HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 1048
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 91/11, Beschluss v. 11.08.2011, HRRS 2011 Nr. 1048
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 20. April 2010 im Schuldspruch dahingehend geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte L. wegen banden- und gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in 16 Fällen sowie wegen Verabredung der gewerbsund bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in fünf Fällen, der Angeklagte M. wegen banden- und gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in vier Fällen sowie wegen Verabredung der gewerbs- und bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion und der Angeklagte D. wegen banden- und gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in zwei Fällen sowie wegen Verabredung der gewerbs- und bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion verurteilt sind.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt schuldig gesprochen:
- den Angeklagten L. wegen banden- und gewerbsmäßigen Fälschens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in 21 Fällen, wobei es in fünf Fällen beim Versuch blieb (Fälle II. 1, 2, 4, 18 und 22);
- den Angeklagten M. wegen banden- und gewerbsmäßigen Fälschens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in fünf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb (Fall II. 1);
- den Angeklagten D. wegen banden- und gewerbsmäßigen Fälschens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in drei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb (Fall II. 22).
Den Angeklagten L. hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten, den Angeklagten M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten D. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat das Landgericht diverse Gegenstände, die der Tatausführung dienten, eingezogen.
Die Revisionen der Angeklagten, mit denen diese jeweils die Verletzung materiellen Rechts, die Angeklagten L. und D. zudem die Verletzung formellen Rechts rügen, führen zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen sind sie aus den Gründen der jeweiligen Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten Mitglieder einer von Rom aus agierenden Bande, die sich zusammen geschlossen hatte, um Magnetstreifendaten von Kredit- und Maestrokarten sowie die dazu gehörigen PIN-Nummern auszuspähen, anschließend Kartendubletten herzustellen und unter deren Verwendung missbräuchlich an Geldautomaten Abhebungen vorzunehmen. Zu diesem Zweck brachten sie in der Zeit von März bis November 2008 in wechselnder Besetzung, teils zusammen mit anderen Bandenmitgliedern, "Skimming-Technik" in verschiedenen Bankfilialen in Deutschland an. Hierzu tauschten sie unter Einsatz eines entsprechenden Nachschlüssels jeweils den der Zugangskontrolle dienenden Kartenleser in den Türöffnern der Bankfilialen gegen ein manipuliertes Kartenlesegerät aus, das die Daten der Kartenmagnetleiste auslas und speicherte. Ferner brachten sie oberhalb des jeweiligen Geldautomaten eine in einem Rauchmelder verborgene Videokamera an, um die Bankkunden bei der Eingabe der PIN zu filmen. Anschließend transferierten die Angeklagten die Kartendaten und PIN-Nummern nach Italien, wo Mittäter Kartendubletten herstellten und unter Verwendung der PIN-Nummern an Geldautomaten Abhebungen in Höhe von insgesamt 1,267 Mio. € vornahmen.
In den Fällen II. 1, 2, 4, 18 und 22 hat das Landgericht jeweils eine versuchte gewerbsund bandenmäßige Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion angenommen, da die Skimming-Technik entdeckt und sichergestellt wurde, bevor die Angeklagten Daten ausspähen bzw. speichern konnten.
Die von den Angeklagten L. und D. erhobenen Verfahrensrügen haben aus den Gründen der jeweiligen Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Ebenso wenig zu beanstanden sind die Verurteilungen der Angeklagten in den Fällen der vollendeten bandenund gewerbsmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion - des Angeklagten L. in 16 Fällen, des Angeklagten M. in vier Fällen und des Angeklagten D. in zwei Fällen.
1. Hingegen hält die Verurteilung der Angeklagten wegen versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen belegen in diesen Fällen lediglich die Verabredung der gewerbs- und bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion gemäß § 30 Abs. 2, 3. Var., § 152a Abs. 1, § 152b Abs. 1 und 2 StGB, nicht aber die versuchte Begehung des Delikts. Mit ihren gescheiterten Bemühungen, in den Besitz der Daten zu gelangen, haben die Angeklagten noch nicht unmittelbar gemäß § 22 StGB zur Verwirklichung des Tatbestandes angesetzt:
a) Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen zum strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Handlungen vor, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum "Jetzt geht es los" überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht, wobei auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH NJW 2010, 623; NStZ 2011, 89).
