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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 1050

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 436/06, Beschluss v. 01.12.2006, HRRS 2007 Nr. 1050


BGH 2 StR 436/06 - Beschluss vom 1. Dezember 2006 (LG Koblenz)

Befangenheit des Sachverständigen (mangelnde Sachkunde); Verschlechterungsverbot (Rechtsfolgen; Schuldspruch; reformatio in peius).

§ 74 StPO; 358 Abs. 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Auf mangelnde Sachkunde kann sich ein gegen einen Sachverständigen gerichteter Befangenheitsantrag nicht stützen.

2. Das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 358 Abs. 2 StPO ist auf Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat beschränkt und steht einer Verschlechterung des Schuldspruchs nicht entgegen.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 10. April 2006 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Jedoch wird der Urteilstenor dahingehend neu gefasst, dass der Angeklagte des Mordes schuldig und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 1. Dezember 2003 vom Vorwurf des Mordes freigesprochen und wegen eines im Zustand nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit begangenen Totschlags seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Auf seine Revision hatte der Senat das Urteil aufgehoben, weil das Landgericht einen Beweisantrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten rechtsfehlerhaft abgelehnt hatte. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die Sachkunde des von ihm angehörten Sachverständigen zweifelhaft. Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr des im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangenen Mordes aus niedrigen Beweggründen und zur Ermöglichung einer Straftat (Störung der Totenruhe) für schuldig befunden, zugleich hat es ihn freigesprochen und erneut seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat nach Anhörung von drei psychiatrischen Sachverständigen, darunter auch der aus dem ersten Verfahren, rechtsfehlerfrei eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer schweren anderen seelischen Abartigkeit und auch die weiteren Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB festgestellt. Da nur der Angeklagte gegen das erste Urteil Revision eingelegt hatte und der Freispruch durch die Staatsanwaltschaft nicht angefochten worden war, scheidet allerdings - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - eine Bestrafung des Angeklagten wegen des Verbots der Schlechterstellung nach § 358 Abs. 2 StPO aus. Dies ist jedoch auf Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat beschränkt, einer Verschlechterung des Schuldspruchs steht es, wie auch das Landgericht nicht übersehen hat, nicht entgegen. Da der Angeklagte zutreffend wegen Mordes schuldig gesprochen worden ist, hat der Freispruch zu entfallen. Der Senat hat den Urteilstenor entsprechend geändert.

Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 28. September 2006 angeführten Erwägungen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Auch gegen die von der Revision beanstandete Zurückweisung des zweiten Befangenheitsantrags gegen den bereits im ersten Verfahren und auch in der erneuten Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen Dr. B. ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Soweit die Revision dessen Befangenheit aus Formulierungen zur Beschreibung von Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten in dem im ersten Verfahren erstatteten Gutachten herleitet, wies die Befunderhebung des Sachverständigen und ihre ohne ausreichende differenzialdiagnostische Prüfung erfolgte einseitige Bewertung zwar durchgreifende Mängel auf, die - wie der Senat in seinem Beschluss vom 12. November 2004 ausgeführt hat - Zweifel an seiner Sachkunde begründeten. Auf mangelnde Sachkunde kann sich aber ein gegen einen Sachverständigen gerichteter Befangenheitsantrag nicht stützen (BGHR StPO § 74 Ablehnung 1). Dass der Sachverständige hingegen von der Täterschaft des Angeklagten, von der er, wie er mehrfach betont hat, lediglich als Arbeitshypothese ausgegangen sei, bereits überzeugt war, lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen. Das Landgericht hat deshalb auch diesen Befangenheitsantrag zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 1050

Bearbeiter: Ulf Buermeyer