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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2008
9. Jahrgang
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Von Prof. Dr. Christoph Sowada, Rostock
Mit seinem Beschluss vom 25.9.2007 bejaht der 4. Strafsenat des BGH eine Strafbarkeit gemäß § 316a StGB in einem Fall, in dem das Tatopfer zu Beginn des Angriffs noch nicht Führer des Kraftfahrzeuges war. Im Ergebnis ist der zum Abdruck in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheidung zuzustimmen. Sie verdient Beachtung, weil sie den bisherigen Restriktionskurs des Senats präzisiert (I.). Allerdings wirft der Beschluss weitergehende Fragen zur Auslegung des Merkmals der Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs in derartigen Fallgestaltungen auf (II.).
Im konkreten Fall hatten der Angeklagte und sein Mittäter beschlossen, durch einen Überfall auf das spätere Tatopfer Geld zu erbeuten. Während der Geschädigte in sein hochwertiges Fahrzeug einstieg, nahmen die beiden Komplizen auf der Rückbank Platz und bedrohten ihn - noch bevor er sich dazu anschickte, das Fahrzeug in Gang zu setzen - mit einer ungeladenen Gaspistole. Unter dem Eindruck der Drohung, ihm andernfalls "das Gehirn wegzublasen", lenkte das Opfer das Fahrzeug den Weisungen der Täter entsprechend aus der Stadt hinaus zu einem abgelegenen Parkplatz. Während der Fahrt übergab der Geschädigte den Tätern das von ihnen geforderte Handy; ferner nannte er den Aufenthaltsort des von ihm mitgeführten Geldes mit der Folge, dass der Angeklagte 75 Euro aus der auf dem Rücksitz befindlichen Tasche des Opfers entnahm. Nachdem der Geschädigte auf dem Parkplatz in den Kofferraum seines Fahrzeugs steigen musste, fuhren die Täter noch geraume Zeit mit dem Pkw umher. Als sie es ca. 2½ Stunden nach Fahrtbeginn stehen ließen, konnte sich das Opfer befreien. Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerem Raub und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt; seine hiergegen eingelegte Revision blieb ohne Erfolg.
a) Der § 316a StGB ist bekanntlich seit langem eine rechtspolitisch umstrittene Strafnorm.[1] Anlass zur Kritik bietet vor allem die hohe Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe, die damit ein im Vorfeld des Raubes, des räuberischen Diebstahls oder der räuberischen Erpressung angesiedeltes Verhalten mit dem Fünffachen der für das intendierte Delikt angedrohten Sanktion belegt.[2] Ferner erscheint die Handlungsbeschreibung in Gestalt eines unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs verübten Angriffs auf die Entschlussfreiheit vergleichsweise unbestimmt. Bis zum 6. StrRG (1998)[3] war § 316a StGB ein (echtes) Unternehmensdelikt, das zudem von der früheren Rechtsprechung bedenklich weit interpretiert worden war, indem einerseits bei einer bestehenden Raubabsicht schon mit dem Fahrtbeginn die Strafbarkeit einsetzte und andererseits auch außerhalb des Fahrzeugs vorgenommene Angriffe dem Tatbestand zugeordnet wurden, sofern sie in unmittelbarem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Anhalten und Aussteigen standen.[4] Nachdem der Geschäftsverteilungsplan des BGH die Fälle des § 316a StGB beim 4. Strafsenat konzentriert (und damit den "horror pleni" vor einer Anrufung des Großen Senats gebannt) hatte, schlug die höchstrichterliche Rechtsprechung beginnend mit der Grundsatzentscheidung BGHSt 49, 8 ff.[5] im Jahre 2003 einen deutlich restriktiveren Kurs ein.[6] Im Rahmen dieser neuen Ausrichtung erfuhr auch das Tatbestandsmerkmal des "Führers eines Kraftfahrzeuges" einen engeren Zuschnitt. Als "Führer" im Sinne des § 316a StGB sei nur derjenige anzusehen, der das Kraftfahrzeug in Bewegung zu setzen beginne, es in Bewegung halte oder allgemein mit dem Betrieb des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt sei.[7] Wer sich außerhalb des Fahrzeugs befinde, sei nicht "Führer"; dieses Merkmal sei ferner "regelmäßig" auch dann zu verneinen, wenn das Fahrzeug aus nicht verkehrsbedingten Gründen anhalte und der Fahrer den Motor ausstelle. Diese Beschneidung des "Führer"-Begriffs kommt insbesondere in den (häufigen) Fällen zum Tragen, in denen das Opfer (vielfach ein Taxifahrer) während einer (nicht verkehrsbedingten) Fahrtunterbrechung oder nach Erreichen des Fahrtziels überfallen wird. Mit dem Abstellen des Motors (und jedenfalls mit dem Verlassen des Fahrzeugs) verliert der "Nicht-mehr-Kraftfahrer" nach Ansicht des 4. Strafsenats seine Eigenschaft, taugliches Tatobjekt zu sein, und eine Strafbarkeit gemäß § 316a StGB scheidet aus, ohne dass es näherer Überlegungen zum Ausnutzungsmerkmal bedarf.
