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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2006
7. Jahrgang
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Von Prof. Dr. Ulfrid Neumann, Frankfurt am Main und Prof. Dr. Frank Saliger, Bucerius Law School Hamburg
I. Einleitung
In Hinblick auf die aktuelle rechtspolitische Auseinandersetzung zur Sterbehilfe, die auch Gegenstand der Beratungen des 66. DJT im September dieses Jahres in Stuttgart sein wird,[1] ist es verdienstvoll, dass eine interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppe (neben der Strafrechtswissenschaft sind auch Medizin und Theologie vertreten), darunter zahlreiche Mitglieder des Arbeitskreises deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer (Alternativ-Professoren), zu diesem Problembereich einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat, der die umstrittenen Fragen zur Klarheit führen und damit in einem in der Praxis immer bedeutsamer werdenden Bereich Rechtssicherheit gewährleisten soll.[2] Die Erarbeitung eines solchen Entwurfs, an dem sich die Diskussion orientieren und strukturieren kann, ist zu begrüßen - unabhängig davon, inwieweit die vorgeschlagenen Regelungen im einzelnen Zustimmung verdienen.
Vorab ist allerdings festzustellen, dass die gewählte Bezeichnung "Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung" (im folgenden AE-StB) die Sache jedenfalls hinsichtlich des letzteren Begriffs nicht trifft. Denn unter dem vor allem von ärztlicher Seite propagierten Begriff der "Sterbebegleitung"[3] verstand man im juristischen Schrifttum bislang ganz überwiegend die nicht lebensverkürzende menschliche Fürsorge und Zuwendung, die einem Sterbenden gewährt wird und deren (straf)rechtliche Unbedenklichkeit außer Zweifel steht.[4] In dem Entwurf geht es demgegenüber um die strafrechtliche Bewertung lebensverkürzender Handlungen und Unterlassungen, die als Maßnahmen der Sterbehilfe i. e. S. ("Hilfe beim Sterben") und i. w. S. ("Hilfe zum Sterben") bezeichnet werden[5] und die nach dem Entwurf in bestimmten Fällen die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen auch gegen den Willen des Patienten einschließen.[6] Die Bezeichnung "Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung" ist deshalb einerseits irreführend, andererseits als neuer Begriffsvorschlag unzweckmäßig, weil er den wesentlich auch lebensverkürzenden Charakter etwa einer Behandlungsbegrenzung oder Behandlungsbeendigung am Lebensende verdun-
kelt.[7] Der Begriff der Sterbehilfe sollte deshalb - zumindest als Oberbegriff - ohne Not nicht aufgegeben werden.[8]
Ob sich der Entwurf mit der Kennzeichnung als "Alternativ-Entwurf" zu Recht - jenseits einer Rechtfertigung durch bestimmte personelle Kontinuitäten - in die große Tradition liberaler Strafgesetzentwürfe einreiht, für die Namen wie Jürgen Baumann, Arthur Kaufmann und Ulrich Klug stehen, ist zumindest fraglich. Denn der Entwurf enthält zwar einige begrüßenswerte Klarstellungen zur Verbindlichkeit autonomer Entscheidungen des Patienten (insbesondere der sog. Patientenverfügung); stellt sich aber in umstrittenen Fragen (Zulässigkeit aktiver Sterbehilfe in Extremsituationen) auf die Seite der Befürworter einer strikten Strafbarkeit und geht in wichtigen Punkten mit seinen Kriminalisierungsvorschlägen über den de lege lata strafbaren Bereich deutlich hinaus (Bestrafung der Nichthinderung eines freiverantwortlich unternommenen Suizids jenseits der Fälle des Bilanzselbstmords[§ 215 Abs. 1 AE-StB]; Einführung eines Tatbestands der "Unterstützung einer Selbsttötung aus Gewinnsucht"[§ 215 a AE-StB]). Insgesamt fällt der Entwurf, gemessen an den Zielen der Liberalisierung und Humanisierung des Strafrechts, deutlich hinter den AE-Sterbehilfe von 1986 zurück.[9] Es wäre freilich ungerecht, dies maßgeblich den Autoren anzulasten. Sieht man den Entwurf im aktuellen Kontext exzessiver Strafbarkeitswünsche, wie sie in anderen Gesetzesentwürfen[10], aber auch in literarischen Äußerungen[11] oder politischen Statements[12] zum Ausdruck kommen, so wird deutlich, dass sich seit der Zeit des AE-Sterbehilfe von 1986 die rechtspolitischen Koordinaten verschoben haben. Konnten strafrechtliche Alternativentwürfe seinerzeit noch auf eine Liberalisierung des geltenden Rechts setzen, so müssen sie ihre Aufgabe heute in erster Linie darin sehen, den bedenklichsten Auswüchsen einer seit vielen Jahren expandierenden Strafgesetzgebung entgegen zu steuern. Unter diesem Gesichtspunkt verdient der AE-StB bei aller Kritik, die im einzelnen vorzubringen sein wird, Anerkennung und Respekt.
II. Die Regelungsvorschläge im einzelnen
1. Beenden, Begrenzen oder Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen (§ 214 AE-StB )
Insgesamt wichtige Fortschritte bringt der AE-StB für den in den Praxis hochbedeutsamen Bereich der passiven Sterbehilfe.
a) Aufgabe der Begriffstrias von passiver, indirekter und aktiver Sterbehilfe
Der AE-StB wendet sich zunächst gegen den Begriff der passiven Sterbehilfe, der häufig auf ein bloßes Unterlassen verkürzt werde[13] und zudem in Verbindung mit einer insbesondere bei Ärzten verbreiteten Assoziation von Aktivität mit Strafbarkeit zu einer restriktiven Handhabung von Behandlungseinstellungen führe. Der AE-StB verzichtet daher auf die bisherige Begriffstrias und spricht anstatt von passiver Sterbehilfe von "Beenden, Begrenzen oder Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen" und anstatt von indirekter Sterbehilfe von "leidensmindernden Maßnahmen"; allein der Begriff der aktiven Sterbehilfe wird beibehalten.[14]
Diese begriffliche Weichenstellung ist sowohl bemerkens- wie begrüßenswert. Bemerkenswert ist der Begriffswechsel, weil er in Verbund mit der Themenstellung des diesjährigen Juristentages "die Rückkehr der Sterbehilfe in das Strafrecht"[15] durch Aufgabe gerade jener handlungskategorialen Begriffstrias einleiten soll, die typisch strafrechtlich ist und insoweit die jahrzehntelange Dominanz des Strafrechts im Sterbehilferecht bis Ende der 90er Jahre symbolisierte. Begrüßenswert ist die neue Begriffsperspektive, weil die scheinbar scharfen Unterscheidungen der Begriffstrias - ausnahmslose Strafbarkeit der aktiven Sterbehilfe, spezifische Straflosigkeit der indirekten und passiven Sterbehilfe - in der Tat im Lichte der Sterbeautonomie weder dogmatisch und wertungsmäßig überzeugen, noch dem ärztlichen Alltag gerecht werden.[16] Freilich passt der Begriffswechsel besser zu einem intradisziplinären, die Perspektiven von Zivilrecht, öffentlichem Recht und Strafrecht gleichermaßen integrierenden Sterbehilferecht[17] als zu dem Vorhaben, die Hegemonie des Strafrechts über die Sterbehilfe wiederherstellen zu wollen. Immerhin ist es der 12. Zivilsenat des BGH in seiner Grundsatzentscheidung aus
2003 gewesen, der bereits die vom AE-StB hier hervorgehobene Einsicht formuliert hat, dass das Legen einer Magensonde zur künstlichen Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff ist.[18]
b) Einseitiger Behandlungsabbruch bei nahe bevorstehendem Tod?
