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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2011
12. Jahrgang
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1. Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen zum strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH NJW 2010, 623; NStZ 2011, 89).
2. Danach ist ein Versuch des (gewerbs- und bandenmäßigen) Nachmachens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion i.S.v. § 152a Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. StGB erst dann gegeben, wenn der Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung selbst beginnt. Zum Versuch des Nachmachens setzt daher noch nicht an, wer die aufgezeichneten Datensätze nicht in seinen Besitz bringen und sie deshalb auch nicht an seine Mittäter, die die Herstellung der Kartendubletten vornehmen sollen, übermitteln kann (vgl. BGH NStZ 2011, 89). Das Anbringen einer Skimming-Apparatur an einem Geldautomaten in der Absicht, dadurch Daten zu erlangen, die später zur Herstellung der Kartendubletten verwendet werden sollen, ist nur eine als solche straflose Vorbereitungshandlung.
3. Es bleibt offen, ob daneben der Tatbestand der Vorbereitung der Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion gemäß § 152a Abs. 5, § 152b Abs. 5, § 149 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt ist.
1. Es kommt für die Schuldfähigkeitsbeurteilung darauf an, ob der Täter aufgrund einer bestimmten psychischen Verfassung in der Lage war, einer konkreten Tat Unrechtseinsicht und Hemmungsvermögen entgegenzuset-
zen. Die Antwort darauf bezieht sich jeweils auf einen konkreten Rechtsverstoß. Dabei ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, dass ein bestimmtes psychisches Störungsbild sich bei Begehung verschiedenartiger Straftaten unterschiedlich auswirken kann.
2. Verwirklicht der Täter aber durch eine einheitliche Handlung zwei Tatbestände, so scheint dem Senat die Schuldfähigkeitsbeurteilung nicht teilbar zu sein. Es kann für diese Entscheidung nicht auf die jeweils unterschiedliche rechtliche Einordnung der Handlung ankommen (nicht tragend).
3. Angst vor Entzugserscheinungen kommt als Ursache für eine relevante Einschränkung der Steuerungsfähigkeit nur in Betracht, wenn ein Angeklagter tatsächlich Angst vor Entzugserscheinungen hatte, die er schon zuvor als äußerst unangenehm erlebt hatte und als nahe bevorstehend einschätzte.
1. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative StGB wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt. Voraussetzung ist, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt (Rücktrittshorizont) noch nicht mit einem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges rechnet (unbeendeter Versuch), seine Herbeiführung aber noch für möglich hält (BGHSt 39, 221, 227f.). Außerdem muss die Aufgabe der weiteren Tatausführung freiwillig erfolgen, also auf einer autonom getroffenen Willensentscheidung beruhen (vgl. BGH NStZ 2007, 399, 400).
2. Autonom ist jede Rücktrittsentscheidung, die dem Täter nicht durch die gegebenen Umstände aufgezwungen wurde (vgl. BGHSt 9, 48, 51). Die Tatsache, dass sich ein affektiv erregter Täter erst unter dem beruhigenden Einfluss eines Dritten zur Aufgabe der weiteren Tatausführung entschlossen hat, stellt für sich genommen die Autonomie seiner Entscheidung nicht in Frage (BGH NStZ 1988, 69, 70; BGHSt 7, 296, 299).
1. Kann der Tatrichter einen Tatvorgang nicht eindeutig aufklären und muss er mehrere mögliche Geschehensabläufe in Rechnung stellen, ist das Verhältnis dieser mehreren möglichen, das Tatgeschehen bildenden Verhaltensweisen zueinander dafür maßgebend, ob und aufgrund welcher Strafvorschrift der Angeklagte zu verurteilen ist. Stehen die zu beurteilenden Verhaltensweisen in einem Stufenverhältnis im Sinne eines „Mehr oder Weniger“, so ist nach dem Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist, nach dem milderen Gesetz zu verurteilen. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in Fällen von Beihilfe und Täterschaft bejaht worden (BGHSt 31, 136, 138; 32, 48, 57).
2. Die Verurteilung nach dem vorliegenden Stufenverhältnis geht der Anwendung der Wahlfeststellung vor.
1. Höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Menschen sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit zu Grunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Deshalb können Handlungen, die sich nacheinander gegen höchstpersönliche Rechtsgüter mehrerer Menschen richten, grundsätzlich weder durch einheitlichen Tatentschluss noch durch engen und situativen Zusammenhang zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden.
2. Etwas anderes gilt aber dann, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene.
1. Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang seines Tatbeitrags oder seiner Tatbeiträge.
2. Erfüllt ein Mittäter hinsichtlich aller oder einzelner Taten der Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige Einzeltaten zumindest einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Allein die organisatorische Einbindung des Täters in ein betrügerisches Geschäftsunternehmen ist nicht geeignet, die Einzeldelikte der Tatserie rechtlich zu einer Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen.
3. Erbringt ein Mittäter dagegen im Vorfeld oder während des Laufs einer Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte seiner Mittäter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen
zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die übrigen Beteiligten die einzelnen Delikte gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist dann ohne Bedeutung.
4. Der Verurteilung eines Bandenmitglieds wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs steht nicht entgegen, dass die Einzeldelikte der Betrugsserie der Tätergruppe in seiner Person aus Rechtsgründen in gleichartiger Tateinheit zusammentreffen und daher gegen ihn nur auf eine Strafe zu erkennen ist.
Eine lediglich verminderte Einsichtsfähigkeit erfüllt nicht ohne Weiteres die Voraussetzungen des § 21 StGB. Bei Feststellung einer nur erheblich verminderten Einsichtsfähigkeit bleibt offen, ob diese im Einzelfall die Unrechtseinsicht tatsächlich ausgeschlossen hat oder nicht. Der Täter, der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht gehabt hat, ist voll schuldfähig. Fehlte ihm die Einsicht in das Unrecht seiner Tat, kann § 21 StGB nur angewendet werden, wenn ihm dies vorzuwerfen ist. Kann ein solcher Vorwurf nicht erhoben werden, greift § 20 StGB ein mit der Folge, dass eine Bestrafung ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 21, 27, 28 f.; 34, 22, 25 f.; 40, 341, 349).
1. Opfer einer Tat nach § 179 StGB kann nur sein, wer aufgrund einzelner, im Tatbestand des Absatzes 1 näher beschriebener Gegebenheiten unfähig ist, einen ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit ist eine normative Entscheidung (BGH NStZ-RR 2009, 14, 15); sie erfordert die Überzeugung des Tatrichters, dass das Opfer zum Widerstand gänzlich unfähig war (vgl. BGH NStZ 2009, 324, 325).
2. Die Widerstandsunfähigkeit ist nicht gegeben, wenn das Opfer das sexuelle Ansinnen des Angeklagten als auch ihre Handlungsalternativen und deren Folgen erkannt hat. Es genügt nicht, dass sich das Opfer aus krankhaft bedingter Existenzangst entschieden hat, keinerlei Widerstand zu äußern und zu leisten. Der Umstand, dass sie in ihrer Entscheidung „nicht frei gewesen“ sei, steht dem nicht entgegen.