b) Das mit der neuen Judikatur verfolgte Ziel einer Einschränkung der Strafbarkeit verdient uneingeschränkten Beifall. Für den forensischen Alltag ist auch der praktische Umstand von Bedeutung, dass die maßgeblichen Abgrenzungskriterien (war der Motor abgestellt und lag dem ein verkehrsbedingter Halt zugrunde?) vom Tatgericht regelmäßig vergleichsweise sicher festgestellt werden können. Bedenken ergeben sich jedoch unter dogmatischen Vorzeichen. Ist es wirklich überzeugend zu sagen, derjenige, der den Motor abstellt, um einen Blick in den Straßenatlas zu werfen oder einen Passanten durch das geöffnete Autofenster nach dem Weg zu fragen, sei in dieser kurzen Zwischenphase nicht mehr Führer eines Kraftfahrzeuges?[8] Wie schmal der vom 4. Strafsenat gezogene Grat ist, lässt sich auch anhand der Situation einer Autobahntankstelle verdeutlichen. Ein Kraftfahrer, der an der Zapfsäule hält, tut
dies - zumindest wenn das noch im Tank befindliche Benzin eine Weiterfahrt ermöglichen würde - nicht verkehrsbedingt; er wäre also kein Fahrzeugführer. Steht er hingegen in der Schlange und stellt er den Motor nach dem jeweiligen Vorrücken ab, so wird man hierin wohl ein stau- (und damit verkehrs-) bedingtes Halten sehen können (müssen?), weil die Fahrt noch unmittelbar (zumindest wenige Meter) fortgesetzt werden soll. Auch der Versuch, dem Anlass für den Halt den Zeitfaktor als korrigierendes Merkmal an die Seite zu stellen, müsste neue Abgrenzungsprobleme hervorrufen. Wie lange dürfte man an der Ampel, im Stau oder an der Bahnschranke stehen, ohne die Eigenschaft zu verlieren, Führer eines Kraftfahrzeuges zu sein?[9]
Ihre Plausibilität bezieht die "Motor an / Motor aus-Lösung"[10] aus der Überlegung, dass nach dem Ausschalten des Motors und (erst recht) nach dem Verlassen des Fahrzeugs (jedenfalls regelmäßig) keine straßenverkehrstypischen Gefahren bestehen. Dann erscheint es aber vorzugswürdig, diesen Gesichtspunkt beim gefahrenorientierten Merkmal der Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs zu verankern. Das gilt umso mehr, als das Motiv für die Fahrtunterbrechung oder für das (vorläufige) Fahrtende für die Gefahrenbeurteilung unerheblich ist und die hierauf abstellende "Führer"-Eigenschaft den durch die Gefährdungslage vermittelten einheitlichen Sachzusammenhang auseinanderreißt. Schließlich ist zu bedenken, dass die Tauglichkeit des Tatobjekts die Eingangspforte in die Deliktsprüfung darstellt und dass dieser erste Filter noch vergleichsweise weitmaschig sein kann. Will man nicht so weit gehen, jeglichen Halt des Fahrzeugs a priori aus dem Anwendungsbereich der Strafnorm herauszunehmen, so bietet es sich an, auf die einschlägige und ebenfalls "gerichtsfeste" straßenverkehrsrechtliche Unterscheidung zwischen Halten und Parken zurückzugreifen.[11] Im Ergebnis wird diese Konzeption kaum zu abweichenden Resultaten führen. Ihr Vorteil besteht aber darin, dass sie den Blick auf die einheitliche Aufgabe lenkt, das den § 316a StGB kennzeichnende Gefährdungsprofil schärfer herauszuarbeiten, anstatt für einen bloßen Teilbereich Zuflucht zur vordergründigen "Führer"-Eigenschaft zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der mit dieser Strafnorm bezweckte Schutz vor Unfallgefahren im Straßenverkehr stärker zur Geltung zu bringen. Tendenziell würde dies zu einer noch weiter gehenden Einschränkung des Tatbestandes führen, als sie die neuere Rechtsprechung vornimmt.[12]
Im vorliegenden Fall geht es freilich gerade nicht um die Fälle der Fahrtunterbrechung, sondern um die Konstellation des "Noch-nicht-Kraftfahrers", der vor Fahrtbeginn angegriffen und zur Fahrt genötigt wurde.
a) Immerhin mag fraglich erscheinen, von welchem Augenblick an eine Person als "Führer" eines Kraftfahrzeugs anzusehen ist. Jedenfalls erlangt der Kraftfahrer diesen Status mit dem Anlassen des Motors. Der 4. Strafsenat zieht die Grenze allgemein ein wenig weiter, indem er darauf abstellt, ob der Kraftfahrer schon mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst ist, und auch schon den Beginn des In-Bewegung-Setzens ausreichen lässt. In dieselbe Richtung weisend werden im Schrifttum die im unmittelbaren Vorfeld des Losfahrens vorgenommenen Handlungen (z.B. das Lösen der Handbremse), nicht aber die dem direkten Ansetzen zur Inbetriebnahme vorgelagerten Verhaltensweisen (z.B. das Einstellen des Sitzes oder der Außenspiegel) einbezogen.[13] Diese vorsichtige Erweiterung beruht auf Schutzzwecküberlegungen, konkret darauf, dass der bereits auf das Verkehrsgeschehen konzentrierte Fahrer leichter zum Opfer eines Raubes (u.Ä.) werden kann. Diese Sichtweise steht in der Gefahr, die Gewichte innerhalb der Schutzgüterkonzeption unangemessen zu verteilen und den Akzent des § 316a StGB allzu stark auf den Schutz des individuellen Opfers vor den Raubgefahren zu legen.[14] Allerdings gilt auch an dieser Stelle, dass die allgemeinen Unfallgefahren vorzugswürdig im Kontext des Ausnutzungsmerkmals zu thematisieren sind. Für den vorliegenden Fall mag all dies auf sich beruhen. Weil der Angriff ausweislich der Urteilsfeststellungen erfolgte, noch bevor sich der Geschädigte dazu angeschickt hatte, das Fahrzeug in Gang zu setzen, war er zu diesem Zeitpunkt noch kein taugliches Angriffsziel. Damit scheidet für diesen Zeitpunkt eine Strafbarkeit gemäß § 316a StGB aus.
