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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2012
13. Jahrgang
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1. Die Jugendschutzkammer hat ihre Zuständigkeit nicht deshalb willkürlich bejaht, weil ihr die Sache durch das Beschwerdegericht zur Eröffnungsentscheidung vorgelegt wurde. (BGHSt)
2. Dies kann auch bei personenidentischer Besetzung der Jugendschutzkammer mit der Beschwerdekammer gegeben sein. (Bearbeiter)
3. Ein Richterspruch ist willkürlich, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung darf sich bei Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen nicht so weit von dem Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernen, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist. Bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes kann von Willkür dann nicht gesprochen werden, wenn sich ein Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt. Selbst eine objektiv falsche Anwendung von Zuständigkeitsnormen genügt unter diesen Umständen für eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG regelmäßig nicht. (Bearbeiter)
1. Schadensberechnung beim täuschungsbedingt gewährten Darlehen. (BGH)
2. Die Annahme eines Eingehungsbetrugs setzt die ausreichende Beschreibung und Bezifferung des täuschungsbedingten Vermögensschadens voraus. Da speziell beim Eingehungsbetrug die Schadenshöhe entscheidend von der Wahrscheinlichkeit und vom Risiko eines zukünftigen Verlusts abhängt, ist eine tragfähige Einschätzung der Verlustwahrscheinlichkeit erforderlich (BVerfG NJW 2012, 907 ff.). Hierbei können bankübliche Bewertungsansätze für Wertberichtigungen Anwendung finden, da die bei einem teilweisen Forderungsausfall notwendigen bilanziellen Korrekturen auch bei der Vermögensschadensermittlung zu berücksichtigen sind (vgl. auch BVerfGE 126, 170, 226 ff.). (Bearbeiter)
3. Bei der täuschungsbedingten Kreditvergabe liegt ein Vermögensschaden vor, wenn die darlehensgebende Bank angesichts der wirklichen Bonität des Kreditschuldners ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es der Fall gewesen wäre, wenn die unzutreffend erklärten risikorelevanten Umstände tatsächlich vorgelegen hätten. Bei der insoweit anzustellenden Vergleichsbetrachtung kommt es darauf an, ob die Bank bei Kenntnis aller Umstände eine andere Vertragsgestaltung gewählt, insbesondere höhere Zinsen oder zusätzliche Sicherheiten verlangt hätte. (Bearbeiter)
4. Die Verlustwahrscheinlichkeiten dürfen allerdings nicht so diffus sein oder sich in so geringen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich ungewiss bleibt (vgl. BVerfGE 126, 170, 229; BVerfG NJW 2012, 907, 916). (Bearbeiter)
1. Die bloße Übernahme von Cannabispflanzensetzlingen mit dem Ziel der Anpflanzung und späteren Gewinnung und Veräußerung von Cannabis stellt, soweit die Setzlinge selbst nicht zur Veräußerung bestimmt sind, eine
straflose Vorbereitungshandlung dar und ist weder vom Tatbestand des unerlaubten Anbaus noch des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfasst.
2. Der Tatbestand des unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln entfaltet eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit den erst noch anzubauenden Produkten, in dem er als Anfangsstadium den Versuch des unerlaubten Handeltreibens erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zum Anpflanzen beginnen lässt.
3. Ein unmittelbares Ansetzen zum Handeltreiben kann, bezüglich nicht zur Veräußerung sondern zum Anbau bestimmter Cannabissetzlinge, nach diesen Grundsätzen erst im Heranschaffen der Setzlinge an die vorbereitete Fläche oder zu den vorbereiteten Pflanzgefäßen liegen.
4. Die Absprache zwischen zwei Personen, die von einer in einer Plantage zu gewinnenden Cannabisblüten über Kontakte der zweiten im Drogenmilieu zum beiderseitigen Vorteil verkaufen zu lassen, enthält die für die erforderliche Verabredung mittäterschaftlicher Begehungsweise gebotene genügende Konkretisierung des Verbrechens.
5. Kann das Verbrechen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aufgrund einer Durchsuchung und Beschlagnahme nicht mehr durchgeführt werden, so steht dies einem freiwilligen Rücktritt durch Verhinderung der Tat entgegen.
1. Nach der neueren Rechtsprechung (vgl. BGHSt 46, 321) setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Wesentliches Element einer Bande ist danach eine auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung mehrerer Personen zur zukünftigen gemeinsamen Deliktsbegehung (BGHSt 46, 321, 329), wobei Mitglied einer Bande auch sein kann, wem nach der – stillschweigend möglichen – Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeiten darstellen (BGHSt 47, 214). An einer Verbindung zur gemeinsamen Tatbegehung fehlt es, wenn sich Beteiligte eines Drogengeschäfts – sei es auch in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem – lediglich jeweils auf der Verkäufer- und Erwerberseite gegenüberstehen (vgl. BGH NStZ 2004, 696).
2. Sind Anhaltspunkte vorhanden, der Verkäufer von Drogen könnte in die Absatzorganisation des Erwerbers eingebunden sein, muss das Tatgericht dem im Hinblick auf eine mögliche Bandentat nachgehen. Allerdings folgt nicht aus jeglicher Unterstützung einer Gruppierung, etwa durch Strecken von Betäubungsmitteln oder Kurierfahrten, auch ohne Weiteres die Zugehörigkeit zu einer Bande; auch Dienstleistungen eines Dritten, die einem Täterzusammenschluss zugutekommen, können „selbständig“ erbracht werden, ohne dass darin eine Verbindung zu gemeinsamer künftiger Deliktsbegehung zu sehen ist.
1. Die Tatbestandsvariante des Mitsichführens einer Schusswaffe setzt bei einer in unmittelbarer Nähe zu den Betäubungsmitteln in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen Schusswaffe voraus, dass diese entweder geladen oder Munition in Reichweite für den Angeklagten vorhanden war
2. Gas- und Schreckschusswaffen sind nur dann Schusswaffen, wenn nach deren – gegebenenfalls manipulierter – Bauart der Explosionsdruck beim Abfeuern der Munition nach vorne durch den Lauf austritt.
Nicht eigennützig und daher kein Handeltreiben ist ein Umsatzgeschäft, das allein auf die Überlassung von Betäubungsmitteln zum Selbstkostenpreis oder Einstandspreis gerichtet ist.
Auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe bemisst sich deren Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist. Eine lediglich formelhafte Erwähnung des Erziehungsgedankens genügt grundsätzlich nicht.