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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2011
12. Jahrgang
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1. Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen, die den Tatbestand des § 266a Abs. 2 erfüllen, wirkt die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung - anders als im originären Anwendungsbereich des § 266a Abs. 1 StGB (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318) - regelmäßig nicht tatbestandsausschließend. (BGHR)
2. Bei dem Tatbestand des § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, das an einem aktiven Tun anknüpft. Lediglich im Rahmen des Tatbestands des § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt gegeben. Anders als § 266a Abs. 1 StGB enthält der Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB über die Nichtzahlung hinausgehende Unrechtselemente. Hierbei ist zwischen den das Unrecht des Tatbestands prägenden Tathandlungen des § 266a Abs. 2 StGB und dem Vorenthalten als deren Folge keine strikte äquivalente Kausalität in dem Sinne erforderlich, dass der Arbeitgeber ohne die Tathandlung – also bei ordnungsgemäßen Angaben – die Beiträge gezahlt haben müsste. Der Zusammenhang ist vielmehr wie im Fall des gleichlautenden § 370 Abs. 1 AO funktional zu verstehen, was auch der Absicht des Gesetzgebers entspricht, die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Verletzung von Erklärungspflichten in Anlehnung an § 370 AO unter Strafe zu stellen. (Bearbeiter)
3. Soweit in Fällen der vorliegenden Art der Tatbestand des § 266a Abs. 1 StGB ebenfalls durch betrugsähnliche, in § 266a Abs. 2 StGB beschriebene Handlungen verwirklicht und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung vorenthalten werden, finden die für echte Unterlassensdelikte geltenden allgemeinen Grundsätze aufgrund der vorstehenden Erwägungen ebenfalls keine Anwendung. (Bearbeiter)
4. Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich. Liegt danach ein Arbeitsverhältnis vor, können die Vertragsparteien die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten nicht durch eine abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen (vgl. BGH NStZ 2010, 337 mwN). Dem steht auch die Entscheidung BAG NJW 2010, 2455 nicht entgegen, nach der bei der Gesamtwürdigung eines Sachverhaltes zur Klärung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, die Vertragstypenwahl der Parteien zu berücksichtigen ist. (Bearbeiter)
5. § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV und die sich daran anschließende Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge ist Rechtsanwendung. Insoweit gilt ebenso wie bei der Berechnungsdarstellung im Falle der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung, dass das Tatgericht nicht gehalten ist, den eigentlichen Berechnungsvorgang als Teil der Subsumtion im Urteil darzustellen, sofern dieser vom Revisionsgericht selbst durchgeführt werden kann. Freilich empfiehlt sich eine solche Berechnungsdarstellung auch bei der Verurteilung wegen Taten nach § 266a StGB, weil sie die Nachvollziehbarkeit des Urteils erleichtert. Zudem bietet die Berechnungsdarstellung die Möglichkeit zu kontrollieren, ob die im konkreten Fall erheblichen Tatsachen im angefochtenen Urteil festgestellt sind (vgl. BGH NStZ 2009, 639). (Bearbeiter)
1. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB (HRRS 2010 Nr. 656) ist in gleicher Weise für das Merkmal des Vermögensschadens nach § 263 Abs. 1 StGB relevant.
2. Danach ist es im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erforderlich, eigenständige Feststellungen zum Vorliegen des Vermögensschadens zu treffen, um dieses Tatbestandsmerkmal von den übrigen Tatbestandsmerkmalen des § 263 Abs. 1 StGB sowie die Fälle des versuchten von denen des vollendeten Betruges hinreichend deutlich abzugrenzen. Nur so lässt sich auch eine tragfähige Aussage zur Stoffgleichheit zwischen der vom Opfer erlittenen Vermögenseinbuße und dem vom Täter erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil treffen.
3. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fallgestaltungen abgesehen bedeutet dies, dass auch der Betrugsschaden der Höhe nach zu beziffern und seine Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darzulegen ist.
