HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 471
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 426/11, Urteil v. 29.02.2012, HRRS 2012 Nr. 471
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 19. April 2011, soweit es den Angeklagten E. betrifft, in den Fällen II. 12, 14 und 15 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen sowie der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es den Verfall eines Geldbetrags in Höhe von 37.140 € angeordnet.
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Verurteilung in den Fällen II. 12, 14 und 15 richtet, hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen der seit vielen Jahren Drogen konsumierende Angeklagte und der frühere Mitangeklagte I., der als Kurierfahrer eingesetzt werden sollte, im Jahr 2009 überein, gemeinsam Drogengeschäfte zu tätigen. Der Angeklagte beabsichtigte, mit den Erlösen aus den Rauschgiftgeschäften seine erheblichen Geldschulden tilgen.
Beginnend ab einem nicht genau zu bestimmenden Zeitpunkt im Sommer 2009 bis Januar 2010 kam es dementsprechend zu insgesamt zehn Rauschgiftgeschäften. Dabei erwarb der Angeklagte Haschisch, Marihuana oder Amphetamin in unterschiedlichen Mengen zum gewinnbringenden Weiterverkauf, zum Teil auch im Ausland, das er von dort nach Deutschland einführte (Fälle 1-7, 9-11).
2. Im Oktober/November 2009 traf der Angeklagte den ihm schon länger bekannten gesondert Verfolgten M. wieder, mit dem er in der Folgezeit ebenfalls Drogengeschäfte tätigte. Dabei lieferte der Angeklagte diesem Amphetamin, das er mit ebenfalls vom Angeklagten bereit gestellten Koffein streckte. Von dem aufgestreckten Amphetamin gab dieser jeweils etwa zwei Drittel an ihn zurück; den Rest erwarb er zum eigenen Weiterverkauf von dem Angeklagten, der ihm für das Strecken einen Preisnachlass gewährte. Es kam in der Folgezeit zu fünf Geschäften.
Am 13. Januar 2010 holte der frühere Mitangeklagte I. im Auftrag des Angeklagten bei dem gesondert Verfolgten M. mindestens 1 kg Amphetamin ab, das dieser zuvor gestreckt und portioniert hatte. Er transportierte es zu einer dritten Person, die es von dem Angeklagten erworben hatte (Fall 8). Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt im Januar 2010 erwarb der Angeklagte im deutsch-niederländischen Grenzgebiet mindestens 1 kg Amphetamin, das der frühere Mitangeklagte I. von dort durch Deutschland transportierte, bevor es der Angeklagte wieder übernahm und dem gesondert Verfolgten M. zur Streckung und Portionierung übergab. Dieser stellte zwei Pakete von jeweils 1 kg gestrecktem Amphetamin zur Weiterveräußerung durch den Angeklagten her und behielt zum gewinnbringenden Weiterverkauf einen Rest von 500 g zum Preis von 2,50 € je Gramm (Fall 12). Am 2. Februar 2010 holte der gesondert Verfolgte F., der für den zwischenzeitlich inhaftierten I. die Kurierfahrten übernommen hatte, in Aachen mindestens 1 kg Amphetamin ab und transportierte es zu dem Angeklagten, der es zum gesondert Verfolgten M. brachte. Dieser streckte das Amphetamin und portionierte es.
Von dieser Menge holte der Angeklagte am 4. Februar 2010 ein Kilogramm zur Weiterveräußerung ab; 500 g erwarb der gesondert verfolgte M. zum gewinnbringenden Weiterverkauf (Fall 14). Am 11. Februar 2010 bestellte der gesondert Verfolgte F. bei dem Angeklagten 500 g Amphetamin. Er holte es in Absprache mit dem Angeklagten bei dem gesondert Verfolgten M. ab, nachdem dieser die bestellten Drogen zuvor im Auftrag des Angeklagten aufbereitet und portioniert hatte (Fall 13). Schließlich bestellte der Angeklagte am 20. Februar 2010 bei seinem niederländischen Lieferanten zwei Kilogramm Amphetamin und drei Kilogramm Koffein, das der gesondert Verfolgte F. am 23. Februar 2010 dort abholte und dies in Kenntnis der Absicht des Angeklagten, es in Deutschland nach Streckung und Portionierung durch den gesondert Verfolgten M. gewinnbringend zu veräußern, einführte.
Hierzu kam es jedoch nicht mehr, da der Angeklagte wie auch der gesondert Verfolgte F. alsbald festgenommen wurden (Fall 15).
3. Das Landgericht hat den Angeklagten in allen Fällen wegen unerlaubten Handeltreibens in nicht geringer Menge verurteilt, in einigen Fällen, unter anderem auch im Fall 15, zusätzlich wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Von einer Verurteilung wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es abgesehen, weil sich der Angeklagte und der gesondert verfolgte M. jeweils auf Verkäufer- und Erwerberseite gegenübergestanden hätten und es insoweit an einer Verbindung zur künftigen gemeinsamen Tatbegehung gefehlt habe.
