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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 233

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 488/23, Beschluss v. 23.10.2024, HRRS 2025 Nr. 233


BGH 4 StR 488/23 - Beschluss vom 23. Oktober 2024 (LG Halle)

Besitz von Betäubungsmitteln (Cannabis); Schuldspruch (gemeinschaftliche Begehung; vorsätzliche Begehung); psychiatrisches Sachverständigengutachten (Beweisantrag; Aufklärungsrüge: Anknüpfungstatsachen für psychische Erkrankung, Sachkunde des Tatgerichts); Inbegriffsrüge (Rekonstruktionsverbot); Vorsatz (Anstiftervorsatz; Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf: Brandstiftung; error in obiecto des Angestifteten; omnimodo facturus: erneute Anstiftung nach Erkennen des Identitätsirrtums).

§ 16 StGB; § 26 StGB; § 306 StGB; § 3 KCanG; § 244 StPO; § 261 StPO; § 267 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Erliegt ein Täter bei der Bestimmung des angegriffenen Tatobjektes einem Identitätsirrtum, ist dies für ihn unbeachtlich, wenn die Tatobjekte tatbestandlich gleichwertig sind. Denn zum gesetzlichen Tatbestand gehören nur die tatbestandlichen Voraussetzungen und gerade nicht die Identität des Handlungsobjekts.

2. Gleiches gilt in eingeschränktem Umfang auch für den Anstifter. Ein Irrtum des Haupttäters bei der Zuordnung des Tatobjektes ist danach auch für ihn ohne Bedeutung, wenn sich die daraus ergebende Abweichung von dem geplanten Tatgeschehen in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält, sodass eine andere Bewertung der Tat nicht gerechtfertigt ist.

3. Zwar kann ein zu einer konkreten Tat fest Entschlossener nicht mehr zu ihr bestimmt werden, weil es insoweit an der erforderlichen Kausalität der Anstiftungshandlung fehlt (sog. omnimodo facturus). Bis zum Tatentschluss bleibt jedoch ein Bestimmen zu einer konkreten Tat selbst dann noch möglich, wenn der Haupttäter bereits allgemein zu derartigen Taten bereit war und diese Bereitschaft auch aufgezeigt oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hat.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 31. Mai 2023

a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen III. 1 und III. 9 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Fall III. 1 der Urteilsgründe wird der Angeklagte freigesprochen; im Fall III. 9 der Urteilsgründe wird das Verfahren eingestellt;

b) abgeändert

aa) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte wegen Brandstiftung, Anstiftung zur Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung, Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung, Anstiftung zur schweren Brandstiftung, versuchter räuberischer Erpressung, verbotenen Kraftfahrzeugrennens jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Amtsanmaßung sowie wegen Bedrohung schuldig ist,

bb) im Ausspruch über die Einziehung dahin, dass die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien (Ziffer 1-12 und 14-15 des Sicherstellungsprotokolls vom 09.02.2021, Bl. 12-14 FA „BtM-Handel am 09.02.2021“, Ziffer 1.1 und 1.3 des Sicherstellungsprotokolls vom 09.06.2021, Bl. 95 Bd. I d.A., Ziffer 5.1.1-5.1.18 und 5.1.21-5.1.22 des Sicherstellungsprotokolls vom 09.06.2021, Bl. 7-11 SH „Kopie 530 Js “) und der Mobiltelefone des Angeklagten gemäß Ziffer 1.6 und 1.7 des Sicherstellungsprotokolls vom 09.06.2021, Bd. I Bl. 95 d.A., entfällt.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Soweit der Angeklagte freigesprochen und das Verfahren eingestellt worden ist, fallen die Kosten des Verfahrens und die ihm entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „vorsätzlicher“ Brandstiftung, Anstiftung zur „vorsätzlichen“ Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung, Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung, Anstiftung zur schweren Brandstiftung, „gemeinschaftlicher“ versuchter räuberischer Erpressung, „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln, Besitzes von Betäubungsmitteln, wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit „vorsätzlichem“ Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Amtsanmaßung sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von zehn Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung von Tatmitteln und Tatobjekten sowie die erweiterte Einziehung von Taterträgen angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Verurteilungen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln im Fall III. 1 der Urteilsgründe und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln im Fall III. 9 der Urteilsgründe haben keinen Bestand.

a) Im Fall III. 1 der Urteilsgründe ist der Angeklagte gemäß § 354 Abs. 1, § 354a StPO freizusprechen.

