Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2008
9. Jahrgang
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1. Zum Vorsatz und zum Vermögensnachteil bei Untreuehandlungen durch pflichtwidriges Eingehen von Risiken für fremdes Vermögen. (BGHR)
2. Zur Terminierung in Wirtschaftsstrafsachen. (BGHR)
3. Sofern aus BGHSt 51, 100 über die ausdrücklich dort behandelten Fälle hinaus gefolgert werden sollte, dass sich als Voraussetzung für den Tatbestand der Untreue beim vorsätzlichen pflichtwidrigen Eingehen von Vermögensrisiken der Vorsatz immer auch auf die Billigung des endgültigen Vermögensnachteils erstrecken muss, könnte der Senat dem nicht folgen. (Bearbeiter)
4. Bei pflichtwidrigen Risikogeschäften stellt die so genannte konkrete Vermögensgefährdung in Wirklichkeit einen bereits unmittelbar mit der Tathandlung eingetretenden Vermögensnachteil dar. So ist beispielsweise der mit der Vergabe (Auszahlung) eines ungesicherten Kredits an ein zahlungsunfähiges Unternehmen erlangte Rückzahlungsanspruch sofort weit über das bei jeder Kreditvergabe mögliche und zulässige Maß (zur Pflichtwidrigkeit vgl. BGHSt 46, 30; 47, 148, 149 ff.) hinaus minderwertig. (Bearbeiter)
5. Der Tatbestand der Untreue entfällt auch nicht wieder, wenn die Darlehensrückzahlungsforderung später tatsächlich doch bedient wird, auch wenn dies freiwillig geschieht. (Bearbeiter)
6. Die Anforderungen an den Umfang der Darstellung der den Mangel enthaltenden Tatsachen dürfen bei der Beanstandung einer konventionswidrigen Verzögerung während eines jahrelang währenden Verfahrens sicher nicht überzogen werden. Die Mitteilung jedes Ermittlungsschrittes ist weder möglich noch erforderlich. Die Darstellung darf den tatsächlichen Ablauf aber nicht - etwa durch wesentliche Auslassungen - verzerrt darstellen. (Bearbeiter)
7. Dem Ausspruch einer höheren Strafe nach Zurückverweisung allein auf Grund der Revision des Angeklagten steht das Verschlechterungsverbot nach Meinung des Senats auch dann entgegen, wenn der den bisherigen Strafausspruch überschießende Teil der neu erkannten Strafe für verbüßt erklärt wird. Allein der höhere Straf-
ausspruch stellt einen gesteigerten Makel dar. (Bearbeiter)
1. Zur Vermögensbetreuungspflicht des Vermieters für Kautionen bei Wohnraum- und Gewerberaummiete (im Anschluss an BGHSt 41, 224). (BGHR)
2. Durch die gesetzliche Regelung des § 551 Abs. 3 BGB wird eine auf Gesetz beruhende Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB begründet. Diese Pflicht schützt insbesondere den Rückzahlungsanspruch des Mieters im Falle einer Zahlungsunfähigkeit des Vermieters vor dem Zugriff von dessen Gläubigern. Hieran hält der Senat fest. (Bearbeiter)
3. Eine solche Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB existiert nur bei der Wohnraummiete. Eine Erstreckung auf gewerbliche Mietverhältnisse ist nicht anzuerkennen. (Bearbeiter)
4. Der lässt es dahinstehen, ob im Blick auf das strafrechtliche Analogieverbot (§ 1 StGB) eine – über den Wortsinn hinausgehende – Auslegung mittelbar strafrechtsbegründender zivilrechtlicher Normen zulässig ist. (Bearbeiter)
5. Allgemeine schuldrechtliche Pflichten aus einem Vertragsverhältnis genügen für sich genommen nicht zur Begründung einer Vermögensbetreuungspflicht (BGHSt 33, 244, 249; BGHR 15 StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 11, 14, 16). Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn es sich um Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten zugunsten des Vertragspartners handelt. Vertragliche Pflichten müssen, um eine Vermögensbetreuungspflicht begründen zu können, im besonderen Maße den Interessen des Vertragspartners dienen und gerade deshalb vereinbart worden sein. Die vereinbarte Regelung muss – als rechtsgeschäftlich eingegangene Vermögensbetreuungspflicht – mithin zugunsten des geschützten Vertragspartners Elemente einer Geschäftsbesorgung aufweisen. Das bedeutet, dass sich die Vertragspartner nicht nur über die Zahlung einer Kaution an sich, sondern auch über deren besondere Anlageform geeinigt haben müssen. Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses eine besondere Sicherung nicht ausdrücklich und bringen dadurch nicht zum Ausdruck, dass der Vermieter im Hinblick auf die Kaution treuhänderische Pflichten zu übernehmen habe, kann deshalb nicht von der Annahme einer rechtsgeschäftlichen Vermögensbetreuungspflicht ausgegangen werden. (Bearbeiter)
6. Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung im Sinne des § 266 StGB entsteht nicht bereits, wenn die Kaution nicht vom sonstigen Betriebsvermögen abgesondert, sondern auf ein „allgemeines“ Konto eingezahlt wird. Insoweit ist die Sachverhaltskonstellation nicht anders zu beurteilen als allgemein die unterlassene Einzahlung von Fremdgeldern auf einem Anderkonto, obwohl eine Rechtspflicht zu einer abgesonderten Anlage dieser Gelder besteht. Nach der ständigen Rechtsprechung führt ein solches Verhalten nicht zu einem Nachteil im Sinne des § 266 StGB, soweit der Betreffende jederzeit bereit und fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren (BGHSt 15, 342; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 56). (Bearbeiter)
7. Für die vorsätzliche Begehung der Untreue durch Eingehung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ist neben dem kognitiven Element zusätzlich das voluntative Element erforderlich. Dies bedeutet, dass der Angeklagte die konkrete Gefahr erkannt und zudem deren Realisierung gebilligt haben muss, sei es auch nur in der Form, dass er sich mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolges abfindet (BGHSt 51, 100, 120 f.; vgl. auch BGHSt 48, 331, 347 ff.). (Bearbeiter)
8. Ein Verbotsirrtum nach § 17 StGB kommt nur in Betracht, wenn dem Täter die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs braucht der Täter die Strafbarkeit seines Vorgehens nicht zu kennen; es genügt, dass er wusste oder hätte erkennen können, Unrecht zu tun (BGHSt 15, 377, 383; BGH NStZ 1996, 236, 237; wistra 1986, 218). (Bearbeiter)
1. Die bloße Mitunterzeichnung einer Einkommensteuererklärung bei gemeinsamer Veranlagung (§ 26b EStG) durch den Ehegatten führt nicht bereits für sich genommen zu dessen Strafbarkeit (vgl. BFHE 198, 66, 68 ff.). Vielmehr sind die allgemeinen Regeln über die mittäter- oder gehilfenschaftliche Beteiligung anzuwenden.
2. Der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Konkurrenzverhältnis zwischen § 370 AO und § 263 StGB (vgl. insbesondere BGHSt 43, 381, 405) lässt sich ungeachtet der unterschiedlichen Deliktsstruktur in Bezug auf Kirchensteuern keine abschließende Sonderregelegung durch den Tatbestand der Steuerhinterziehung
entnehmen. Zu den Argumenten für und gegen die Annahme einer Sonderregelung.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begeht der Geschäftsführer eine Untreue zu Lasten der GmbH, wenn er das zur Erhaltung des Stammkapitals, das der Verfügungsmacht der Gesellschafter im Interesse der Gläubiger entzogen ist, erforderliche Vermögen an die Gesellschafter auszahlt (BGHSt 35, 333, 337 f.; 9, 203, 216; 3, 32, 40; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 23, 37, 45; BGH wistra 2003, 385, 387). Dies gilt auch dann, wenn das Stammkapital bereits verloren und die GmbH überschuldet ist (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 21).
2. Hat der Gesellschafter der GmbH anstelle von Eigenkapital ein Darlehen gewährt oder dieses stehengelassen, das als eigenkapitalersetzend zu qualifizieren ist, weil es verlorenes Stammkapital ersetzt oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abdeckt, besteht ebenfalls ein Rückzahlungsverbot im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG: Der Geschäftsführer darf das Darlehen nicht an den Gesellschafter zurückzahlen, soweit er damit in das (wiederhergestellte) Stammkapital eingreifen oder sogar die (erneute) Überschuldung der GmbH herbeiführen würde. Auszahlungen an den Gesellschafter dürfen nur geleistet werden, wenn die Aktiva die Passiva übersteigen und zudem nur in der Höhe, in welcher der sich daraus ergebende Unterschiedsbetrag den Nennwert des Stammkapitals übersteigt. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen dieses Rückzahlungsverbot begründet die Strafbarkeit wegen Untreue.
