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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2007
8. Jahrgang
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1. Der Senat lässt offen, ob an der Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach einem Beweisantrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein konkretes Beweismittel bezeichnet wird, dennoch die Eigenschaft eines Beweisantrags fehlt, wenn es sich bei der Beweistatsache um eine ohne jede tatsächliche und argumentative Grundlage aufs Geratewohl, ins Blaue hin ein aufgestellte Behauptung handelt. Hiergegen könnte sprechen, dass der – einen Beweisantrag voraussetzende – Ablehnungsgrund der Verschleppungsabsicht nur Anwendung findet, wenn der Antragsteller um die Unrichtigkeit seiner Beweisbehauptung weiß. Es erscheint daher nicht stimmig, ein Beweisbegehren schon dann nicht mehr als Beweisantrag anzusehen, wenn nach der sonstigen Beweislage und auch einer etwaigen Begründung des Antragstellers für sein Begehren nichts für die Richtigkeit seiner Behauptung spricht.
2. Der Senat neigt – nicht tragend – der Auffassung zu, dass an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten ist, wonach ein Beweisantrag nur dann wegen Verschleppungsabsicht zurückgewiesen werden kann, wenn die Erhebung des beantragten Beweises das Verfahren erheblich verzögern würde.
1. Ein Fortsetzungstermin ist nur dann geeignet, die Unterbrechungsfristen des § 229 Abs. 1 oder 2 StPO zu wahren, wenn in ihm zur Sache verhandelt, also das Verfahren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch hin gefördert wird.
2. Nicht genügend sind dagegen sog. Schiebetermine, welche die Unterbrechungsfrist lediglich rein formal wahren, in denen tatsächlich aber keine Prozesshandlungen oder Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen vorgenommen werden, die geeignet sind, die Sache ihrem Abschluss substantiell näher zu bringen. Derartige Schiebetermine liegen darüber hinaus auch dann vor, wenn einheitliche Verfahrensvorgänge, insbesondere Beweisaufnahmen, willkürlich in mehrerer kurze Verfahrensabschnitte zerstückelt und diese auf mehrere Verhandlungstage verteilt werden, nur um hierdurch die zulässigen Unterbrechungsfristen einzuhalten.
3. Die Grenze zum nicht genügenden Schiebetermin ist jedenfalls dann überschritten, wenn sich ein „Fortsetzungstermin“ in der Abwicklung solcher Formalien erschöpft, die weder für die Urteilsfindung noch für den dorthin führenden Verfahrensgang eigenständiges Gewicht besitzen.
4. Ein Hauptverhandlungstermin, der nur zu dem Zweck anberaumt wird, Verfahrensvorgänge aus einem früheren Terminstag zu protokollieren, ist generell nicht geeignet, die Unterbrechungsfristen des § 229 Abs. 1 oder 2 StPO zu wahren. Denn nur eine Beweisaufnahme als solche, nicht jedoch ihre bloße Aufnahme in die Sitzungsniederschrift befördert die Wahrheitsermittlung in der Sache und damit die Urteilsfindung.
1. Der Senat neigt nicht zu der Auffassung, dass ein Sachverständiger verständlicherweise das Misstrauen hervorruft, er selbst sei zum Nachteil einer Angeklagten voreingenommen, wenn er ihr und ihrem Verteidiger eingehend erläutert, dass und warum aus seiner Sicht ein bestimmtes Verteidigungsvorbringen bei Gericht keinen Erfolg haben wird und deshalb dessen Abänderung empfiehlt.
2. Den Sachverständigen trifft keine Fürsorgepflicht für den Erfolg (der Anklage oder) der Verteidigung. Vielmehr hat er sich darauf zu beschränken, den ihm von seinem Auftraggeber (Staatsanwaltschaft oder Gericht) vorgegebenen Sachverhalt (vgl. § 78 StPO) aus seiner fachlichen Sicht zu bewerten. Findet er im Rahmen seiner Tätigkeit Anhaltspunkte für einen abweichenden Sachverhalt - diese können sich auch aus (neuen) Angaben des Beschuldigten (Angeklagten) ergeben - hat er seinen Auftraggeber hierauf hinzuweisen; gegebenenfalls kann er dann als (sachverständiger) Zeuge in Betracht kommen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 264, 265 m. w. N.).
3. Das Recht des Beschuldigten (Angeklagten), sich in jeder Lage des Verfahrens anwaltlicher Hilfe zu bedienen, führt nicht zu einem Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei der Exploration durch einen Sachverständigen, der mit der Erstellung eines Gutachtens (hier: zur Frage der Schuldfähigkeit der Angeklagten) beauftragt ist (BGH NStZ 2003, 101). Hat der Sachverständige gleichwohl - zunächst zugesagt, (weitere) Explorationen nur in Anwesenheit des Verteidigers vorzunehmen, sich dann aber nicht an diese Zusage gehalten, versteht sich auch bei einem solchen Verhalten des Sachverständigen nicht von selbst, dass allein die Stellung sachgerechter Fragen verständlicherweise die Besorgnis begründete, der Sachverständige sei zum Nachteil der Angeklagten befangen.
