HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2012
13. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Ermächtigt der Vertrag von Lissabon wirklich zum Erlass supranationaler Wirtschaftsstrafgesetze?

Von Jonas Sturies, Bucerius Law School, Hamburg

I. Abstract

Die Staatsschuldenkrise im Euroraum treibt die Entwicklung gemeinsamer Regulierung auf intergouvernementaler und supranationaler Ebene voran. Dabei wird auch der strafrechtliche Schutz der EU-Finanzen in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangen. Welche Kompetenzen bestehen hierzu auf EU-Ebene? Könnte eine EU-Verordnung erlassen werden, auf Grund derer Täter von Handlungen zulasten der EU-Finanzen zu verurteilen wären, die also als EU-Strafgesetz neben die Strafgesetzbücher der Mitgliedstaaten träte?

Die herrschende Auslegung, nach der Art. 325 Abs. 4 AEUV zum Erlass einer solchen Verordnung ermächtigt, widerspricht der Systematik der strafrechtlichen Kompetenzregelungen des AEUV und findet auch keinen Halt in den Gesetzgebungsmaterialien.[1]

Zwar können ungewollte Lücken im strafrechtlichen Schutz der EU-Finanzen, die hier am Beispiel des deutschen Strafrechts aufgezeigt und kategorisiert werden, durch Unionsmaßnahmen besser als auf mitgliedstaatlicher Ebene behoben werden. Auch bei Zugrundelegung der herrschenden Auslegung des Art. 325 AEUV kann dies jedoch derzeit nicht durch eine direkt anwendbare Strafverordnung, sondern wegen der in Art. 5 EUV verankerten Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit nur mittels einer Richtlinie erfolgen, die die entsprechenden Tatbestände der Mitgliedstaaten harmonisiert.

II. Grundprinzipien der Kompetenzordnung der EU nach dem Vertrag von Lissabon

1. Der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 2 EUV)

Der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung besagt, dass die EU nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig werden darf, die ihr die Mitgliedstaaten übertragen haben.[2] Während Staaten nämlich allzuständig sind, leiten internationale Organisationen und somit auch die supranationale Union ihre Existenz und ihre Befugnisse aus dem vertraglich niedergelegten Willen ihrer Mitgliedstaaten ab.[3] Der EUV in der Fassung des Vertrages von Lissabon betont den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung durch mehrmalige ausdrückliche Erwähnung: Art. 5 Abs. 1 S. 1 lautet: "Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union gilt der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung." Nach Art. 5 Abs. 2 wird die Union "nur innerhalb der Grenzen und Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen." Dabei wiederholt der soeben zitierte Art. 5 Abs. 2 S. 2 fast wörtlich Art. 4 Abs. 1, der unter Bezugnahme auf Art. 5 ebenso betont, dass alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Eine weitere Bezugnahme auf den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung findet sich in Art. 3 Abs. 6, wonach die Union "ihre Ziele mit geeigneten Mitteln entsprechend den Zuständigkeiten, die ihr in den Verträgen übertragen sind", verfolgt. Dies stellt klar, dass Ziele als solche keine Kompetenzen zu begründen vermögen.[4] Schließlich legt Art. 7 AEUV fest, dass die Union "unter Einhaltung des

Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung" ihren Zielen Rechnung trägt. Der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gilt zudem auch für die Handlungsformen der Union. Die EU ist beschränkt auf die Rechtsaktformen, zu denen sie durch die Verträge ermächtigt wurde. Die Kompetenzen der EU können nur durch Änderung der Verträge zwischen den Mitgliedstaaten erweitert werden.[5]

Auffällig ist die gegenüber früheren Vertragsversionen starke Betonung und oftmalige Wiederholung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung.[6] Darin kommt die Besorgnis der Mitgliedstaaten zum Ausdruck, dass der Union zu viele Kompetenzen zuwachsen. Dieser Besorgnis ist im Rahmen der Auslegung möglicher Ermächtigungsgrundlagen zur Schaffung supranationalen Kriminalstrafrechts Rechnung zu tragen.

2. Kompetenzausübungsschranken

Sofern eine Ermächtigungsgrundlage i.S.d. Art. 5 Abs. 2 EUV besteht, ist auf zweiter Stufe zu klären, ob die Union ihre Kompetenz auch ausüben darf.[7] Dies richtet sich nach dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

a) Subsidiaritätsgrundsatz (Art. 5 Abs. 3 EUV)

Der Subsidiaritätsgrundsatz gilt gemäß Art. 5 Abs. 3 EUV für Bereiche, die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fallen.[8] Allgemein kommt nach dem Subsidiaritätsprinzip der kleineren Einheit nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit der Vorrang im Handeln gegenüber der größeren Einheit zu.[9] Dahinter stehen "die Gesichtspunkte einer sachnäheren Problemlösung durch die unmittelbar Betroffenen, die Bewahrung historischer und kultureller Eigenheiten sowie – in der Europäischen Union – vor allem auch die Souveränitäts- und Machtinteressen der Nationalstaaten.[10] Art. 5 Abs. 1 S. 2 stellt klar, dass der Grundsatz der Subsidiarität für die Ausübung der Kompetenzen der Union gilt. Im Rahmen des Unionsrechts ist der Subsidiaritätsgrundsatz also keine Kompetenzverteilungs-, sondern eine Kompetenzausübungsregel im Hinblick auf die durch die Verträge bereits verteilten Kompetenzen.[11] Kompetenzen der Union zur Schaffung supranationalen Kriminalstrafrechts dürfen nur ausgeübt werden, sofern und soweit die angestrebten Ziele "weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind."[12] Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 EUV fordert also einen "Test der vergleichenden Effizienz".[13] Zu prüfen ist danach, ob die Mitgliedstaaten die tatsächlichen und finanziellen Mittel zur Verfügung haben,[14] um das Ziel zumindest genauso gut zu erreichen wie die EU.[15]

b) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 4 EUV)

Die zweite Kompetenzausübungsschranke ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Gemäß Art. 5 Abs. 4 EUV "gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das für die Erreichung der Ziele der Verfassung erforderliche Maß hinaus." Im Gegensatz zum Subsidiaritätsgrundsatz findet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch auf Maßnahmen im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeit der Union Anwendung. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist ein auch in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verankerter allgemeiner Rechtsgrundsatz.[16] Er hat im Unionsrecht zwei Aspekte: Zum einen flankiert er den Subsidiaritätsgrundsatz, indem er gewährleistet, dass die Union die ihr übertragenen Kompetenzen nur insoweit ausübt, als dies zur Erreichung der in den Verträgen festgelegten Zielen geeignet, erforderlich und angemessen ist. Zum anderen gilt auch im Unionsrecht die individualrechtsschützende Wirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wonach in Rechte der Bürger nur in geeigneter, erforderlicher und angemessener Weise eingegriffen werden darf.[17]

3. Ermächtigungen der EU auf dem Gebiet des Strafrechts müssen restriktiv gehandhabt werden

Im Strafrecht muss die Einhaltung der Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit besonders streng geprüft werden.[18] Grund hierfür sind im Wesentlichen drei Erwä-

gungen, die die Mitgliedstaaten schon bei der Übertragung strafrechtlicher Kompetenzen zurückhaltender als bei der Übertragung von Kompetenzen in anderen Bereichen sein lassen:

a) Strafgewalt ist Ausdruck staatlicher Souveränität

Die Globalisierung führt dazu, dass die Wirksamkeit der Maßnahmen einzelner Nationalstaaten zurückgedrängt wird, diese also faktisch Souveränität verlieren. Dadurch stoßen die Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen in ihrer Schutzverpflichtung gegenüber den Bürgern an Grenzen. In diesen Bereichen werden Kompetenzen an die EU übertragen, die diese einerseits möglichst effektiv ausüben soll. Andererseits stellt jede Kompetenzübertragung einen zusätzlichen Souveränitätsverlust der Mitgliedstaaten dar und soll deswegen nicht über das zum Erreichen der Unionsziele Erforderliche hinausgehen.

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde versucht, einen Ausgleich zwischen effektiver Erreichung der Unionsziele und möglichst weitgehender Schonung der Souveränität der Mitgliedstaaten zu finden. Generell wurde zur Effektivierung der Kompetenzbereiche der Union das Mehrheitsprinzip im Rat ausgeweitet und dadurch die Vetomöglichkeit der einzelnen Mitgliedstaaten und mithin auch deren Souveränität eingeschränkt. Im strafrechtsrelevanten Bereich wurde einerseits das Unionsziel des einheitlichen Raumes "der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" in Art. 3 Abs. 2 EUV verankert und gegenüber früheren Vertragsversionen aufgewertet. Andererseits finden sich in Art. 72 und 276 AEUV Schranken für Eingriffe in die mitgliedstaatliche Souveränität in Bereichen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und dem Schutz der inneren Sicherheit zuzuordnen sind. So legt Art. 72 AEUV fest, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit ausschließlich in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen. Art. 276 AEUV bestimmt, dass der Europäische Gerichtshof nicht zuständig für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen der Mitgliedstaaten ist.

Bei der Auslegung der Vertragsbestimmungen muss dieses Bemühen um einen Ausgleich zwischen größtmöglicher Schonung der Souveränität der Mitgliedstaaten und effektiver Erreichung der Unionsziele zu Grunde gelegt werden.

b) EU-Gesetzgebung ist demokratisch weniger legitimiert als nationale Gesetzgebung

Das Gebot, Unionskompetenzen im strafrechtlichen Bereich besonders restriktiv auszulegen, ergibt sich weiterhin daraus, dass die demokratische Legitimation von EU-Gesetzgebung in zweifacher Hinsicht gegenüber der demokratischen Legitimation der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten reduziert ist.

aa) Der Grundsatz der Staatengleichheit schließt Wahlgleichheit bei Europawahlen aus

Gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 3 EU sind die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger im Europäischen Parlament "degressiv proportional, mindestens jedoch mit sechs Mitgliedern je Mitgliedstaat vertreten." Die Höchstzahl möglicher Sitze pro Land ist auf 96 Sitze festgesetzt. Die Sitzverteilung wird auf Initiative und mit Zustimmung des Europäischen Parlaments einstimmig vom Europäischen Rat erlassen.[19] Die degressive Verteilung führt dazu, dass die Abgeordneten unterschiedlicher Mitgliedstaaten unterschiedlich viele Bürger vertreten. So werden in der Legislaturperiode 2009 – 2014 82 Mio. Deutsche durch 96 Sitze repräsentiert, 0,4 Mio. Malteser durch 6 Sitze. Die Stimme eines Maltesers hat bei der Wahl zum Europäischen Parlament folglich 12,8 mal mehr Gewicht als die Stimme eines Deutschen. Dies widerspricht dem Grundsatz der Wahlgleichheit.[20] Eine supranationale Strafrechtssetzungskompetenz der Union könnte also theoretisch dazu führen, dass Strafnormen von einer Mehrheit im Europäischen Parlament, die aber nur eine Minderheit der Unionsbürger repräsentiert, getragen werden.

bb) Ein europäischer öffentlicher Diskurs findet nur unzureichend statt

Neben den formalen Voraussetzungen an ein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren bestehen zudem vorrechtliche Voraussetzungen an die Legitimation von (Straf-)Recht. Legitimität entsteht, wenn alle möglicherweise Betroffenen den jeweiligen Handlungsnormen "als Teilnehmer an rationalen Diskursen zustimmen könnten."[21] Auch ein parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren ist also auf ein Mindestmaß gesellschaftlichen Diskurses angewiesen, um zu gewährleisten, dass die entsprechende Rechtssetzung in der Gesellschaft anerkannt wird. Das Bundesverfassungsgericht fordert insofern eine "ständige Auseinandersetzung zwischen sich begegnenden sozialen Kräften, Interessen und Ideen (...) aus der heraus eine öffentliche Meinung den Willen vorformt."[22] Eine solche öffentliche Auseinandersetzung ist auf europäischer Ebene zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in gleichem Maße gegeben wie auf nationaler Ebene. Es ist nicht zu verkennen, dass "die öffentliche Wahrnehmung von Sachthemen und politischem Führungspersonal in erheblichem Umfang an nationalstaatliche, sprachliche, historische und kulturelle Identifikationsmuster angeschlossen bleibt."[23] Schon die Sprachvielfalt im europäischen Raum verhindert eine Auseinandersetzung von gleichem Umfang wie sie in den einzelnen Mitgliedstaaten möglich ist. Weil sich das Europäische Parlament bei seiner Entscheidungsfindung also noch nicht in gleichem Maße wie die nationalstaatlichen Parlamente auf

einen öffentlichen Diskurs stützen kann, hat es bei seinen Entscheidungen weniger Zugang zu den Wertentscheidungen der repräsentierten Bürger. Insofern ist es weniger legitimiert als nationale Parlamente, in Normen kodifizierte Entscheidungen über Recht und Unrecht zu treffen.