Zustimmung verdient der AE-StB ferner, soweit er in § 214 AE-StB die Sterbehilfe nicht auf Patienten in unmittelbarer Todesnähe beschränkt.[19] Im Hinblick auf den Schutz von Sterbeautonomie und Menschenwürde ist es nicht zu rechtfertigen, Sterbehilfe auf Hilfe für Sterbende ("Hilfe beim Sterben") zu begrenzen. Wie gerade die stark umstrittenen Fälle der Sterbehilfe für Wachkoma-Patienten (Apalliker) belegen, besteht ein Bedürfnis auch für eine "Hilfe zum Sterben", also für eine Sterbehilfe gegenüber Patienten, bei denen der Sterbevorgang noch nicht eingesetzt hat und die trotz einer irreversiblen schweren Grunderkrankung unter Einsatz von Medizintechnik noch Jahre am Leben erhalten werden können. Allerdings verbinden die Autoren des AE-StB das zutreffende Eintreten für ein weites Sterbehilfeverständnis mit zwei problematischen Folgerungen. Zum einen meinen sie, "Sterbebegleitung" gänzlich von irreversiblen Krankheitsverläufen abkoppeln zu sollen, so dass auch Fälle der Behandlungsverweigerung etwa aus religiösen Gründen (Zeugen Jehovas) unter Sterbebegleitung fallen.[20] Aber das ist kontraintuitiv. Bislang assoziiert der fach- und umgangssprachliche Sprachgebrauch mit der Rede von Euthanasie und Sterbehilfe allein Krankheitssituationen, die eine schwere unheilbare Krankheit als Grundvoraussetzung haben. Denn nur diese Krankheitssituationen zeichnet jene Schicksalhaftigkeit aus, die Gefährdungen von Sterbeautonomie und Menschenwürde typischerweise besorgen läßt. Insoweit verlöre der Begriff der Sterbehilfe seine spezifische Struktur, wollte man wie der AE-StB jede Behandlungsverweigerung, die tödliche Folgen nach sich ziehen kann (Amputationen, Bluttransfusionen etc.), unter "Sterbebegleitung" subsumieren.[21]
Zum anderen, und noch problematischer, wertet der AE-StB die als Begrenzungen abgelehnten Aspekte der unmittelbaren Todesnähe und infausten Prognose zu eigenständigen, vom (mutmaßlichen) Willen des Patienten unabhängigen Beurteilungskriterien für die Therapiebegrenzung bei nahe bevorstehendem Tod auf.[22] Danach soll ein Behandlungsabbruch auch dann nicht rechtswidrig sein, wenn bei nahe bevorstehendem Tod im Hinblick auf den Leidenszustand des Betroffenen und die Aussichtslosigkeit einer Heilbehandlung eine Weiterbehandlung nach ärztlicher Erkenntnis nicht mehr angezeigt ist (§ 214 Abs. 1 Nr. 4 AE-StB). Begründet wird der Regelungsvorschlag damit, dass "die Klarstellung der Straflosigkeit des Helfens beim Sterben" geboten ist, "um Ärzten die Zurückweisung von nicht mehr indizierten Behandlungswünschen des Patienten oder seiner Angehörigen zu ermöglichen."[23] Grundlage ist die verbreitete Auffassung, dass die ärztliche Behandlungspflicht nur im Rahmen des medizinisch Indizierten bestehe und die Sterbeautonomie des Betroffenen als reines Abwehrrecht kein Recht auf eine bestimmte Behandlung einschließlich des Einsatzes aller medizintechnisch möglichen Maßnahmen beinhalte.[24]
Dieser Regelungsvorschlag stimmt wörtlich überein mit § 214 Abs. 1 Nr. 4 AE-Sterbehilfe 1986, überzeugt allerdings heute so wenig wie damals. Zweifelhaft sind insbesondere Begründung und Notwendigkeit. Die medizinische Indikation allein trägt in dieser Reichweite keinen Behandlungsabbruch. Natürlich findet die Behandlungspflicht des Arztes ihre Grenze in dem medizintechnisch Möglichen. Aber der ärztlichen Vernunfthoheit wird im Begriff der medizinischen Indikation zuviel aufgebürdet, wenn sie einen Behandlungsabbruch ohne oder sogar gegen den Willen des Patienten und damit eine "Zwangssterbehilfe" begründen soll. Normativ sind die Ärzte nicht die "Herren über Leben und Tod". Zudem bewegt sich der Begriff der medizinischen Indikation im Schnittfeld zwischen Naturwissenschaft und Medizinethik und ist daher allein zu unscharf, eine einheitliche Praxis der einseitigen Behandlungsbegrenzung sicherzustellen. Auch die Autoren des AE-StB erkennen die "Gefahren", die mit einer "ausschließlichen ärztlichen Entscheidungskompetenz am Lebensende" verbunden sein können, glauben sie aber unter Hinweis auf die "sehr engen Voraussetzungen der Irreversibilität und der unmittelbaren Todesnähe" vernachlässigen zu können.[25] Jedoch ist selbst die Formulierung "nahe bevorstehender Tod" interpretationsbedürftig, weil Sterbeprozesse vom tödlichen Grundleiden abhängig sind und daher je nach Krankheit unterschiedlich lange dauern können.[26]
Davon abgesehen erscheint § 214 Abs. 1 Nr. 4 AE-StB auch nicht erforderlich. In der großen Mehrzahl der Fälle dürfte sich ein Behandlungsabbruch bei nahe bevorstehendem Tod ohne weiteres auf den mutmaßlichen Willen des Patienten stützen lassen, sofern hier nicht ohnehin bereits § 214 Abs. 1 Nr. 3 AE-StB greift.[27] Was die übermäßigen Behandlungswünsche anbelangt, so ist zwischen den Wünschen des Patienten einerseits, seinen nahen Angehörigen andererseits zu differenzieren: Nicht mehr indizierte Behandlungswünsche der Angehörigen des Patienten sind schlicht irrelevant, weil es ausschließlich um den Willen des Patienten geht. Das (eher seltene) Problem von übermäßigen Behandlungswünschen des Patienten selbst sollte dagegen in Entsprechung zu dem (seltenen) Fall, dass der Patient pflegerische Maßnahmen (z.B. Waschen) verweigert[28], durch Aufklärung, Zu-
spruch und Zuwendung bewältigt werden. Im Sinne dieser weisen Selbstbeschränkung hat der AE-StB auch - anders noch als § 214 Abs. 1 Nr. 2 AE-Sterbehilfe 1986 - im Ergebnis mit Recht auf eine Regelung zur Zulässigkeit des einseitigen Behandlungsabbruchs bei Wachkomapatienten verzichtet.[29]
c) Anerkennung von Patientenverfügungen im StGB
Im Kern zu begrüßen sind die Vorschläge der Autoren des AE-StB zur Problematik der Patientenverfügungen. Das gilt zunächst für die Anerkennung von Patientenverfügungen als eigenständige Legitimationsgrundlage für passive Sterbehilfe.[30] So soll eine Behandlungsbegrenzung u.a. dann nicht rechtswidrig sein, wenn der Betroffene dies in einer wirksamen schriftlichen Patientenverfügung für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit angeordnet hat (§ 214 Abs. 1 Nr. 2 AE-StB). Nachdem der AE-Sterbehilfe 1986 noch auf Vorschriften über die Patientenverfügung gänzlich verzichtet[31], der 1. Strafsenat des BGH 1994 im Kemptener Fall Patientenverfügungen lediglich Indizwert zugesprochen[32] und erst der 12. Zivilsenat des BGH 2003 als erstes deutsches Gericht die grundsätzliche Rechtsverbindlichkeit von Patientenverfügungen anerkannt hatte[33], verschließt sich damit auch der AE-StB nicht der heute im Zivil- und Medizinrecht sowie in der aktuellen rechtspolitischen Diskussion dominierenden Auffassung von der prinzipiellen Rechtsverbindlichkeit von Patientenverfügungen.[34]
Zuzustimmen ist den Autoren des AE-StB dabei darin, dass sie die Patientenverfügung - anders als teilweise vertreten[35] - nicht auf bestimmte Erkrankungen beschränken, insbesondere Patientenverfügungen auch für die Fälle der Demenz und des Wachkomas zulassen.[36] In der Tat besteht gerade in diesen Konstellationen die erhöhte Gefahr von selbstbestimmungswidrigen Würdeverletzungen, die es abzuwehren gilt. Beifall verdient auch, dass der AE-StB sich gegen überzogene Verbindlichkeitsvoraussetzungen für Patientenverfügungen wendet. Akzeptiert man die Maxime, dass an Patientenverfügungen grundsätzlich keine strengeren Wirksamkeitsvoraussetzungen zu stellen sind als an Testamente[37], so bedarf es für wirksame Patientenverfügungen keiner vorherigen dokumentierten ärztlichen Aufklärung[38], keiner notariellen Beglaubigung oder einer Erneuerung in regelmäßigen Zeitabständen.