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen verwahrte der Angeklagte in der von ihm mitgenutzten Wohnung 37,81 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Dies ist nach dem am 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG, BGBl. I Nr. 109), das der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO anzuwenden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2024 - 4 StR 72/24 Rn. 2), nicht mehr strafbar. Denn der Angeklagte übte danach an seinem damaligen gewöhnlichen Aufenthaltsort i.S.v. § 1 Nr. 17 KCanG die tatsächliche Sachherrschaft lediglich über eine die Erlaubnisgrenzen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 KCanG nicht überschreitende Menge Cannabis aus (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2024 - 6 StR 117/24 Rn. 8).

b) Im Fall III. 9 der Urteilsgründe hat der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt.

2. Der Freispruch im Fall III. 1 der Urteilsgründe und die Einstellung im Fall III. 9 der Urteilsgründe ziehen die Änderung des Schuldspruchs nach sich. Die Bezeichnung der Tat der versuchten räuberischen Erpressung als „gemeinschaftlich“ begangen ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2023 - 1 StR 127/23 Rn. 5; Beschluss vom 6. Juni 2018 - 4 StR 97/18 Rn. 8; Beschluss vom 23. September 2014 - 2 StR 146/14 Rn. 2). Auch der Umstand, dass eine Tat vorsätzlich verwirklicht wurde, braucht regelmäßig nicht in den Schuldspruch aufgenommen zu werden, sondern es bedarf nur der besonderen Kennzeichnung der Fahrlässigkeit, was vorliegend aber nicht der Fall ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2024 - 4 StR 203/24 Rn. 6; Beschluss vom 13. Juni 2023 - 3 StR 120/23 Rn. 17 mwN).

3. Die Anordnung der Einziehung von Tatmitteln und Tatobjekten hält rechtlicher Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.

a) Der Ausspruch über die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien sowie des Mobiltelefons des Angeklagten, das als Tatmittel im Fall III. 9 der Urteilsgründe Verwendung gefunden haben soll (Ziffer 1.7 des Sicherstellungsprotokolls vom 09.06.2021), hat schon wegen des Freispruchs und der Teileinstellung keinen Bestand.

b) Soweit das Landgericht die Einziehung des „iPhones weiß“ (Ziffer 1.6 des Sicherstellungsprotokolls vom 09.06.2021) angeordnet hat, handelt es sich - wie in den Urteilsgründen ausgeführt - um ein Versehen, weshalb diese Anordnung zu entfallen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2024 - 3 StR 261/24 Rn. 13 f.).

4. Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des Urteils auf die Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Lediglich die Verurteilung wegen Anstiftung zur „vorsätzlichen“ Brandstiftung in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung, Anstiftung zur versuchten schweren Brandstiftung und Anstiftung zur schweren Brandstiftung in den Fällen III. 6 bis 8 der Urteilsgründe bedarf dabei näherer Erörterung.

a) Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

Nachdem der Angeklagte Ende April 2021 zwei den Familienangehörigen des Nebenklägers H. gehörende und auf der Straße vor dem Anwesen der Familie in Ha. geparkte Fahrzeuge in Brand gesetzt hatte (Fall III. 2 der Urteilsgründe), entschloss er sich, dem Nebenkläger einen „richtigen Denkzettel zu verpassen“. Auslöser hierfür war der Verdacht des Angeklagten, dass der Nebenkläger ihn bei der Polizei denunziert habe. Auch eine deswegen geltend gemachte Geldforderung hatte der Nebenkläger nicht erfüllt. In Umsetzung seines Tatentschlusses forderte der Angeklagte den Zeugen B., den er aus einer gemeinsamen Haftzeit kannte, auf, mit weiteren Personen die Garage auf dem Grundstück der Familie des Nebenklägers in Brand zu setzen. Wegen des Entdeckungsrisikos wollte der Angeklagte die Tat nicht selbst ausführen. Der Zeuge B., der den Nebenkläger nicht kannte, erklärte sich hierzu bereit. Zur Umsetzung des Vorhabens zeigte der Angeklagte dem Zeugen auf einer Autofahrt bei Dunkelheit aus dem fahrenden Auto heraus „für einen kurzen Augenblick“ den am D. platz 10 auf einem Eckgrundstück gelegenen Vierseitenhof der Familie des Nebenklägers. Das Anwesen bestand aus zwei durch eine Toreinfahrt getrennten Wohnhäusern und einem sich linksseitig daran anschließenden L-förmigen Scheunenkomplex. Der Angeklagte nannte dem Zeugen die genaue Anschrift und schickte diese zudem als Bildschirmfoto an ihn, wobei er „D. pl. 3“ angab. Auftragsgemäß begab sich der Zeuge B. mit zwei weiteren Personen in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2021 nach Ha. Wegen der übermittelten falschen Anschrift lotste sie der Online-Kartendienst Google Maps jedoch zu der 500 m vom angestrebten Tatobjekt entfernten Do. 3. Dort begaben sich der Zeuge B. und seine Komplizen zu dem mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstück Do. 3a der Familie He. In der irrtümlichen Annahme, dass es sich um das Grundstück der Familie des Nebenklägers handelt, vergossen sie zur Umsetzung des Tatplans eine brennbare Flüssigkeit in der circa 3 m neben dem Wohnhaus befindlichen Garage, am Garagentor sowie zwischen Garage und Wohnhaus, zündeten diese an und entfernten sich. Der anwesende Hauseigentümer wurde jedoch zufällig auf die Brandlegung aufmerksam und löschte das Feuer, wobei das Garagentor bereits selbstständig gebrannt hatte (Fall III. 6 der Urteilsgründe).

Am folgenden Tag begab sich der Angeklagte zum anvisierten Grundstück der Familie des Nebenklägers und stellte fest, dass sein Auftrag - entgegen der nach Tatausführung erfolgten persönlichen Mitteilung des Zeugen B. - nicht ausgeführt worden war. Er forderte den Zeugen B. daraufhin auf, am gleichen Abend nochmals die Garage „in Angriff zu nehmen“. Daraufhin suchten dieser und seine Komplizen am frühen Morgen des 1. Juni 2021 erneut - irrtumsbedingt - das Grundstück Do. 3a der Familie He. auf. Sie legten nach demselben Modus wie zuvor ein Feuer in der Garage, um den Auftrag des Angeklagten nunmehr zu erfüllen. Der wegen des ersten Brandgeschehens sensibilisierte Hauseigentümer wurde hierauf zeitnah aufmerksam und konnte den Brand löschen, bevor dieser auf wesentliche Teile der Garage oder die dort abgestellten Fahrzeuge übergriff (Fall III. 7 der Urteilsgründe).

Ohne dessen schnelle Reaktion hätte sich das Feuer in beiden Fällen zu einem Vollbrand ausgebreitet und auch auf das Wohnhaus übergegriffen, was die Haupttäter wussten und wollten.

Auf die dem Angeklagten über ein soziales Netzwerk zugegangene Nachricht des Zeuge B., dass „es vollbracht sei“, begab sich jener erneut zum Grundstück der Familie des Nebenklägers und stellte fest, dass dort wiederum kein Brand gelegt worden war. Daraufhin zeigte ihm der Zeuge B. bei einer Autofahrt das tatsächlich aufgesuchte Grundstück Do. 3a und der Irrtum klärte sich auf. Der Angeklagte versetzte dem Zeugen eine Ohrfeige, fuhr mit ihm erneut zum Anwesen der Familie des Nebenklägers am D. platz 10 und forderte ihn auf, genau „dieses Haus“ anzuzünden. Auftragsgemäß suchten der Zeuge B. und seine Tatbeteiligten in der darauffolgenden Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2021 nunmehr das zutreffende Grundstück auf. Sie schlichen sich in den als Garage genutzten Scheunenteil, übergossen die abgestellten Fahrzeuge mit einer brennbaren Flüssigkeit, zündeten diese an und flüchteten. Der daraufhin entstandene Brand zerstörte den gesamten Scheunenkomplex einschließlich der darin befindlichen Fahrzeuge und Landmaschinen sowie die über der Garage befindlichen Wohnräume der Familie He., was die Haupttäter wie auch der Angeklagte wussten und wollten. Es entstand ein Sachschaden von 1,6 Millionen Euro (Fall III. 8 der Urteilsgründe).