Für die Frage nach einer Kompetenz der EU zur Schaffung supranationalen Kriminalstrafrechts nach dem Vertrag von Lissabon ist die Frage der Legitimation nicht alleinentscheidend, denn auch bei idealer Legitimation wäre noch zu prüfen, ob die Verträge eine Kompetenz vermitteln.[24] Das beschriebene "Minus" an Legitimation supranationaler gegenüber einzelstaatlicher Strafgesetzgebung muss aber als Grund restriktiver Auslegung möglicher Ermächtigungsgrundlagen berücksichtigt werden.[25] Dies gilt umso mehr im eingriffsintensiven Bereich des Strafrechts, dessen Auswirkungen bis zur Zerstörung der bürgerlichen Existenz reichen können.[26]

c) Nur gemeinsame Wertüberzeugungen können strafrechtlich geschützt werden

Bei der Abgrenzung und Auslegung der Zuständigkeiten der EU ist zudem zu beachten, dass das Strafrecht bisher auch von soziokulturellen und historisch-traditionellen Eigenheiten des jeweiligen Mitgliedstaats geprägt ist.[27] Für die Beeinflussung des Strafrechts durch "ethische und religiöse Vorstellungen, (..) soziale Verhältnisse, (..) volkseigentümliche Entwicklungsbedingungen und Erscheinungsformen des Verbrechertums"[28] lassen sich etliche Beispiele finden. Den Einfluss von ethischen, aber auch sozialen und demographischen Bedingungen der jeweiligen Gesellschaft auf ihr Strafrecht zeigt beispielsweise die unterschiedliche Bewertung von Schwangerschaftsabbrüchen.[29] Den Einfluss von besonderen kriminalpolitischen Erfordernissen zeigen die ausgeprägten Regelungen des italienischen Strafrechts bezüglich krimineller Vereinigungen.[30] Auch die enger verwandten Rechtskreise Österreichs und Deutschlands kommen zum Beispiel zu unterschiedlichen Wertungen bezüglich der Notwehrfähigkeit des Rechtsgutes "Ehre".[31]

Auch bei der Bewertung von Handlungen zulasten der EU-Finanzen können unterschiedliche strafrechtliche Auffassungen, die in den Mitgliedstaaten vertreten werden, zum Tragen kommen. Beispielsweise teilen andere europäische Rechtsordnungen die Ablehnung der Strafbarkeit juristischer Personen auf Grundlage des deutschen Schuldprinzips nicht.

Hieraus ergibt sich ein Spannungsfeld:[32] Einerseits ist es Intention der Vertragsparteien die jeweiligen nationalen Identitäten zu wahren.[33] Andererseits bedingt das Zusammenwachsen Europas in allen Lebensbereichen die gegenseitige Teilnahme an den verschiedenen Kulturen. Diese Teilnahme kann indes "um so befruchtender wirken (..), je vorsichtiger die selbstständige Eigenart eine[r]jeden von ihnen gewahrt wird".[34] In vielen Bereichen werden also im Einzelnen unterschiedliche Wertvorstellungen noch bestehen bleiben. Dies stellt eine Einschränkung für die normative Ableitbarkeit der "Pönalisierung sozialen Verhaltens (...) aus europaweit geteilten Werten und sittlichen Prämissen" dar.[35] Nur solche Verhaltensnormen können nämlich strafrechtlich geschützt werden, die den gemeinsamen Wertüberzeugungen der Bürger entsprechen.[36] Zwar ist es zunächst Aufgabe auf politischer Ebene, dies zu berücksichtigen,[37] bei der Auslegung von Normen, die die EU möglicherweise zur Schaffung supranationalen Kriminalstrafrechts ermächtigen, kann aber zugrunde gelegt werden, dass die Vertragsparteien bezüglich der Integration des Strafrechts zurückhaltender sind als bezüglich anderer Rechtsgebiete.

III. Art. 325 Abs. 4 AEUV ermächtigt nicht zum Erlass supranationaler Strafnormen

Im Folgenden wird gezeigt, dass Art. 325 Abs. 4 AEUV bei der gebotenen restriktiven Auslegung strafrechtsrele-

vanter Normen der EU-Verträge nicht zur Schaffung supranationalen Kriminalstrafrechts ermächtigt.

1. Der Wortlaut des Art. 325 Abs. 4 AEUV schließt Verordnungen nicht aus

Art. 325 Abs. 4 AEUV stellt fest, dass Rat und Parlament im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren "die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Betrügereien, die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten" beschließen.[38] Strafrechtliche Maßnahmen werden nicht ausdrücklich bezeichnet, die Begriffe "Bekämpfung" und "Betrügereien" weisen aber auf strafrechtliches Vorgehen hin:[39] "Bekämpfung" indiziert die Anwendung von repressiven Maßnahmen.[40] "Betrügereien" bezeichnet ein Kriminalitätsfeld, gegen das grundsätzlich auch mit strafrechtlichen Maßnahmen vorgegangen werden muss.[41]

Fraglich ist allerdings, welche strafrechtlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Betrügereien von Art. 325 Abs. 4 AEUV umfasst sind. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist Art. 288 S.1 AEUV, nach dem der Begriff der Maßnahme neben Richtlinien, Beschlüssen, Empfehlungen und Stellungnahmen auch Verordnungen umfasst.[42] Weiter spricht die Verwendung des Begriffes der Maßnahme in Art. 325 Abs. 2 AEUV dafür, die Verordnung als Maßnahme i.S.d. Art. 325 Abs. 4 AEUV zu sehen: Art. 325 Abs. 2 AEUV kodifiziert die Assimilierungspflicht der Mitgliedsstaaten. Er legt fest, dass die Mitgliedstaaten Straftaten zulasten der EU-Finanzen mit den gleichen "Maßnahmen" bekämpfen, mit denen sie gegen Straftaten zulasten der eigenen Finanzen vorgehen.[43] Eine Maßnahme, mit der die Mitgliedstaaten Taten zulasten ihrer Finanzen bekämpfen, ist der Erlass von Strafgesetzen. Der Begriff "Maßnahme" i.S.d. Art. 325 Abs. 2 AEUV umfasst folglich Strafgesetze.[44] Das Äquivalent zu einem mitgliedstaatlichen Strafgesetz auf Unionsebene ist die (keinen Umsetzungsakt erfordernde) Verordnung.[45]

Untersucht man also ausschließlich den Wortlaut des Art. 325 AEUV, finden sich zunächst keine Anhaltspunkte, die darauf deuten, dass der Erlass strafrechtlicher Verordnungen von Art. 325 Abs. 4 AEUV nicht umfasst ist.[46] Eine Verordnung wäre direkt in den Mitgliedstaaten anwendbar und stellte somit supranationales Kriminalstrafrecht dar. Bezüglich der Ermächtigung zum Beschluss von Maßnahmen findet sich außer dem Erforderlichkeitskriterium im Wortlaut des Art. 325 Abs. 4 AEUV keine Beschränkung. Rat und Parlament scheinen also, sofern kein weniger in die Souveränität der Mitgliedstaaten eingreifendes Mittel gleichermaßen erfolgversprechend ist, zum Erlass auch von Verordnungen zur Bekämpfung von Betrügereien,[47] die sich gegen die finanziellen Interessen der Union richten, ermächtigt zu sein.[48]

Mit Rücksicht auf die oben dargelegten Gründe sind im Bereich des Strafrechts jedoch höhere Anforderungen an die Einhaltung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung zu stellen.[49] Die Tatsache, dass der Wortlaut des Art. 325 Abs. 4 AEUV bei isolierter Betrachtung einer supranationalen Strafrechtssetzungskompetenz nicht entgegensteht, erlaubt also noch kein abschließendes Urteil.[50] Vielmehr sind auch Systematik, Historie und Telos der Norm zu berücksichtigen.

2. Die Systematik der strafrechtlichen Kompetenzregelungen im AEUV schließt die Annahme einer Verordnungskompetenz im Strafrecht aus

a) Art. 86 AEUV setzt kein supranationales Strafrecht voraus

Art. 86 AEUV sieht die Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft vor. Diese wäre gemäß Art. 86 Abs. 2 AEUV "zuständig für die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung sowie die Anklageerhebung in Bezug auf Personen, die (...) Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union begangen haben, die in der Verordnung nach Absatz 1 festgelegt sind."[51] Unklar ist, was genau in der Verordnung nach Abs. 1 festgelegt werden soll: Zum einen könnte sie Zuständigkeitsfelder der Europäischen Staatsanwaltschaft näher konkretisieren, zum anderen könnte hier auf die Schaffung supranationaler Straftatbestände Bezug genommen worden sein.[52]

Allerdings müsste die Europäische Staatsanwaltschaft gem. Art. 86 Abs. 2 S. 2 AEUV ohnehin vor dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Strafgericht Anklage erheben. Dies ist durchaus auch auf Grund von gegebenenfalls unterschiedlichen nationalen Umsetzungsgesetzen einer Richtlinie zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union möglich. Unmittelbar anwendbares Unionsstrafrecht ist also keine zwingende Voraussetzung für die Tätigkeit der gegebenenfalls neu zu schaffenden Behörde.

Die Möglichkeit der Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft gemäß Art. 86 AEUV setzt also die Annahme von Kompetenzen der Union zur Schaffung entsprechender Strafnormen nicht voraus.[53] Art. 86 AEUV kann also weder für noch gegen eine Kompetenz zur Schaffung supranationalen Kriminalstrafrechts in Stellung gebracht werden. Art. 86 AEUV zeigt aber, dass die Mitgliedstaaten bei Vertragsschluss den Grundstein für eine weitergehende europäische Integration auf dem Gebiet des Strafrechts legen wollten.[54]

b) Art. 103 Abs. 2 lit. a AEUV steht einer Strafrechtssetzungskompetenz nicht entgegen

Art. 103 Abs. 2 lit. a AEUV ermächtigt den Rat, gegen Kartelle oder missbräuchliches Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung mit Geldbußen und Zwangsgeldern vorzugehen. Aus dieser ausdrücklichen Regelung wird teils e contrario geschlossen, dass eine Kompetenz zur Strafrechtssetzung nicht bestehen könne.[55] Wenn schon der Erlass von Bußgeldern geregelt ist, dann bedürfe die Kompetenz zum Erlass von Strafvorschriften erst recht einer ausdrücklichen Regelung. Dem lässt sich jedoch entgegnen, dass Art. 103 Abs. 2 lit. a AEUV in erster Linie keine Ermächtigung, sondern vielmehr einen Regelungsauftrag beinhaltet.[56] Der Unionsgesetzgeber ist demnach bei Vorliegen von "Zweckdienlichkeit" i.S.d. Art. 103 Abs. 1 AEUV zum Erlass von Bußgeldnormen verpflichtet. Die spezifische Regelung der Bußgeldkompetenz spricht folglich zwar eher gegen darüber hinausgehende, weniger eindeutig geregelte Kompetenzen der Union, schließt solche aber nicht aus.

c) Die detaillierten Regeln zur Richtlinienkompetenz des Art. 83 AEUV schließen die Annahme einer Verordnungskompetenz in Art. 325 Abs. 4 AEUV aus
aa) Das Verhältnis zwischen Art. 83 und Art. 325 AEUV

Anders stellt sich die Situation bei Art. 83 AEUV dar. Art. 83 Abs. 1 und Abs. 2 ermächtigen das Europäische Parlament und den Rat, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Richtlinien Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen festzulegen.[57] Art. 83 AEUV ermächtigt also die EU ausdrücklich zu Eingriffen in das Strafrecht der Mitgliedstaaten. Die Ermächtigungstatbestände sind allerdings eng gefasst.[58]

Nach Art. 83 Abs. 1 AEUV dürfen Richtlinien nur für Bereiche besonders schwerer Kriminalität erlassen werden, welche entweder grenzüberschreitend sind, grenzüberschreitende Auswirkungen haben oder aber zwingend grenzüberschreitend bekämpft werden müssen. Abs. 1 UAbs. 2 zählt entsprechende Kriminalitätsbereiche abschließend auf, diese können gem. Abs. 1 UAbs. 3 nur durch einstimmigen Ratsbeschluss mit Zustimmung des Parlaments ergänzt werden.

Art. 83 Abs. 2 AEUV regelt eine strafrechtliche Annexkompetenz, die der EuGH bereits unmittelbar vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon angenommen hat.[59] Danach dürfen Richtlinien in Bereichen, in denen bereits Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt sind, erlassen werden, wenn dies unerlässlich für die Durchführung der Unionspolitik auf dem jeweiligen Gebiet ist.

Wie gezeigt, ist der Tatbestand des Art. 325 Abs. 4 AEUV weniger eng gefasst. Sieht man in Art. 325 Abs. 4 AEUV also eine Ermächtigung zum Erlass supranationalen Strafrechts, bestünde ein systematischer Widerspruch: Für das Einwirken auf die nationalen Strafrechtssysteme

per Richtlinie gälten strengere Anforderungen als an den Erlass strafrechtlicher Verordnungen.

Art. 83 Abs. 3 AEUV würde diesen Widerspruch noch verstärken. Gem. Art. 83 Abs. 3 AEUV können die Mitglieder des (Minister) Rates bei Richtlinien, die grundlegende Aspekte der Strafrechtsordnung eines Mitgliedstaates betreffen, das Verfahren aussetzen und beantragen, dass der Europäischen Rat (der Regierungschefs) damit befasst wird.[60] Diese als "Notbremse" bezeichnete Möglichkeit stellt eine weitere Restriktion für den Erlass von Richtlinien dar.[61] Auch hier wäre nicht erklärbar, warum eine solche Restriktion zwar für die Kompetenz zum Erlass von Richtlinien vorgesehen wurde, nicht aber für die weitergehende Kompetenz zum Erlass strafrechtlicher Verordnungen.[62]

bb) Strafrechtssetzungskompetenz trotz unterschiedlich enger Ermächtigungstatbestände?