Damit ist namentlich das Problem der Schriftlichkeit von Patientenverfügungen als Wirksamkeitsvoraussetzung angesprochen, für die der AE-StB votiert. Er begründet das Schriftlichkeitserfordernis mit der Gewährleistung eines unerlässlichen Mindestmaßes an Ernsthaftigkeits- und Missbrauchskontrolle, der Entsprechung zum allgemeinen Begriffsverständnis ("Patiententestament") sowie der Notwendigkeit sauberer Abgrenzungen zu früheren und aktuellen mündlichen Willensäußerungen.[39] Tatsächlich ist aus diesen Gründen die schriftliche Abfassung von Patientenverfügungen zu empfehlen. Die Gründe tragen aber nicht zwingend das Schriftlichkeitsgebot auch als Wirksamkeitsvoraussetzung. Denn durch ein Schriftlichkeitserfordernis werden frühere mündliche Willensäußerungen des Patienten tendenziell entwertet, weshalb zur Vermeidung von Nachteilen für die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts Patientenverfügungen formlos sein sollten.[40]
Davon abgesehen verweist das Plädoyer der Autoren des AE-StB für das Schriftlichkeitserfordernis bei Patientenverfügungen auf ein grundsätzliches methodisches Problem in der Verhältnisbestimmung zwischen Zivilrecht und Strafrecht. Der AE-StB befürwortet entschieden eine gesetzliche Anerkennung der Patientenverfügung auch im Strafrecht, weil die Zulässigkeit von Behandlungsbegrenzungen für ihn "im Kern nicht primär ein zivilrechtliches Problem, sondern vor allem eine Fragestellung des Strafrechts" ist (weshalb eine isolierte Regelung der Problematik im Zivilrecht nicht tunlich sein soll).[41] Auf dieser Aussage gründet der AE-StB eine grundsätzlich strafrechtsautonome Sicht auf im Kern zivilrechtliche Fragen. Bei der Patientenverfügung führt ihn das nicht nur - nicht zwingend - zum Schriftlichkeitserfordernis. Er begreift die wirksame Patientenverfügung darüber hinaus als eigenständige Legitimationsgrundlage, die "zwischen dem ausdrücklichen und dem mutmaßlich gewünschten Behandlungsverzicht steht."[42] Aber eine solche strafrechtsautonome "Zwischensicht" ist nicht unproblematisch. Denn sie suggeriert eine Nachrangigkeit der Patientenverfügung gegenüber der ausdrücklichen aktuellen Willensäußerung und wird damit der Bedeutung wirksamer Patientenverfügungen nicht vollständig gerecht. Zivilistisch betrachtet bezeichnen ausdrückliche aktuelle Erklärung und wirksame Patientenverfügung vielmehr eigenständige und gleichrangige
Erklärungen, nur eben für verschiedene Sachverhalte, nämlich die Patientenverfügung nur für den Fall der aktuellen Einwilligungsunfähigkeit des Patienten. Insoweit ist die wirksame Patientenverfügung die verbindliche ausdrückliche Erklärung des Patienten für den Zustand seiner Einwilligungsunfähigkeit.
d) "Ergänzungen" oder "Beschneidungen" des Betreuungsrechts?
Eine tendenziell strafrechtsautonome Perspektive kennzeichnet auch die Positionen des AE-StB, die er als "Ergänzungen des Betreuungsrechts" präsentiert. Dabei verdient zunächst Anerkennung, dass der AE-StB dem Betreuungsrecht überhaupt Raum gibt. Noch 1986 hatte der AE-Sterbehilfe auf prozedurale Regelungen verzichtet, um die persönliche Verantwortung zu stärken.[43] 20 Jahre später ist dem AE-StB die prozedurale Rationalität einer vormundschaftsgerichtlichen Mitwirkung dagegen unverzichtbar.[44] Allerdings geht es dem AE-StB in seiner strafrechtsautonomen Perspektive nur um eine "gebremste" Prozeduralisierung: Von Anfang an sucht er einen Kompromiß zwischen betreuungsrechtlicher Kontrolle und Absicherung einerseits und Praktikabilität sowie Erhalt der persönlichen Entscheidungsfreiheit von Ärzten und Stellvertretern des Patienten andererseits.[45]
Konkret gestaltet sich der Kompromiß so, dass das Vormundschaftsgericht nur zuständig sein soll, wenn Arzt und Betreuer hinsichtlich der Beurteilung des Willens eines noch nicht Sterbenden uneins sind oder Zweifel haben. Die vormundschaftsgerichtliche Kontrolle soll also von vorneherein nicht greifen bei Maßnahmen in der Sterbephase. Um Missbrauch einzugrenzen, ist der Konsens zwischen Arzt und Betreuer zu dokumentieren, wobei die Verletzung dieser Pflicht bußgeldbewehrt ist (§ 2 Abs. 1, 3, § 3 AE-Sterbebegleitungsgesetz). Von der Genehmigungspflicht ausgenommen sollen auch Behandlungsentscheidungen des Bevollmächtigten sein.[46]
Diese Vorschläge zeigen mehr Misstrauen gegenüber Praktikabilität und Leistungsfähigkeit des Betreuungsrechts als nötig. Die pragmatisch motivierte Beschränkung der vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle auf Konfliktfälle leidet daran, dass sie sich nicht in das System des geltenden Betreuungsrechts einfügt.[47] Die dortigen Genehmigungsvorbehalte (§§ 1904, 1905 Abs. 2, 1907 Abs. 1 BGB) kennen zum einen keinen Konfliktvorbehalt. Zum anderen entstünde durch die Konfliktthese bei der Sterbehilfe die nicht zu rechtfertigende Asymmetrie, dass weniger schwere Eingriffe wie die Kündigung der Mietwohnung des Betreuten (§ 1907 Abs. 1 BGB) einer strengeren vormundschaftsgerichtlichen Kontrolle unterworfen wären als der erheblich schwerere Eingriff der passiven Sterbehilfe.[48] Auch bestehen überzogene Vorstellungen von Anwendungsbereich und Aufwand des Betreuungsrechts. Das Gesetz selbst bestimmt für lebensgefährliche Maßnahmen, dass eine Genehmigung unterbleiben kann, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist (§ 1904 Abs. 1 Satz 2 BGB). Allgemein ist der Grundsatz der Erforderlichkeit der Betreuung (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) zu beachten. Insoweit kann man mit Fug nicht nur bezweifeln, ob bei Vorliegen einer wirksamen Patientenverfügung eine Betreuerbestellung überhaupt veranlasst ist. Auch die vom AE-StB hier betonte fehlende Notwendigkeit der Einleitung eines Betreuungsverfahrens für den Fall, dass der Arzt sich durch ein Gespräch mit dem noch einwilligungsfähigen Patienten ein klares Bild von dessen (Nicht-)Behandlungswünschen gemacht hat[49], ergibt sich bereits aus dem betreuungsrechtlichen Erforderlichkeitsgrundsatz. Im übrigen begünstigt das Konfliktmodell "Mauscheleien" zwischen Arzt, Angehörigen und Betreuer bzw. einen "Zwang zum Konsens", der nicht dem Rechtsgüterschutz dienen muß.