b) Allerdings dauerte die (zumindest konkludente) Bedrohung fort, als die Täter ihr Opfer zu der ihren Weisungen entsprechenden Fahrt zwangen. Mit der Teilnahme am fließenden Straßenverkehr wurde der Geschädigte zum Führer eines Kraftfahrzeuges. Ist nunmehr die Tatobjektsqualität gegeben, so verlagert sich die Prüfung auf das Handlungsmerkmal. In diesem Zusammenhang ist zu fragen, ob ein Angriff auf die Entschlussfreiheit auch dann "verübt" werden kann, wenn die Einwirkung auf den Willen des Opfers bereits vor dem Fahrtantritt begonnen hat. Völlig zu Recht wird diese Frage vom 4. Strafsenat bejaht. Denn die zeitliche Verknüpfung zwischen der "Führer"-Eigenschaft und dem Verüben des Angriffs ist lediglich Ausdruck des allgemeinen Koinzidenzprinzips,[15] wonach
alle objektiven und subjektiven Merkmale gleichzeitig (nämlich im Zeitpunkt der Tatbegehung) gegeben sein müssen. Ein vor dem Beginn der Fahrt durchgeführter Angriff macht den Überfallenen nicht schlechthin zum untauglichen Opfer; vielmehr ist der "Noch-nicht-Kraftfahrer" lediglich ein "Noch-nicht-Tatobjekt". Evident ist dies bei einer Intensivierung der Zwangslage während der Fahrt. Doch auch die bloße Aufrechterhaltung der zuvor geschaffenen Drucksituation wahrt das Koinzidenzprinzip, denn mit dem Fahrtbeginn richtet sich der Angriff gegen die Entschlussfreiheit eines Kraftfahrers. Mit Blick auf den Gesetzeswortlaut bestehen gegen die Einbeziehung derartiger Dauerangriffe keine Bedenken.[16] Dass das Gesetz auf ein "Verüben" des Angriffs abstellt, findet seinen Grund darin, dass zum einen ein noch weiter gehendes "unternehmen" eines Angriffs nicht mehr ausreichen sollte, zum anderen aber ein erfolgreicher Angriff nicht verlangt wird.[17] Vor diesem Hintergrund kann der Gesetzesformulierung nicht entnommen werden, dass sich der Angriff gegen einen willenfrei handelnden Fahrzeugführer richten muss. Dem entspricht es, dass die räuberische Absicht nicht schon bei Beginn, sondern spätestens bei Beendigung des Angriffs vorhanden sein muss.[18] Für die Sichtweise des Senats spricht weiterhin - worauf er zu Recht hinweist - entscheidend das Schutzgut der Sicherheit des Kraftverkehrs auf Straßen, die in gleicher Weise beeinträchtigt ist, wenn ein bereits vor Fahrtantritt begonnenes, offenes Bedrohungsgeschehen während der Fahrt (nur) seinen Fortgang nimmt.
c) Das Bedürfnis nach dieser begrüßenswerten, wenn auch wenig spektakulären Klarstellung ist nicht zuletzt durch höchstrichterliche Entscheidungen der letzten Jahre ausgelöst worden. Auf der Grundlage der alten Gesetzesfassung hatte es der BGH mehrfach als unerheblich angesehen, dass der Täter schon seine Mitfahrt durch einen Angriff auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Fahrers erzwungen hatte und dessen Bedrohung nach Beginn der Fahrt nur fortzusetzen brauchte.[19] Im Jahr 2001 verneinte der 2. Strafsenat (anknüpfend an das Ausnutzungsmerkmal) den § 316a StGB in zwei Fällen, in denen der/die Täter ihr Opfer vor Fahrtbeginn (bzw. nach vorläufigem Fahrtende) überfallen und zur Mitfahrt auf dem Beifahrer- bzw. Rücksitz gezwungen hatte(n);[20] der Transport des Opfers an den Ort des Raubes wurde als nicht tatbestandsmäßig angesehen.
Vor diesem Hintergrund ist ein Urteil des 4. Strafsenats[21] aus dem Jahr 2004 zu sehen. Im dortigen Fall hatten die Täter den Geschädigten gegen seinen Willen in das Fahrzeug verbracht, um ihn in eine fremde Umgebung zu fahren und den hierdurch ausgeübten Druck zur Begleichung einer ihnen aus einem Rauschgiftgeschäft (vermeintlich) zustehenden Forderung auszunutzen. Hier sei der Geschädigte zwar noch nicht beim Verbringen in den Pkw, wohl aber während der Mitfahrt taugliches Tatobjekt gewesen. Weil es während der Fahrt zu einem neuen Angriff (in Form von Faustschlägen in das Gesicht) gekommen war, bejahte der Senat eine Strafbarkeit gemäß § 316a StGB. In diesem Zusammenhang wird auf die engere Position des 2. Strafsenats hingewiesen und die Frage, ob auch die konkludent erfolgte fortdauernde Nötigung zum Mitfahren als "Angriff" anzusehen sei, unter Hinweis auf den zweiten Angriff als entscheidungsunerheblich offen gelassen. Dieses "Puzzleteil" hat der 4. Strafsenat nunmehr eingefügt: Mit dem aktuellen Beschluss hat der Senat den Anschluss an die ältere Rechtsprechung wieder hergestellt und ausgesprochen, dass auch das konkludente Aufrechterhalten der zunächst gegenüber einem Nicht-Kraftfahrer ausgeübten Bedrohung einen den Anwendungsbereich des § 316a StGB eröffnenden Angriff auf die Entschlussfreiheit darstellt, sobald der Genötigte zum tauglichen Tatobjekt wird. Die strikte Beachtung des Koinzidenzprinzips markiert in gewisser Hinsicht zugleich eine (zutreffende) Grenze des Restriktionskurses. Das gilt jedenfalls dann, wenn man - wie der 4. Strafsenat es getan hat -[22] die dargestellte Position des 2. Strafsenats dahingehend interpretiert, dass hierdurch nur auf den Beginn des Angriffs abgestellt werden soll.