b) Die auf die Verurteilung in diesen Fällen bezogenen Verfahrensrügen des Angeklagten bleiben ohne Erfolg.

aa) Die Beanstandung der Ablehnung des Beweisantrags vom 20. Februar 2023, der durch Einvernahme benannter Zeugen Anknüpfungstatsachen für eine die Aussagetüchtigkeit tangierende psychiatrische Erkrankung des Belastungszeugen B. erbringen sollte, wegen Bedeutungslosigkeit (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2, Abs. 6 StPO) versagt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen. Gleiches gilt für die Rüge eines Verstoßes gegen § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO, Art. 6 Abs. 1 EMRK.

bb) Die Rüge der fehlerhaften Behandlung des Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens für den Zeugen B. wegen eigener Sachkunde (§ 244 Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 StPO) ist bereits nicht zulässig erhoben. Sie genügt nicht den Begründungsanforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Diese Vorschrift verlangt eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen, dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2021 ? 4 StR 103/21 Rn. 4; Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 78/14 Rn. 7 mwN). Hiernach müssen für den Revisionsvortrag bei Beweisantragsrügen in der Regel der Inhalt des Antrags (Beweistatsache und Beweismittel) nebst Begründung und darin in Bezug genommener Aktenbestandteile sowie des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses einschließlich der darin in Bezug genommenen Aktenteile vorgelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21 Rn. 4).

Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat in seinem Ablehnungsbeschluss vom 5. Mai 2023 in den Gründen auf seine „Beweisbeschlüsse“ vom 5. April 2023 sowie vom „heutigen Tag“ Bezug genommen, wobei es an diesem Tag insgesamt 15 Beschlüsse verkündet hat, von denen lediglich zwei vorgelegt worden sind, ohne den Inhalt der weiteren Beschlüsse zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach mitzuteilen. Darauf, ob der Senat den Beschlüssen in Kenntnis ihres Inhalts letztlich entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hätte, kommt es für die Zulässigkeit der Rüge bei dieser Sachlage nicht an (vgl. BGH, aaO Rn. 5 mwN).

cc) Die geltend gemachte Beanstandung einer Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) wegen der durch die Jugendkammer unterlassenen Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens für den Belastungszeugen B. dringt ebenfalls nicht durch. Eine Aufklärungsrüge ist nur dann begründet, wenn das Tatgericht es verabsäumt hat, eine bestimmte Beweistatsache unter Benutzung eines bestimmten Beweismittels aufzuklären, obwohl sich ihm die unterbliebene Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2004 - 5 StR 364/03 Rn. 9). Das ist vorliegend nicht der Fall.

(1) Die Jugendkammer musste sich aufgrund der im Beweisantrag vom 3. Mai 2023 mitgeteilten Einschätzungen des Angeklagten und von Mitgefangenen, wonach der Zeuge B. in der Justizvollzugsanstalt in erheblicher Weise psychisch auffällig gewesen sei und sich dort mehrfach selbst verletzt habe, nicht zur Aufklärung einer durch die Revision behaupteten Borderline-Erkrankung des Zeugen mit Halluzinationen und pathologischen Denkstörungen veranlasst sehen. Zwar zählt psychiatrisches Fachwissen nicht zu den allgemeinen Kenntnissen eines Richters. Das Tatgericht ist aber im Regelfall aus eigener Sachkunde in der Lage zu beurteilen, ob überhaupt Anknüpfungstatsachen vorliegen, die auf das Bestehen einer psychiatrischen Erkrankung hindeuten (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2024 - 2 StR 44/24 Rn. 18 mwN). Gemessen daran ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht zu besorgen. Die Jugendkammer hat sich einen belastbaren persönlichen Eindruck vom Zeugen B. verschafft. Sie hat ihn an drei Hauptverhandlungstagen über mehrere Stunden hinweg vernommen. Zudem hat sie weitere berufsbedingt erfahrene Vernehmungspersonen zu vorangegangenen Befragungen des Zeugen B. zu den verfahrensgegenständlichen Bandstiftungen angehört und im Ergebnis das Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für eine psychiatrische Erkrankung verneint.

(2) Die Revision trägt im Weiteren keine Tatsachen vor, aus denen die Jugendkammer sich zur Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens hätte veranlasst sehen müssen, soweit es sich bei dem Belastungszeugen B. um einen pathologischen Lügner handeln soll.