Unter den Vertretern der Ansicht, dass Art. 325 Abs. 4 AEUV die EU zum Erlass supranationalen Strafrechts ermächtige, besteht Uneinigkeit, wie mit den unterschiedlich engen Ermächtigungstatbeständen des Art. 83 und des Art. 325 AEUV umzugehen ist.

(1) Die Verordnung als im Vergleich zur Richtlinie schonendere Maßnahme?

Satzger argumentiert, dass der sachliche Grund für die weitergehende Restriktion der Richtlinienkompetenz des Art. 83 AEUV gegenüber der Verordnungskompetenz des Art. 325 Abs. 4 AEUV darin bestehe, dass durch Unionsrechtssetzung eine autonome Rechtsordnung ausschließlich zum Schutz des supranationalen Rechtsguts der finanziellen Interessen der Union entstehe. Durch diese seien Integrität und Kohärenz der nationalen Strafrechtsordnungen nicht in gleicher Weise betroffen wie im durch Art. 83 Abs. 3 AEUV geregelten Fall, denn supranationale Gesetze änderten nichts an den Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten.[63]

Integrität und Kohärenz der nationalen Strafrechtsordnungen werden aber nicht um ihrer selbst willen geschützt, sondern um die Akzeptanz der jeweiligen Strafrechtsordnung durch die Bürger sicherzustellen. Widersprechen die Wertungen nebeneinander anwendbarer supranationaler und nationaler Strafnormen einander, wird die Akzeptanz der ganzen Strafrechtsordnung in Frage gestellt. Auch der Verweis auf das supranationale Schutzgut des Art. 325 AEUV überzeugt nicht. Supranationale Normen wären nämlich nicht ohne Regelungen zum allgemeinen Teil denkbar. Hielte man es noch für vermittelbar, beispielsweise Subventionsbetrug zulasten von EU-Mitteln nach anderen Wertungen zu bestrafen als Subventionsbetrug zulasten mitgliedstaatlicher Mittel so täten sich doch spätestens untragbare Widersprüche auf, wenn sich die Wertungen zum Versuch des jeweiligen Delikts widersprächen.

Die Annahme, dass niedrigere Anforderungen des Art. 325 Abs. 4 AEUV dadurch zu erklären seien, dass dieser zu Verordnungen ermächtige, die die mitgliedstaatlichen Strafrechtsordnungen im Gegensatz zu den in Art. 83 AEUV geregelten Richtlinien nicht betreffen, vermag folglich nicht zu überzeugen.

(2) Analoge Anwendung des Art. 83 Abs. 3 AEUV

Andererseits wird vertreten, dass die bei Annahme der Kompetenz zum Erlass supranationalen Strafrechts bestehende systematische Inkohärenz nicht darauf schließen lasse, dass eine solche Kompetenz ausgeschlossen sei. Systematische Widersprüche seien vielmehr Konsequenz daraus, dass die Systematik der strafrechtlichen Kompetenzregeln im Vertrag von Lissabon weitgehend von vorherigen Vertragsversionen übernommen wurde, die keine Strafrechtskompetenz enthielten. Dadurch verursachte systematische Widersprüche seien durch den Rechtsanwender auszugleichen.[64] Zwar ermächtige Art. 325 Abs. 4 AEUV grundsätzlich zu supranationalen Strafnormen. Wenn diese gegen in einem Mitgliedstaat herrschende grundlegende Rechtsüberzeugungen verstoßen, sei aber undenkbar, dass diese den Bürgern dieses Mitgliedstaates aufgezwungen werden können. Für diesen Fall finde sich keine Regelung im AEUV. Die Interessenlage sei jedoch mit der des Art. 83 Abs. 3 AEUV vergleichbar. Die Regelung des Art. 83 Abs. 3 AEUV müsse daher auch und erst recht zum Schutz vor supranationalen Normen, die grundlegenden Aspekten einer mitgliedstaatlichen Strafrechtsordnung widersprechen, Anwendung finden. Dieser Ansicht ist zuzugeben, dass eine überzeugende Lösung für den systematischen Widerspruch gefunden wird, der entsteht, wenn man Art. 325 Abs. 4 AEUV als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass supranationaler Strafgesetze sieht.

(3) Vorschlag: Berücksichtigung des Art. 83 AEUV bei der Auslegung des Art. 325 AEUV

Legt man Art. 325 AEUV unter Berücksichtigung des Art. 83 AEUV aus, besteht ein solch starker Widerspruch hingegen schon nicht. Es fällt auf, dass Art. 83 AEUV Strafrecht ausdrücklich nennt, während sich der Strafrechtsbezug des Art. 325 AEUV nur aus dem Kontext ergibt. Weiterhin sticht ins Auge, dass Art. 83 schon nach seiner Wortwahl klar als Ermächtigungsnorm formuliert ist, während Art. 325 Abs. 4 AEUV nur feststellt, dass Maßnahmen beschlossen werden, also eher nach einer Absichtserklärung klingt.

Es bietet sich daher an, Art. 325 Abs. 4 AEUV als Präzisierung des Art. 83 AEUV zu lesen, der die besondere Bedeutung des Kriminalitätsbereichs "Handlungen zulasten der finanziellen Interessen der EU" unterstreicht. Maßnahmen, die Parlament und Rat nach Art. 325 AEUV zur Bekämpfung von Betrügereien beschließen, könnten nach dieser Lesart nur diejenigen Maßnahmen sein, die der EU im strafrechtsrelevanten Bereich zur Verfügung stehen, d.h. Maßnahmen, die die mitgliedstaatliche Souveränität jedenfalls nicht weitergehend einschränken als die in Art. 83 AEUV geregelten Richtlinien. Über eine reine Präzisierung des Art. 83 AEUV geht Art. 325 Abs. 4 AEUV indes in zweierlei Hinsicht hinaus: Erstens ist in Art. 325 Abs. 4 AEUV das Schutzgut "finanzielle Interessen der Union" klar benannt, während Art. 83 AEUV zum Erlass von Richtlinien in Bereichen besonders schwerer Kriminalität von grenzüberschreitender Art oder mit grenzüberschreitenden Auswirkungen ermächtigt. Zwar fällt der Großteil der Handlungen zulasten der Unionsfinanzen in diese Kriminalitätsbereiche. Jedoch unterscheidet sich der für Art. 325 Abs. 4 AEUV wichtigste Bereich des Schutzes der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds von den in Art. 83 AEUV genannten Kriminalitätsfeldern.[65] Zweitens ist Art. 325 AEUV bezüglich der Anforderungen an den Beschluss von Maßnahmen, wie gezeigt, weniger restriktiv als Art. 83 AEUV.

Legt man Art. 325 Abs. 4 AEUV nicht als Art. 83 AEUV überschreitende Kompetenz zum Erlass supranationalen Strafrechts aus, besteht hierin indes kein Widerspruch: Erstens ist Art. 325 Abs. 4 AEUV in seinem Anwendungsbereich auf den Schutz der finanziellen Interessen der EU gegenüber dem weiteren Anwendungsbereich des Art. 83 AEUV beschränkt, zweitens handelt es sich bei den EU-Finanzen um ein originär supranationales Rechtsgut.[66] Insofern ist es konsequent, der Union hier unter weniger restriktiven Voraussetzungen eine Kompetenz einzuräumen.

Man könnte argumentieren, dass diese sachlichen Gründe nicht nur geringere Restriktionen an den Erlass einer Richtlinie nach Art. 325 Abs. 4 AEUV als an den Erlass einer Richtlinie nach Art. 83 AEUV, sondern ebenso die Annahme einer Kompetenz zum Erlass supranationalen Strafrechts rechtfertigen. Soweit tragen die erläuterten Unterschiede jedoch nicht. Art. 83 Abs. 1 AEUV betrifft Schwerstkriminalität, hinsichtlich derer keine nennenswerten Wertungsspielräume bestehen, man studiere den Katalog des Art. 83 Abs. 2 AEUV.[67] Art. 83 Abs. 2 AEUV erlaubt Mindestvorschriften für Straftaten wenn dies unerlässlich für die Durchführung der Politik der Union ist. Hierunter wird vor allem der Schutz supranationaler Rechtsgüter, etwa der Umwelt fallen. Die Anwendungsbereiche der Art. 325 Abs. 4 AEUV und Art. 83 AEUV unterscheiden sich also nicht derart grundlegend, dass eine weitergehende Verordnungskompetenz in Art. 325 Abs. 4 AEUV zu rechtfertigen wäre.

Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass eine Auslegung des Art. 325 Abs. 4 AEUV als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass unmittelbar anwendbarer supranationaler Strafgesetze zu einem gewichtigen systematischen Widerspruch im AEUV führt, der allenfalls mittels einer analogen Anwendung des Art. 83 Abs. 3 AEUV auf Art. 325 Abs. 4 AEUV abgemildert werden könnte. Dieser Widerspruch ergibt sich nicht,[68] wenn man bei der Auslegung des bereichsspezifischen Art. 325 Abs. 4 AEUV die allgemeinere und zu Strafrechtskompetenzen ausdrückliche Regel des Art. 83 AEUV berücksichtigt. Als "Maßnahmen" i.S.d. Art. 325 Abs. 4 AEUV sind folglich nur diejenigen Maßnahmen zu verstehen, die der EU im Bereich des Strafrechts auch nach Art. 83 AEUV offenstehen, nämlich neben Beschlüssen, Empfehlungen und Stellungnahmen nur Richtlinien.

Die Systematik der strafrechtlichen Kompetenzen spricht somit deutlich gegen die Annahme einer auf Art. 325 Abs. 4 AEUV gestützten Kompetenz der EU zum Erlass supranationaler Strafnormen.[69]

3. Die Historie des Art. 325 Abs. 4 AEUV zeigt die stetige Zunahme strafrechtlicher Kompetenzen der EU

Die Historie des Art. 325 Abs. 4 AEUV wird vielfach zur Stützung der weiten, eine supranationale Strafrechtssetzungskompetenz umfassenden Auslegung angeführt. Fraglich ist, ob die Entwicklungslinien der Vorläufernormen oder die Gesetzgebungsmaterialien eine solche Auslegung stützen.

Art. 325 Abs. 4 AEUV und seine Vorgängernormen zeigen anschaulich das zunehmende Vordringen der Europäischen Integration auf dem Gebiet des Strafrechts: Erstmals kodifizierte Art. 209a EGV in der Fassung des Vertrages von Maastricht die vom EuGH als Reaktion auf den griechischen Maisskandal entwickelte Assimilierungspflicht des Schutzes der EU-Fiskalinteressen an das Niveau des Schutzes der finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten.[70]

Der Vertrag von Amsterdam übernahm die Assimilierungspflicht in Art. 280 Abs. 2 EGV und führte in Abs. 4 die in Art. 325 Abs. 4 AEUV wortgleich gefasste Kompetenz

der EG ein, die zum Schutz der finanziellen Interessen der Union erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Art. 280 Abs. 4 EGV enthielt darüber hinaus in Satz 2 die sogenannte "Unberührtheitsklausel"[71], nach der "die Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten und ihre Strafrechtspflege (..) von diesen Maßnahmen unberührt" bleiben sollten. Die Bedeutung dieser Klausel war umstritten. Teils wurde vertreten, dass diese Klausel auf eine supranationale Gesetzgebungskompetenz hindeutete, denn supranationale Normen träten neben mitgliedstaatliche Normen und berührten als solche die Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten nicht.[72] Allerdings ist schwer vorstellbar, wie in der Praxis eine parallele Gesetzgebungskompetenz von EG und Mitgliedstaaten so hätte ausgestaltet werden können, dass die Anwendung nationalen Strafrechts unberührt geblieben wäre.[73] Überzeugender ist daher, dass die Klausel strafrechtliches Vorgehen gestützt auf Art. 280 Abs. 4 EGV sowohl durch Richtlinie als auch durch Verordnung ausschließen sollte.

