Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2007
8. Jahrgang
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Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
mit der HRRS-Ausgabe November wird insbesondere das Problem der Schlechtverteidigung aufgegriffen. Anlass dafür bieten zwei Entscheidungen des 1. Strafsenats, die in einem Besprechungsaufsatz behandelt werden. Im Dokumentationsteil der HRRS ist ein einführender Beitrag von Fromm aufgenommen, der - aus der Sicht eines Beteiligten - eine für das Schweigerecht des Verteidigers bedeutsame Verfassungsbeschwerde vorstellt.
Hervorhebenswerte Entscheidungen dieser Ausgabe sind vor allem die beiden Entscheidungen zur Belehrung über das Recht auf konsularrechtlichen Beistand. Zum einen hat der 1. Strafsenat die Widerspruchslösung auf dieses Recht angewendet und dabei verschärft. Schließlich hat der 5. Strafsenat zwar ein Verwertungsverbot im Fall einer Verletzung der Belehrungspflicht verworfen, wohl aber eine partielle Vollstreckungslösung geschaffen.
Insgesamt werden mit der Ausgabe 122 Entscheidungen publiziert. Zwei Rezensionen treten hinzu.
Mit freundlichen Grüßen für die Redaktion
Dr. Karsten Gaede
1. Es liegt kein Verstoß gegen Verfassungsrecht darin, im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens so genannte Sachverständige bei der Auswertung von ärztlichen Abrechnungsunterlagen einzusetzen.
2. Aus ihrer vom Legalitätsprinzip geprägten besonderen Stellung folgt, dass an die Anklagebehörde und die Personen, deren Hilfe sie sich bedienen, hohe Anforderungen hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit zu stellen sind. Allein die Höhe und die Modalitäten einer Vergütung von Hilfspersonen müssen nicht zwingend dazu führen, dass die gefertigten Gutachten parteiisch wären, und damit in verfassungsrechtlich relevanter Weise Zweifel an der Objektivität der Strafverfolgung entstehen könnten.
3. Eine spezielle, über die allgemeine Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft aus § 161 Abs. 1 StPO hinausgehende gesetzliche Grundlage, die gemäß §§ 161a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 72 ff. StPO auch die Bestellung Sachverständiger umfasst, ist für die Hinzuziehung sachkundiger Personen im Ermittlungsverfahren zur Auswertung von ärztlichen Abrechnungsunterlagen nicht erforderlich.
4. Es entspricht der in der Strafprozessordnung vorgesehenen Aufgabenteilung, dass der Richter bei seiner Entscheidung über die Anordnung einer Durchsuchung im Ermittlungsverfahren auf die bisherigen Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft zurückgreifen kann. Allein die Tatsache, dass die Vorgaben des Antrags der Staatsanwaltschaft zu großen Teilen übernommen wurden, schließt eine solche Prüfung nicht aus.
5. Das Gesetz stellt kein grundsätzliches Beschlagnahmeverbot für fehlerhafte Durchsuchungen auf, die zur Sicherstellung von Beweisgegenständen führen. Wird mit einer Verfassungsbeschwerde ein Verwertungsverbot geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer daher substantiiert darlegen, ob ein ebenso geltend gemachter formaler Fehler bei der Durchsuchung die Beweiserlangung bei hypothetisch rechtmäßiger Vorgehensweise gehindert hätte und ob dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre.
1. Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Angeklagten unter anderem, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Bei der Bestimmung der Beteiligungsrechte des Angeklagten sind auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und diese konkretisierende Leitlinien der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 307, 323.).
2. Für das Konfrontationsrecht gem. Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d EMRK bedeutet dies, dass dem Angeklagten die effektive Möglichkeit verschafft werden muss, einen Zeugen zu befragen und dessen Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit in Frage zu stellen. Dabei liegt ein Konventionsverstoß aber nur vor, wenn diese Möglichkeit bei einer Betrachtung des Verfahrens in seiner Gesamtheit nicht gegeben war.
3. Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d EMRK gewährleistet nicht die höchstpersönliche Ausübung des Konfrontationsrechts durch den Angeklagten. Eine Einschränkung des Fragerechts des Angeklagten kann dadurch ausgeglichen werden, dass sein Verteidiger bei der Zeugenvernehmung anwesend ist und den Zeugen befragen kann. Gegebenenfalls muss es dem Angeklagten ermöglicht werden, nach Unterrichtung über die Vernehmung erneut Fragen an den Zeugen stellen zu lassen.
4. Im Hinblick auf die Pflicht des Tatsachengerichtes zur umfassenden Wahrheitserforschung als Teil des Rechts auf ein faires Verfahren hat das Tatgericht bei seiner Entscheidung über den Umfang der Beweisaufnahme auch Opferschutzinteressen in seine Erwägungen einzubeziehen. Überwiegen diese Interessen kann das Tatgericht von einer erneuten Konfrontation absehen.
1. Der den Antrag auf Abtrennung eines gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens ablehnende Beschluss ist mit der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht anfechtbar. In einem solchen Fall gelten die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zur Anfechtung von Zwischenentscheidungen.
2. Die isolierte Anfechtbarkeit einer Zwischenentscheidung kommt nur in Betracht, wenn diese einen bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen hat, der sich später gar nicht oder nicht vollständig beheben lässt (vgl. BVerfGE 101, 106, 120 m.w. Nachw.). Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der Betroffene etwaige durch die Zwischenentscheidung bewirkte Grundrechtsverletzungen nicht mit der Anfechtung der Endentscheidung im fachgerichtlichen Verfahren rügen kann (vgl. BVerfGE 21, 139, 143 f.) oder ihm die Verweisung auf den fachgerichtlichen Rechtsschutz nicht zuzumuten ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG vom 25. 9. 2001 - 2 BvR 1152/01 -, NStZ 2002, S. 99).
Eine unmittelbar gegen eine Entscheidung des Großen Senats eines Bundesgerichts gerichtete Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil dem Beschwerdeführer trotz der Bindungswirkung des Beschlusses für den erkennenden Senat (vgl. hier § 138 Abs. 1 Satz 3 GVG), durch diese Entscheidung kein gegenwärtiger Nachteil entsteht (vgl. BVerfGE 31, 55, 56).
1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Revisionsgericht für eine zulässige Revision gegen ein jugendgerichtlich Urteile, die lediglich Sanktionen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG anordnen, verlangt, dass der Revisionsführer sein Anfechtungsziel so eindeutig mitteilt, dass ein unzulässiges Rechtsschutzziel auszuschließen ist.
2. Zu einer willkürfreien Annahme eines unzulässigen Angriffes auf die ausgesprochene Sanktion in einem Verfahren, in dem der Verteidiger keinen Freispruch beantragt hatte und sich die Revisionsbegründung auf nähere Ausführungen zu Angriffen gegen die Strafzumessung beschränkte.