Insgesamt sollte man bei dem Bestreben, die primäre Regelungszuständigkeit des Strafrechts für die Sterbehilfe wiederherzustellen, die Leistungen der Zivilrechtsprechung in den letzten Jahren nicht geringschätzen. Gewiß gab es einzelne problematische Zivilurteile.[50] Aber es ist die Zivilrechtsprechung im Anschluß an den spekakulären Beschluß des OLG Frankfurt am Main aus dem Jahre 1998[51] gewesen, die in einer bis dato nicht feststellbaren Quantität und Qualität die Sterbehilfeproblematik rechtspraktisch überhaupt zur Diskussion gestellt hat. Und die Grundsatzentscheidung des 12. Zivilsenats des BGH von 2003 hat trotz ihrer Probleme wichtige Fortschritte hinsichtlich Patientenautonomie, Patientenverfügung und vormundschaftsgerichtliche Kontrolle erreicht.[52] Vergleicht man diese Leistungen mit den Leistungen des Strafrechts in den Jahrzehnten seiner Hegemonie, so kann sich diese Bilanz der Enttabuisierung der Sterbehilfe sehen lassen.
2. Leidensmindernde Maßnahmen (§ 214 a AE-StB)
Einen interessanten neuen Weg beschreitet der AE-StB im Bereich der indirekten Sterbehilfe. Zunächst geht der AE-StB mit Recht von einem weiten Anwendungsbereich dieser Form der Sterbehilfe aus: Indirekte Sterbehilfe ist weder auf die Sterbephase, noch auf Schmerzzustände, noch auf ein Handeln mit bedingtem Tötungsvorsatz beschränkt. Indirekte Sterbehilfe kommt demnach in Betracht auch bei tödlich Kranken, bei Leidenszuständen und bei Handeln mit sicherem Wissen von der lebensverkürzenden Wirkung der leidensmindernden Maßnahme.
Dieser weite Anwendungsbereich soll der Furcht vor Strafverfolgung beim Einsatz einer effektiven Schmerztherapie entgegenwirken.[53] Sodann entscheiden sich die Autoren des AE-StB für ein objektives Abgrenzungskriterium zwischen strafbarer aktiver und erlaubter indirekter Sterbehilfe: Da subjektive Abgrenzungskriterien forensisch nicht sicher nachweisbar sind, soll mit der "Leidensminderung nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft" ein objektives Abgrenzungskriterium herangezogen werden. Um die Gefahr von Missbrauch zu minimieren, ist die Durchführung von indirekter Sterbehilfe dabei auf Ärzte oder Personen mit ärztlicher Ermächtigung zu begrenzen. Dazu kommen umfangreiche spezialgesetzliche Dokumentationspflichten bezüglich des Therapieverlaufs, deren Verletzung bußgeldbewert ist (§§ 1, 3 AE-Sterbebegleitungsgesetz).[54] Insgesamt handelt danach nicht rechtswidrig, wer als Arzt oder mit ärztlicher Ermächtigung bei einem tödlich Kranken mit dessen ausdrücklicher Einwilligung oder aufgrund des in einer wirksamen schriftlichen Patientenverfügung geäußerten Willens oder gemäß mutmaßlicher Einwilligung nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft Maßnahmen zur Linderung schwerer, anders nicht zu behebender Leidenszustände trifft, wenn dadurch als nicht vermeidbare und nicht beabsichtigte Nebenwirkung der Eintritt des Todes beschleunigt wird (§ 214 a AE-StB).
Gegen diese anspruchsvolle Regelung, die in neuartiger Weise materielle mit prozeduralen Elementen verbindet, ist isoliert betrachtet - abgesehen von der zu scharf sanktionierten Prozeduralisierung - nichts einzuwenden.[55] Allerdings muß man sehen, dass § 214 a AE-StB sich nicht unwesentlich vor dem Hintergrund der Annahme einer gänzlichen Überflüssigkeit von aktiver Sterbehilfe und dem Plädoyer für ihre ausnahmslose Strafbarkeit versteht.[56] Der Regelungsvorschlag zur indirekten Sterbehilfe steht und fällt daher tendenziell mit diesen Positionen und bleibt insofern entwurfsrelativ.