Die vorstehenden Überlegungen führen allerdings nicht automatisch zu einer Strafbarkeit nach § 316a StGB. Vielmehr muss auch die weitere Voraussetzung der Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs gegeben sein. Der 4. Strafsenat widmet bezüglich der hier zu erörternden Fallgestaltungen auch diesem Tatbestandsmerkmal besondere Aufmerksamkeit. Wenn man den Vorgang der Normanwendung mit dem Bild des Autofahrens beschreiben wollte, könnte man sagen: Während der Senat beim Merkmal "Angriff auf den Führer oder Mitfahrer eines Kraftfahrzeuges" vorsichtig Gas gegeben hat, bremst er beim Ausnutzungsmerkmal spürbar ab. Denn in Fällen, in denen bereits vor Fahrtantritt ein vollendeter Angriff stattgefunden hat, bedürfe dieses Tatbestandsmerkmal "besonders sorgfältiger Prüfung", die "nur in Ausnahmefällen" zur Bejahung führen werde. Für den konkret zu entscheidenden Sachverhalt sieht der Senat einen derartigen Ausnahmefall als gegeben an. Allerdings bleibt klärungsbedürftig, nach welchen Kriterien der Regel- vom Ausnahmefall abgegrenzt werden soll. Darüber hinaus ist bereits die dieser Grenzziehung zugrundeliegende prinzipielle Weichenstellung kritisch zu hinterfragen.
Für ein Ausnutzen der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs verlangt der Senat, dass die aus der Eigenschaft als Kraftfahrzeugführer resultierenden Einschränkungen den räuberischen Angriff im Sinne einer Mitursächlichkeit erleichtert haben. Ein solcher Ursachenzusammenhang fehle jedoch, "wenn der Täter sein Opfer bereits vor der Fahrt unter seine uneingeschränkte Kontrolle gebracht hat und die dadurch geschaffene Nötigungslage während der nachfolgenden Fahrt lediglich unverändert aufrechterhalten wird". Dann diene das Fahrzeug lediglich Beförderungszwecken, ohne dass sich die verkehrsbedingte Einschränkung der Abwehrmöglichkeit noch fördernd auswirke. Dies sei nach einem vom Senat gebildeten Beispiel etwa dann anzunehmen, wenn das Opfer bereits in seiner Wohnung überfallen worden sei und es später unter Vorhalt einer Waffe zur Fahrt zu einem Geldautomaten gezwungen werde, um dort Geld abzuheben. Hier habe sich die Nötigungslage in aller Regel bereits vor Fahrtantritt so verfestigt, dass die fahrtbedingten eingeschränkten Abwehrmöglichkeiten für die fortdauernde Angriffshandlung ohne jeden Belang seien. Im Gegensatz hierzu nimmt der Senat für den von ihm zu entscheidenden Sachverhalt an, dass sich die Mittäter durch die erste Angriffshandlung ihres Tatopfers "noch nicht kontrolliert bemächtigt" hätten; vielmehr seien Gegenwehr und Fluchtmöglichkeit erst durch die erzwungene Fahrt "endgültig eingeschränkt" worden.
Die beiden vom Senat einander gegenüber gestellten Fallgestaltungen unterscheiden sich in zweifacher Hinsicht: Im konkret zu entscheidenden Fall erfolgten der Überfall unmittelbar vor Fahrtbeginn und die Wegnahme des Geldes noch während der Fahrt. Im Gegensatz hierzu ist das Geschehen im Alternativbeispiel in beiden Richtungen zeitlich gestreckt: Das Opfer wird deutlich vor Beginn der Fahrt überwältigt, die Erlangung der Beute findet erst nach Beendigung der Fahrt statt. Allerdings erscheint es fraglich, warum das in der tatbestandslosen Vorphase liegende Verhalten über den Anwendungsbereich des § 316a StGB entscheiden soll. Für die Intensität der Beherrschung, auf die der Senat entscheidend abhebt, ist es während der Fahrt unerheblich, ob der Täter dem Opfer die Pistole erst dreißig Sekunden oder schon dreißig Minuten vor dem Fahrtbeginn ans Genick gesetzt hat. Da der Senat die Relevanz des vor der Tat liegenden Geschehens nicht näher begründet (und weil sich - von wenigen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Senats abgesehen - mangels irgendwelcher sonstiger Nachweise auch keine Anhaltspunkte für Begründungszusammenhänge ergeben), ist der Rezensent aufs Spekulieren angewiesen. Möglicherweise orientiert sich der Senat an einem früheren Urteil des 2. Senats, der die Verneinung des § 316a StGB damit begründet hatte, dass eine Verschlechterung der Abwehr- und Fluchtmöglichkeiten des vor Fahrtantritt überfallenen Tatopfers (auch durch das Hinzukommen eines weiteren Tatkomplizen) nicht festzustellen sei.[23] Weil sich der 4. Senat - wenn auch nicht ausdrücklich - wie gezeigt[24] zumindest mittelbar von eben jener Entscheidung hinsichtlich der "Führer"- bzw. "Mitfahrer"-Eigenschaft abgesetzt hat, wäre es wünschenswert gewesen, wenn er eine in der Sache gleichwohl intendierte Übereinstimmung deutlich gemacht hätte.
Denkbar erscheint ferner, dass dem Senat eine an § 239a StGB angelehnte Konzeption vor Augen gestanden haben könnte, die sich wie folgt umreißen ließe: Das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs erfordert einen subjektiven zeitlichen und finalen Zusammenhang dergestalt, dass der Täter die Beanspruchung des Fahrers mit den Verkehrsvorgängen als einen die Verwirklichung der Raubtat fördernden Umstand in seinen Tatplan aufgenommen haben muss. Abstrakt gesprochen würde hiermit dem § 316a StGB - insoweit der ersten Alternative des § 239a Abs. 1 StGB entsprechend - die Struktur eines unvollkommen zweiaktigen Delikts[25] beigelegt (was freilich nicht ausschließt, dass in anderen Fallgestaltungen der Angriff und der räuberische Akt zusammenfallen können). Hieran anschließend könnte man in einem zweiten Gedankenschritt der Ansicht sein, eine solche Relevanz der Verkehrsverhältnisse sei dann zu verneinen, wenn der Täter sich bereits vor der Teilnahme am fließenden Straßenverkehr des Opfers bemächtigt habe. Die Verfestigung der Nötigungslage bzw. die Erlangung der uneingeschränkten Kontrolle erinnern stark an das zur Restriktion des § 239a Abs. 1 1. Alt. StGB in Zwei-Personen-Verhältnissen entwickelte Merkmal der Schaffung einer stabilen Zwischenlage.[26] Freilich würde derselbe Aspekt hierbei in entgegengesetzter Richtung verwandt. Eine Beherrschungssituation, die so stark und verselbständigt ist, dass sie zur Strafbarkeit gemäß § 239a StGB führt, würde umgekehrt eine Strafbarkeit gemäß § 316a StGB ausschließen, da sie keinen Raum mehr lassen würde für eine Mitursächlichkeit der verkehrsspezifischen Umstände im Rahmen des Raubvorhabens. Die Grenzziehung würde danach folgendermaßen aussehen: Dass der erste Zugriff auf den Geschädigten vor der Fahrt erfolgt, steht bei entsprechendem Fortgang des Geschehens einer Strafbarkeit gemäß § 316a StGB nicht entgegen. Das vollständig beherrschte und vom Täter sicher kontrollierte Opfer wird hingegen faktisch als (dauerhaft) untaugliches Tatobjekt angesehen, wobei die Ausgrenzung dogmatisch allerdings erst beim Merkmal des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs erfolgt.