Der Vertrag von Lissabon führte schließlich in Art. 83 AEUV die Kompetenz ein, unter strengen Voraussetzungen das Strafrecht der Mitgliedstaaten durch Richtlinie anzugleichen. Parallel wurde die "Unberührtheitsklausel" des ex-Art. 280 Abs. 4 Satz 2 EGV nicht in die Nachfolgenorm des Art. 325 Abs. 4 AEUV übernommen. Im Wortlaut des Art. 325 Abs. 4 AEUV, der isoliert betrachtet, wie gezeigt, in Richtung einer Strafgesetzgebungskompetenz weist, findet sich folglich keine Einschränkung zu Gunsten der mitgliedstaatlichen Strafrechtsanwendung mehr. Da die "Unberührtheitsklausel" in der deutschen Strafrechtswissenschaft als zentrales Argument gegen eine Kompetenz zur Schaffung supranationalen Strafrechts galt, wird aus ihrem Wegfall teils geschlossen, dass eine solche Kompetenz nun bestehe.[74] Nach dieser Ansicht haben die Mitgliedstaaten durch das Streichen des Nebensatzes aus dem Vertragstext ihren Willen zum Ausdruck gebracht, der EU die Kompetenz zu übertragen, bereichsspezifisch zum Schutz ihrer finanziellen Interessen supranationales Strafrecht zu schaffen.[75]

Eine so weitgehende Interpretation der Streichung der Unberührtheitsklausel des ex-Art. 280 Abs. 4 Satz 2 EGV ist aber aus drei Gründen nicht überzeugend:

Erstens sollten Kompetenzübertragungen im strafrechtsrelevanten Bereich grundsätzlich nur ausdrücklich und unmissverständlich erfolgen.[76] Dies muss vor dem Hintergrund des Vertragsschlusses zwischen den Mitgliedstaaten besonders betont werden. Da nämlich die Zustimmung der mitgliedstaatlichen Parlamente erforderlich ist, müssen die Verträge so gefasst sein, dass den Parlamentariern auch klar ist, welche Kompetenzen sie übertragen. Könnte eine gewichtige Kompetenz schon durch die Streichung eines Nebensatzes im Vertrag übertragen werden, wäre dies nicht gewährleistet.[77] Auch angesichts der Diskussion, ob schon die Vorgängernorm des Art. 325 Abs. 4 AEUV, Art. 280 Abs. 4 EGV eine Strafrechtssetzungskompetenz enthielt, kann die schlichte Streichung der Unberührtheitsklausel keine Kompetenzübertragung darstellen. Vielmehr wäre eine Klarstellung erforderlich gewesen.[78] Auch die Kommission ging in ihrem "Grünbuch zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und zur Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft"[79] aus dem Jahr 2001 davon aus, dass eine ausdrückliche Kompetenzübertragung erforderlich sei und schlug die Schaffung eines neuen Art. 280a EGV vor, der den Erlass supranationalen Strafrechts zum Schutz der Gemeinschaftsfinanzen ausdrücklich geregelt hätte.[80]

Zweitens muss die Interpretation der Intention der Streichung der Klausel zunächst an der gestrichenen Klausel selbst ansetzen. Wenn der Satz "die Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten und ihre Strafrechtspflege bleibt von diesen Maßnahmen unberührt" gestrichen wird, kann daraus zunächst nur geschlossen werden, dass die Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten und ihre Strafrechtspflege nach dem Vertrag von Lissabon durch europäische Maßnahmen nun "berührt" werden darf. Eine Kompetenz zur Schaffung supranationalen Strafrechts lässt sich darauf nicht stützen.

Drittens bieten auch die gem. Art. 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge subsidiär heranzuziehenden vorbereitenden Arbeiten und Umstände des Vertragsabschlusses wenig Anhaltspunkte für eine so weitgehende Interpretation. Arbeitsgruppe 10 des Konvents ("Freiheit, Sicherheit und Recht") stützte sich bei der Streichung wohl auf Arbeitspapier Nr. 27 (verfasst von der deutschen Kommissarin Michaele Schreyer).[81] Dieses enthält Vorschläge zur Regelung einer Europäischen Staatsanwaltschaft und stellt außerdem recht knapp fest: "The last sentence of paragraph 4 of current

article 280 EC (...) should be abrogated". Die Erläuterungen zum Erfordernis einer Europäischen Staatsanwaltschaft im Arbeitspapier legen nahe, dass die Autorin des Arbeitspapiers auch die Schaffung supranationaler Strafnormen befürwortet.[82] Dieser Gedanke wurde in den Beratungen der Arbeitsgruppe aber nicht aufgenommen.[83] Auch im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe finden sich keine Erläuterungen, die darauf hinweisen, dass mit der Streichung der "Unberührtheitsklausel" eine Kompetenz zur Schaffung supranationalen Kriminalstrafrechts übertragen werden sollte.[84] Eine mögliche Alternativerklärung wäre zum Beispiel, dass die Unberührtheitsklausel in der Sorge gestrichen wurde, diese könne die Ausübung der neuen Kompetenz des Art. 83 blockieren.

Die Historie des Art. 325 Abs. 4 AEUV zeigt folglich zwar deutlich den Willen der Mitgliedstaaten, die Europäische Integration auch auf dem Gebiet des Strafrechts voranzutreiben, die Annahme einer supranationalen Strafrechtssetzungskompetenz durch Verordnung lässt sich auf sie aber nicht stützen.

4. Teleologische Erwägungen allein können eine EU-Strafrechtssetzungskompetenz nicht begründen

Die Mitgliedstaaten übertragen der Union aus zwei Gründen Aufgaben und Kompetenzen: zum einen "bei transnationalen Problemlagen, deren Lösung die Aufgabenerledigungskapazität des Staates übersteigt",[85] zum anderen hinsichtlich supranationaler Interessen.[86] Ausufernde Kriminalität zulasten der EU-Finanzen zu begrenzen ist ein solches Interesse. Nach einer sowohl im innerstaatlichen Recht (Annexkompetenz) als auch im Völkerrecht allgemein anerkannten Auslegungsregel (Implied-powers-Doktrin) beinhalten solche Kompetenzübertragungen immer zugleich diejenigen Vorschriften, bei deren Fehlen sie sinnlos oder nicht in sinnvoller oder vernünftiger Weise zur Anwendung gelangen könnten.[87] In ähnlicher Weise ließe sich auch mit dem "effet-utile-Grundsatz" argumentieren.[88] Danach sollen die mit einer Bestimmung verfolgten Ziele möglichst effektiv zur Geltung gebracht werden.[89] In diesem Sinne hatte der EuGH 2005 schon vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ausgeführt, dass der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung den Gemeinschaftsgesetzgeber nicht daran hindern könne, "Maßnahmen in Bezug auf das Strafrecht der Mitgliedstaaten zu ergreifen, die seiner Meinung nach erforderlich sind, um die volle Wirksamkeit der von ihm zum Schutz der Umwelt erlassenen Rechtsnormen zu gewährleisten, wenn die Anwendung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen durch die zuständigen nationalen Behörden eine zur Bekämpfung schwerer Beeinträchtigungen unerlässliche Maßnahme darstellt."[90] 2007 präzisierte der EuGH diese Entscheidung: Der Gemeinschaftsgesetzgeber könne die Mitgliedstaaten zur Einführung strafrechtlicher Sanktionen verpflichten, um die volle Wirksamkeit der in einem Kompetenzbereich der Union erlassenen Rechtnormen zu gewährleisten.[91] Eine weite Auslegung von Ermächtigungsgrundlagen zum Schutz der finanziellen Interessen der EU kann also nicht von vornherein gänzlich ausgeschlossen werden.[92] Eine Kompetenz zur Schaffung unmittelbar anwendbaren Strafrechts im engeren Sinne kann aber nicht bereits auf die EuGH-Rechtsprechung gestützt werden, denn der EuGH hat die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für Art und Maß strafrechtlicher Sanktionen ausdrücklich anerkannt.[93]

Für die hier zu entscheidende Frage nach einer Strafsetzungskompetenz der EU nach dem Vertrag von Lissabon sind zudem noch zwei Aspekte zu berücksichtigen: Erstens gelten die hohen Anforderungen an eine erweiternde Auslegung vor dem Hintergrund der starken Betonung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung seit dem Vertrag von Lissabon in erhöhtem Maße.[94] Zweitens ist eine zurückhaltende Auslegung im strafrechtsrelevanten Bereich in besonderer Weise geboten.

Eine der Systematik des AEUV entgegenstehende Kompetenz zur Schaffung unmittelbar anwendbaren Strafrechts kann also nicht auf die teleologische Auslegung des Art. 325 Abs. 4 AEUV gestützt werden.

5. Zusammenfassung

Der Wortlaut des Art. 325 Abs. 4 AEUV erklärt, dass Maßnahmen besonders zum Finanzschutz erlassen werden sollen, genügt den Anforderungen, die an die Über-

tragung einer Kompetenz zum Erlass supranationalen Strafrechts zu stellen sind, aber nicht. Auch die Historie der Norm bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass eine so weitgehende Kompetenz übertragen werden sollte. Art. 325 Abs. 4 AEUV ist vielmehr systematisch unter Berücksichtigung des Art. 83 AEUV auszulegen, den er insofern präzisiert und erweitert, als er bereichsspezifisch zum Schutz der EU-Finanzen zum Erlass von Beschlüssen, Empfehlungen, Stellungnahmen und unter erleichterten Voraussetzungen zum Erlass von Richtlinien ermächtigt. Maßnahmen i.S.d. Art. 325 Abs. 4 AEUV umfassen also ausschließlich die der Union nach den Verträgen zur Verfügung stehenden Maßnahmen, d.h. im strafrechtlichen Bereich keine Verordnungen. Es besteht somit auch nach dem Vertrag von Lissabon keine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass supranationaler Strafnormen.[95]

IV. Der Schutz der EU-Finanzen kann durch Unionsgesetzgebung besser als auf mitgliedstaatlicher Ebene verwirklicht werden

Darüber hinaus dürfen jegliche Maßnahmen nach Art. 325 Abs. 4 AEUV, d.h. Richtlinien und, sofern man Art. 325 Abs. 4 entgegen hier vertretener Ansicht weit auslegt, Verordnungen nur unter Wahrung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit erlassen werden. Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz gem. Art. 5 Abs. 3 EUV ist erforderlich, dass der Schutz der EU-Finanzen von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist.

1. Der Schutz der EU-Finanzen durch das mitgliedstaatliche Strafrecht ist lückenhaft

a) Der Schutz der EU-Finanzen beruht auf interstaatlichen Übereinkommen

Der Schutz der finanziellen Interessen der EU auf mitgliedstaatlicher Ebene ist bereits weitgehend europarechtlich beeinflusst. Er beruht zunächst auf der Vorgabe des EuGH, Handlungen zulasten der finanziellen Interessen der EU gleichermaßen zu bestrafen wie Handlungen zulasten der jeweiligen nationalen Finanzinteressen ("Assimilierungspflicht").[96] Das auf Art. 3 EUV gestützte Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der EG (1995) erweiterte diese Grundlage,[97] indem es Vorgaben für die Bekämpfung von "betrügerischen Handlungen" sowie zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmensleitern setzt. Zwei Protokolle ergänzen das Übereinkommen: Protokoll 1 (1996)[98] regelt Korruptionsdelikte, Protokoll 2 (1997)[99] regelt Einziehung, Geldwäsche sowie die Sanktionierung juristischer Personen. Deutschland setzte das Übereinkommen sowie die Protokolle durch das EG-Finanzschutzgesetz (1998)[100], das EU-Bestechungsgesetz (1998)[101], sowie das Gesetz zur Ausführung des zweiten Protokolls (2002)[102] um. Dabei wurde der im deutschen Strafrecht herkömmliche "zweigleisige" Schutz öffentlichen Vermögens beibehalten:[103] Öffentliche Einnahmen werden über die §§ 369 ff. AO, Ausgaben über §§ 263, 264 StGB geschützt.[104]

b) Die deutsche Umsetzung der Übereinkommen führt zu Rechtslücken

Im Folgenden wird an vier Beispielen aufgezeigt, wie die deutsche Umsetzung der Übereinkommen zum Schutz der EU-Finanzen zu Rechtslücken führt und die Bekämpfung von Straftaten zulasten der EU-Finanzen erschwert.

aa) Vorteilsgewährung an EU-Beamte (§ 333 StGB)

Korruptionsdelikte schädigen die öffentlichen finanziellen Interessen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn diese Beamte betreffen, die für die Verwaltung und Bewilligung von Subventionen oder die Erhebung von Abgaben verantwortlich sind.[105] Daher gilt für Korruptionsdelikte das Gleichstellungsprinzip. Nach diesem muss gegen unrechtmäßige Leistung oder Entgegennahme solcher Leistungen an oder durch Unionsbeamte gleichermaßen wie gegen unrechtmäßige Leistung oder Entgegennahme derselben an oder durch nationale Beamte vorgegangen werden. Dies ist auch in Art. 4 des (ersten) Protokolls zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften festgelegt.

Diese Gleichstellung hat der deutsche Gesetzgeber nicht vollständig vollzogen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist Amtsträger nur, wer seine Stellung "nach deutschem Recht" übertragen bekommen hat.[106] EU-Beamte fallen nur darunter, wenn die rechtliche Grundlage ihrer Bestellung in deutsches Recht transformiert wurde.[107] Auch unter "für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete (...), die auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet" sind, fallen EU-Beamte nicht. § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB wird nämlich eng ausgelegt, es wird eine Verpflichtung nach deutschem Recht vorausgesetzt.[108] Um diese Lücke zu schließen, regelt das der Umsetzung des ersten Protokolls dienende EU-Bestechungsgesetz für die §§ 332, 334 – 336 und 338 StGB die Gleichstellung von nationalen und EU-Beamten.[109] Keine Regelung findet sich bezüglich der Vorteilsgewährung im Sinne des § 333 StGB an EU-Beamte.[110]

Dass nach derzeitigem Gesetzesstand die Vorteilsgewährung an EU-Beamte im Gegensatz zur Vorteilsgewährung an nationale Beamte somit straflos bleibt, stellt eine wertungswidersprüchliche Lücke im Schutz der finanziellen Interessen der EU durch das deutsche Strafrecht dar.