4. Die Revision der Staatsanwaltschaft beanstandet, dass der Angeklagte in den Fällen 12, 14 und 15 nicht auch wegen bandenmäßigen Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Weiter wendet sie sich gegen die Strafzumessung des Landgerichts, das rechtsfehlerhaft zu Gunsten des Angeklagten die gleichzeitige Anordnung von Wertersatzverfall angeordnet habe.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Verurteilung in den Fällen II. 12, 14 und 15 beschränkt. Die nach der Rechtsmittelbeschränkung nachträglich erhobenen Einwendungen gegen die Strafzumessung gehen ins Leere, soweit sie sich gegen den Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Verurteilungen in den anderen Fällen richten.
2. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
a) Das Landgericht hat in den genannten Fällen das Vorliegen bandenmäßigen Betäubungsmittelhandels nach § 30a Abs. 1 BtMG nicht rechtsfehlerfrei verneint. Nach der neueren Rechtsprechung (vgl. BGHSt 46, 321) setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Wesentliches Element einer Bande ist danach eine auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung mehrerer Personen zur zukünftigen gemeinsamen Deliktsbegehung (BGHSt 46, 321, 329), wobei Mitglied einer Bande auch sein kann, wem nach der - stillschweigend möglichen - Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeiten darstellen (BGHSt 47, 214). An einer Verbindung zur gemeinsamen Tatbegehung fehlt es, wenn sich Beteiligte eines Drogengeschäfts - sei es auch in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem - lediglich jeweils auf der Verkäufer- und Erwerberseite gegenüberstehen (vgl. BGH NStZ 2004, 696).
Die Annahme des Landgerichts, es habe zwischen dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten M. keine Verbindung zu gemeinsamer Deliktsbegehung bestanden, weil sie sich jeweils auf Käufer- und Verkäuferseite gegenüber gestanden hätten, greift zu kurz. Zwar erwarb M. von dem Angeklagten Amphetamin, das er auf eigene Rechnung und eigenes Risiko weiterveräußerte.
Der Angeklagte seinerseits unternahm seine Betäubungsmittelgeschäfte allein und in eigenem Namen, ohne Beteiligung eines Dritten am Gewinn oder Risiko. Dies betrifft sowohl den Verkauf der Drogen an M. wie auch den der übrigen Drogen an weitere Abnehmer. Der Angeklagte und M. standen sich danach insoweit selbständig auf Verkäufer- und Käuferseite gegenüber (vgl. Körner, BtMG, 7. Aufl. 2012, § 30, Rn. 31).
Zu berücksichtigen ist aber darüber hinaus, dass M. für den Angeklagten das ihm angelieferte Amphetamin mit Koffein streckte, portionierte und - abzüglich der selbst erworbenen Menge - an den Angeklagten zurückgab. Dies hätte dem Landgericht Anlass zu näherer Prüfung geben müssen, ob dadurch eine Einbindung von M. in die Absatzorganisation des Angeklagten, die nach den Feststellungen jedenfalls mit den Kurieren I. bzw. später F. bestand, erfolgt ist. Zwar folgt nicht aus jeglicher Unterstützung einer Gruppierung, etwa durch Strecken von Betäubungsmitteln (vgl. Körner, BtMG 7. Aufl. 2012, § 30, Rn. 43) oder Kurierfahrten, auch ohne Weiteres Zugehörigkeit zu einer Bande; auch Dienstleistungen eines Dritten, die einem Täterzusammenschluss zugutekommen, können "selbständig" erbracht werden, ohne dass darin eine Verbindung zu gemeinsamer künftiger Deliktsbegehung zu sehen ist. Es ist aber auch in diesen Fällen - wie bei Handelsketten im Betäubungsmittelhandel - sorgfältig zu prüfen, ob darin eine Verbindung zu gemeinsamer künftiger Deliktsbegehung oder lediglich eine durch Eigeninteresse gekennzeichnete Geschäftsbeziehung zu Mitgliedern einer Absatzorganisation zu sehen ist. Eine solche Prüfung, die nicht allein darauf abzustellen hat, ob diese Dienstleistung mit einem festen Preis entlohnt worden ist, sondern auch die sonstigen Umstände der Geschäftsbeziehung (wie Art und Häufigkeit der Leistung, ihre äußere Gestaltung oder auch den Einfluss, den die Beteiligten darauf im Einzelnen nehmen) in den Blick nehmen muss, hat das Landgericht nicht vorgenommen. Insoweit hat das Landgericht seiner Ablehnung einer Bandenmitgliedschaft einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Dabei war zwar auch der Umstand zu berücksichtigen, dass M. selbst auch einen Teil der Betäubungsmittel erwarb und seine Entlohnung in der Form eines Preisnachlasses erhielt. Doch steht dies seiner Einbeziehung in eine Bandenabrede nicht von vornherein entgegen.
Die Prüfung wird nachzuholen sein, wobei der neue Tatrichter nicht nur der Frage nachzugehen haben wird, ob und inwieweit die Kuriere I. und F. Kenntnis von der Tätigkeit des gesondert Verfolgten M. für den Angeklagten hatten und ob insoweit eine (auch nur stillschweigende) Abrede zum Zwecke künftigen gemeinsamen Betäubungsmittelhandels vorlag, sondern auch, ob M. in den Fällen II. 12, 14 und 15, in denen er nach den Feststellungen lediglich Kontakt mit dem Angeklagten hatte, seinerseits Kenntnis vom Tätigwerden von Kurieren hatte.
b) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den genannten Fällen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 471
Bearbeiter: Karsten Gaede