3. Aktive Euthanasie
Im Unterschied zum AE-Sterbehilfe von 1986 verzichtet der AE-StB darauf, im Tatbestand der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) Ausnahmen von dem strikten Bestrafungszwang für die Fälle vorzusehen, in denen die Erfüllung dieses Verlangens "der Beendigung eines schwersten, vom Betroffenen nicht mehr zu ertragenden Leidenszustands dient, der nicht durch andere Maßnahmen behoben oder gelindert werden kann"[57] und hält an der ausnahmslosen Strafbarkeit von Maßnahmen der aktiven (direkten) Euthanasie fest. Begründet wird das mit der "Unantastbarkeit fremden Lebens", der "Gefahr des Dammbruchs beim Lebensschutz" und der "Sorge vor Missbrauch".[58] Aber das sind Formulierungen, die sich in diesem Kontext nicht leicht in tragfähige Argumente übersetzen lassen. Von einem Grundsatz der Unantastbarkeit fremden Lebens kann weder de lege lata noch auch nach den Regelungsvorschlägen des Entwurfs die Rede sein; denn selbstverständlich wird das Leben des Patienten auch dann "angetastet" (so man den Begriff überhaupt auf Handlungen anwenden will, die mit Einwilligung des Betroffenen begangen werden), wenn sein Tod durch die Verabreichung von Schmerzmedikamenten oder durch die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen herbeigeführt wird. Die Theorie des "Dammbruchs" kann nicht begründen, dass die Rechtsordnung Patienten zu einem qualvollen Sterben verurteilen darf, um eine - im übrigen außerordentlich umstrittene[59] - Schwächung des Tötungstabus zu verhindern.[60] Schließlich ist angesichts des exzeptionellen Charakters der Fälle, die bei der aktiven Sterbehilfe überhaupt in Betracht kommen, nicht zu sehen, wo die Gefahr eines "Missbrauchs" liegen soll. Im übrigen ist das Missbrauchsargument bei der Begründung von Kriminalisierungsentscheidungen von vornherein rechtsstaatlichen Bedenken ausgesetzt, weil es darauf hinausläuft, auch ein per se nicht strafwürdiges Verhalten mit Strafe zu bedrohen, um die Sanktionierung eines strafwürdigen Verhaltens zu ermöglichen. Im Bereich der Regelung zur indirekten Sterbehilfe machen die Autoren des Entwurfs von diesem Argument indes exzessiven Gebrauch.[61]
Der Verzicht auf eine ausdrückliche Regelung der direkten aktiven Sterbehilfe wäre vertretbar, wenn man bereit wäre, den Extremfällen qualvollen, palliativmedizinisch nicht beherrschbaren Leidens des Patienten über die Regelung des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) Rechnung zu tragen. Die Argumente, die von der abweichenden h. M. bisher gegen die Anwendbarkeit des § 34 vorgebracht wurden, sind, wie insbesondere Reinhard Merkel nachgewiesen hat,[62] wenig schlüssig und offensichtlich von dem Wunsch diktiert, Maßnahmen der direkten aktiven Sterbehilfe unter allen Umständen auszuschließen. Bei nüchterner Betrachtung ist dieses Ergebnis jedenfalls für die Fälle schwerster Leidenszustände eines Sterbenden nicht zu begründen. Dass das subjektive Interesse an Befreiung von Qualen jedenfalls in extremen Fällen das subjektive Lebensinteresse wesentlich überwiegen kann, lässt sich nicht ernstlich bezweifeln. Es genügt, sich in die Situation des an "Vernichtungsschmerzen" leidenden Krebspatienten im terminalen Stadium zu versetzen und sich zu vergegenwärtigen, worauf man in dieser Situation verzweifelt hoffen würde. Für das objektive Interesse gilt im Ergebnis nichts anderes. Dem Patienten in dieser Situation ein von dem sub-
jektiven Interesse abweichendes höhergewichtiges (oder im Vergleich zu dem Interesse an der Befreiung von Qualen nur unwesentlich geringer wiegendes) Lebensinteresse zuzuschreiben, wäre blanker Zynismus. Was sich dem - subjektiven und objektiven - Interesse des Sterbenden an einer raschen Beendigung seines Leidens durch Maßnahmen der aktiven Euthanasie entgegensetzen lässt, ist - allein - gesellschaftliches Interesse an der Aufrechterhaltung des Tötungstabus, das durch Maßnahmen aktiver Sterbehilfe in der Tat in höherem Maße beeinträchtigt wird als durch die im Grundsatz anerkannten Maßnahmen der indirekten oder der passiven Sterbehilfe.[63] Wie aber dieses gesellschaftliche Interesse von Rechts wegen einen Zwang begründen könnte, ein qualvolles Sterben zu erdulden, ist in einer Rechtsordnung, die grundsätzlich von dem Vorrang des Individuums vor dem Staat ausgeht, nicht zu sehen.[64] Gleichwohl lehnt die überwiegende Auffassung einen Rückgriff auf § 34 StGB zur Rechtfertigung von Maßnahmen aktiver Sterbehilfe selbst in Extremfällen ab. Eine gesetzliche Regelung, die für diese Fälle ausdrücklich einen Tatbestandsausschluss, eine Rechtfertigung[65] oder zumindest nach dem Vorbild des AE Sterbehilfe von 1986 die Möglichkeit der Straflosigkeit vorsieht, ist deshalb unverzichtbar, soll nicht der menschlich (im subjektiven und objektiven Interesse qualvoll leidender Menschen) handelnde Arzt weiterhin unter der Drohung hoher Freiheitsstrafen stehen.
4. Nichthinderung einer Selbsttötung (§ 215)
Bei der Regelung über die Strafbarkeit (bzw. Straflosigkeit) der Beteiligung an der Selbsttötung eines anderen folgt der Entwurf weitgehend dem Vorbild des AE-Sterbehilfe (1986); in den Absätzen 1 und 2 stimmen die Vorschläge beider Entwürfe nahezu wörtlich überein. Insbesondere übernimmt der AE-StB neben der Voraussetzung der Freiverantwortlichkeit des Suizids auch die zusätzliche seiner "Ernstlichkeit". Damit will man - wie schon im AE-Sterbehilfe (1986) - erreichen, dass die Nichtintervention nur in den Fällen eines ersichtlichen "Bilanzsuizids" straflos bleibt, während bei einem bloßen "Appellsuizid" eine strafrechtlich sanktionierte Rettungspflicht bestehen soll. Begründet wird das in dem aktuellen Entwurf - wie schon im AE-Sterbehilfe (1986)[66] - mit der eher moralisierenden Erwägung, es werde damit "folgenschwere Gleichgültigkeit im mitmenschlichen Zusammenleben verhindert".[67] Aber diese Argumentation trägt eine Bestrafung des nichtintervenierenden Garanten nach den Tötungstatbeständen wohl nicht. Das Strafrecht hat nicht Gleichgültigkeit zu ahnden (und schon gar nicht durch Androhung und Verhängung schwerster Freiheitsstrafen), sondern Rechts- und Rechtsgutsverletzungen. Diese aber sind im Falle einer bewussten und gewollten Selbstverletzung einem Dritten nur dann zurechenbar, wenn sie nicht uneingeschränkt dem (freiverantwortlich handelnden) Opfer zugerechnet werden können. Demgegenüber betrifft die Unterscheidung zwischen Bilanz- und Appellsuizid, auf den die Verfasser mit dem Kriterium der "Ernstlichkeit" abstellen wollen[68], nicht die Abgrenzung der Verantwortungssphären des Suizidenten und des Dritten, sondern allein die Motivation des Suizidenten. Entgegen der Ansicht der Autoren kann deshalb ein eigenverantwortlich unternommener Appellsuizid eine Strafbarkeit Dritter nach den Tötungstatbeständen nicht begründen.[69]
