Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2008
9. Jahrgang
PDF-Download
1. Ist die Änderung der Verjährungsfrist nur Ergebnis einer Änderung der materiell-rechtlichen Strafdrohung, so ergibt sich auch die maßgebliche Verjährungsfrist mittelbar aus § 2 StGB. Das danach anwendbare mildere Strafgesetz bestimmt zugleich die maßgebliche Verjährungsfrist.
2. Bei der Infektion mit gefährlichen Erregen wie dem HI-Virus tritt die Schädigung der Gesundheit und damit die tatbestandsmäßige Körperverletzung bereits mit der bloßen Infektion des Opfers ein, da diese objektiv den körperlichen Normalzustand des Opfers tiefgreifend verändert. Auf den Zeitpunkt der Ausbruch der eigentlichen Krankheit kommt es daher für die Vollendung oder Beendigung der Körperverletzung nicht mehr an.
Zu den Voraussetzungen eines gerechtfertigten Schusswaffengebrauchs (Warnschuss, Erforderlichkeit, Einzelfallprüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hier nach dem HambSOG).
Bei einer für §§ 20, 21 StGB prinzipiell genügenden Persönlichkeitsstörung handelt es sich um einen tief verwurzelten, anhaltenden Zustand im Sinne eines überdauernden Musters von innerem Erleben und Verhalten. Ein plötzliches – innerhalb von 40 Minuten eintretendes – Abflachen der Persönlichkeitsbeeinträchtigung ist mit dieser Diagnose nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringen.
1. Beim beendeten Versuch bleibt der Täter straffrei, wenn die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wird und er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern (§ 24 Abs. 1 StGB).
2. Dabei reicht nicht ein irgendwie geartetes Bemühen aus. Vielmehr ist ein solches erforderlich, das sich in der Vorstellung des Täters als ein bewusstes und gewolltes Abbrechen des in Bewegung gesetzten Kausalverlaufs darstellt. Der Täter muss alles tun, was in seinen Kräften steht und was nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist; er muss die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpfen.
3. Der Täter muss dabei nicht unbedingt selbst die notwendigen Hilfsmaßnahmen ergreifen, sondern kann sich der Hilfe Dritter bedienen. Jedenfalls wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht, sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Der Zurücktretende muss sich um die bestmögliche Maßnahme für die Erfolgsabwendung bemühen und sich grundsätzlich zumindest vergewissern, ob die Hilfspersonen das Notwendige veranlassen.
4. Zum Rücktritt genügt eine Handlung nicht, die zwar vom Täter veranlasst, aber nicht von seinem ernsthaften Rettungswillen getragen ist, etwa weil er davon ausgeht, eine Rettung sei gar nicht mehr möglich, und nur zum Schein Hilfsmaßnahmen einleitet, von denen er nicht annimmt, dass sie den Erfolg noch abwenden können.
Ein Versuch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlgeschlagen, wenn der Erfolgseintritt objektiv nicht mehr möglich ist und der Täter dies erkennt oder aber wenn der Täter den Erfolgseintritt irrig nicht mehr für möglich hält. Ein Fall des fehlgeschlagenen Versuchs liegt hingegen nicht vor, sofern der Täter nach anfänglichem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu der Annahme gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch).
Die an der wahrgenommenen Wirklichkeit korrigierte Vorstellung des Täters für den „Rücktrittshorizont“ erlangt nicht nur Bedeutung für den Fall, dass der Täter den Erfolgseintritt zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf aber erkennt, dass er sich geirrt hat (BGHSt 36, 224; 39, 221, 227, 228). Dies hat umgekehrt auch
dann zu gelten, wenn der Täter bei unverändert fortbestehender Handlungsmöglichkeit mit einem tödlichen Ausgang zunächst nicht rechnet, unmittelbar darauf jedoch erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat; dieser Versuch ist im Ergebnis beendet (BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 12).
1. In einer hilflosen Lage im Sinne von § 221 Abs. 1 StGB befindet sich, wer der abstrakten Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung ohne die Möglichkeit eigener oder fremder Hilfe ausgesetzt ist.
2. Hilflosigkeit im Sinne des Tatbestandes definiert sich danach als das Fehlen hypothetisch rettungsgeeigneter sächlicher Faktoren oder hilfsfähiger (und generell auch hilfsbereiter) Personen.
3. Zwar kann eine gänzlich vernunftwidrige Handlungsweise eines Getöteten die Vorhersehbarkeit des Erfolgs und damit den Tatbestand der fahrlässigen Tötung entfallen lassen. Allerdings entfällt die Vorhersehbarkeit in solchen Fällen nur dann, sofern der Getötete entscheidungsfähig, insbesondere nicht etwa betrunken war.
Das Bestimmen eines Kindes zur Vornahme einer nicht mit Manipulationen an seinem Körper verbundenen sexuellen Handlung wird von dem Tatbestand des § 176 Abs. 3 Nr. 2 StGB i. d. F. des 6. StrRG nicht erfasst. Erfasst werden nach dem Wortlaut der Vorschrift nur sexuelle Handlungen, die ein Kind an sich, also nicht lediglich mit seinem Körper vornimmt, denn nur wer mit Berührungen verbundene Manipulationen am eigenen Körper vornimmt, nimmt eine Handlung an sich selbst vor.
1. Erkennt das Tatopfer unmittelbar vor dem Beginn des tödlichen Angriffs die drohende Gefahr, so ist heimtückisches Handeln nur dann zu bejahen, wenn die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff so kurz war, dass dem Tatopfer keine Möglichkeit blieb, dem Angriff irgendwie zu begegnen.
2. Der Tatbestand des Heimtückemordes setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkennt und sich bewusst ist, dass er diese zur Tat ausnutzt. Hierfür genügt es, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit in ihrer Bedeutung für die hilfslose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen.
3. Nicht jede affektive Erregung steht der Annahme entgegen, dass sich der Täter bewusst war, die Arglosigkeit des Opfers auszunutzen. Kommt der Tatrichter zu dem Ergebnis, dass der Täter die für die Heimtücke maßgeblichen Umstände aufgrund seiner Erregung nicht in sein Bewusstsein aufgenommen hat, so muss er die Beweisanzeichen dafür darlegen und würdigen.
4. Bei erhaltener Einsichtsfähigkeit ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt.
5. Das junge Alter eines Tatopfers darf nicht strafschärfend gewertet werden, weil das Leben Wertabstufungen nicht zugänglich ist.