a) Auf den ersten Blick mag eine solche Konzeption plausibel erscheinen. Sie sieht von einer Strafbarkeit gemäß § 316a StGB in jenen Fällen ab, in denen die besondere Beeinträchtigung des Opfers auch ohne den verkehrsspezifischen Kontext erklärbar ist. Zudem scheint die Ausspa-
rung bei § 316a StGB durch das passgenaue Einrücken des mit gleicher Strafdrohung versehenen § 239a StGB kompensiert zu werden, so dass Strafbarkeitslücken nicht entstehen können. Dieser Aspekt hängt freilich davon ab, in welchem dogmatischen Verhältnis man die (nur in § 316a StGB genannten) §§ 249 und 252 StGB zur räuberischen Erpressung (§ 255 StGB) sieht.[27] Hiervon abgesehen spricht auch die erhebliche Unschärfe dieses Restriktionsmerkmals gegen seine Übertragung auf den § 316a StGB.[28] Die Dauer der der Verkehrsteilnahme vorgelagerten Nötigungsphase besagt über die Intensität der Beherrschung wenig. Wie man aber (nicht nur behaupten, sondern) feststellen will, dass der Täter sich seines Opfers vor Fahrtantritt trotz Vorhaltens einer Schusswaffe oder eines Messers (zwar schon bemächtigt, aber) noch nicht "kontrolliert bemächtigt" und seine Gegenwehr und Fluchtmöglichkeit (zwar eingeschränkt, aber) noch nicht "endgültig eingeschränkt" hat, sodass die Bedrohung erst im Verbund mit den straßenverkehrsrelevanten Faktoren eine gesteigerte Intensität erlangt, erschließt sich (mir) nicht. Der Eintritt in den fließenden Straßenverkehr überformt die vorherige Bedrohungslage in besonderer Weise. Der bedrohte Fahrer muss einerseits handlungsfähig bleiben, um das Fahrzeug führen zu können (hieraus können sich zugleich für den Täter im Hinblick auf für ihn unbeherrschbare Verkehrsumstände gewisse Risiken bezüglich der Realisierung seines Raubvorhabens ergeben); andererseits tritt die aus der fortdauernden Bedrohungslage erwachsende Unfallgefahr als weiterer Stressfaktor hinzu. Dieses zusätzliche Element einfach zu ignorieren, sofern sich schon für die Vorphase eine hinreichende Beherrschungslage bejahen lässt, ist jedenfalls nicht erzwungen.
Gegen eine solche Vorgehensweise lässt sich einwenden, dass § 316a StGB lediglich einen Angriff auf einen Kraftfahrer und keine qualifizierte Herrschaft in Gestalt eines Sich-Bemächtigens verlangt. Das Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs kann durchaus unabhängig hiervon angenommen werden, wenn der Täter die hinzutretenden Verkehrsgefahren als weiteres Zwangselement in seinen Plan einfügt, und eine Steigerung des Druckes ist (da sich vis absoluta mit dem Führen des Fahrzeugs nicht verträgt) auch bei einem vom Täter "endgültig kontrollierten" Opfer durchaus denkbar. Ein weiteres Argument lässt sich aus § 239a StGB selbst entwickeln: Hinsichtlich der Alternative des "Entführens" wird auch in Zwei-Personen-Verhältnissen eine "stabile Zwischenlage" regelmäßig ohne weiteres für gegeben erachtet.[29] Bereits die erzwungene Ortsveränderung als solche eröffnet hierbei den Anwendungsbereich des § 239a StGB. Das Opfer befindet sich also in beiden Varianten - beim Sich-Bemächtigen vor Fahrtantritt ebenso wie bei der Entführung durch die Fahrt - in einer gesteigerten Unterlegenheitssituation gegenüber dem Täter, ohne dass es für dieses Maß der Unterlegenheit auf die spezifischen Verkehrsgefahren ankommt. Trotz dieser verkehrsunabhängigen Gleichwertigkeit soll gerade der Zeitpunkt, zu dem der Täter die "endgültige Kontrolle" gegenüber dem Opfer erlangt, über die Strafbarkeit nach § 316a StGB entscheiden. Je massiver der Täter in der Fahrt vorgelagerten Geschehen auf das Opfer einwirkt, um so näher liegt die Annahme einer frühzeitigen "uneingeschränkten Kontrolle", die eine Strafbarkeit gemäß § 316a StGB vermeiden würde, obwohl noch während der Fahrt sowohl die Unterlegenheit des Fahrers als die drohenden Unfallgefahren als gleich hoch zu bewerten sind.