Im übrigen bleibt in der jetzt vorgeschlagenen Regelung - anders als im AE-Sterbehilfe (1986) - unklar, in welchem Verhältnis die Voraussetzungen der Freiverantwortlichkeit, der Ernstlichkeit und der "Erkennbarkeit" des (ernstlichen) Suizidentschlusses zueinander stehen. Nach § 216 Abs. 1 des AE-StB ist die Nichthinderung einer Selbsttötung nicht rechtswidrig, wenn diese "auf einer freiverantwortlichen und ernstlichen, ausdrücklich erklärten oder aus den Umständen erkennbaren Entscheidung beruht." Das ist so, wie es formuliert ist, offensichtlich nicht gemeint. Denn die Frage ist ja nicht, ob die Entscheidung des Suizidenten aus den Umständen erkennbar (und zusätzlich freiverantwortlich und ernsthaft) ist, sondern ob ihre Ernstlichkeit aus den Umständen erkennbar ist. Der AE-Sterbehilfe (1986) hatte deshalb darauf abgestellt, ob die Selbsttötung "auf einer frei verantwortlichen, ausdrücklich erklärten oder aus den Umständen erkennbaren ernstlichen Entscheidung beruht". Hier bezieht sich die Erkennbarkeit ausdrücklich auch auf die Ernstlichkeit der Entscheidung.[70] Man könnte die abweichende Formulierung des aktuellen Entwurfs als redaktionelles Versehen abtun, würde nicht die Begründung des Entwurfs der Annahme, in der Sache sei die "alte" Regelung des AE-Sterbehilfe gewollt, widerstreiten. Denn nach der authentischen Interpretation des § 215 AE-StB durch die Verfasser gelten nicht nur gemäß § 215 Abs. 1 "Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren als unfrei", sondern gemäß § 125 Abs. 1 auch "solche Personen, bei denen man nicht von einer ausdrücklich erklärten oder aus den Umständen erkennbaren ernstlichen Entscheidung ausgehen kann".[71] Damit wird die Frage des Vorliegens einer freiverantwortlichen und ernstlichen Entscheidung in methodisch problematischer Weise über eine Fiktion mit der ihrer situativen Erkennbarkeit kurz geschlossen. Den Vorzug verdient hier das Modell des AE-Sterbehilfe (1986), in dem beide Fragen klar getrennt werden.[72]
Zu begrüßen ist, dass § 215 des Entwurfs, insofern abweichend von der Vorgängervorschrift (§ 215 AE-Sterbehilfe 1986), die Straflosigkeit ausdrücklich auf das
Unterlassen von Rettungsversuchen nach dem Selbsttötungsversuch erstreckt; damit würde der älteren Rechtsprechung des BGH, die mehrfach die Straflosigkeit der Suizidbeihilfe und - nichthinderung durch eine Bestrafung des Garanten wegen Nichtintervention nach Eintritt der Bewusstlosigkeit des Suizidenten konterkariert hatte[73], der Boden entzogen. Zu pauschal ist dagegen die fast wörtlich aus dem AE von 1986 übernommene Regelung des § 215 Abs. 2, nach der eine freiverantwortliche und ernstliche Entscheidung nicht nur dann zwingend ausgeschlossen sein soll, wenn die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB vorliegen, sondern ausnahmslos auch bei jugendlichen Suizidenten. Die Festlegung einer solchen starren Altersgrenze wäre deshalb unbefriedigend, weil selbstverständlich auch bei Personen unter 18 Jahren Umstände der Lebenssituation vorliegen können, die den Suizid als nachvollziehbare Reaktion auf diese Umstände, möglicherweise als einzigen Ausweg erscheinen lassen. Wenn die Verfasser selbst - zu Recht - für die straf- und standesrechtliche Zulässigkeit ärztlicher Suizidbeihilfe (in Extremfällen) mit dem Argument plädieren, man müsse in ausweglosen Situationen einen "Weg zur Erlösung des Kranken" finden und Verzweiflungstaten wie einen Sprung aus dem Fenster oder auf Bahngleise verhüten[74], so ist nicht zu sehen, warum man gerade Jugendliche auf den Weg solcher Verzweiflungstaten verweisen sollte. Die bessere Lösung dürfte deshalb sein, darauf abzustellen, ob die Suizidhandlung auf einer altersbedingt defizitären Entscheidungskompetenz des Jugendlichen beruht oder aber eine nachvollziehbare Reaktion auf die Umstände der Situation darstellt.[75]
Die wichtigste Stellungnahme der Verfasser zur aktuellen Diskussion um die rechtlichen Grenzen der Suizidbeteiligung findet sich in dem "Entwurf eines Sterbebegleitungsgesetzes", der den AE-StB ergänzt. Im Unterschied und im bewussten Gegensatz zu den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung[76] wird unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur die strafrechtliche, sondern auch die standesrechtliche Zulässigkeit einer ärztlichen Suizidbeihilfe bejaht (§ 4 Abs. 1). Das ist im Ergebnis wie in der Begründung[77] überzeugend und verdient nachdrückliche Unterstützung. Vorsorglich ist allerdings klarzustellen, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung die standesrechtliche Zulässigkeit ärztlicher Sterbehilfe (unter den engen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1) festschreiben, nicht aber ihre strafrechtliche Zulässigkeit einschränken würde. Strafrechtlich gelten auch für Ärzte die allgemeinen, durch den Grundsatz der Straflosigkeit bloßer Suizidteilnahme festgelegten Grenzen. Ein Sonderstrafrecht für Ärzte kann durch standesrechtliche Regelungen nicht begründet werden. Dass auch bei einem tödlich Kranken die Freiverantwortlichkeit der Selbsttötung nur nach den allgemeinen Kriterien ausgeschlossen sein kann, heben die Verfasser in der vorgeschlagenen Regelung zur Straflosigkeit der Nichthinderung einer Selbsttötung zutreffend hervor (§ 215 Abs. 2 AE-StB).
5. Unterstützung einer Selbsttötung aus Gewinnsucht (§ 215 a AE-StB)
Einer Empfehlung der Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz folgend, sieht der Entwurf die Einführung eines neuen Straftatbestands der "Unterstützung einer Selbsttötung aus Gewinnsucht" vor. Danach soll mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer "die Selbsttötung eines anderen aus Gewinnsucht unterstützt" (§ 215 a AE-StB). Die Bestimmung zielt natürlich auf die Tätigkeit von sogenannten Sterbehilfeorganisationen wie "Dignitas" oder "Exit" und wäre nach dem Willen der Verfasser streng zu handhaben. So soll gemäß der Begründung[78] die Schwelle für die Annahme des Merkmals der Gewinnsucht hier deutlicher niedriger liegen als bei anderen Tatbeständen, etwa dem des Kinderhandels (§ 236 Abs. 4 Nr. 1 StGB). Gewinnsucht sei hier schon dann zu bejahen, wenn unter Ausnutzung der Notlage des Suizidwilligen Geldzahlungen gefordert werden, die über Kosten- und Auslagenersatz sowie eine angemessene Honorierung hinausgehen; nicht erforderlich soll sein, dass eine "überzogen hohe" Forderung gestellt oder Druck auf den Suizidwilligen ausgeübt wird.[79]
Geschütztes Rechtsgut einer solchen Norm könnte natürlich nicht das Leben sein; denn gegen eigenverantwortlich verübte Selbsttötungen (und diese unterstützende Handlungen Dritter) ist das Rechtsgut "Leben" strafrechtlich auch nach Ansicht der Autoren nicht geschützt. Zwar wird in der Begründung der Versuch unternommen, einen Zusammenhang zwischen dem Motiv der Gewinnsucht und der Gefährlichkeit der Tätigkeit der Organisation herzustellen; bei einer aus gewinnsüchtigen Motiven geleisteten Sterbehilfe seitens privater Organisationen bestehe die Gefahr, dass diese "den Patienten ein rasch wirkendes Gift reichen, das eine nachträgliche Rettungshandlung ausschließt".[80] Aber das ist weder in den tatsächlichen noch in den normativen Prämissen überzeugend. Dass eine nicht aus gewinnsüchtigen Motiven handelnde Organisation dem Sterbewilligen ein langsam wirkendes Gift verabreichen wird (mit der Folge einer kurzzeitig fortbestehenden Rettungsmöglichkeit), ist nicht zu erwarten. Denn Grundlage der zwischen dem Sterbewilligen und der Organisation getroffenen Vereinbarung ist der Konsens darüber, dass der Sterbewunsch definitiv, reiflich erwogen und nachvollziehbar ist. In dieser Situation macht es keinen Sinn, dem Sterbewilligen mit der Perspektive einer nachträglichen "Rettung" ein langsam wirkendes Gift zu verabreichen. Und dies entspräche - der normative Aspekt - auch nicht dem klar artikulierten Interesse des Sterbewilligen, der sein Leben beenden und sich nicht aufgedrängten Rettungsmaßnahmen ausgesetzt sehen will.