Es ist allerdings anzumerken, dass das (erste) Protokoll ausdrücklich nur Regelungen bezüglich der Bestechung bzw. Bestechlichkeit trifft. Daher ist fraglich, ob die Assimilierungspflicht Deutschland dazu verpflichtet, die eigene weitergehende Strafbarkeit der Vorteilsgewährung bzw. -annahme auf EU-Beamte auszuweiten. Auch bei Ablehnung einer Assimilierungspflicht bleiben zwei Aspekte widersprüchlich: Zum einen ist die Ungleichbehandlung von Vorteilsgewährung an deutsche und an EU-Beamte nicht verständlich, zum anderen ist fraglich, warum die Vorteilsgewährung an EU-Beamte straflos bleiben soll, nicht aber die Vorteilsannahme. Auch ein von der Bundesregierung 2007 in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachter Gesetzentwurf, der das EU-Bestechungsgesetz in das Strafgesetzbuch inkorporiert, schließt diese Gesetzeslücke bezüglich regulärer EU-Beamter nicht.[111]

bb) Täuschung zur Erlangung von Vertragssubventionen (§ 264 StGB)

§ 264 StGB schützt die öffentlichen finanziellen Interessen auf Ausgabenseite. § 264 Abs. 7 Nr. 2 StGB weitet den Schutzbereich des § 264 StGB aus, indem er EU-Leistungen, "die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt" werden, aufnimmt. Dies schützt, entsprechend den Vorgaben des Art. 1 des Übereinkommens, die finanziellen Interessen der EU vor Schaden durch rechtswidrig erlangte Leistungen. Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 264 Abs. 1 sind "unrichtige oder unvollständige Angaben" (Abs. 1, Nr. 1), Fehlgebrauch der Subvention (Abs. 1, Nr. 2), In-Unkenntnis-Lassen über Tatsachen (Abs. 1, Nr. 3) oder das Gebrauchen einer durch unrichtige oder unvollständige Angaben erlangten Bescheinigung (Abs. 1, Nr. 4). Nr. 1, 3 und 4 setzen allerdings voraus, dass die Angaben bzw. Tatsachen subventionserheblich im Sinne des Abs. 8 sind. Gemäß Abs. 8 sind Tatsachen subventionserheblich, wenn sie gesetzlich als subventionserheblich bezeichnet werden (Abs. 8, Nr. 1) oder wenn sie gesetzliche Bedingung für die Subventionsvergabe sind (Abs. 8, Nr. 2). Demnach ist der Schutzbereich des § 264 StGB bezüglich täuschendem Verhalten auf Subventionen begrenzt, deren Ausgestaltung und Vergabebedingungen gesetzlich festgelegt sind.[112] Die Täuschung über Subventionen, deren Bedingungen ausschließlich vertraglich ausgestaltet sind ("Vertragssubventionen"), ist demnach nicht nach § 264 StGB strafbar.[113] Bei zusätzlichem Vorliegen der Tatbestandsmerkmale objektiver Schadenseintritt und subjektive Bereicherungsabsicht greift jedoch der Schutz des § 263 StGB.[114] Bezüglich Vertragssubventionen der EU bestehen also höhere Anforderungen an die Strafbarkeit als bezüglich Subventionen, deren Schutz gesetzlich geregelt ist. Insofern sind EU-Subventionen ihrem deutschen Pendant gleichgestellt. Auch deutsche Vertragssubventionen unterfallen den strengeren Anforderungen des § 263 StGB. Die genannten zusätzlichen Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB gehen über die des Art. 1 des Übereinkommens hinaus. Teilweise wird die Norm daher als völkerrechtswidrig zu eng gefasst angesehen.[115] Zwar erschweren unterschiedlich hohe Strafbarkeitsanforderungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten die Strafverfolgung, eine Lücke im materiellen Recht zum Schutz der finanziellen Interessen der EU ist hierin jedoch nicht zu sehen.[116]

cc) Hinterziehung von Unionsabgaben durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO)

§ 370 Abs. 6 und Abs. 7 AO soll die Gleichstellung von Taten zulasten von Einnahmen der EU und solchen zulasten der Einnahmen des deutschen Staates gewährleisten.[117] Bei der Bewertung von Steuerhinterziehungen zulasten der finanziellen Interessen der EU stellen sich zwei Probleme, die sich aus den Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ergeben.

(1) Adressat der Täuschung: Ausländische Finanzbehörden

EU-Einfuhrzölle werden in dem Land erhoben, in dem die Waren in den Gemeinschaftsmarkt eingeführt werden. Zu ihrem wirksamen Schutz ist notwendig, dass die Hinterziehung im gesamten Binnenmarkt strafbar ist. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, zu diesem Zweck keinen eigenen Tatbestand zu schaffen, sondern durch § 370 Abs. 6 und Abs. 7 AO den Grundtatbestand des § 370 Abs. 1 AO auf die Hinterziehung ausländischer Abgaben zu erweitern. Dadurch gelingt die Gleichstellung von Steuerhinterziehungen durch pflichtwidriges Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern (§ 370 Abs. 1 Nr. 3 AO), sowie durch Abgeben von unrichtigen oder unvollständigen Tatsachen gegenüber Finanzbehörden oder anderen Behörden (Nr. 1). Durch das materielle deutsche Strafrecht besteht also effektiver Schutz der finanziellen Interessen der EU gegen Steuerhinterziehung durch aktives Tun im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 AO.

Wie von Schmitz/Wulf aufgezeigt, ergeben sich allerdings Schwierigkeiten bezüglich der Gleichstellung von Steuerhinterziehungen durch pflichtwidriges In-Unkenntnis-Lassen von Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen (Nr. 2).[118] § 6 Abs. 2 Nr. 1 – 8 AO legen fest, dass unter den Begriff der Finanzbehörde ausschließlich Bundes- und Landesbehörden fallen. Demnach sind die Behörden anderer Mitgliedstaaten nicht als Finanzbehörden im Sinne des § 370 Abs. 1 AO anzusehen.[119] Telos der Regelung der § 370 Abs. 7 und Abs. 6 AO ist die Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 370 Abs. 1 AO auf Eingangsabgaben, Umsatz- und harmonisierte Verbrauchersteuern, die von einem anderen Mitgliedstaat und damit notwendigerweise der jeweils zuständigen ausländischen Finanzbehörde verwaltet werden.[120] Um dem gerecht zu werden, könnte man die Norm also weit auslegen und ausländische Finanzbehörden entgegen dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 AO als taugliche Adressaten der Täuschung einbeziehen. Die teleologische Auslegung kann sich aber gegen den klaren Wortlaut des § 6 Abs. 2 AO nicht durchsetzen. Dies ist insbesondere mit Rücksicht auf die aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB folgende Wortlautbindung bezüglich strafschärfender Auslegung zu beachten. Zwar handelt es sich bei § 6 Abs. 2 AO nicht um eine Strafnorm, da ihre Auslegung aber unmittelbare Auswirkung auf die Auslegung des § 370 AO hat muss die Wortlautbindung auch für § 6 AO gelten. Ausländische Behörden sind folglich keine Finanzbehörden im Sinne des § 370 Abs. 1 AO. Das Unterlassen von Angaben gegenüber ausländischen Finanzbehörden ist somit bei der gebotenen wortlautgetreuen Auslegung nicht nach § 370 AO strafbar.[121] Bezüglich der Unterlassensvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO besteht also eine Strafbarkeitslücke im materiellen Strafrecht. In der Praxis wirkt sich dies indes nicht aus, da die Rechtsprechung, um die Rechtslücke zu schließen, der weiten Auslegung des § 6 Abs. 2 AO folgt.[122]

(2) Täterseite: Pflichtwidrigkeitserfordernis

Ein weiteres Problem ergibt sich auf Täterseite. Aufgrund der möglichen Gewinne weisen die meisten Täter von Steuerhinterziehungen zulasten der EU einen hohen Organisationsgrad auf.[123] Derjenige, der steuerpflichtige Waren über die Grenze bringt, nimmt oft entweder einen niedrigen Rang in der kriminellen Organisation ein oder hat selbst keine kriminellen Absichten und wird durch die Hintermänner nicht über in seinem Transport versteckte steuerpflichtige Waren in Kenntnis gesetzt. Die Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist in Deutschland als Sonderdelikt ausgestaltet.[124] § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO setzt als bestimmendes Tatbestandsmerkmal die Verletzung einer Erklärungspflicht voraus.[125] Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist also nur strafbar, wer Träger dieser Pflicht ist. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist insofern eine Blankettnorm, die bezüglich der Erklärungspflichten auf die einschlägigen Steuergesetze verweist. Die Grundlage des Zollrechts der EU bildet der Zollkodex (ZK).[126] Art. 40 ZK bestimmt, dass diejenige Person, die die abgabepflichtigen Waren in das Zollgebiet "verbracht hat oder die gegebenenfalls die Verantwortung für ihre Weiterbe-

förderung übernimmt", erklärungspflichtig ist.[127] Nach dem Wortlaut fällt nur der Transporteur unter diese Norm, das heißt, der Fahrer der steuerpflichtigen Waren. Teils wurde vertreten, dass soweit der Fahrer von den versteckten Waren nichts wusste oder hätte wissen können, Art. 40 ZK teleologisch "zu reduzieren" sei. Demnach wäre nicht der Fahrer, sondern der Auftraggeber erklärungspflichtig.[128] Soweit Art. 40 ZK über § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO Auswirkungen auf die Strafbarkeit hat, war diese weite Auslegung bedenklich. In seinem Urteil vom 04.03.2004 hat der EuGH demgemäß entschieden, dass Art. 40 ZK (wortlautgetreu) so auszulegen ist, dass die Erklärungspflicht nur "für den Fahrer und den Beifahrer eines Lastzuges, die diese Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht haben" gilt, auch dann, wenn die Waren ohne ihr Wissen in dem Fahrzeug versteckt wurden.[129] Demgemäß scheidet die Strafbarkeit der "Hintermänner" mangels Erklärungspflicht aus. Mittäter einer Straftat nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO kann also nicht sein, wer den gewerbsmäßigen Schmuggel zwar nicht in eigener Person durchführt und selbst an der Grenze tätig wird, am Schmuggel aber als Hintermann beteiligt ist.[130] Zudem scheidet auch die Strafbarkeit der Transporteure mangels Vorsatz in der Regel aus. Im deutschen Strafrecht besteht also nach derzeit anwendbarem Recht bezüglich einer der am häufigsten begangenen Handlungen zulasten der finanziellen Interessen der EU eine Strafbarkeitslücke. Der Vorschlag, diese durch Aufgabe der Auslegung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO als Sonderdelikt zu beheben, hat sich nicht durchgesetzt.[131] Zwar ist am 24.06.2008 ein modernisierter Zollkodex in Kraft getreten, der in Art. 95 Abs. 1 b, c die Gestellungspflicht auch für Auftraggeber und Verantwortliche eines Transports vorschreibt.[132] Dieser modernisierte Zollkodex ist allerdings derzeit noch nicht anwendbar.[133] Nach derzeitig anwendbarem Recht besteht folglich bezüglich der Unterlassensvariante als Grundform der Steuerhinterziehung eine ungewollte Strafbarkeitslücke.

bb) Bis 2008: Verschleierung unrechtmäßig erlangter Unionseinnahmen (§ 261 StGB)

Die wirksame Bekämpfung von Betrugsdelikten zulasten der öffentlichen Finanzen setzt zudem die Strafbarkeit der Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögenswerte voraus. Entsprechend regelt Art. 2 des Protokolls 2 von 1997, dass Geldwäsche unter Strafe zu stellen ist. Das entsprechende deutsche Umsetzungsgesetz von 2002 nahm den Betrug zulasten von Unionseinnahmen (§ 370 Abs. 6 AO) jedoch nicht als taugliche Vortat einer Geldwäsche im Sinne des § 261 Abs. 1 StGB auf.[134] Dies wurde 2007 nachgeholt.[135] Mit Wirkung seit 01. Januar 2008 ist demnach der Betrug zulasten von Unionseinnahmen taugliche Vortat einer Geldwäsche im Sinne des § 261 Abs. 1 Nr. 4 lit. b StGB. Eine Strafbarkeitslücke besteht nach aktuellem Gesetzesstand demnach nicht mehr, jedoch sind vor dem 01. Januar 2008 begangene Geldwäschehandlungen zulasten der Unionseinnahmen straffrei.

c) Die Strafbarkeitslücken lassen sich in drei Kategorien einteilen

Die beispielhaft erörterten Lücken im deutschen Strafrechtsschutz der finanziellen Interessen der EU zeigen mögliche Gründe für Lücken im Schutz der finanziellen Interessen der EU durch die Mitgliedstaaten. Dabei lassen sich die aus den Beispielen abgeleiteten Gründe für ungewollte Strafbarkeitslücken in drei Kategorien einteilen:

Erstens führt gesetzestechnisch mangelhafte Umsetzung zu Strafbarkeitslücken. Dies zeigt sowohl § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Bezug auf die missglückte Ausweitung der Strafbarkeit der Steuerhinterziehung auf in anderen Mitgliedstaaten hinterzogene Steuern als auch die verspätete Aufnahme des Betruges zulasten der Unionseinnahmen als Vortat im Sinne des § 261 StGB. Zweitens ergeben sich Schwierigkeiten aus dem Zusammenwirken von mitgliedstaatlichen und europaweit geltenden Regelungen. Beispielhaft hierfür wurde der Verweis von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO auf Art. 40 ZK erläutert. Drittens stehen unter Umständen auch nationale Interessen einem vollumfänglichen Schutz der finanziellen Interessen der EU entgegen. Ein Beispiel hierfür könnte § 333 StGB sein, der trotz Aufforderung durch einen Bericht der Kommission[136] auch in der anstehenden Gesetzesänderung nicht auf reguläre EU-Beamte ausgeweitet wird.[137]

Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch in anderen Mitgliedstaaten Defizite im Schutz der finanziellen Interessen der EU bestehen.[138] In einer aktuellen Mitteilung weist die Kommission darauf hin, dass die Bestimmungen des Übereinkommens zum Schutz der finanziellen Interessen von 1995 bisher nur in fünf Mitgliedstaaten

voll umgesetzt wurden.[139] Dies indiziert, dass der Schutz der finanziellen Interessen der EU noch "lückenhaft und uneinheitlich" ist.[140]

2. Unionsmaßahmen würden Schutzlücken vermindern

Als weitere Voraussetzung des Subsidiaritätsgrundsatzes müsste der Schutz der Unionsfinanzen gem. Art. 5 Abs. 3 EUV wegen seines "Umfangs oder[seiner]Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen" sein.