b) Danach ist ein Versuch des (gewerbsund bandenmäßigen) Nachmachens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion i.S.v. § 152a Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. StGB erst dann gegeben, wenn der Täter vorsätzlich und in der tatbestandsmäßigen Absicht mit der Fälschungshandlung selbst beginnt. Zum Versuch des Nachmachens setzt daher noch nicht an, wer - wie hier - die aufgezeichneten Datensätze nicht in seinen Besitz bringen und sie deshalb auch nicht an seine Mittäter, die die Herstellung der Kartendubletten vornehmen sollen, übermitteln kann (vgl. BGH NStZ 2011, 89). Das Anbringen einer Skimming-Apparatur an einem Geldautomaten in der Absicht, dadurch Daten zu erlangen, die später zur Herstellung der Kartendubletten verwendet werden sollen, ist nur eine als solche straflose Vorbereitungshandlung. Die Tat stellt hier daher lediglich eine Verabredung zu dem Verbrechen der bandenund gewerbsmäßigen Fälschung von Zahlungskarten dar (BGH wistra 2011, 259, 261).
2. Ob daneben der Tatbestand der Vorbereitung der Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion gemäß § 152a Abs. 5, § 152b Abs. 5, § 149 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt ist (offen gelassen von BGH wistra 2011, 259, 261), kann hier dahinstehen. Teils wird vertreten, § 149 StGB werde wegen seiner geringeren Strafandrohung (Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren) von dem Tatbestand des § 30 Abs. 2 3. Var., § 152a Abs. 1, § 152b Abs. 1 und 2 StGB, der einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten eröffnet, verdrängt (so BGH NJW 2010, 623, 624; Erb in MüKo StGB § 149 Rn. 10). Soweit nach a.A. Tateinheit zwischen beiden Delikten möglich sein soll (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 149 Rn. 12; Hoyer in SK-StGB § 30 Rn. 60; Murmann in SSW StGB § 30 Rn. 29; offen gelassen von BGH wistra 2011, 259, 261), da dem Vergehen nach § 152a Abs. 5, § 152b Abs. 5, § 149 Abs. 1 Nr. 1 StGB gegenüber die Verbrechensverabredung nach § 152a Abs. 1, § 152b Abs. 1 und 2 StGB ein eigener Unrechtsgehalt zukomme, sind die Angeklagten wegen der Nichtverurteilung auch nach § 149 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht beschwert.
3. Der Angeklagte L. ist wegen fünf Fällen der Verabredung der gewerbs- und bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion zu verurteilen. Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen verschiedenen Straftaten richtet sich für jeden Beteiligten allein danach, welche Tathandlungen er im Hinblick auf die jeweilige Tat vorgenommen hat; dies gilt unabhängig davon, ob die einzelne Tat nur verabredet, versucht oder vollendet worden ist (BGH wistra 2011, 259, 261, insoweit mißverständlich BGH NJW 2010, 623, 624). Zwar haben die Angeklagten zunächst eine Bandenabrede getroffen, mit der sie den grundsätzlichen Zusammenschluss zum Zwecke der Begehung gemeinsamer Straftaten vereinbart haben. Jedem konkreten Skimming-Einsatz ging jedoch eine gesonderte Vereinbarung des jeweiligen Tatorts, der Tatzeit und der Zusammensetzung der Tätergruppe voraus. In den Fällen II. 1, 2, 4, 18 und 22 waren jeweils verschiedene Bankfilialen in verschiedenen Orten betroffen und die Taten erfolgten jeweils im Abstand von einigen Tagen und zum Teil in unterschiedlicher Besetzung.
Die Angeklagten M. und D. haben jeweils in einem Fall eine gewerbs- und bandenmäßige Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion verabredet.
4. Soweit das Landgericht in den Fällen, in denen es zu Geldabhebungen mittels nachgemachter Zahlungskarten gekommen ist, nicht zudem einen tateinheitlich verwirklichten banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrug nach § 263a Abs. 1 und Abs. 2 StGB erwogen hat (vgl. BGH NStZ 2011, 89), beschwert dies die Angeklagten nicht.
5. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Angeklagten sich insoweit nicht hätten anders verteidigen können.
6. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte. Der Strafrahmen der (von der Strafkammer fakultativ gemilderten) versuchten gewerbs- und bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion gemäß § 152a Abs. 1, § 152b Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB entspricht gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 StGB dem der Verabredung der gewerbs- und bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion nach § 30 Abs. 2 3. Var., § 152a Abs. 1, § 152b Abs. 1 und 2 StGB.
7. Da die gegen die Verurteilung insgesamt gerichteten Revisionen der Angeklagten nur einen geringen Teilerfolg haben, ist es nicht unbillig, diese mit den gesamten Kosten und Auslagen ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 1048
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2011, 367
Bearbeiter: Karsten Gaede