4. Bei der Beurteilung der Ablehnung von Sachverständigen ist das Revisionsgericht an die Tatsachen gebunden, die der Tatrichter seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Eigene Ermittlungen des Revisionsgerichts kommen - anders als bei der Richterablehnung - nicht in Betracht. Es entscheidet als Rechtsfrage, ob die Strafkammer über das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung befunden hat (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1994, 388; BGH bei Becker NStZ-RR 2002, 66 m. w. N.).
5. Auch spätere Erläuterungen des Sachverständigen können ein anfänglich als berechtigt erscheinendes Misstrauen ausräumen (vgl. BGH wistra 2002, 267; StV 2004, 356, 357 jew. m. w. N.).
1. Ein Beweisermittlungsantrag des Angeklagten darf vom Gericht nicht schlicht unbeachtet gelassen werden. Vielmehr ist über den Antrag eine Entscheidung zu treffen. Dies kann entweder durch eine prozessleitende Anordnung des Vorsitzenden (§ 238 Abs. 1 StPO), dass dem Begehren nachzugehen ist, oder durch die Ablehnung des Antrags geschehen.
2. Der Senat lässt offen, ob es zur Ablehnung eines Beweisermittlungsantrages gemäß § 244 Abs. 6 StPO unmittelbar eines Gerichtsbeschlusses bedarf oder ob dies – jedenfalls zunächst (vgl. § 238 Abs. 2 StPO) – durch Anordnung des Vorsitzenden geschehen kann.
3. Der Antragsteller eines Beweisermittlungsantrages darf nicht im Unklaren darüber gelassen werden, weshalb seinem Antrag nicht nachgegangen wird. Daher ist eine darauf gerichtete prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden gemäß § 34 StPO mit Gründen zu versehen. Nur hierdurch wird es dem Antragsteller ermöglicht, sein weiteres Prozessverhalten auf die der Ablehnung zugrunde liegende Auffassung einzurichten und insbesondere darüber zu befinden, ob er gemäß § 238 Abs. 2 StPO auf die Entscheidung des Gerichts anträgt oder andere Anträge in Richtung auf das von ihm verfolgte Beweisziel stellt.
Der 1. Strafsenat hat Bedenken, ob an der Rechtsprechung festgehalten werden sollte, nach der ein als Zeuge in der Hauptverhandlung vernommener Staatsanwalt auch für den Rest der Hauptverhandlung an der Wahrnehmung der Aufgaben des Sitzungsvertreters gehindert sein kann (vgl. hierzu BGHSt 21, 85, 89).
In den Fällen, in denen nach den Grundsätzen von BGHSt 46, 93 ff. ein Pflichtverteidiger bereits im Ermittlungsverfahren zu bestellen ist, ist es auch Aufgabe der Staatsanwaltschaft, auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers in solchen Fällen hinzuwirken.
Kann das Tatgericht seine Überzeugung nur auf die Bekundungen von Zeugen vom Hörensagen stützen, hat der Tatrichter eine besonders sorgfältige und kritische Beweiswürdigung vorzunehmen.
1. Auf mangelnde Sachkunde kann sich ein gegen einen Sachverständigen gerichteter Befangenheitsantrag nicht stützen.
2. Das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 358 Abs. 2 StPO ist auf Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat beschränkt und steht einer Verschlechterung des Schuldspruchs nicht entgegen.
Stellt das Tatgericht einen Beschluss zur Berichtigung des Urteils dem Angeklagten oder seinem Verteidiger mit dem Hinweis zu, dass „die Revisionsbegründungsfrist ab dieser Zustellung erneut zu laufen“ beginne, so dürfen Angeklagter und Verteidiger hierauf vertrauen. Ist die Belehrung unzutreffend und wird daraufhin die Frist zur Begründung der Revision versäumt, so geschieht dies ohne Verschulden im Sinne des § 44 Satz 1 StPO.
1. Das gegen ein Urteil gerichtete Rechtsmittel schließt die Anfechtung der Kosten- und Auslagenentscheidung nicht ein.
2. Durch die Einlegung eines nicht näher bestimmten „Rechtsmittels“ gegen ein Urteil wird die Frist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung (§ 464 Abs. 3 StPO) nicht gewahrt. 1084. BGH 3 StR 412/07 - Beschluss vom 2. Oktober 2007 (LG Hannover) Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Urteilsgründe). § 63 StGB; § 267 StPO
Wenn sich der Tatrichter darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist.
1. Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für alle einen inhaftierten Verurteilten betreffenden nachträglichen Entscheidungen tritt unabhängig davon ein, ob während der Zeit der Inhaftierung eine Entscheidung in der Sache zu treffen ist.
2. Demgegenüber endet mit der Aufnahme des Verurteilten in der Justizvollzugsanstalt die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs und lebt auch nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug nicht wieder auf.