3. Nichts anderes gilt für Rückzahlungen auf ein von einem Gesellschaftsfremden gewährtes Darlehen, das durch eine Leistung des Gesellschafters (etwa Bürgschaften oder Bestellung von Grundpfandrechten) abgesichert ist, soweit diese Leistung verlorenes Stammkapital ersetzt oder eine darüber hinausgehende Überschuldung abdeckt. Sofern der Gesellschafter in einem solchen Falle das Darlehen an den Fremdgläubiger nicht aus seinem privaten Vermögen zurückführt oder er der GmbH in Höhe seiner Befreiung weder eine gleichwertige Sicherheit stellt noch in sonstiger Weise einen Ausgleich schafft, kann die Rückzahlung seine Strafbarkeit wegen Untreue begründen.
4. Ob der Geschäftsführer durch eine Darlehensrückzahlung in das Stammkapital eingegriffen oder sogar eine darüber hinaus bestehende Überschuldung vertieft hat, lässt sich – soweit kein Fall der „Aushöhlung“ der Gesellschaft vorliegt (vgl. dazu BGHSt 35, 333, 338; BGH wistra 2006, 265) – nur anhand eines Überschuldungsstatus feststellen (vgl. zu dessen Inhalt BGHSt 15, 306, 309; BGH wistra 2003, 301, 302; 1987, 28).
Beim bedingten Vorsatz ist der Feststellung des voluntativen Elements des Vorsatzes gerade im Rahmen von Wirtschaftsstraftaten besonderes Gewicht einzuräumen (BGHSt 48, 331, 348). Die bloße Kenntnis einer potenziellen Gefährdungslage reicht für die Annahme der subjektiven Tatseite des Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB nicht aus. Vielmehr setzt der Betrugstatbestand mindestens eine schadensgleiche Vermögensgefährdung voraus. Hierauf muss sich auch der Vorsatz mit seinen kognitiven und voluntativen Bestandteilen beziehen. Dies würde voraussetzen, dass der Betrogene auch aus Sicht des Täuschenden ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat. Dieses Erfordernis ist jedoch dann nicht erfüllt, wenn der Eintritt wirtschaftlicher Nachteile nicht einmal überwiegend wahrscheinlich ist, sondern von zukünftigen Ereignissen abhängt (BGHSt 51, 165, 177).
Der Umstand, dass Beamten der Zollfahndung bei einer arbeitsteiligen Begehung im „organisierten grenzüberschreitenden Zigarettenschmuggel“ nicht bereits auf einen allgemeinen Hinweis auf mögliche Schmuggelfahrten ein Fahrzeug einer Kontrolle unterziehen, sondern zunächst Observationsmaßnahmen ergreifen, bedarf keiner ausdrücklichen Erörterung im Rahmen der Strafzumessung. Es handelt sich hierbei um eine zulässige kriminalistische Vorgehensweise der Ermittlungsbehörden, die den Angeklagten auch im Rahmen der Strafzumessung nicht entlasten kann (vgl. BGH NStZ 2007, 635).
Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist grundsätzlich als selbständige Tat im Sinne von § 53 StGB zu werten. Fällt die Abgabe mehrerer Steuererklärungen im äußeren Vorgang zusammen, kann ausnahmsweise dann Tateinheit vorliegen, wenn in den
Erklärungen übereinstimmende unrichtige Angaben über die Besteuerungsgrundlagen enthalten sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2007 – 5 StR 292/07 Rdn. 20; BGH wistra 2005, 56 f. m.w.N.).
Der Tatrichter darf sich bei der Festsetzung der Höhe der Jugendstrafe nicht (auch) von der Überlegung leiten lassen, eine Strafaussetzung zur Bewährung von vornherein auszuschließen, denn die Erwägungen zur Strafzumessung dürfen mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung nicht vermischt werden. Die Fragen, ob die Verhängung einer Jugendstrafe gemäß § 17 Abs. 2 JGG geboten und in welcher Höhe sie zu verhängen ist, sind vielmehr von der Frage einer Strafaussetzung nach § 21 JGG zu trennen, denn sie beurteilen sich nach unterschiedlichen Kriterien.
1. Für den in Ecstasy-Tabletten enthaltenen Wirkstoff MDMA ist von einem Grenzwert von 30 g MDMA-Base für die nicht geringe Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG auszugehen.
2. Eingezogene Gegenstände müssen so genau angegeben werden, dass bei allen Beteiligten und Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Dies kann bei umfangreichem Material in einer besonderen Anlage zum Urteilstenor erfolgen.
Eine bloße weiter bestehende Bandenmitgliedschaft reicht für eine mittäterschaftliche Verurteilung nicht aus (vgl. BGHSt [GS] 46, 321, 338)