Welches aber soll dann das Rechtsgut sein, das den Tatbestand zu tragen hätte? Die Verfasser geben auf diese Frage den Bescheid, "Rechtsgut einer solchen Norm wäre ... die Ausnutzung der Notlage eines tödlich kranken Menschen, die bei Gewinnsucht sozialethisch verwerflich ist".[81] Das ist natürlich nicht so gemeint, wie es formuliert ist. Denn selbstverständlich ist die Ausnutzung einer Notlage kein Rechtsgut. Aber dass diese Formulierung misslungen ist, liegt nicht an sprachlichem Ungeschick, sondern an der sachlichen Schwierigkeit, hier ein tragfähiges Rechtsgut namhaft zu machen. Als nachvollziehbarer Grund der vorgeschlagenen Kriminalisierung bleibt deshalb nur die von den Verfassern angesprochene sozialethische Verwerflichkeit der Handlung. Es sollte aber keiner Hervorhebung bedürfen, dass für die Kriminalisierung einer lediglich verwerflichen (also: nicht rechtsgutsverletzenden) Handlung in einem rechtsstaatlichen Strafrecht kein Raum ist.[82]
Das gilt umso mehr, als auch ein möglicher kriminalpolitischer Effekt der neuen Strafvorschrift nicht zu sehen wäre. Nach ihren Satzungen verfolgen Dignitas und Exit keine kommerziellen Zwecke[83], so dass Gewinnsucht in der Regel ausscheiden dürfte. Insoweit stünde zu erwarten, dass die Strafnorm an Stelle der eigentliche Zielgruppe der "professionellen Selbstmordhelfer" den Normalbürger erreichen würde, der sich dann unerträglich ausforschenden Untersuchungen ausgesetzt sehen könnte, wenn sich in seinem Umfeld ein Selbstmord ereignet hat. Ernüchternd ist der Blick ins Ausland. In der Schweiz existiert eine vergleichbare Strafvorschrift (Art. 115 SchweizStGB), deren praktische Bedeutung gering ist.[84] Da auch Art. 115 SchweizStGB selbstsüchtige Beweggründe voraussetzt, gerät Dignitas dort derzeit nicht ins Visier des Strafrechts. In Österreich ist sogar - weitergehend - die schlichte Mitwirkung am Selbstmord strafbar (§ 78 ÖsterStGB). Die Strafvorschrift ist gleichwohl ebenfalls praktisch bedeutungslos, so dass ein führender Kommentator abschließend meint: "Die praktische Zweckhaftigkeit der Strafdrohung ist höchst zweifelhaft ... Die Selbstmordverhütung mit Mitteln des Strafrechts ist praktisch sinnlos."[85]
[1] Mit Gutachten von Torsten Verrel und Referaten von Gian Domenico Borasio, Klaus Kutzer und Wolfgang Putz zum Thema "Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung".
[2] Vgl. Schöch/Verrel, Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung (AE-StB), GA 2005, 553. Der AE-StB bildet die Grundlage der von Verrel in seinem Gutachten für den Juristentag vorgestellten Regelungsvorschläge, siehe Gutachten, 66. DJT 2006, C 11.
[3] Siehe die Grundsätze der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung, NJW 2004, H. 23, S. XXXII f.
[4] Vgl. nur Roxin, in: Roxin/Schroth (Hrsg.), Medizinstrafrecht, 2. Aufl. 2001, S. 93 ff., 116; Antoine, Aktive Sterbehilfe in der Grundrechtsordnung, 2004, S. 29 f.; Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, 2006, S. 28. Der Begriff der Sterbebegleitung entspricht insoweit den Be-griffen der "reinen" oder "echten" Sterbehilfe; vgl. dazu Saliger, KritV 2001, 396 ff.
[5] Vgl. § 214 Abs. 1 AE-StB (dazu unten II.1.).
[6] Vgl. § 215 Abs. 1 Nr. 4 AE-StB (dazu unten II.1.b.).
[7] Saliger, KritV 2001, 395 f. Bemerkenswert ist, dass selbst Verrel den Ausdruck Sterbebegleitung für "beschönigend" hält, Gutachten 66. DJT, 2006, C 9 Fn. 1.
[8] Eine andere Frage ist, ob auch an der Unterscheidung von aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe festgehalten werden sollte. Verrel bezeichnet den Begriff der Sterbehilfe selbst dagegen ohne Begründung als "gleichermaßen unscharf wie emotional besetzt" und sieht deshalb "eine schlechthin unangreifbare Bezeichnung ... nicht in Sicht" (Gutachten 66. DJT, 2006, C 9 Fn. 1).
[9] Alternativentwurf eines Gesetzes über Sterbehilfe (AE-Sterbehilfe), vorgelegt von Jürgen Baumann u.a., 1986.
[10] Gesetzesantrag der Länder Saarland, Thüringen, Hessen v. 27. 3. 2006 (BR-Dr. 230/06) - Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung -, demzufolge die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden soll. Wie hoch das affektive Potential ist, das teilweise die Diskussion bestimmt und offenbar auch offizielle Gesetzesentwürfe steuert, zeigen der Boulevardpresse nachempfundene Formulierungen wie die, es sei angesichts der Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen eine "Einbahnstraße in den Tod binnen 24 Stunden" nicht mehr auszuschließen (S. 5 der Begründung des Gesetzesantrags).
[11] Vgl. etwa Höfling, MedR 2006, 25, 27, 31.
[12] Vgl. etwa das Interview mit der niedersächsischen Justizministerin Heister-Neumann in Die Welt v. 22. 10. 2005; dazu Birkner, ZRP 2006, 52.
[13] Siehe zu dieser Kritik bereits NK-Neumann, Vor § 211 Rn. 100.
[14] AE-StB, S. 560 ff., 573 ff. und 582 ff.
[15] So Verrel, Gutachten 66. DJT, C 9.
[16] Siehe zu dieser Kritik bereits Saliger, ARSP-Beiheft Nr. 75, 2000, S. 134 ff.; Merkel, in: ders./Hegselmann (Hrsg,), Zur Debatte über Euthanasie, 1991, 85 ff. und 90 ff.
[17] Dazu Saliger, KritV 2001, 435 ff. und auch 421 ff.
[18] BGHZ 154, 205, 210; dazu Saliger, MedR 2004, 237; siehe auch AE-StB, S. 561.
[19] AE-StB, S. 562 f., 584.
[20] AE-StB, S. 563.
[21] Näher Saliger, KritV 2001, 419.
[22] AE-StB, S. 562, 572 f.
[23] AE-StB, S. 573.
[24] AE-StB, S. 572 f.; vgl. auch Verrel, Gutachten 66. DJT, 2006, C 99 ff. und BGHZ 154, 205, 224.
[25] AE-StB, S. 573.
[26] Zu den Schwierigkeiten der Begriffsbildung im Bereich der Sterbehilfe, insbesondere in bezug auf den Begriff des Sterbens Saliger, KritV 2001, 382, 400 ff.
[27] Vgl. dazu AE-StB, S. 566.
[28] Siehe AE-StB, S. 561 f.
[29] AE-StB, S. 568 f.
[30] AE-StB, S. 563 ff. (565 ff.).
[31] AE-Sterbehilfe (Fn. 9), S. 6.
[32] BGHSt 40, 257, 263.
[33] BGHZ 154, 205, 217; dazu Saliger, MedR 2004, 237 f.
