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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2009
10. Jahrgang
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1. Die Möglichkeit einer weiteren Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kann grundsätzlich auch neben der obligatorischen Milderung gemäß §§ 213 Alt. 1, 49 Abs. 1 StGB zu prüfen sein. Denn ein über die in dem Provokationstatbestand umschriebene Erregung hinausgehender Affekt, der zu einer von § 213 StGB gerade nicht vorausgesetzten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führt, kann gegebenenfalls eine zusätzliche Strafrahmenverschiebung rechtfertigen.
2. Die im Ermessen des Tatrichters stehende weitere Milderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kann jedoch rechtsfehlerfrei mit der Erwägung abgelehnt werden, dass die zu der Provokationssituation gemäß § 213 StGB hinzutretenden Eingangsvoraussetzungen des § 21 StGB keine selbständige sachliche Grundlage hatten, sondern es sich letztlich um denselben Affekt handelte.
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich belastende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Eine lediglich latente Gefahr und die bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reichen nicht aus.
2. Begeht ein Täter trotz bestehenden Defekts im Sinne des § 20 StGB vor dem Anlassdelikt jahrzehntelang keine Straftaten, so ist dies ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten.
1. Grundsätzlich hat nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in der erneuten Hauptverhandlung die Gesamtstrafbildung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung zu erfolgen.
2. Dies gilt nicht nur in dem speziellen Fall, in dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafbildung erfolgt ist. Vielmehr ist regelmäßig so zu verfahren, damit einem Revisionsführer ein durch nachträgliche Gesamtstrafbildung erlangter Rechtsvorteil nicht durch sein Rechtsmittel genommen wird (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2001, 645; BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 1999 - 4 StR 200/99 - und vom 18. Januar 2000 - 4 StR 633/99).
1. Bei der Entscheidung über den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung ist für die Beurteilung der Gefährlichkeit nicht der Zeitpunkt der späteren Entlassung des Angeklagten aus dem Strafvollzug maßgeblich, sondern der Zeitpunkt der Aburteilung. Zukünftige Veränderungen können hierbei berücksichtigt werden, wenn sie Haltungsänderungen erwarten lassen.
2. Eine bloße Hoffnung auf eine spätere Verringerung der Gefährlichkeit kann nicht schon ihrer aktuellen Feststellung entgegenstehen. Denkbare, nur erhoffte positive Haltungsänderungen durch den Strafvollzug bleiben regelmäßig einer Prüfung gemäß § 67c Abs. 1 StGB vorbehalten
Nach der Neuregelung des § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 StGB ist die Bemessung der Dauer des Vorwegvollzugs ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit einer bedingten Entlassung an der Möglichkeit der Halbstrafenentlassung auszurichten ist. Dies schließt es aus, bei einem prognostizierten Maßregelvollzug von einem Jahr den Vorwegvollzug der Strafe mit zweieinhalb Jahren statt
mit eineinhalb Jahren anzusetzen, um beim Angeklagten den Motivationsdruck für die Maßregel zu erhöhen.
1. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Gericht zwingend den Verfall anzuordnen, wenn der Täter eine rechtswidrige Tat begangen und für sie oder aus ihr etwas erlangt hat. Aus der Tat sind alle Vermögenswerte erlangt, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGHR StGB § 73 Erlangtes 4 m.w.N.). Bei Rauschgifterlösen ist der gesamte Verkaufserlös erlangt (BGHR StGB § 73b Schätzung 2).
2. Wenn konkrete Feststellungen hinsichtlich des vom Angeklagten vereinnahmten Verkaufserlöses nicht getroffen werden können, ist er nach § 73b StGB zu schätzen. Dies bedeutet, dass sich das Tatgericht, ausgehend von einer aufgrund des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme sicheren Schätzungsgrundlage, mit einer Wertannahme begnügen kann (BGHR StGB § 73b Schätzung 2).
Zwar muss, auch wenn mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt werden, für jeden von ihnen die Strafe unter Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände aus der Sache selbst gefunden werden (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23). Der Gesichtspunkt, dass gegen Mittäter verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, kann aber nicht völlig unbeachtet bleiben. Deswegen müssen Unterschiede jedenfalls dann erläutert werden, wenn sie sich nicht aus der Sache selbst ergeben (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1).
Bei der Entscheidung über die Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung ist für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Angeklagten der Zeitpunkt der Aburteilung maßgeblich. Dies gilt auch dann, wenn daneben die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wird, die zuerst vollstreckt werden soll: Auch in einem solchen Fall begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, auf den Zeitpunkt nach Beendigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abzustellen.
1. Wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit und mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) können nur schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in dem Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen. Auch muss aufgrund einer umfassenden Würdigung von Tat und Täter eine höhere oder doch bestimmte, jedenfalls über die bloße Möglichkeit hinausreichende Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, dass der Täter infolge seines Zustands weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
2. Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich bereits ohne weiteres aus dem Deliktstypus der Anlasstat ergeben. So ist die Erheblichkeitsschwelle bei Verwirklichung von Verbrechenstatbeständen regelmäßig überschritten. In besonders gelagerten Ausnahmefällen – etwa dann, wenn ein verwirklichter Verbrechenstatbestand als eher harmlos oder als nur belästigend wahrgenommen wird und überdies nur zu geringfügigen Beeinträchtigungen des Tatopfers geführt hat – vermag er jedoch trotz seines Deliktscharakters die in § 63 StGB vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht zu begründen.