4. Ein Schuldspruch wegen Betruges kann grundsätzlich nicht mehr auf den „Schaden“ gestützt werden, der in einer schadensgleichen Vermögensgefährdung wegen Erleidens eines Prozessrisikos liege, es sei denn, dass sich nach wirtschaftlich nachvollziehbaren Maßstäben ein bezifferbarer Vermögensverlust infolge dieses Prozessrisikos feststellen ließe.
1. An einem bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln fehlt es, wenn sich die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts auf der Verkäufer- und der Erwerberseite selbständig gegenüber stehen, auch wenn sie in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung handeln.
2. Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in die Absatzorganisation als deren verlängerter Arm eingebunden ist oder dieser auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenüber steht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung.
3. Der Abnehmer in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem, der die Betäubungsmittel zum vereinbarten Preis erwirbt und diese anschließend ausschließlich auf eigenes Risiko verkauft, insbesondere die Verkaufspreise selbst festsetzt und über die von ihm erzielten Gewinne allein disponiert, ist regelmäßig als selbständiger Käufer anzusehen, der nicht Teil der Verkäuferseite ist. Von einer Einbindung in die Absatzorganisation ist demgegenüber in der Regel auszugehen, wenn die Verkäuferseite dem Abnehmer die Höhe des Verkaufspreises vorgibt, Zeitpunkt und Umfang der Lieferungen der Betäubungsmittel bestimmt sowie am Gewinn und Risiko des Weiterverkaufs beteiligt ist.
1. Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit. Hiervon sind solche Handlungen abzugrenzen, die lediglich typische Vorbereitungen darstellen, weil sie weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegen (BGHSt 50, 252, 265 f.). Dabei ist auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles abzustellen.
2. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon die Aufzucht von Cannabispflanzen den Tatbestand des Handeltreibens erfüllen, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt (vgl. BGH NStZ 2006, 578; BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Handeltreiben 4; BGH NJW 2011, 1461 mwN). Der Straftatbestand des unerlaubten Anbauens von Betäubungsmitteln entfaltet jedoch insoweit eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens, als er als Anfangsstadium den Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Aussaat oder zum Anpflanzen beginnen lässt. Hierzu kommt es regelmäßig erst mit dem Heranschaffen des Saatguts oder der Setzlinge an die vorbereitete Fläche oder zu den vorbereiteten Pflanzgefäßen.
3. Die Herbeischaffung und die begonnene Installation der für die Plantage erforderlichen Gerätschaften sind regelmäßig lediglich typische Vorbereitungshandlungen, denen nach dem Tatplan zur Errichtung der Plantage ohnehin weitere vorbereitende Tätigkeiten erst noch folgen sollten. Die bisherigen Aufbauarbeiten lagen danach weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes.
1. Kann eine Auskunftsperson nur vage Angaben zur Menge und Qualität des Rauschgifts machen, dann ist der Tatrichter gehalten, die notwendigen Feststellungen zu Menge und Wirkstoffgehalt im Wege einer Schätzung nach den dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu treffen.
2. Eine „exakte“ Bestimmung der Menge, womöglich noch auf drei Nachkommastellen mittels einer Berechnung, die auf vagen Parametern aufbaut, ist in derartigen Fällen in der Regel nicht geboten, sogar untunlich; sie führt unter diesen Voraussetzungen nur zu einer Scheingenauigkeit. Derartige Berechnungen können allenfalls dazu dienen, die Angaben der Auskunftsperson im Wege einer Plausibilitätskontrolle auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen.
1. Für den Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat ist neben der Art und der Gesamtmenge auch der Wirkstoffgehalt des gehandelten Betäubungsmittels von wesentlicher Bedeutung (BGH StV 1991, 564; NStZ 1990, 84, 85), und zwar gerade dann, wenn die nicht geringe Menge nicht erheblich überschritten wurde (vgl. für Grenzfälle unterhalb der „nicht geringen Menge": BGH NStZ-RR 2011, 90, 91).
2. Die unspezifische Berücksichtigung der schlechte bzw. mäßigen Qualität des gehandelten Amphetamins genügt hierfür nicht. Insbesondere muss klargestellt sein, dass das Tatgericht nicht rechtsfehlerhaft auf den höheren Amphetaminsulfatgehalt anstatt auf den entscheidenden Basengehalt abgestellt hat.