Der Angeklagte benennt in den in Bezug genommenen Anträgen vom 20. Februar 2023 und vom 3. Mai 2023 schon keine Anknüpfungstatsachen, die ernsthaft auf ein dahingehendes psychiatrisches Störungsbild hindeuten. Hinsichtlich des Antrags vom 20. Februar 2023 hat die Jugendkammer bereits in ihrem Beschluss vom 5. April 2023 rechtsfehlerfrei die Relevanz der Angaben des Zeugen B. zu vermeintlichen Geschehnissen während seiner Inhaftierung in den Jahren 2018 bis 2020 für das Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung verneint (siehe oben Ziff. 4 Buchst. b) aa)). Dass zwei Mitgefangene - wie im Antrag vom 3. Mai 2023 mitgeteilt - das Verhalten des Zeugen B. während gemeinsamer Haftzeiten für „merkwürdig“ halten, genügt dafür ebenso wenig wie der in der Haft geäußerte Wunsch des Zeugen B., „Auftragskiller“ werden zu wollen.

dd) Die Inbegriffsrüge (§ 261 StPO) greift ebenfalls nicht durch. Die Revision beanstandet, dass der Inhalt des richterlichen Vernehmungsprotokolls des Zeugen B. in dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt wird und damit bei der Frage, wann der Angeklagte den Zeugen zur Brandlegung angestiftet haben soll, nicht berücksichtigt worden sei.

Das Vorbringen bleibt ohne Erfolg. Der Senat kann diesem wegen des Rekonstruktionsverbotes nicht nachgehen. Ob der Inhalt des lediglich ergänzend zur Vernehmung des Ermittlungsrichters S. verlesenen Protokolls erörterungspflichtig war (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16. Mai 2024 - 3 StR 112/23 Rn. 59 mwN), hängt maßgeblich von dessen Zeugenaussage als auch von den Angaben des Zeugen B. sowie der Telekommunikation zwischen ihm und dem Angeklagten ab, deren Inhalt für den Senat wegen des im Revisionsverfahren geltenden Verbots der Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweisaufnahme nicht feststellbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2017 - 4 StR 406/16; Beschluss vom 25. September 2013 - 4 StR 316/13 mwN). Gleiches gilt für die verlesene rechtskräftige Entscheidung gegen den Zeugen B., soweit diese in der im Urteil dargestellten Beweiswürdigung zum Anstiftungszeitpunkt unerwähnt geblieben ist.

c) Die Verurteilung des Angeklagten wegen dreifacher Anstiftung in den Fällen III. 6 bis III. 8 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.

aa) Die Jugendkammer ist in den Fällen III. 6 und III. 7 der Urteilsgründe zutreffend davon ausgegangen, dass das von dem Angeklagten ausgelöste tatsächliche Geschehen von seinem festgestellten Anstiftervorsatz in rechtlicher Hinsicht umfasst war. Die Verwechslung des Gebäudes durch die Angestifteten stellt sich dabei auch für den Angeklagten nur als ein unbeachtlicher Irrtum über die Identität des Angriffsobjekts dar (error in objecto). Denn der tatsächliche Geschehensablauf hielt sich im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren.

(1) Dass der Angeklagte bezüglich des von ihm angestrebten Tatobjekts einen Brandverlauf (Brandlegung in oder an der Garage, Übergriff des Feuers auf Wohngebäude) vor Augen hatte, wie er sich in den Fällen III. 6 und III. 7 der Urteilsgründe tatsächlich abgezeichnet hat, wobei bedingter Vorsatz ausreicht (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2013 - 4 StR 90/13 Rn. 5; Urteil vom 18. April 1952 ? 1 StR 871/51, BGHSt 2, 279, 281 mwN), ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen. Danach hatte der Angeklagte zwar keine konkreten Kenntnisse der baulichen Gegebenheiten auf dem Vierseitenhof, wie der „Verbauung“ von Brandmauern zwischen den Gebäudeteilen. Jedoch kannte er die Örtlichkeit von der Straßenseite her. Denn nach den belegten Feststellungen hatte er zuvor die vor dem Grundstück der Familie H. auf dem Gehweg geparkten Fahrzeuge in Brand gesetzt und dem Zeugen B. das Anwesen zur Vorbereitung der Tatbegehung gezeigt sowie diesem gegenüber die Urlaubsabwesenheit der Familie des Nebenklägers als tatbegünstigenden Umstand erwähnt. Ferner lag - ungeachtet der äußerlich nicht erkennbaren baulichen Abgrenzung bzw. Verbindung der Wohn- und Nebengebäude - nach den durch die Jugendkammer in Bezug genommenen Lichtbildern des Vierseitenhofs die Möglichkeit des Übergreifens der beabsichtigten Brandlegung in der Garage auf die Wohnräumlichkeiten wegen der sich bereits straßenseitig erschließenden zusammenhängenden Hofbebauung auf der Hand.