Der erforderliche Unionsbezug ist gegeben: Es muss verhindert werden, dass Strafbarkeitslücken es transnational organisierten Gruppen[141] mit Wissen um die entsprechenden Lücken ermöglichen, gezielt Geschäftsmodelle darauf aufzubauen.[142]

Besser zu verwirklichen ist der Schutz der finanziellen Interessen der EU auf Unionsebene, wenn davon ausgegangen werden kann, dass so weniger Strafbarkeitslücken entstehen. Gemäß Art. 5 S. 4 des EU-Subsidiaritätsprotokolls[143] sind hierzu "qualitative und, soweit möglich, quantitative Kriterien heranzuziehen". Die aufgezeigten Kategorien von Gründen für Strafbarkeitslücken können bei der hierzu erforderlichen Einschätzung einen Anhaltspunkt geben. Die erste Kategorie der mangelhaften Umsetzung beruht auf Einzelfehlern, die durch die zunehmende Komplexität der zu bewertenden Fälle bedingt ist und auch auf einer möglichen unionsgesetzgeberischen Ebene nicht auszuschließen wäre. Lücken der zweiten Kategorie, die durch das Zusammenwirken von nationalen Strafnormen und supranationalen Vorgaben entstehen ("Blankettstraftatbestände"), sowie der dritte Kategorie, die Strafbarkeitslücken umfasst, die durch Auseinanderfallen von mitgliedstaatlichen und Unionsinteressen entsteht, könnten durch vereinheitlichte mitgliedstaatliche Strafgesetzgebung reduziert und durch supranationale Straftatbestände wohl vermieden werden. Ungewollte Strafbarkeitslücken könnten demnach durch supranationales Unionsstrafrecht reduziert werden. Hieraus ergibt sich die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Schutz der finanziellen Interessen der EU durch supranationales Strafrecht nach Umfang und Wirkungen mit weniger Strafrechtslücken im materiellen Recht, d.h. besser, verwirklicht werden könnte.

3. Verordnungen dürfen nur subsidiär gegenüber Richtlinien erlassen werden

Am Beispiel des deutschen Strafrechts wurde gezeigt, dass der Schutz der EU-Finanzen durch die Mitgliedstaaten derzeit nur lückenhaft verwirklicht ist und durch Unionsmaßnahmen besser zu verwirklichen wäre. Der Subsidiaritätsgrundsatz stünde Maßnahmen nach Art. 325 Abs. 4 AEUV also nicht entgegen. Geht man jedoch entgegen der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass Maßnahmen i.S.d. Art. 325 Abs. 4 AEUV auch den Erlass von Verordnungen umfassen, ist Folgendes zu beachten: Eine Verordnung wäre nicht umsetzungsbedürftig, also ausschließlich Unionsmaßnahme. Eine Richtlinie stellt zwar eine Unionsmaßnahme dar, entfaltet ihre Wirkung allerdings erst nach Umsetzung durch die mitgliedstaatlichen Parlamente. Der Erlass von Verordnungen ist nach dem Subsidiaritätsgrundsatz folglich ausgeschlossen, wenn der Schutz der EU-Finanzen auch durch eine Richtlinie ausreichend verwirklicht werden kann.[144]

V. Nach dem Verhältnismäßigkeits ­ grundsatz geht der Erlass einer Richtlinie dem Erlass einer Verordnung vor

Sollten die Voraussetzungen des Subsidiaritätsgrundsatzes erfüllt werden, wäre als weitere Kompetenzausübungsschranke der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Gemäß Art. 5 Abs. 4 EUV dürfen Maßnahmen der Union "inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen." Auf unionsrechtlicher Ebene gilt dies zum einen zum Schutz der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bzw. bei supranationaler Gesetzgebung zum Schutz der mitgliedstaatlichen Souveränität sowie zum anderen bezüglich der Individualrechte der Bürger. Bezüglich letzterer ergeben sich für den Unionsgesetzgeber die gleichen Anforderungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit wie für den nationalen Gesetzgeber. In Hinblick auf den Schutz der mitgliedstaatlichen Souveränität ist vor allem das Kriterium der Erforderlichkeit interessant. Dieses hängt vom Vorliegen eines weniger belastenden Mittels ab.[145]

Vertreter der Ansicht, Art. 325 Abs. 4 AEUV umfasse die Kompetenz, supranationales Strafrecht zu erlassen, argumentieren teils, die Setzung supranationalen Rechts sei für die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen schonender als Harmonisierungsvorgaben, da durch supranationales Recht das nationale System nicht berührt werde.[146] Demnach wäre die Schaffung supranationalen Rechts ein gegenüber der Harmonisierung milderes Mittel und würde eine Harmonisierung durch Richtlinie sogar verbieten.

Dem ist jedoch nicht zuzustimmen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu Gunsten der mitgliedstaatlichen Strafrechtsordnungen besteht in erster Linie, um das in diesen Ordnungen zum Ausdruck gebrachte Rechtsempfinden zu schützen. Dazu reicht es nicht aus, die jeweilige mitgliedstaatliche Rechtsordnung abstrakt vor Einwirkungen durch europäische Normen zu schützen. Es gilt vielmehr, Wertungswidersprüche im in den Mitgliedstaaten anzuwendenden Recht auszuschließen. Diese entstehen erst recht, wenn in supranationalen Normen andere Wertungen getroffen werden als in den mitgliedstaatlichen. Die Schaffung supranationaler Normen ist folglich nicht als milderes Mittel gegenüber der Harmonisierung mitgliedstaatlichen Rechts anzusehen. Sofern die Gewährleistung eines effektiven und gleichwertigen Schutzes der finanziellen Interessen der Union in den Mitgliedstaaten sowie in den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union durch weitere intergouvernementale Absprachen oder Harmonisierung möglich ist, ist die Schaffung unmittelbar anwendbarer Strafgesetze im engeren Sinne durch die Union unverhältnismäßig. Auch wenn eine Kompetenz zur Schaffung supranationalen Strafrechts zum Schutz der EU-Finanzen angenommen wird, dürfte diese nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz also nicht ausgeübt werden.

VI. Fazit

Der Schutz der finanziellen Interessen der EU nimmt eine Vorreiterstellung im Hinblick auf die Europäisierung des Strafrechts ein.[147] Hier sind die praktischen Zwänge besonders bedeutend.[148] Entsprechend liegt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion um eine etwaige Kompetenz zur Schaffung supranationalen Kriminalstrafrechts durch die EU hier der Schwerpunkt. Wie die vorherigen Vertragsversionen enthält der Vertrag von Lissabon in unterschiedlichen Regelungsfeldern Normen, deren Wortlaut die Setzung supranationalen Kriminalstrafrechts nicht ausschließt.[149] Mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Strafrechts reicht das Nicht-Entgegenstehen des Wortlauts jedoch nicht aus. Es müssen vielmehr weitere Anhaltspunkte gegeben sein, die den Willen der Vertragsparteien, Kompetenzen zu übertragen, zum Ausdruck bringen. Die Nichtübernahme der Unberührtheitsklausel in Art. 325 Abs. 4 AEUV reicht als solcher Anhaltspunkt nicht aus. Zudem steht auch die Systematik der strafrechtlichen Vorschriften des AEUV der Annahme einer solchen Kompetenz entgegen. Darüber hinaus widerspräche die Schaffung supranationaler Strafnormen sowohl dem Subsidiaritäts- als auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Der Vertrag von Lissabon erlaubt also kein "EU-Wirtschaftsstrafgesetz". Die einheitliche Strafgesetzgebung wird demnach auch auf dem Gebiet des Schutzes der finanziellen Interessen der Union nicht in Form supranationaler Strafgesetze kommen, sondern durch weiter als bisher gehende Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Rechts.[150]


[1] Böse ZIS 2010, 76, 87; Heger ZIS 2009, 406, 416 sieht jedenfalls die vorherige Einsetzung einer Europäischen Staatsanwaltschaft gem. Art. 86 AEUV als Voraussetzung einer Strafrechtssetzungskompetenz; a.A.: Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 5. Aufl. (2011), § 8 Rn. 30; Safferling, Internationales Strafrecht (2011), S. 409, Rn. 41; Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch 27. Aufl. (2011), Vorbemerkung Rn. 18; Eser/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. (2010), Vor § 1 Rn. 28, unentschieden Rn. 29; Hecker, Europäisches Strafrecht, 3. Aufl. (2010), § 4 Rn. 81; Mansdörfer HRRS 2010, 11, 18; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Einführung und Allgemeiner Teil 3. Aufl. (2010), Rn. 85a; Fromm, EG-Rechtsetzungsbefugnis im Kriminalstrafrecht (2009), S. 68; Zieschang, Festschrift für Tiedemann (2008), 1303, 1309; Rosenau ZIS 2008, S. 9, 16.

[2] BVerfGE 89, 155, 187 (Maastricht); Lenaerts/van Nuffel, European Union Law, 3. Aufl. (2011), S. 112 ff.; Nettesheim, in: Bogdandy/Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht: Theoretische und dogmatische Grundzüge (2009), S. 389 f., 398.

[3] Nettesheim in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, Ein Studienbuch, 4. Aufl., (2009), § 12 Rn. 3.

[4] Ruffert , Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. (2011), Art. 3 Rn. 12.

[5] BVerfGE 89, 155, 190, 199 (Maastricht).

[6] Priollaud/Siritzky, Le traité de Lisbonne, Texte et commentaire article par article des nouveaux traités européens, 2. Aufl. (2008), Art. 5 S. 43, sieht dies als Konsequenz des Bestrebens der Vertragsväter, auf die Kritik der zu weiten Kompetenzausweitung der Union zwar einzugehen, aber nicht, wie von dem deutschen Bundesrats-Vertreter Erwin Teufel gefordert, einen klaren Kompetenzkatalog festzulegen.

[7] BVerfGE 89, 155, 193 (Maastricht); Calliess a.a.O. (Fn. 4), Art. 5 Rn. 21; Streinz, Europarecht, 8. Aufl. (2008), § 3 Rn. 166; Ambos, Internationales Strafrecht, 3. Aufl. (2011), § 9 Rn. 5; Hecker a.a.O. (Fn. 1), § 8 Rn. 49, 51; Satzger a.a.O. (Fn. 1), § 8 Rn. 28.

[8] Die Bekämpfung von Handlungen zulasten den EU-Finanzen unterfällt grundsätzlich dem Bereich "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts” gem. Art. 4 Abs. 2 lit. j und somit der geteilten Zuständigkeit. Etwas anderes gilt für die Unterschlagung von Zöllen, die gem. Art. 3 Abs. 1 lit. a der ausschließlichen Zuständigkeit der Union unterfällt.

[9] Calliess a.a.O. (Fn. 4), Art. 5 Rn 20; Lenaerts/van Nuffel a.a.O. (Fn. 1), S. 131 ff.; Papier, FS Isensee, S. 691 ff.; Skouris, FS Wildhaber, S. 1547 ff.

[10] Sieber ZStW 121 (2009), 1, 45.

[11] Streinz a.a.O. (Fn. 7), § 3 Rn. 166.

[12] Art. 5 Abs. 3 EUV.

[13] Calliess a.a.O. (Fn. 4), Art. 5 Rn. 34 unter Verweis auf die Ansicht der Kommission.

[14] Calliess a.a.O. (Fn. 4), Art. 5 Rn. 34.

[15] Priollaud/Siritzky, a.a.O. (Fn. 6), Art. 5, S. 43.

[16] Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtssetzung (2000), S. 136 ff.

[17] Calliess a.a.O. (Fn. 4), Art. 5 Rn. 46.

[18] Ambos, in: Münchner Kommentar zum StGB, Band 1, 2. Aufl. (2011), Vor §§ 3 – 7, Rn. 9; Griese EuR 1998, 462, 476; Deutscher, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften zur originären Strafgesetzgebung (2000), S. 345; Zöller ZIS 2009, 340, 342; Waldhoff a.a.O. (Fn. 4), Art. 325 Rn. 18.

[19] Vgl. Den Bericht über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments: 2007/2169(INI).

[20] BVerfGE 123, 267 (Lissabon), Rn 280.

[21] Habermas, Faktizität und Geltung, Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats (1998), S. 138; kritisch: Kubiciel GA 2010, 100, 108.

[22] BVerfGE 89, 155 (Maastricht), Rn. 98.

[23] BVerfGE 123, 267 (Lissabon), Rn. 251.

[24] Schröder, Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht, Berlin (2002), S. 133; Hecker a.a.O. (Fn. 7), § 4 Rn. 74; a.A.: Böse GA 2006, 211, 221.

[25] Lüderssen, GA 2003, 71, 84; an die Legitimation der Ausgestaltung von Zollstrafnormen sind freilich höhere Anforderungen zu stellen als an die Bewertung von Verbrechen, deren Strafwürdigkeit allgemein anerkannt ist. Die Existenz der VStGB Delikte Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen bedeutet nicht, dass die Anforderungen an die demokratische Legitimation supranationaler Strafnormen generell weniger hoch als auf nationalstaatlicher Ebene sind.

[26] Rosenau ZIS 2008, 9, 18.

[27] Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts: eine Untersuchung zum Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das deutsche Strafrecht (2001), S. 159ff; Hassemer, in: Höffe, Gibt es ein interkulturelles Strafrecht? Ein philosophischer Versuch (1999), S. 157: Strafrecht sei "stark kulturell verhaftet und deswegen interkulturell kaum beweglich"; kritisch hierzu: Weigend ZStW 105 (1993), 774, 789.

[28] Kahl Deutsche Strafrechtszeitung 1916, 275, 278; vgl.: v. Savigny, Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 1 (1915), 1, 6 "der Stoff des Rechts sey (…) aus dem innersten Wesen der Nation selbst und ihrer Geschichte hervorgegangen"; Rüter ZStW 105 (1993), 30, 35 "historisch gewachsene Traditionen und Wertvorstellungen”; Weigend ZStW (1993), 774, 785 "nationale und kulturelle Eigenheiten”; BVerfGE 123, 267 (Lissabon), Rn 249): "kulturelle(n), historisch gewachsene(n) (...) Vorverständnisse(n)".

[29] Hierzu: Eser/Koch, Schwangerschaftsabbruch im Internationalen Vergleich, Teil 1: Europa (1988).

[30] Satzger a.a.O. (Fn. 27), S. 162.

[31] § 3 österreichisches StGB; weitere Beispiele bei Satzger a.a.O. (Fn. 27), S. 161f.

[32] Kulturelle Unterschiede führen freilich auch in anderen Rechtsgebieten zu Spannungen: vgl. zu den "Sonntagsverkaufsfällen” nur: Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht (2004), S. 227.

[33] Art. 4 Abs. 2 EUV; Art. 67 Abs. 1 AEUV.

[34] v. Liszt ZStW 38 (1917), 1, 3.

[35] BVerfGE 123, 267 (Lissabon), Rn. 253.

[36] BVerfGE 120, 224 (Geschwisterbeischlaf), Rn. 50; Bacigalupo, in: Festschrift für Günter Jakobs (2007), S. 14; Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens (1973), S. 152; Kubiciel GA 2010, 99, 111.

[37] Satzger a.a.O. (Fn. 27), S. 165.

[38] Dieses richtet sich nach Art. 289, 294 AEUV, siehe dazu Satzger, in Sieber, Brüner, Satzger, Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Europäisches Strafrecht (2011), § 1 Rn. 62 – 64.

[39] In Art. 325 Abs. 1 AEUV wird der Begriff der Abschreckung verwendet. Abschreckung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundlegender Strafzweck (BVerfGE 45, 187, 253) auch dies weist auf den Bereich des Strafrechts hin; a.A.: Böse ZIS 2010, 76, 88.

[40] Hecker, a.a.O. (Fn. 38), § 10, Rn. 25.

[41] Hecker a.a.O. (Fn. 7), § 4 Rn. 81; Tiedemann, in: Festschrift für Klaus Roxin (2001), S. 1401, 1409.

[42] Damit umfassen laut Vogel, a.a.O. (Fn. 38), § 5, Rn. 6 Maßnahmen i.S.d. Art. 325 Abs. 4 AEUV "selbstverständlich” auch Verordnungen; ebenso: Zieschang ZStW 113 (2001), 255, 260.

[43] Dies hatte bereits EuGHE 1989, 2965 – Rs. 68/88 = EuZW 1990, 99 (Griechischer Mais) aus dem allg. Loyalitätsgebot entwickelt; Peers, EU Justice and Home Affairs Law (2006), S. 390.

[44] Hecker, a.a.O. (Fn. 38), § 10, Rn. 4 vertritt, die Assimilierungspflicht könne sich im Einzelfall sogar zu einer Pönalisierungspflicht verdichten.

[45] Zieschang ZStW 113 (2001) 255, 260 bejaht mit diesem Argument eine EU Strafsetzungskompetenz schon vor dem Vertrag von Lissabon; a.A.: Gröblinghoff, Die Verpflichtung des deutschen Strafgesetzgebers zum Schutz der Interessen der Europäischen Gemeinschaften (1996), S. 1.

[46] Fromm StraFo 2008, 358ff; ders., EG-Rechtsetzungsbefugnis im Kriminalstrafrecht (2009), S. 64 ff.

[47] "Betrügereien" in diesem Sinne erfassen dabei nicht nur Handlungen im Sinne des deutschen § 263 Abs. 1 StGB, sondern auch andere Handlungen mit Täuschungscharakter, zum Beispiel Urkundendelikte. Satzger a.a.O. (Fn. 1), § 8, Rn. 25; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Besonderer Teil (2008), Rn. 44 ff; Braum, Europäische Strafgesetzlichkeit (2003), S. 178.

[48] Auch die Art. 33 (Schutz des Zollwesens), Art. 43 Abs. 2 (Agrarpolitik), Art. 79 Abs. 2 lit. d (Illegale Einwanderung und Menschenhandel), Art. 91 Abs. 1 lit. c, d (Verbesserung der Verkehrssicherheit), Art. 103 Abs.1 (Wettbewerbsschutz), Art. 192 Abs. 1 (Umweltschutz), Art. 352 (Vertragsabrundungskompetenz) AEUV weisen einen gleichermaßen weit interpretierbaren Wortlaut auf.

[49] Überträgt Art. 325 Abs. 4 AEUV tatsächlich eine so weitgehende Kompetenz unter so weit gefassten Voraussetzungen wäre das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon nach dem BVerfG wohl verfassungswidrig. Nach BVerfGE 123, 267 (Lissabon), Rn. 362 lässt sich der, die Souveränität der Mitgliedstaaten weniger einschränkende Art. 83 AEUV nämlich nur verfassungskonform auslegen, weil er bereits vom Wortlaut eng gefasst ist.

[50] Hecker a.a.O. (Fn. 7), § 4, Rn. 75.

[51] Gem. Art. 68 Abs. 4 AEUV können die Befugnisse der Europäischen Staatsanwaltschaft auf bestimmte andere Regelungsfelder ausgedehnt werden.

[52] Heger ZIS 2009, 406, 416.

[53] Böse ZIS 2010, 76, 88.

[54] Heger ZIS 2009, 406, 416.

[55] Schröder, Europäische Richtlinien und deutsches Strafrecht (2002), S. 120 zur Vorgängernorm Art. 83 Abs. 2 lit. a EGV; a.A.: Satzger, a.a.O. (Fn. 1), § 8, Rn. 19 der auf die Begriffswahl "insbesondere” in Abs. 2 hinweist; Böse GA 2006, 211, 220.

[56] Jung, a.a.O. (Fn. 4), Art. 103, Rn. 16; Böse GA 2006, 211, 220[zur Vorgängernorm Art. 83 Abs. 2 lit. a EGV].

[57] Aus dem Begriff Mindestvorschriften folgt, dass es sich nicht um abschließende Regelungen handeln darf.

[58] BVerfGE 123, 267 (Lissabon), Rn. 362 hält das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon nur deswegen "noch” für verfassungskonform.

[59] EuGH, Rs. C-440/05, Slg. 2007, I-9097, Rn. 52 ff. (Kommission/Rat).

[60] § 9 Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG) verpflichtet den deutschen Ratsvertreter auf Anweisung des Bundestags (Abs. 1), oder sofern Länderinteressen betroffen sind des Bundesrats (Abs. 2) gem. Art. 83 Abs. 3 AEUV den Europäischen (Regierungs) Rat zu befassen; Suhr ZEuS 2009, 709.

[61] Zur "emergency brake”: Peers, EU Justice and Home Affairs Law (2006), S. 426 f; vgl. bereits den Vorschlag v. Liszts in ZStW 38 (1917) 1, 15: "In denjenigen Fragen, in denen eine Übereinstimmung nicht erzielt werden kann, bleibt jedem der Verbandsstaaten uneingeschränkt oder in gewissen Grenzen das Recht des selbstständigen Vorgehens.”

[62] Heger ZIS 2009, 406, 415.

[63] Aus diesem Grund die analoge Anwendung des Art. 83 Abs. 3 AEUV auf Art. 325 Abs. 4 AEUV ablehnend: Satzger, a.a.O. (Fn. 1), § 9, Rn. 52 f.

[64] Heger ZIS 2009, 406, 416.

[65] Insbesondere die in Art. 83 Abs. 1 S. 2 AEUV genannten Bereiche Korruption und organisierte Kriminalität kommen in Betracht.

[66] Vgl. Satzger, in: R. Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 325 Rn. 3 m. Nachw.

[67] Art. 83 Abs. 2 nennt zB: "Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche".

[68] Bzw. weniger gravierend. Auch bei Beschluss einer auf Art. 325 Abs. 4 AEUV gestützten Richtlinie wäre Art. 83 Abs. 3 AEUV wohl analog anzuwenden.

[69] Gleiches gilt bezüglich der übrigen Artikel im AEUV mit offenem Wortlaut s. Fn 48; Böse ZIS 2010, 76, 87 verweist darauf, dass auch das BVerfG möglicherweise davon ausgeht und aus diesem Grund im Lissabon Urteil nicht auf die Möglichkeit einer Kompetenz der EU zur Setzung supranationalen Strafrechts eingeht.

[70] EuGHE 1989, 2965 ff., EuZW 1990, 99 (Griechischer Mais).

[71] Art. 2 Nr. 276 lit. b des Vertrages von Lissabon.

[72] Zieschang ZStW 113 (2001), 255, 260.

[73] Musil NStZ 2000, 68, 68; Satzger a.a.O. (Fn. 27), S. 106.

[74] Hecker a.a.O. (Fn. 38), § 10, Rn. 26.

[75] Ambos a.a.O. (Fn. 7), § 9, Rn. 8.

[76] Ambos a.a.O. (Fn. 18), Rn. 9; Griese EuR 1998, 462, 476; Deutscher, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaften zur originären Strafgesetzgebung (2000), S. 345; Zöller ZIS 2009, 340, 342; Waldhoff a.a.O. (Fn. 4), Art. 325, Rn. 18.

[77] Dass bezüglich der Kompetenz zum Erlass von EU Strafverordnungen vor der Abstimmung über das Zustimmungsgesetz Unsicherheit bei den deutschen Parlamentariern bestand, zeigt die Anberaumung eines Expertengesprächs im Unterausschuss Europarecht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 28. November 2007, zum Thema "Entsteht ein einheitliches europäisches Strafrecht?"; Wortprotokoll einsehbar unter: http://www.artikel1.de/20071128_Wortprotokoll.pdf.

[78] Hecker, a.a.O. (Fn. 7), § 4, Rn. 75.

[79] KOM (2001) 715 endg., abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2001/com2001_0715de01.pdf.

[80] KOM (2001) 715 endg., S. 23: "Der Rat legt nach dem Verfahren des Artikels 251 die Bedingungen für die Ausübung des Amtes des Europäischen Staatsanwalts fest und erlässt insbesondere (a) Vorschriften zur Festlegung der Tatbestandsmerkmale von Betrug und jeder anderen rechtswidrigen Handlung, die gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaft gerichtet ist sowie der Strafen für alle Straftatbestände".

[81] Abrufbar unter http://european-convention.eu.int/docs/wd10/5628.pdf, vgl. Fromm, EG-Rechtsetzungsbefugnis im Kriminalstrafrecht (2009), S. 69.

[82] Nach Walter ZStW 117 (2005), 912, 918 besteht daran kein Zweifel und er scheint davon auszugehen, dass sich die Arbeitsgruppe diese Ansicht unmittelbar zu eigen gemacht hat.

[83] Sitzungsprotokolle der Arbeitsgruppe finden sich unter: http://european-convention.eu.int/DE/doc_register/doc_registerb9bf.html?lang=DE&Content=WGX

[84] Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe ist abrufbar unter: http://www.drb.de/cms/fileadmin/docs/schlussbericht_eu_konvent.pdf

[85] Meyer, NStZ 2009, 657, 662.

[86] Sieber, a.a.O. (Fn. 38), Einf., Rn. 203.

[87] Calliess, a.a.O. (Fn. 4), Art. 5 EUV Rn. 16; Degenhart in: Sachs, Grundgesetz, 5. Aufl. (2009), Art. 70 Rn. 29.

[88] Die implied-powers Doktrin ist in der Theorie streng von der effet-utile Auslegung abzugrenzen. Implied powers bezeichnen schon implizit übertragene Kompetenzen, effet utile Auslegung bedeutet kompetenzerweiternde Auslegung um ein aus der ausgelegten Regelung ableitbares Ziel wirksam erreichen zu können.

[89] Calliess, a.a.O. (Fn. 4), Art. 5 Rn. 18; Wegener, ebda., Art. 19 Rn. 15; zum effet utile Manthey/Unseld ZEuS 2011, 323; Potacs EuR 2009, 465ff.

[90] EuGH, Rs. 176/03 (Kommission ./. Rat), Slg. 2005, I-7879, Rn. 47.

[91] EuGH, Rs. 440/05 (Kommission ./. Rat), Slg. 2007, I-9097, Rn. 71; die Rechtsprechung des EuGH zu den implied powers im Umweltstrafrecht ist kritisiert worden: Hefendehl ZIS 2006, 161,166f.; Wegener/Greenawalt ZUR 2005, 585f.; Fletcher/Lööf/Gilmore, EU Criminal Law and Justice (2008) S. 178; die besondere Betonung des Subsidiaritätsgrundsatzes durch den Vertrag von Lissabon mögen auch eine Reaktion auf diese als extensiv empfundene Rechtsprechung sein.

[92] Heger ZIS 2009, 406, 416.

[93] EuGH, Rs. 440/05 (Kommission ./. Rat), Slg. 2007, I-9097, Rn. 775.

[94] Lenaerts/van Nuffel a.a.O. (Fn. 2), S. 120.

[95] S. Fn. 1.

[96] EuGHE 1989, 2965 (Griechischer Mais); Art. 325 Abs. 2 AEUV Rn. 23-25.

[97] Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (Abl. C 316 vom 27.11.1995, S. 49).

[98] Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 313 vom 23.10.1996, S. 2).

[99] Zweites Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 221 vom 19.07.1997, S. 12).

[100] Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Finanzschutzgesetz-EGFinSchG), BGBl. 1998, Teil II, Nr. 37, S.2322.

[101] Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz-EUBestG), BGBl. 1998, Teil II, Nr. 37, S. 2340.

[102] Gesetz zur Ausführung des zweiten Protokolls vom 19. Juni 1997 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der europäischen Gemeinschaften, der gemeinsamen Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor vom 22. Dezember 1998 und des Rahmenbeschlusses vom 29. Mai 2000 über die Verstärkung des mit strafrechtlichen und anderen Sanktionen bewehrten Schutzes gegen Geldfälschung im Hinblick auf die Einführung des Euro, BGBl. 2002, Teil 1, Nr. 61, S.3387.

[103] Zu dieser Umsetzung: Tiedemann NJW 1990, 2226, 2226.

[104] Zieschang EuZW 1997, 78f.

[105] Erwägungsgrund 3 des (ersten) Protokolls zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften.

[106] Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder a.a.O. (Fn. 1), § 11 Rn. 14.

[107] Hilgendorf, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Band 1, 12. Aufl. (2006), § 11, Rn. 22.

[108] Hilgendorf a.a.O. (Fn. 107), § 11, Rn. 73; der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB ließe eine weitere Auslegung durchaus zu.

[109] § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EUBestG.

[110] Sowada, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Band 8, 12. Aufl. (2008), § 333, Rn. 2; vgl. auch: Zweiter Bericht der Kommission über die Umsetzung des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und seiner Protokolle vom 14.02.2008, KOM(2008) 77, S. 4.

[111] BRDrucks. 548/07; BTDrucks. 16/6558, abgedruckt bei Sowada a.a.O. (Fn. 110), Vor § 333, Rn. 108.

[112] Für die Zweckentfremdung gem. § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB spielen subventionserhebliche Angaben/Tatsachen keine Rolle. § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB umfasst nach seinem klaren Wortlaut also auch die Zweckentfremdung von Vertragssubventionen; a.A. wohl: Tiedemann in: Leipziger Kommentar zum StGB, Band 7, 11. Aufl. (2004), Nachtrag § 264, Rn. 5.

[113] Tiedemann a.a.O. (Fn. 112), Nachtrag § 264, Rn. 5.

[114] BGHSt 37, 203, 206 f; 44, 233, 243; BGH NStZ 2006, 625, 628; NStZ 2007, 578, 579; NK-StGB/Hellmann, § 264 Rn. 171; Perron in: Schönke/Schröder a.a.O. (Fn. 1), § 263 Rn. 87; Tiedemann a.a.O. (Fn. 112), § 264 Rn 172; a.A.: Eberle, Der Subventionsbetrug nach Paragraph 263 StGB, Ausgewählte Probleme einer verfehlten Reform (1983), S. 185.

[115] Tiedemann a.a.O. (Fn. 112), Nachtrag § 264, Rn. 5.

[116] Siehe auch den Bericht der Kommission über die Umsetzung des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und seiner Protokolle vom 14.02.2008, KOM(2008) 77, der auf die Problematik der Vertragssubventionen nicht eingeht.

[117] § 370 AO ist ein betrugsähnlicher Straftatbestand, der allerdings weder einen Vermögensschaden fordert, noch einen Irrtum auf Seiten des Geschädigten, darin ähnelt er Art. 1 des PIF und musste daher wenig angepasst werden.

[118] Schmitz/Wulf Wistra 2001, 361, 366; a.A.: Ransiek in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblatt (Stand 01/2011), § 370 AO, Rn. 254 (03/2010).

[119] Kürzinger, in: Wannemacher, Handbuch Steuerstrafrecht, 5. Aufl. (2004), S. 51, Rn. 168.

[120] Hellmann, in: Hübschmann, Hepp, Spitaler Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt, (Stand 07/2011), § 370 AO, Rn. 89 (03/2011).

[121] Schmitz/Wulf, in: Münchner Kommentar zum StGB, Band 6, 1. Aufl. (2010), § 370, Rn. 318.

[122] Die Rechtsprechung geht bisher ohne Begründung von der Einbeziehung ausländischer Behörden aus: BGH 08.11.2000 – 5 StR 440/00, Wistra 2001, 62f.; BGH 21.02.2001 – 5 StR 368/00, Wistra 2001, 263; LG Hamburg, 20.03.2000 – 618 KLs 8/99, Wistra 2001, 68f.

[123] Hecker a.a.O. (Fn. 7), § 14 Rn. 12; anschaulich: BGH 08.11.2000 – 5 StR 440/00, Wistra 2001, 62f.; BGH 21.02.2001 – 5 StR 368/00, Wistra 2001, 263; LG Hamburg, 20.03.2000 – 618 KLs 8/99, Wistra 2001, 68f.

[124] Schmitz/Wulf a.a.O. (Fn. 121), § 370, Rn. 262.

[125] Schmitz/Wulf a.a.O. (Fn. 121), § 370, Rn. 262; BGH wistra 1987, 147; a.A.: Bender, Das Zoll- und Verbrauchsteuerstrafrecht mit Verfahrensrecht (1968), TZ 63; LG Hamburg, wistra 2001, 68; Bender wistra 2001, 69; Bender wistra 2004, 368, 370; Tiegs, Betrugsbekämpfung in der Europäischen Gemeinschaft, Eine Bestandsaufnahme des englischen und deutschen Strafrechts zum Schutz der EG-Finanzinteressen (2006), S. 127.

[126] VO Nr. 2913/92/EWG.

[127] "Gestellungspflichtig” i.S.d. ZK.

[128] BFH v. 12.07.99 ZfZ 1999, S. 379.

[129] EuGH v. 04.03.2004 – C 238/02, wistra 2004, 376.

[130] So aber noch LG Hamburg, wistra 2001, 68 unter Ablehnung der Sonderdeliktseigenschaft des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.

[131] Bender wistra 2004, 368, 370; Tiegs a.a.O. (Fn. 125), S. 127.

[132] EU Amtsblatt L-145 vom 04.06.2008 (S. 1).

[133] http://ec.europa.eu/taxation_customs/customs/ procedural_aspects/general/community_code/index_de.htm, zuletzt abgerufen am 29.04.2012, verweist auf mangelnde, zur Anwendung von Durchführungs-vorschriften zum modernisierten Zollkodex erforderliche EDV-Systeme. Spätestens soll der modernisierte Zollkodex ab dem 24.06.2013 anzuwenden sein.

[134] Zweiter Bericht der Kommission über die Umsetzung des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und seiner Protokolle vom 14.02.2008, KOM(2008) 77, S. 3.

[135] Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikations-überwachung und anderer verdeckter Ermittlungs-maßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG, Art. 4 Nr. 1 lit. b, BGBl. 2007, Teil 1, Nr. 70, S. 3198.

[136] KOM(2008) 77, S. 4.

[137] Gesetzesänderungsvorschlag: BRDrucks. 548/07; BTDrucks. 16/6558.

[138] Strafbarkeitslücken in einzelnen Mitgliedstaaten sind auch vor dem Hintergrund des gem. Art. 7 PIF, Art. 6 Abs. 1 EU, Art. 50 EU-GRCh geltenden europäischen ne bis in idem Grundsatz problematisch. Rechtslücken können sich so auch in anderen Mitgliedstaaten auswirken, hierzu: Bender wistra 2009, 176ff.

[139] KOM(2011) 293, S. 3; vgl. auch: Zweiter Bericht der Kommission über die Umsetzung des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften und seiner Protokolle vom 14.02.2008, KOM(2008) 77, S. 3.

[140] Hecker, a.a.O. (Fn. 7), § 14, Rn. 4; Dannecker ZStW 108 (1996), 577, 585 ff.; Für eine Beschreibung möglicher Schutzdefizite in Großbritannien: Tiegs a.a.O. (Fn. 125), S. 362f.

[141] Für eine Einschätzung der entstehenden Schäden: Rosenau ZIS 2008, 9, 17; den Organisationsgrad der Täter zeigen anschaulich: BGH 08.11.2000 – 5 StR 440/00, Wistra 2001, 62f.; BGH 21.02.2001 – 5 StR 368/00, Wistra 2001, 263; LG Hamburg, 20.03.2000 – 618 KLs 8/99, Wistra 2001, 68f.

[142] Vgl. BVerfGE 84, 239, 268 ff.; 110, 94, 112 ff.: Eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, dürfe nicht Prämien auf die Missachtung ihrer selbst setzen. Sie schaffe sonst Anreize zur Rechtsverletzung, diskriminiere rechtstreues Verhalten und untergrabe damit die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit.

[143] Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. Nr. C 306 S. 150.

[144] Sieber ZStW 121 (2009), 1, 59; im Ergebnis wohl ebenso: Mitsilegas, Modern Studies in European Law : EU Criminal Law (2009), S. 109; Herlin-Karnell eucrim 2010, 64 welche das Problem allerdings nicht als Subsidiaritätsfrage ansehen.

[145] Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. (2006), § 2 Rn 86.

[146] Satzger, a.a.O. (Fn. 1), § 9, Rn. 52 f.

[147] Dannecker, Wabnitz/Janovsky, Rn. 200; Hecker a.a.O. (Fn 7), § 14, Rn. 4; Sieber, in: Delmas-Marty, Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union (1998), Einführung, 4; teils werden die Vorschläge zum Schutz der finanziellen Interessen der EU als "Trojanisches Pferd” für die Entwicklung eines europäischen Strafrechts bezeichnet, Delmas-Marty, L’Astrée 1997/1. 1, 4, zit. nach Sieber a.a.O., Einführung, 9, Fn. 26.

[148] KOM (2010)382 (Betrugsbekämpfung Jahresbericht), 6, schätzt für das Jahr 2009 ein Schadensvolumen von 279, 8 Mio. €,; laut SEK(2011)621 (Arbeitspapier), Tabelle 2.2.a schwanken die Verurteilungsquoten bei gegen den EU-Haushalt gerichteten Handlungen in den Mitgliedstaaten zwischen 14 und 100%.

[149] S. Fn 48.

[150] Auch der Fokus der Kommission liegt neben der Integration des Prozessrechts in erster Linie auf der Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen sofern sie den Schutz der finanziellen Interessen der EU betreffen: KOM (2001)715 (Grünbuch Finanzschutz), S. 36, 38, KOM (2011)293 (Gesamtkonzept), 11; vgl. auch den Vorschlag zur ersten auf Art. 83 AEUV gestützten Richtlinie http://ec.europa.eu/internal_market/securities/ docs/abuse/COM_2011_654_en.pdf.