, die allein Gegenstand der Verurteilung sind, findet kein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG statt.

2. Nur für die Berechnung der Steuer nach Weiterveräußerung der Waren im Rahmen der dann gemäß § 18 Abs. 1 UStG abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldungen bilden die nach § 16 Abs. 1 UStG berechnete Umsatzsteuer und die Summe der Vorsteuerabzugsansprüche im Sinne des § 16 Abs. 2 UStG unselbständige Besteuerungsgrundlagen, deren Saldo die für den Besteuerungszeitraum zu berechnende Steuer gemäß § 18 Abs. 1 UStG darstellt.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will (vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11 mwN). Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es dabei keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz; vgl. BGH aaO). Es steht dem Tatvorsatz nicht entgegen, wenn der Angeklagte – wie von vornherein beabsichtigt – jeweils nach der Weiterveräußerung der Waren die dabei anfallende Umsatzsteuer anmeldete (und auch an die Finanzbehörden abführte) und hierbei gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG hinsichtlich der entrichteten Einfuhrumsatzsteuer zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Lediglich im Rahmen der Strafzumessung ist dem Täter zugute zu halten, wenn er bereits bei der Tatbegehung eine spätere Schadenswiedergutmachung vorhatte.

4. Gewerbsmäßigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Begehung von Straftaten der fraglichen Art eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen; dabei genügen auch mittelbare Vorteile. Maßgeblich ist insoweit allein die Sicht des Angeklagten. Der Umstand, dass sich objektiv der wirtschaftliche Vorteil des Angeklagten in Form „ersparter“ Einfuhrumsatzsteuer auf die beim Weiterverkauf anfallende Umsatzsteuer (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG) letztlich auf einen Liquiditätsvorteil beschränkte, steht gewerbsmäßigem Handeln nicht entgegen. Der Annahme gewerbsmäßigen Handelns steht ebenso wenig entgegen, dass die Taten nicht nur strafbar, sondern im Hinblick auf die Stundungsmöglichkeit des § 21 Abs. 3 UStG wirtschaftlich sogar unnötig waren.


Entscheidung

691. BGH 2 StR 446/11 – Beschluss vom 3. Mai 2012 (LG Darmstadt)

Untreue (keine Vermögensbetreuungspflicht bei Bankmitarbeitern ohne Entscheidungsspielraum: Kreditsachbearbeiter und Verkäufer); Täterschaft und Teilnahme bei der Urkundenfälschung; Gefährdungsschaden beim Betrug (Kreditvergabe: Bedeutung der Bonität und des Rückzahlungswillens).

§ 266 StGB; § 263 StGB; § 267 StGB; § 27 StGB

1. Die Strafbarkeit wegen Untreue setzt auch in der Variante des Missbrauchstatbestandes voraus, dass den Täter eine sog. Vermögensbetreuungspflicht trifft, die aber weder bei einem bloßen Bezug zu fremden Vermögensinteressen noch bei einer allgemeinen vertraglichen Nebenpflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, gegeben ist. Vielmehr wird verlangt, dass den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft (vgl. BGHSt 1, 186, 188 f.). Die Rechtsprechung entscheidet im Wege einer Gesamtbetrachtung, ob es sich bei den einer Person übertragenen Aufgaben um Angelegenheiten handelt, denen die Bedeutung der Wahrnehmung von Vermögensinteressen zukommt. Von maßgeblicher Bedeutung ist dabei in erster Linie, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbstständigkeit, mit anderen Worten die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums verbleibt (st. Rspr).

2. Hieran kann es auch bei Kreditsachbearbeitern und Verkäufern anderer Bankprodukte fehlen, wenn diese die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Entscheidung innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums fehlt.

3. Die Annahme eines (Gefährdungs-)Schadens und damit eines vollendeten Betruges auch im Zusammenhang mit einer Kreditvergabe verlangt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, NJW 2012, 907, 916) die konkrete Feststellung eines Vermögensschadens, bezogen auf den Zeitpunkt der Darlehensauskehrung, wobei dieser Schaden in aller Regel der Höhe nach konkret zu beziffern ist und sich aus der Differenz zwischen der ausgekehrten Darlehenssumme und dem – nach bilanzrechtlichen Maßstäben zu bewertenden – tatsächlichen Wert des Rückzahlungsanspruches des Darlehensgebers zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also zum Zeitpunkt der Darlehensauszahlung, bestimmt. Dabei ist davon auszugehen, dass die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgebers durch die Bonität des Schuldners, gegebenenfalls aber auch durch die Güte einer eventuellen Sicherheit bestimmt ist.

4. Ist der Darlehensnehmer von vornherein zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig, ist der Wert des mit Abschluss des Darlehensvertrages entstandenen Rückzahlungsanspruches des Darlehensgebers mit Null zu bewerten, ein Schaden also in Höhe des versprochenen und ausgezahlten Darlehens entstanden. Besteht dagegen auch nur die Bereitschaft zu teilweiser Tilgung des Darlehensanspruches, kann nicht von einer völligen Wertlosigkeit des Rückzahlungsanspruchs ausgegangen werden (vgl. BGH, NStZ 2010, 329, 330).

5. Stellt ein Täter eine unechte Urkunde her und macht sich damit wegen Urkundenfälschung strafbar, kommt eine strafbare Teilnahme des Fälschers an dem von einem anderen vorgenommenen Gebrauchmachen derselben Urkunde nicht in Betracht; insoweit liegt eine deliktische Einheit vor, in der die Beihilfehandlung aufgeht.


Entscheidung

706. BGH 4 StR 67/12 – Beschluss vom 9. Mai 2012 (LG Magdeburg)

Gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (erforderliche Feststellungen; Bewertungseinheit); Strafzumessung (Wirkstoffgehalt).

§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG; § 46 StGB

Die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG, die sich auch auf die Erzielung bloßer Nebeneinnahmen beziehen kann, bedarf dann einer eingehenden Begründung, wenn in Anbetracht der Abgabemengen und der Tatfrequenz nur von einem geringen Gewinn auszugehen ist. Die die Annahme von Gewerbsmäßigkeit rechtfertigende Nachhaltigkeit der Absicht, sich eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen, ist dagegen bei einer Vielzahl von Taten in enger zeitlicher Abfolge ausreichend belegt.


Entscheidung

679. BGH 2 StR 54/12 – Beschluss vom 15. Mai 2012 (LG Marburg)

Strafzumessung bei der Jugendstrafe (Heranwachsende; formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens); Tenorierung bei Qualifikationen.

§ 105 JGG; § 17 JGG; § 46 StGB; § 250 StGB; § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO

1. Die Höhe der Jugendstrafe bemisst sich, auch wenn sie wegen der Schwere der Schuld verhängt wird, gemäß § 18 Abs. 2 JGG vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist

2. Dem ist allein durch formelhafte Ausführungen am Ende der Strafzumessungserwägungen nicht genügt.


Entscheidung

682. BGH 2 ARs 65/12 (2 AR 35/12) – Beschluss vom 27. März 2012 (AG Wuppertal; AG Halle)

Bestimmung der Zuständigkeit durch das gemeinsame obere Gericht (vorrangige Zuständigkeit des Jugendrichters im gerichtlichen Bußgeldverfahren).

§ 46 Abs. 1 OWiG; § 14 StPO; 42 Abs. 1 Nr. 1 JGG

Der Jugendrichter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für die Jugendliche obliegen, hat im gerichtlichen Bußgeldverfahren Vorrang vor dem allgemeinen Gerichtsstand.