HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 546
Bearbeiter: Goya Tyszkiewicz
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 73/12, Beschluss v. 13.03.2012, HRRS 2012 Nr. 546
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 27. Oktober 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) dahin abgeändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 103 Fällen schuldig ist und der Angeklagte im Übrigen (33 solche Fälle betreffend) freigesprochen wird; im Umfang des Teilfreispruchs fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) im Fall II.137 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung (Ziffer 1b) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbliebenen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 136 Fällen und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat bei den Fällen II.19 bis II.130 - der Anklageschrift folgend - eine rechnerisch zu hohe Anzahl von 112 Taten zugrunde gelegt. Die aufgrund der geständigen Angaben des Angeklagten getroffenen Feststellungen belegen bei einer Tatfrequenz von "mindestens einmal wöchentlich" - im Gegensatz zur Tatfrequenz in den Fällen II.1 bis II.18: "mindestens im Abstand von jeweils fünf Tagen" - für den Zeitraum vom 20. Oktober 2008 bis 30. April 2010 lediglich 79 Einzeltaten. Der Senat schließt aus, dass weitergehende Feststellungen getroffen werden können, und spricht daher den Angeklagten wegen der darüber hinausgehenden 33 Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - unter Wegfall der verhängten Einzelstrafen von jeweils einem Jahr Freiheitsstrafe - frei.
2. Die Feststellungen des Landgerichts im Fall II. 137 tragen zudem eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, setzt die von der Strafkammer angenommene Tatbestandsvariante des Mitsichführens einer Schusswaffe voraus, dass der in der Wohnung des Angeklagten "in unmittelbarer Nähe" zu den Betäubungsmitteln aufgefundene Schreckschussrevolver "ME Magnum" entweder geladen oder Munition in Reichweite für den Angeklagten vorhanden war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003 - 3 StR 345/03, NStZ-RR 2004, 169). Darüber hinaus sind Gas- und Schreckschusswaffen nur dann Schusswaffen, wenn nach deren - gegebenenfalls manipulierter - Bauart der Explosionsdruck beim Abfeuern der Munition nach vorne durch den Lauf austritt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Februar 2003 - GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201, und vom 9. Februar 2010 - 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390; Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 94). Solche Feststellungen hat das Landgericht indes nicht getroffen. Ebenso wenig hat es erörtert, ob der Schreckschussrevolver als sonstiger Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG vom Angeklagten bewusst gebrauchsbereit, etwa zum Schlagen oder Stoßen, in seiner Wohnung aufbewahrt wurde.
Der Senat kann insofern nicht ausschließen, dass noch Feststellungen möglich sind, die eine Verurteilung nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG rechtfertigen würden. Die bisherigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil lediglich ein Subsumtionsfehler vorliegt. Das neue Tatgericht kann hierzu ergänzende Feststellungen treffen, die nicht mit den bisherigen Feststellungen in Widerspruch stehen.
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.137 führt zur Aufhebung der verhängten Einsatzstrafe und - auch mit Blick auf die durch den Teilfreispruch wegfallenden 33 Einzelstrafen - zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
Die übrigen Einzelstrafen und der Maßregelausspruch werden von den Rechtsfehlern nicht berührt; sie können bestehen bleiben. Soweit das Landgericht es ferner rechtsfehlerhaft unterlassen hat zu prüfen, ob ein Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen ist (§ 67 Abs. 2 StGB), wird das neue Tatgericht bei neuerlichem Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift die Ausführungen des Generalbundesanwalts zu beachten haben.
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 546
Bearbeiter: Goya Tyszkiewicz