HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2008
9. Jahrgang
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Hervorzuhebende Entscheidungen des BGH

I. Materielles Strafrecht - Allgemeiner Teil


Entscheidung

165. BGH 2 StR 458/07 - Beschluss vom 14. November 2007 (LG Marburg)

Rücktritt vom Versuch (Freiwilligkeit); fehlgeschlagener Versuch (Fehlschlag hinsichtlich außertatbestandlicher Ziele).

§ 24 Abs. 1 StGB

1. Hat der Täter sein außertatbestandliches Ziel bereits erreicht, so ist ihm grundsätzlich die Möglichkeit des Rücktritts dennoch eröffnet, weil § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB

nur ein Abstandnehmen von der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes verlangt.

2. Gleiches gilt bei sinnlos gewordenem weitergehenden Tatplan: Wird also ein außertatbestandsmäßiges Ziel nach Versuchsbeginn unerreichbar, so führt dies nicht zugleich zum Fehlschlagen des Versuchs.


Entscheidung

235. BGH 5 StR 453/07 – Beschluss vom 7. Februar 2008 (LG Berlin)

Verfahrensrüge nach § 261 StPO (Inbegriff der Hauptverhandlung; Beweiswürdigung); bedingter Tötungsvorsatz (Erfahrungssatz beim Schuss in die Richtung von Menschen).

§ 15 StGB; § 212 StGB; § 261 StPO

Jede Form des Schießens in Richtung auf einen Menschen mit einer scharfen Waffe legt wegen der außergewöhnlichen Lebensgefahr den Schluss auf den Tötungsvorsatz nahe (vgl. BGHSt 42, 65, 69; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 45).

II. Materielles Strafrecht – Besonderer Teil


Entscheidung

210. BGH 4 StR 623/07 - Beschluss vom 12. Februar 2008 (LG Rostock)

BGHR; wahlweise Verurteilung wegen Betruges oder Computerbetruges (Fälschung von Überweisungsträgern fremder Konten; Feststellung von Irrtum und Täuschung; automatische Überprüfung; unbefugtes Verwendung von Daten; Tatvorsatz); Grundsatz der Spezialität.

§ 263 StGB; § 263a StGB; Vor § 1 StGB; § 15 StGB

1. Der Täter, der sich unbefugt Gelder von fremden Konten verschafft, indem er Überweisungsträger der betreffenden Konten fälscht, erfüllt – wenn die Überweisungsträger nur in automatisierter Weise auf ihre Echtheit überprüft werden – den Tatbestand des Computerbetruges. Lässt sich der Ablauf der Überweisung bei der bezogenen Bank nicht mehr aufklären, kommt regelmäßig eine wahlweise Verurteilung wegen Betruges oder Computerbetruges in Betracht. (BGHR)

2. Insoweit ist zur subjektiven Tatseite ohne weiteres davon auszugehen, dass der Täter in solchen Fällen jedenfalls bedingt sowohl die Täuschung und Irrtumserregung eines Bankbediensteten erreichen als auch - für den Fall einer automatisierten Prüfung - den Datenverarbeitungsvorgang „unbefugt“ beeinflussen will und sich deshalb sein Vorsatz auf beide Tatbestände erstreckt. (Bearbeiter)


Entscheidung

198. BGH 4 StR 468/07 - Beschluss vom 8. Januar 2008 (LG Halle)

BGHR; Verlust der Amtsfähigkeit auch bei Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten aus mehreren Katalogdelikten; Gebührenüberhebung; Gesamtstrafenbildung (Härteausgleich; Erörterungsmangel hinsichtlich der gesonderten Gesamtgeldstrafe).

§ 54 StGB; § 358 StGB; § 45 Abs. 2 StGB; § 53 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. StGB

1. Der Verlust der Amtsfähigkeit kann auch dann angeordnet werden, wenn wegen mehrerer Delikte aus dem Katalog des § 358 StGB auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten erkannt wurde. (BGHR)

2. Die Prüfung, ob die Verhängung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB in Betracht kommt, ist stets erforderlich, wenn sich nach den besonderen Umständen des Falles eine aus Geld- und Freiheitsstrafen gebildete Gesamtfreiheitsstrafe (§ 53 Abs. 2 Satz 1 StGB) als das schwerere Übel erweist (vgl. BGHR StGB § 53 Abs. 2 Einbeziehung, nachteilige 2; bei zwingenden beamtenrechtlichen Folgen etwa BGH wistra 2004, 264). (Bearbeiter)


Entscheidung

234. BGH 5 StR 435/07 – Urteil vom 10. Januar 2008 (LG Berlin)

Körperverletzung mit Todesfolge (Unmittelbarkeitszusammenhang: Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit, Zurechung von Opferverhalten, objektive Zurechnung).

