Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2007
8. Jahrgang
PDF-Download
Die Annahme eines Regelbeispiels kommt bei einem Gehilfen nur dann in Betracht, wenn sich die Teilnahmehandlungen selbst als besonders schwere Fälle darstellen (BGH StV 1996, 87). Es reicht deshalb nicht aus, wenn lediglich der Haupttäter das Regelbeispiel verwirklicht hat. Vielmehr ist anhand des konkreten Regelbeispiels in einer Gesamtwürdigung festzustellen, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt. Hierbei ist freilich die Schwere der Haupttat zu berücksichtigen, was gerade bei dem Regelbeispiel des Vermögensverlustes großen Ausmaßes nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB nahe liegt. Gewicht kann bei dieser Prüfung allerdings auch eine festgestellte gravierende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung erlangen.
1. Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung setzt voraus, dass nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzuges der verhängten Freiheitsstrafe Tatsachen erkennbar werden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit hinweisen (BGH NJW 2005, 3078, 3080; NStZ 2005, 561, 562; 2006, 155 f.). Demgegenüber scheiden Umstände, die dem ersten Tatrichter bekannt waren oder die er hätte erkennen und erforderlichenfalls aufklären müssen, als „neue“ Tatsachen aus. Das Verfahren nach § 66b Abs. 1 und 2 StGB dient nicht der Korrektur früherer Entscheidungen, in denen derartige Tatsachen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Maßregel nach § 66 StGB unberücksichtigt geblieben sind.
2. Anwendung auf einen Einzelfall im Vollzug erweiterten sexuellen Suchverhaltens (Opfer außerhalb des engen Familienkreises) bei vorherigem mehrfachen sexuellen Missbrauch von Kindern in der eigenen Familie.
1. Auch solche neu hervorgetretenen Umstände, die schon für den früheren Tatrichter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt mit Blick auf § 244 Abs. 2 StPO erkennbar waren, sind nicht neu im Sinne des § 66b StGB (BGHSt 50, 275, 278; 373, 379).
2. Zwar kann in der Verweigerung oder dem Abbruch einer Therapie eine solche Tatsache liegen, wenn auch dieser Umstand allein für die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung grundsätzlich nicht genügt (BGHSt 50, 121, 126; BGH NStZ 2005, 561, 562). Die Therapieverweigerung kann allerdings nur dann als berücksichtigungsfähige neue Tatsache angesehen werden, wenn das früher zuständige Tatgericht zum Zeitpunkt seiner Verurteilung begründet annehmen konnte, der Verurteilte werde sich einer Therapie unterziehen (BGHSt 50, 275, 281; BGH NStZ-RR 2006, 302).
3. Äußerungen des Verurteilten im Vollzug, in denen sich nur die schon für den ursprünglichen Tatrichter erkennbare Wiederholungsgefahr manifestiert, rechtfertigen nicht die Annahme einer neuen Tatsache.
4. Die Annahme neuer Tatsachen darf nicht lediglich auf Vermutungen gestützt werden.
Handelt es sich bei den Straftaten, welche die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung begründen (sog. Symptomtaten), um solche ganz verschiedener Art, die völlig unterschiedliche Rechtsgüter verletzen, ist ihr Indizwert für einen verbrecherischen Hang des Täters besonders sorgfältig zu prüfen und zu begründen (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 5; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10; BGH NStZ-RR 1998, 6, 7; BGH NStZ 2002, 537, 538).
Das Fehlen eines ernsthaften Therapiewillens hindert die Unterbringung nach § 64 StGB nicht ohne Weiteres. Zwar kann mangelnde Therapiemotivation ein Indiz dafür sein, dass eine Entwöhnungsbehandlung keine Erfolgschance bietet. Ob aber vom Mangel einer ernsthaften Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht geschlossen werden kann, lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller insoweit maßgeblicher Umstände beurteilen. Ziel einer Behandlung im Maßregelvollzug kann es gerade sein, die Therapiebereitschaft beim Angeklagten überhaupt erst zu wecken (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 34). An dieser Rechtsprechung ist auch nach der Neufassung des § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 festzuhalten.
1. Verhängt der Tatrichter eine mehrmonatige Freiheitsstrafe für den Besitz einer sehr geringen Menge Cannabis in Form eines Joints, so liegt die Annahme nahe, er habe den Schuldgehalt nicht hinreichend abgewogen.
2. Die Gesamtstrafenbildung gemäß § 54 StGB ist ein eigenständig zu begründender Zumessungsschritt. Im Wesentlichen formelhafte Erwägungen wie der Hinweis auf eine „nochmalige Abwägung der vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte“ genügen dem nicht.
Unter dem Gesichtspunkt des § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB ist für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dann kein Raum, wenn der Zweck dieser Maßregel auch durch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB erreicht werden kann (vgl. BGH NStZ 2000, 587, 589). Verbleiben allerdings Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen Maßregel, so führt das zur kumulativen Anwendung von Maßregeln (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1999 – 4 StR 464/99).
1. Für den Diebstahl mit Waffen ist eine Strafschärfung nicht mit dem Verweis darauf zulässig, der Angeklagte habe sich mit dem jugendlichen Zeugen ein schwächeres Opfer ausgesucht, wenn die Körperkraft des bei dem Diebstahl abwesenden Tatopfers kaum eine Rolle spielen konnte.
2. Der Gesichtspunkt, dass es sich bei einem Waffen- und Eigentumsdelikt nicht um eine Spontantat gehandelt hat, wirkt als Fehlen des Strafmilderungsgrundes schwächer ausgeprägter krimineller Energie nicht unbedingt strafschärfend (vgl. BGH StV 1995, 584).
1. Der Hang im Sinne von § 64 StGB verlangt eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit oder zumindest eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel zu sich zu nehmen.
2. Ausreichend für die Annahme eines Hangs zum übermäßigen Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls, dass der Betroffene aufgrund seiner Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Das kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Betroffene Rauschmittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt werden, sondern insbesondere auch bei Beschaffungskriminalität.
3. Schwerste Persönlichkeitsstörungen wie eine „Depravation“ müssen für die Bejahung eines Hanges zum übermäßigen Konsum von Betäubungsmitteln hingegen nicht vorliegen. Insofern ist zwischen den Voraussetzungen des Hanges im Sinne des § 64 StGB und den Voraussetzungen einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit wegen Betäubungsmittelabhängigkeit im Sinne des § 21 StGB zu differenzieren.