[34] Siehe etwa Referentenentwurf 3. Betr.ÄndG vom 01.11.2004, S. 3, 12 f.; Bericht der Arbeitsgruppe "Patientenautonomie am Lebensende" vom 10.06.2004, S. 16 ff., 45 ff.; Zwischenbericht Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" vom 13.09.2004, BT-Drucks. 15/3700, S. 17 ff.; Grundsätze der Bundesärztekammer, NJW 2004, H. 23, S. XXXII f.; weitere Nachweise bei NK-Neumann, Vor § 211 Rn. 109 ff.
[35] So insbesondere die Enquete-Kommission, BT-Drucks. 15/3700, S. 38 f., für die Demenz- und Wachkoma-Patienten "außerhalb der Möglichkeiten einer Patientenverfügung" liegen.
[36] AE-StB, S. 567 f.
[37] NK-Neumann, Vor § 211 Rn. 111 mwNw.
[38] Dagegen AE-StB, S. 567.
[39] AE-StB, S. 566.
[40] NK-Neumann, Vor § 211 Rn. 111; ebenso Bundesärztekammer NJW 2004, H. 23, S. XXXII; Referentenentwurf 3. Betr.ÄndG vom 1.11.2004, S. 16 f.; Arbeitsgruppe "Patientenautonomie", S. 16.
[41] AE-StB, S. 564; vgl. auch Verrel, Gutachten 66. DJT, 2006, C 57 ff. (und C 34 ff.), der die neue (alte) primäre Regelungszuständigkeit des Strafrechts für die Sterbehilfe mit Emphase maßgeblich aus den vermeintlich chaotischen Folgen einer selbstbestimmungsfeindlichen Zivilrechtsprechung herleitet.
[42] AE-StB, S. 565.
[43] AE-Sterbehilfe 1986 (Fn. 9), S. 6.
[44] AE-StB, S. 570.
[45] AE-StB, S. 570.
[46] AE-StB, S. 570 f. und 586.
[47] Zur Kritik näher Saliger, MedR 2004, 243 f.
[48] Immerhin will Verrel, Gutachten 66. DJT, 2006, C 97 - weitergehend als der AE-StB - eine Ausnahme vom "Konsensprinzip" auch dann machen, wenn in bezug auf die passive Sterbehilfe keine zureichenden Anhaltspunkte für einen individuellen mutmaßlichen Willen des Betroffenen bestehen.
[49] AE-StB, S. 572.
[50] Insbesondere der Fall Traunstein, OLG München, NJW 2003, 1744. Der Fall der Zeugen Jehovas ist vom Bundesverfassungsgericht entschieden worden, BVerfG NJW 2002, 206.
[51] NJW 1998, 2747 mit Anm. Saliger, JuS 1999, 16.
[52] BGHZ 154, 205; dazu näher Saliger, MedR 2004, 237.
[53] AE-StB, S. 575 f.
[54] AE-StB, S. 576 ff., 586.
[55] Vgl. auch die Würdigung von Merkel, FS für Schroeder, 2006, 297, 320 f.
[56] Dazu sogleich unten II. 3.
[57] Für diese Fälle sah § 216 Abs. 2 des AE-Sterbehilfe (1986) die Möglichkeit vor, von Strafe abzusehen.
[58] AE-StB, S. 553.
[59] Kritisch zur Argumentation des AE-StB in diesem Punkt Merkel, FS für Schroeder, 2006, S. 297 unter Hinweis auf die einseitige Auswahl des wissenschaftlichen Schrifttums zur aktuellen Situation in Holland durch die Autoren (S. 321 m. Anm. 87).
[60] Ausf. dazu NK-Neumann, Vor § 211 Rn. 128; ebenso Merkel, FS für Schroeder, S. 321.
[61] Vgl. etwa S. 578, 583. Krit. zu diesem Missbrauch des Missbrauchsarguments Merkel, FS für Schroeder, sowie Lüderssen, JZ 2006, S. 689, 692.
[62] Zuletzt in seinem Beitrag in der Schroeder-FS, S. 308ff.
[63] Dazu NK-Neumann, Vor § 211 Rn. 28.
[64] Ebenso Merkel, FS für Schroeder, S. 321.
[65] Für eine solche Lösung nachdrücklich Lüderssen, JZ 2006, 689, 694 mit einem entsprechenden Gesetzesvorschlag zur Neugestaltung des § 216 StGB.
[66] AE-Sterbehilfe (Anm. 9), S. 30.
[67] AE-StB, S. 579.
[68] AE-StB, S. 579 f.
[69] Zur Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 323 c StGB in diesen Fällen NK-Neumann Vor § 211 Rn. 79.
[70] Nicht ganz spannungsfrei ist hier allerdings die Doppelformel der "ausdrücklich erklärten oder aus den Umständen erkennbaren" ernstlichen Entscheidung, weil hinsichtlich der Ernstlichkeit der Entscheidung die ausdrückliche Erklärung kein zuverlässiges Kriterium ist.
[71] AE-StB, S. 579.
[72] AE-Sterbehilfe (Anm. 9), S. 21f.
[73] AE-StB, S. 580.
[74] AE-StB, S. 581.
[75] Naher dazu NK-Neumann, Vor § 211 Rn. 63.
[76] NJW 2004, H. 23, S. XXXII.
[77] AE-StB, S. 580 f.
[78] AE-StB, S. 582.
[79] AE-StB, S. 582.
[80] AE-StB, S. 582.
[81] AE-StB, S. 582.
[82] Das gilt a fortiori für den in dem Gesetzentwurf der Länder Saarland, Thüringen und Hessen formulierten (Anm. 10) formulierten Straftatbestand der Geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Soweit ein eigenverantwortlicher Suizid vorliegt, kommt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Gehilfen aus zwingenden Gründen der Struktur strafrechtlicher Verantwortlichkeit nicht in Betracht - gleichgültig, ob diese Hilfe individuell oder "geschäftsmäßig" geleistet wird. Die Auskunft der Verfasser, es handele sich um eine zur Täterschaft verselbständigte Suizidbeihilfe (Entwurfsbegründung S. 4), lässt die Frage unbeantwortet, wie eine wegen der Alleinverantwortlichkeit des "Opfers" dem Dritten strafrechtlich als Beihilfehandlung nicht zurechenbare Hilfeleistung diesem als Täterschaft zurechenbar sein könnte (um Fragen der Akzessorietät im technischen Sinne geht es hier natürlich nicht). Im übrigen dürfte die Ansicht der Gesetzesverfasser, zufolge dem Entwurf blieben "alle nach bisherigem Recht zulässigen ärztlichen Handlungsweisen im Bereich der Sterbehilfe auch weiterhin straflos" (a.a.O. S. 5), unzutreffend sein, soweit es um die im Rahmen palliativmedizinischer Einrichtungen gewährte Suizidbeihilfe geht, da nicht zu sehen ist, mit welchem Argument man hier ein geschäftsmäßiges Handeln verneinen könnte. Auf Seite 4 der Begründung ist denn auch lediglich davon die Rede, dass die individuelle Hilfe beim Sterben, die "durch Angehörige von Heilberufen im Rahmen medizinischer Behandlung geleistet wird", wie bisher straflos bleibe.
[83] Art. 2 Abs. 5 Statuten Dignitas von 2004 und Art. 1 Satz 2 Statuten Exit von 2005.
[84] Siehe dazu Schubarth, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, BT/1, 1982, Art. 115.
[85] Moos, in: Wiener Kommentar zum StGB, 2002, § 78 Rn. 5.