§ 227 StGB; § 222 StGB; § 18 StGB

1. Die Vorschrift des § 227 StGB setzt unter anderem voraus, dass der Tod der verletzten Person „durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226)“ verursacht worden ist, wobei dem Täter hinsichtlich dieser Tatfolge Fahrlässigkeit zur Last fallen muss (§ 18 StGB). Zwar genügt zur Erfüllung dieser Voraussetzung ein lediglich kausaler Zusammenhang zwischen Körperverletzung und Tod der verletzten Person nicht, vielmehr ist eine engere Beziehung vorausgesetzt. Denn erfasst werden nur solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben (BGHSt 31, 96, 98; 48, 34, 37; BGHR StGB § 226 Todesfolge 5; § 227 [i. d. F. 6. StrRG] Todesfolge 1).

2. Diese deliktsspezifische Gefahr kann aber auch von der Körperverletzungshandlung ausgehen, einer Kausalität zwischen Körperverletzungserfolg und dem Tod des Opfers bedarf es nicht (BGHSt 14, 110, 112; 48, 34, 37 f.). Eine solche tatbestandstypische Gefahr kann sich

auch dann im Tod des Opfers verwirklicht haben, wenn die unmittelbar zum Tod führende Ursache ein Verhalten des Opfers war, sofern dieses selbstschädigende Verhalten sich als naheliegende und deliktstypische Reaktion darstellt, wie dies bei Fluchtversuchen in Panik und Todesangst der Fall ist (BGHSt 48, 34, 38 f.).


Entscheidung

247. BGH 5 StR 572/07 – Beschluss vom 9. Januar 2008 (LG Berlin)

Tateinheit beim Betrug durch ein „Organisationsdelikt“ (Tatmehrheit); Strafmilderung wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung.

Art. 6 EMRK; § 263 StGB; § 52 StGB; § 46 StGB

Erschöpfen sich Tatbeiträge im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs sind sie als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGHSt 49, 177, 184; 48, 331, 343; BGH NStZ 1996, 296 f.; BGHR StGB 263 Täterschaft 1; BGH NJW 2004, 375, 378; 1998, 767, 769).


Entscheidung

213. BGH 4 StR 648/07 - Beschluss vom 15. Januar 2008 (LG Essen)

Betrug durch Fälschung von Überweisungsträgern; Konkurrenzen bei der Urkundenfälschung (Gebrauchmachen; Tat im Rechtssinne).

§ 267 StGB; § 263 StGB; § 52 StGB

1. Das Herstellen einer falschen Urkunde und das Gebrauchmachen der gefälschten Urkunde bilden jeweils nur eine Tat im Rechtssinne (st. Rspr.). Dabei gebraucht der Täter die gefälschte Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB, wenn er sie in einer Weise vorlegt oder übergibt, dass der zu Täuschende in die Lage versetzt wird, von der Urkunde Kenntnis zu nehmen. Das ist bei gefälschten Überweisungsträgern dann der Fall, wenn sie von dem Täter bei der Bank eingereicht werden (vgl. BGH NStZ 2006, 100).

2. Wenn und soweit der Angeklagte mehrere der gefälschten Überweisungsträger in einem einzigen Akt bei einer Bank eingereicht hat, etwa indem er die Überweisungsträger „gebündelt“ in den Briefkasten der Bank einwarf, liegt nur eine Handlung im natürlichen Sinne und deshalb auch nur rechtlich eine Tat des Gebrauchmachens im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB vor, und zwar unabhängig von der Anzahl der zeitgleich eingereichten Überweisungsträger und unabhängig davon, ob diese sämtlich dasselbe Konto oder verschiedene Konten bei derselben Bank betreffen.