(2) Dass der Brandangriff der Haupttäter dabei an einem falschen Objekt erfolgte, steht der Zurechnung nicht entgegen.

(a) Erliegt ein Täter - wie vorliegend der Zeuge B. - bei der Bestimmung des angegriffenen Tatobjektes einem Identitätsirrtum, ist dies für ihn unbeachtlich, wenn die Tatobjekte tatbestandlich gleichwertig sind. Denn zum gesetzlichen Tatbestand gehören nur die tatbestandlichen Voraussetzungen und gerade nicht die Identität des Handlungsobjekts (vgl. BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 Rn. 11; Urteil vom 7. Oktober 1997 - 1 StR 635/96, NStZ 1998, 294, 295; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 16 Rn. 8; Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 15 Rn. 59; Puppe in NK-StGB, 6. Aufl., § 16 Rn. 93; Kudlich in BeckOK-StGB, 63. Ed., § 16 Rn. 6; Kulhanek in MüKoStGB, 5. Aufl., § 16 Rn. 114). Gleiches gilt in eingeschränktem Umfang auch für den Anstifter. Ein Irrtum des Haupttäters bei der Zuordnung des Tatobjektes ist danach auch für ihn ohne Bedeutung, wenn sich die daraus ergebende Abweichung von dem geplanten Tatgeschehen in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält, sodass eine andere Bewertung der Tat nicht gerechtfertigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1997 - 1 StR 635/96, NStZ 1998, 294, 295; Urteil vom 25. Oktober 1990 - 4 StR 371/90, BGHSt 37, 214, 218; siehe auch BGH, Urteil vom 1. August 2018 - 3 StR 651/17, NStZ 2019, 511 Rn. 54 ff.; Urteil vom 23. Januar 1958 - 4 StR 613/57, BGHSt 11, 268, 270 ff. [jew. zur Mittäterschaft]; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 26 Rn. 14a; Murmann in: SSW-StGB, 6. Aufl., § 26 Rn. 18; Jakobs, Strafrecht AT, 21. Abschn. Rn. 45; Puppe NStZ 1991, 124; weitere Nachweise aus der Literatur bei Schünemann/Greco in LK-StGB, 13. Aufl., § 26 Rn. 87 mit Fn. 186; Scheinfeld in MüKoStGB, 5. Aufl., § 26 Rn. 87 ff. mit Fn. 193 - 195; a.A. Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. III, S. 213 ff.; Schünemann/Greco in LK-StGB, 13. Aufl., § 26 Rn. 88 ff. mwN).

(b) Eine rechtliche Gleichwertigkeit der Handlungsobjekte ist vorliegend gegeben. Das geplante Tatgeschehen bezog sich auf die Brandlegung in einer Garage auf einem gemischtgenutzten, auch zu Wohnzwecken dienenden Vierseitenhof. Der Angriff der Haupttäter in den Fällen III. 6 und III. 7 der Urteilsgründe richtete sich (irrtumsbedingt) gegen eine Garage i.S.v. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Inkaufnahme des Übergreifens des Brandes auf ein Wohnhaus, das § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB unterfällt.