b) Schließlich ist noch ein grundsätzliches Bedenken anzusprechen. Die Auslegung des § 316a StGB erfolgt weitgehend aus einer "rauborientierten" Blickrichtung.[30] Damit ist gemeint, dass die Norminterpretation vorrangig von der Frage angeleitet ist, welche Funktion den Bedingungen des fließenden Straßenverkehrs für die Realisierung des vom Täter intendierten räuberischen Geschehens zukommt. Aus dieser Perspektive wird die besondere Anfälligkeit des Kraftfahrers in den Vordergrund gerückt, zum Opfer eines Raubes etc. zu werden. Gerade weil er sich auf die Verkehrsvorgänge konzentrieren muss, ist der Kraftfahrer abgelenkt und damit in seinen Möglichkeiten, sich dem Angriff zur Wehr zu setzen oder durch Flucht zu entziehen, eingeschränkt. Die sich aus einem solchen Angriff für den Kraftfahrer, weitere Fahrzeuginsassen und unbeteiligte Dritte ergebenden Unfallgefahren werden zwar nicht ignoriert, aber es hat doch den Anschein, als würde diesen Gefahren eher eine ergänzende Rolle im Hintergrund zugewiesen. Rückt man (wenn auch unausgesprochen) die allgemeine Verkehrssicherheit bezüglich ihres Stellenwertes in die Nähe eines bloßen Schutzreflexes, so verengt sich der Blick auf die Beziehung zwischen dem mit besonderer krimineller Energie vorgehenden Täter und seinem in spezifischer Weise geschwächten Opfer. Dann mag es nahe liegen, dogmatische Anleihen bei den im Rahmen des § 239a StGB für das Zwei-Personen-Verhältnis entwickelten Restriktionsansätzen zu nehmen.
Eine solche "rauborientierte" Betrachtungsweise begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken.[31] Neben der systematischen Einordnung bei den Delikten zum Schutz der Allgemeinheit streitet auch die historische Auslegung dafür, die Vermeidung von (abstrakten) Unfallgefahren bei der Normauslegung stärker zur Geltung zu bringen. Denn ungeachtet des nationalsozialistisch geprägten und mit rechtsstaatlichen Vorstellungen nicht in Einklang zu bringenden Entstehungskontexts[32] bildeten die mit gesteigerten Unfallgefahren einhergehenden Angriffe von außen den ursprünglichen Regelungsanlass. Eine stärkere Akzentuierung der Verkehrssicherheit ist auch durch die hohe Straf-
drohung des § 316a StGB geboten; denn eine besondere situationsgeprägte "Raubanfälligkeit" wäre kein hinreichender Gesichtspunkt, um für eine solche Vorbereitungshandlung das Fünffache der für den vollendeten Raub angedrohten Sanktion als Mindeststrafe zu begründen.
Eine solchermaßen veränderte Gewichtsverteilung in der Schutzgutskonzeption würde ein auch über die bisherige Tatbestandseingrenzung hinausreichendes Restriktionspotenzial aufweisen, wobei freilich die Frage nach dem deliktsspezifischen Gefahrenprofil zu diskutieren wäre. Ginge es dabei um die Festlegung der Untergrenze des Gefahrenniveaus (insbesondere bei haltendem Fahrzeug), so sind die hier interessierenden Fälle eines "gekaperten", von einem unmittelbar bedrohten Kraftfahrer gelenkten Fahrzeugs gewiss zum Kernbereich der erheblichen Unfallgefahren zu rechnen.[33] Warum ausgerechnet solche für die Allgemeinheit höchst gefährlichen Tatverläufe mit der Begründung ausgeblendet werden sollten, die Gegenwehr- und Fluchtmöglichkeiten des individuellen Raubopfers seien schon vor der Fahrt "endgültig eingeschränkt" gewesen, ist nicht nachzuvollziehen. Diese kriminalpolitische Überlegung lässt sich auch dogmatisch formulieren: Erkennt man die Allgemeinheit als im Hinblick auf die Verkehrssicherheit gleichrangig geschützt an, so entsprechen die Fälle der unter fortdauernder Nötigung erzwungenen Fahrt einem "Drei-Personen-Verhältnis", für das auch im Rahmen des § 239a StGB gerade keine zusätzliche Einschränkung verlangt oder eine solche vom BGH doch regelmäßig als gegeben angenommen wird.[34] Auch das Gesetzesmerkmal "Ausnutzen" legt die Norminterpretation nicht auf die bipolare Beziehung zwischen Täter und Individualopfer fest, zumal sich das Ausnutzen nicht auf die Realisierung des räuberischen Plans, sondern auf den Angriff auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Fahrzeugführers bezieht. Deshalb lässt sich ein solches Ausnutzen bejahen, wenn der Täter aus räuberischer oder raubähnlicher Motivation den Führer eines Kraftfahrzeuges (und damit mittelbar auch die sonstigen Verkehrsteilnehmer) einer erhöhten Gefahrenlage aussetzt, die auf der Verknüpfung der Bedrohungslage mit den Gefahren des fließenden Straßenverkehrs beruht.
Aus diesem Blickwinkel kehrt sich das vom 4. Strafsenat angenommene Regel-Ausnahme-Verhältnis geradezu um.[35] Wer einen Kraftfahrer zur (Weiter-)Fahrt zwingt und ihn während der Teilnahme am Straßenverkehr in Schach hält und dirigiert, verwirklicht (bei entsprechender räuberischer Absicht) in aller Regel § 316a StGB, ohne dass es auf die Intensität der vor Fahrtbeginn ausgeübten Bedrohung ankommt. Schwieriger zu beurteilen sind die Dinge, soweit sich der Angriff nicht gegen den Führer eines Kraftfahrzeuges, sondern gegen einen Mitfahrer richtet. Nach der hier vertretenen Ansicht liegt die Bedeutung des Ausnutzungsmerkmals darin, die durch den Angriff betätigte räuberische Motivation des Täters mit den dadurch heraufbeschworenen abstrakten Unfallgefahren zu verklammern. Dieser Gesichtspunkt bildet dann auch die Richtschnur für die Mitfahrerangriffe. Soweit der Täter als Fahrer sowohl sein Opfer beherrschen als auch die Anforderungen des Straßenverkehrs meistern muss, ist eine derartige Kumulation der Gefahrenmomente ebenso gegeben, wie wenn das Opfer das Fahrzeug unter fortwährender Bedrohung durch den Täter lenkt. Hiergegen lässt sich auch nicht einwenden, es fehle an einem "Ausnutzen", wenn die aus der "Doppelbelastung" resultierende Gefahr auf der Seite des Täters liegt, aber keine besondere Schwäche des Opfers darstellt. Denn bezüglich der Unfallgefahren bilden Täter und Opfer eine Art "Schicksalsgemeinschaft", da die drohende Überforderung des Täters auch das Risiko für das Opfer erhöht. Umgekehrt fehlt es an einer Risikosteigerung bezüglich der Verkehrsgefahren, wenn das Opfer - wie es z.B. bei der Entführung des Industriellen Richard Oetker der Fall war - während der Fahrt in eine Holzkiste eingesperrt ist. Hier wird das Fahrzeug in der Tat nur zu Transportzwecken verwandt und ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ist zu verneinen.[36] Gleiches wird vielfach bei der Verbringung eines gefesselten Opfers im Kofferraum oder auf der Rückbank des Fahrzeugs gelten. In den Fällen, in denen das Opfer im Fond des Fahrzeugs von einem oder mehreren Komplizen in Schach gehalten wird, ist die Beurteilung Tatfrage, die davon abhängt, inwieweit der das Fahrzeug führende Täter in die Aufrechterhaltung der Beherrschung eingebunden und somit von seinen Aufgaben als Kraftfahrer abgelenkt ist.
Insgesamt steckt die hier vertretene Ansicht die Strafbarkeitsgrenzen bezüglich des Angriffs auf "Noch-nicht-Kraftfahrer" deutlich weiter als der 4. Strafsenat des BGH. Dies steht im Gegensatz zum derzeitigen juristischen "Zeitgeist", der doch gerade auf eine weitgehende Restriktion des § 316a StGB drängt. Die an den Gesetzgeber gerichtete Forderung, diese problematische und entbehrliche Strafnorm zu streichen, erscheint gut begründbar. Dennoch wäre es zu pauschal, jegliche Verengung des Tatbestandes schon allein wegen dieser Wirkung gut zu heißen und umgekehrt jede andere Auslegung zurückzuweisen, weil sie nicht die größtmögliche Beschneidung des § 316a StGB bietet. Solange es diesen Straftatbestand gibt, muss es darum gehen, die Fälle mit der höchsten Strafwürdigkeit unter die Norm zu subsumieren und dogmatisch tragfähige Begründungen zu entwickeln, eine Strafbarkeit bezüglich der nicht hinreichend strafwürdig erscheinenden Fälle zu verneinen. Obwohl § 316a StGB keine konkrete Unfallgefahr voraussetzt, bilden die potenziellen Gefahren und die Bereitschaft des Täters, zur Erreichung eines räuberischen
Zieles sein Opfer und Dritte diesen Gefahren auszusetzen, die teleologische Basis dieser Strafvorschrift. Damit bildet das Hinzutreten dieses Gefahrenaspekts das maßgebliche Steuerungselement bei der Auslegung des Merkmals der Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs. Hieraus wird sich vielfach ein Ansatzpunkt für eine Restriktion des Tatbestands ergeben. Umgekehrt bilden aber die Nötigungsfälle, in denen ein vom Täter aktuell bedrohter Kraftfahrer eine sich möglicherweise über Stunden erstreckende Odyssee antritt, bei der angesichts des hohen Dauerstresses buchstäblich "alles" passieren kann, gerade den Kernbereich der Fälle, in denen das hohe Strafmaß des § 316a StGB durchaus (oder zumindest noch am ehesten) einleuchtet. Gerade diese Fälle, die durch ein extrem hohes Gefahrenpotenzial in der Tatsituation gekennzeichnet sind, dadurch auszuscheiden, dass man - wie der BGH es tut - nach der Lage des individuellen Opfers vor der Tat fragt, erscheint wenig sinnvoll.
[1] Kritisch z.B. Freund ZStW 109 (1977) 455, 482 f.; Sowada, FS Otto (2007), 799, 800 (m.w.N.); Fischer, StGB, 55. Aufl. (2008), § 316a Rn. 2 (m.w.N.); s.a. Wolters GA 2002, 303; ders. JR 2002, 163 f.
[2] Zur Strafzumessungspraxis vgl. MüKo-Sander, Bd. 4 (2006), § 316a Rn. 4.
[3] Zur Neufassung vgl. Ch. Fischer Jura 2000, 433 ff.; Ingelfinger JR 2000, 225 ff.; Mitsch JA 1999, 662 ff.
[4] BGHSt 33, 278, 380 f.; BGH NStZ 1989, 476, 477; 1996, 433, 436.
[5] BGHSt 49, 8 = JR 2004, 256 mit Anm. Herzog = JZ 2004, 630 mit Anm. D. u. I. Sternberg-Lieben; zu dieser Entscheidung auch Geppert JK 5/04, StGB § 316a/6; Petersohn JA 2004, 515 ff.; Sander NStZ 2004, 501 ff.
[6] Zum neuen Kurs des BGH vgl. Duttge/Nolden JuS 2005, 193 ff; Krüger NZV 2004, 161 ff; Sowada (Fn. 1), 799, 800 ff.
[7] BGHSt 49, 8, 14 f.; 50, 169, 171 f. (jeweils auch zum Folgenden); s. auch MüKo-Sander (Fn. 2), § 316a Rdn. 17 ff.; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, 9. Aufl. (2007), 12/9 ff.; Schönke/Schröder-Cramer/Sternberg-Lieben, StGB, 27. Aufl. (2006), § 316a Rn. 5.
[8] Für eine entsprechende Erweiterung des Begriffs des "Führers" eines Kraftfahrzeuges Duttge/Nolden JuS 2005, 193, 196 f.; Sowada (Fn. 1), 799, 803 ff.; D. u. I. Sternberg-Lieben JZ 2004, 633, 636; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil/2, 30. Aufl. (2007), Rn. 383b. Für eine einzelfallbezogene Prüfung Kubiciel JA 2005, 842, 843 f.
[9] Zwischen einem kurzfristigen und einem langandauernden Stau differenzierend S/S-Cramer/Sternberg-Lieben (Fn. 7), § 316a Rn. 5; s. auch Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2 Teilband 2 (2001), 2/18.
[10] Duttge/Nolden JuS 2005, 193, 195.
[11] Sowada (Fn. 1), 799, 805 f.; s. auch ders. in LK, StGB, 11. Aufl. (2001), § 316a Rn. 36, 40.
[12] In diesem Sinne Duttge/Nolden JuS 2005, 193, 195 f. (zu III. u. IV.) und Sowada (Fn. 1), 799, 808 ff.
[13] MüKo-Sander (Fn. 2), § 316a Rn. 19.
[14] Für einen Schutz allein der Rechtsgüter Eigentum und Vermögen hingegen Hübsch, Der Begriff des Angriffs in § 316a StGB (2007), S. 37 ff., 59; SK-Wolters/Horn, StGB II, 8. Aufl. (Stand: März 2007), § 316a Rn. 2; s. auch NK-Herzog, StGB, 2. Aufl. (2005), § 316a Rdn. 5. Zur dualen Schutzgüterkonzeption BGHSt 49, 8, 11; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl. (2007), Rn. 1; MüKo-Sander (Fn. 2), § 316a Rn. 2; S/S-Cramer/Sternberg-Lieben (Fn. 7), § 316a Rn. 1; Fischer (Fn. 1), § 316a Rn. 2. S. auch die Nachweise in Fn. 12.
[15] Krüger NZV 2004, 161, 164.
[16] Ebenso Krey/Hellmann, Strafrecht Besonderer Teil Band 2, 14. Aufl. (2005), Rn. 233 f.; MüKo-Sander (Fn. 2), § 316a Rdn. 15; Roßmüller JR 1997, 162 f.
[17] Vgl. Hübsch (Fn. 14), S. 92 ff.; LK-Sowada (Fn. 11), Rn. 2 ff., 12 ff.
[18] BGHSt 25, 315 ff. = JR 1974, 201 mit Anm. Hübner: BGHSt 37, 256, 258; BGH, NStZ 1989, 119; 1997, 236, 237; s. auch LK-Sowada (Fn. 11), § 316a Rdn. 45 m.w.N.
[19] So BGH, MDR/H 1977, 638, 639 (zust. Krey/Hellmann [Fn. 16], Rn. 233 f.); BGH, JR 1997, 162 mit im Erg. zust. Anm. Roßmüller. Trotz Verneinung des § 316a StGB (a.F.) das Angriffs- und das Ausnutzungsmerkmal bejahend BGH, NStZ 1989, 119 f.; eine abweichende Fallgestaltung lag auch BGH, NStZ 1996, 435 = NZV 1997, 236 mit abl. Anm. Roßmüller zugrunde.
[20] BGH StV 2002, 362 f. und 363.
[21] BGH NStZ 2004, 626 f.
[22] BGH NStZ 2004, 626.
[23] BGH StV 2002, 362, 363. Kritisch zum Erfordernis der Verschlechterung der Opferlage Sowada (Fn. 1), 799, 819 f. Gegen eine solche Voraussetzung bei § 239a StGB auch BGH (5. Strafsenat) NStZ 2006, 448, 449.
[24] S. oben I. 3c).
[25] Vgl. Satzger Jura 2007, 114, 115.
[26] BGH(GS)St 40, 350 ff; S/S-Eser (Fn. 7), § 239a Rn. 13a.
[27] Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 8. Aufl. (2007), 24/13; Fischer (Fn. 1), § 239a Rn. 5c.
[28] Kritisch zu den Einschränkungsbemühungen im Rahmen des § 239a StGB Fischer (Fn. 1), § 239a Rn. 8 m.w.N.
[29] Lackner/Kühl (Fn. 14), Rn. 4a; Satzger Jura 2007, 114, 119.
[30] So S/S-Cramer/Sternberg-Lieben (Fn. 7), § 316a Rn. 1; s. auch D. u. I. Sternberg-Lieben JZ 2004, 633, 634; NK-Herzog (Fn. 14), § 316a Rn. 4 f., 14. Auch die Rechtsprechung wird man hier einordnen müssen; vgl. z.B. BGHSt 49, 8, 14 f.; 50, 169, 172 ff. (weitere Nachweise bei Sowada [Fn. 1], 799, 810); s. aber auch die hier besprochene Entscheidung (zu 2a a.E.) sowie BGH NStZ 2004, 626 (§ 316a StGB bezwecke "neben individuellen Rechtsgütern den Schutz der Sicherheit des Kraftverkehrs auf den Straßen").
[31] Vgl. zum Folgenden insbesondere Duttge/Nolden JuS 2005, 193, 195 f.; Sowada (Fn. 1), 799, 811 ff.; s. auch Geppert Jura 1995, 310, 311; Günther JZ 1987, 369, 375 ff.
[32] Eingehend hierzu Steinberg NZV 2007, 545, 546 ff.
[33] Vgl. BGH NStZ 2003, 35 f.; hierzu Beckemper JA 2003, 541 ff.; Sowada (Fn. 1), 799, 817 ff.; vgl. ferner Fischer (Fn. 1), § 316a Rn. 6; S/S-Cramer/Sternberg-Lieben (Fn. 7), § 316a Rn. 3 a.E. Im Sinne des zu besprechenden Urteils hingegen die Erwartung von Sander NStZ 2004, 501, 502.
[34] BGH NStZ-RR 2002, 213, 214; Lackner/Kühl (Fn. 14), § 239a Rn. 4; Rengier (Fn. 27), 24/25. Kritisch S/S-Eser (Fn. 7), § 239a Rn. 13b.
[35] Vgl. zum Folgenden auch Sowada (Fn. 1), 799, 819 f.
[36] Die mit dem bloßen Wissen um die Beförderung des Entführten und die mögliche Angst vor Entdeckung verbundene Aufregung genügt für ein solches Ausnutzen nicht.