(c) Auch lag der Identitätsirrtum des Haupttäters nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung. Der Angeklagte hat das Geschehen bewusst aus der Hand gegeben. Angesichts der von ihm selbst gesetzten Umstände zur Individualisierung des Tatobjekts, namentlich der lediglich kurzen Vorbeifahrt mit dem Angestifteten bei Dunkelheit und der Übermittlung einer falschen Anschrift, bestand durchaus das ihm zuzurechnende Risiko der Verwechslung. Die im Ergebnis fehlerhafte Umsetzung der Anweisungen des Angeklagten durch den Zeugen B. und seine Tatgenossen beruhte somit letztlich auf einer „situationsangemessenen Wahrnehmung“. Dies muss der Angeklagte gegen sich gelten lassen (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2018 - 3 StR 651/17, NStZ 2019, 511 Rn. 54 ff. mwN).

bb) Das Landgericht ist in den Fällen III. 6 bis III. 8 der Urteilsgründe auch rechtsfehlerfrei von drei tatmehrheitlich begangenen Anstiftungshandlungen des Angeklagten ausgegangen.

Einer erneuten strafbewehrten Anstiftung in den Fällen III. 7 und III. 8 der Urteilsgründe stand nicht die bereits bei der vorangegangenen Tat (Fall III. 6 der Urteilsgründe) erklärte Bereitschaft des Angestifteten und seiner Komplizen zur Begehung einer Brandstiftung entgegen. Zwar kann ein zu einer konkreten Tat fest Entschlossener nicht mehr zu ihr bestimmt werden, weil es insoweit an der erforderlichen Kausalität der Anstiftungshandlung fehlt (sog. omnimodo facturus). Bis zum Tatentschluss bleibt jedoch ein Bestimmen zu einer konkreten Tat selbst dann noch möglich, wenn der Haupttäter bereits allgemein zu derartigen Taten bereit war und diese Bereitschaft auch aufgezeigt oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 - 3 StR 84/21 Rn. 13 mwN; Urteil vom 7. Februar 2017 - 1 StR 231/16 Rn. 24 mwN).

Demgemäß ist nach den belegten Feststellungen von einer Strafbarkeit des Angeklagten wegen dreifacher Anstiftung auszugehen. Die Haupttäter waren nach den beiden Tatbegehungen, die sich irrtümlich auf das falsche Objekt bezogen, jeweils davon ausgegangen, dass sie den vom Angeklagten erteilten Auftrag erfüllt hatten, was der Zeuge B. diesem nach der ersten Brandlegung (Fall III. 6 der Urteilsgründe) bei einem persönlichen Treffen und nach der zweiten (Fall III. 7 der Urteilsgründe) über ein soziales Netzwerk („es ist vollbracht“) mitteilte. Danach bestand aus Sicht der Haupttäter kein Anlass für eine weitere Tatverwirklichung mehr. Vielmehr bedurfte es nach den Feststellungen jeweils eines erneuten Bestimmens durch verbale Willensbeeinflussung gegenüber dem Zeugen B. - vor der Tat im Fall III. 8 der Urteilsgründe sogar mittels einer körperlichen Einwirkung -, um ihn und seine Komplizen zu einer erneuten Tatbegehung zu bewegen. Auch die den einzelnen Anstiftungshandlungen zugrundeliegende identische Motivlage des Angeklagten und dessen „Aufrechterhaltung des Auftrags“ führt nicht zur Bewertung als ein einheitliches Geschehen i.S.d. § 52 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2024 - 2 StR 50/24 Rn. 10 mwN).

5. Der Freispruch im Fall III. 1 der Urteilsgründe und die Verfahrenseinstellung im Fall III. 9 der Urteilsgründe, die daraus resultierende Änderung des Schuldspruchs und der Wegfall der in den vorgenannten Fällen verhängten Einzeltrafen lassen den Gesamtstrafenausspruch unberührt.

Die Gesamtstrafe von zehn Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe bleibt hiervon unberührt und kann bestehen bleiben. Der für die Bildung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB maßgebliche Strafrahmen verändert sich nicht. Denn der Wegfall der beiden Einzelstrafen von zwei Jahren und neun Monaten sowie von sechs Monaten Freiheitsstrafe tangiert weder die Einsatzstrafe von acht Jahren Freiheitsstrafe im Fall III. 8 der Urteilsgründe noch die Strafobergrenze von 15 Jahren Freiheitsstrafe. Angesichts dessen und der verbleibenden weiteren sechs Einzelstrafen zwischen sechs Monaten bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe, darunter drei mehrjährige Freiheitsstrafen, kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467, § 473 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 StPO. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten - nach der teilweisen Verfahrenseinstellung und dem Teilfreispruch verbleibenden - durch sein Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen zu belasten.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 233

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede